Ich habe ein schönes Beispiel für eine
Umkehrphasen-DC (
reverse-phase TLC) dokumentiert.
Anlass war, daß ich gerne wissen wollte, was genau sich in folgenden Gefäßen befindet, die ich in meiner Farbstoffsammlung habe:
Es handelt sich hier um Triphenylmethanfarbstoffe, genauer gesagt um Derivate des Pararosanilins:
Unter Pararosanilin versteht man das abgebildete Molekül. Nun kann an jedem der drei Ringe eine CH
3-Gruppe in ortho-Stellung zur Aminogruppe substitutiert sein und man erhält:
Pararosanilin (synonym: Parafuchsin) = Magenta 0
4‘-Methylpararosanilin (syn. Rosanilin) = Magenta I
4‘,4‘‘-Dimethylpararosanilin = Magenta II
4‘,4‘‘,4‘‘‘-Trimethylpararosanilin (syn. Neufuchsin) = Magenta III
“Fuchsin“ kann eine Mischung aus allen diesen Farbstoffen sein, wobei Pararosanilin und Methylpararosanilin (Magenta I) überwiegen sollten. Fