Vanadiumpentoxid hat geschrieben: ↑Donnerstag 15. Juli 2021, 01:41
Glycerin käme nur zum Tragen, wenn man die Gallussäure vorher separat zum Pyrogallol aufarbeitet. Schon danach müsste es wieder entfernt werden (nochmals: wie an dieser Stelle?),
ohne das jetzt im Detail geprüft zu haben - aber dass man Lösemittel, Kats etc. in der Aufarbeitung entfernt ist Standard. Vermutlich wird man dazu die unterschiedlichen Löslichkeiten ausnutzen, zB mit Wasser wo das Glycerin drin bleibt und dann nach Ansäuern ausschütteln des Phenols mit Ether odgl. Habe ich mir noch nicht überlegt. Vermutlich ist es aber präparativ einfacher auf Glycerin zu verzichten und im Zuge der Decarboxylierung das Produkt einfach herauszusublimieren. Warum / wie setzt es deine Vorschrift ein?
denn sonst bildet es in der Reaktionsmischung mit dem dort ebenfalls entstehenden Phthalsäureanhydrid ein Alkydharz ... Es kommt also nur eine glycerinfreie Umsetzung in Frage, sonst wird das definitiv ein Fehlschlag.
da hast du recht, das hatte ich in der Begeisterung ganz vom Radar
damit fällt die Option mal aus.
Keine guten Voraussetzungen für ein quantitatives Ergebnis - vieles spricht dafür, dass es entweder bei einer zweistufigen oder bei besagter Reagenzglas-Synthese in Spuren bleibt...
Da bin ich nicht so pessimistisch. Vergiss nie:
Alles ist ein Gleichgewicht!
In der Anorganik und vor allem bei Demonstrationsversuchen geht vieles so instantan und so quantitativ dass man versucht ist, etwas mehr in schwarz-weiß zu denken. Linke oder rechte Seite des Reaktionspfeils, passiert oder nicht. In der Organik arbeitet man hingegen sehr oft mit Grenzformen von Molekülen (zB Tautomere, Mesomere) die im Gleichgewicht allenfalls ein paar 10tel% wenn überhaupt ausmachen und oft eher hypothetisch denn praktisch isolierbar sind. Wo man zB überall erfolgreich "acide H" ausnutzt, das sind oft Moleküle die einen pKa von gut jenseits der 14 hätten und die man im Reagenzglas definitiv nicht als "Säure" betrachtet hätte. Das gibt viele Chancen, aber es bringt meist mit sich dass Dinge lange dauern.
Bezogen auf die Decarboxylierung von Gallussäure: auch das ist ein Gleichgewicht. Gallussäure <-> Pyrogallol + CO2. Die Reaktion von links nach rechts ist die Decarboxylierung, auch die von rechts nach links setzt man praktisch ein - das wäre eine
Kolbe-Schmitt-Reaktion. Beliebtes Praktikums-Präparat auf dem Weg:
Resorcylsäure. Das bedeutet: um tatsächlich quantitativ nach rechts zu kommen, muss man entweder sehr rigorose Reaktionsbedingungen einsetzen (Zersetzungstemperatur 253 °C) oder dafür sorgen, dass Produkte aus dem GG verschwinden. In dem Fall reicht alleine das Ausgasen von CO
2 noch nicht für Verschwinden, da die Rückreaktion viel zu leicht erfolgen kann. Aber schon die Reaktion mit Phthalsäureanhydrid könnte da genügen da sie ständig Pyrogallol verbraucht - daher mal die einfachste (und glaube ich nicht unvernünftige) Arbeitshypothese dass man unter genau gleichen Bedingungen (also unter der Zersetzungstemperatur) arbeiten kann wie bei Einsatz von Pyrogallol. Die erforderliche Menge wird sich schon bilden. Der Reagenzglas-Vorversuch zeigt ja mal die grundsätzliche Machbarkeit. Vielleicht dauert es halt ein bisschen länger? Vielleicht ist das Limit dann halt schon bei 30% Ausbeute statt 80? Eines kann man schon ziemlich sicher prognostizieren: mit 5 Minuten im Reagenzglas unter unkontrollierter und ungleichmäßiger Temperatur ist es so oder so nicht getan, in dem Fall sind "Spuren" wohl alles was du erwarten kannst.
Möglicherweise findet die Rückreaktion mit CO
2 dann auch nicht an der selben Stelle statt da bereits durch den Phthalsäure-Rest besetzt sondern wo anders? siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/1,2,3-Tri ... Reaktionen Dann erzeugst du ein neues Derivat
Möglicherweise auch nicht da die Stelle dann bereits deaktiviert ist oder sterisch gehemmt... Möglicherwesie ist das in situ erzeugte Pyrogallol sogar reaktiver als fertiges und es geht sogar besser da genau an der Stelle ja die Phthalsäure hin soll.. wenn da noch eine frische Lücke klafft wo sich gerade ein CO
2 verabschiedet hat...?
Sollte das nicht genügen braucht es eben einen CO
2-Fänger. Du hast recht mit der Alkali-Empfindlichkeit, aber das passiert vor allem in der wässrigen
Lösung! in der Festphase oder Schmelze kann das ungelöste CaO das CO
2 evtl durchaus binden ohne dass es zu einer Deprotonierung des Phenols kommt die es so schlecht verträgt. Wasser liegt zB gar nicht nennenswert vor weil es bei 200° sofort verdampft. Weiters ist es ja nicht die Deprotonierung selbst sondern die anschließende Reaktion des Phenolats mit Luftsauerstoff die das Molekül zerstört (du kennst ja sicher auch den
Sauerstoffnachweis mit alkalischer Pyrogallol-Lösung?). Wenn sich aber bei 200° kaum O2 in der Schmelze löst ist das kein Problem. Das bisschen das an der Oberfläche doch zerstört wird mag die Ausbeute senken aber muss kein KO sein. Ggfs kann man auch hier mit Zusatz von etwas O
2-Fänger oder Bedecken mit Schutzgas nochmal mithelfen. NaOH würde ich definitiv nicht einsetzen, das würde Phthalsäure, Pyrogallol und das Produkt relativ sicher sofort killen, setzt Wasser frei und die HCO
3--Ionen sind alleine schon ausreichend CO
2-Lieferant um die Kolbe-Schmitt-Reaktion zu ermöglichen. Bei CaO mache ich mir da weniger Sorgen, das schmilzt erstens nicht und das CaCO
3 bietet mangels Löslichkeit / Dissoziation keine Carbonat-Ionen für eine Rückreaktion. In der Aufarbeitung muss man das halt zusammen mit nicht umgesetztem CaO vorher raus ziehen - alkoholische Lösung also filtrieren bevor man sie in Wasser gibt um das Produkt auszufällen, im Wasser sicherheitshalber ein bisschen Säure falls es CaO-Partikel durch den Filter schaffen. Ob/inwieweit Phthalsäure bzw das in Situ gebildete Anhydrid sich mit dem CaO verträgt oder dadurch für die Reaktion verloren geht - schwer zu sagen, da traue ich mir keine Prognose zu. Kann sein es ist egal, kann sein es bildet Salz und das reagiert nicht, kann sein du decarboxylierst schon die Phthalsäure... Tendenziell sind Basen für die Reaktion sicher nicht förderlich! So gesehen bleibt zu hoffen dass es ohne geht.
Nächste mögliche Überlegung: man kann die beiden Schritte ja erfolgreich trennen ohne immer isolieren zu müssen. Also zuerst Gallussäure + CaO bei deutlich milderen Bedingungen zu Pyrogallol + CaCO
3, und nach erfolgreicher Umsetzung kommt erst die Phthalsäure zum (trockenen, keine Base mehr enthaltenden) Ergebnis des ersten Schritts dazu... würde mal so bei 150 °C anfangen, gerne auch nur kleinere Menge im RG, dann sieht man auch gleich ob es klappt denn da wäre das Pyrogallol schon geschmolzen, Gallussäure aber nicht (würde erwarten es sollte zumindest die Mischung sichtbar zusammenbacken). Allfällige oxidative Zerstörung würde dann auch frühzeitig sichtbar, ohne durch intensive Farbe eines gebildeten Farbstoffs zugedeckt zu werden. Alleine den milderen Weg zum Pyrogallol könnte man schon als eigenen Versuch erforschen!
Weil du von mangelndem Magnetrührer geschrieben hast - braucht man nicht. Eine gut homogenisierte Mischung der Ausgangsstoffe, eine gut homogene Erwärmung im Ölbad, das reicht. Ich habe auch bewusst auf Rühren verzichtet da die Suppe ohnehin bald viel zu dick wird und am Ende sogar ganz erstarrt. Apparativ geht es kaum einfacher als in dieser Synthese. Becherglas, bedecken, warm machen, warten.
Ist das alles garantiert und "Cookbook" - definitiv nein. Da betrittst du ein bisschen Neuland, Scheitern und Irrtümer inklusive, Ende der Ausbaustrecke
Aber das macht es ja interessant, das ist der Unterschied zwischen einem echten "Versuch" (ergebnisoffen) und dem unkreativen Nachstellen mit bekanntem Outcome, zwar mit Erleben (auch wertvoll) aber ohne neue Erkenntnisse. Und so schnell kann es gehen, dann kannst du auch uns "Experten" etwas Neues berichten
Definitiv besser als weg-theoretisieren.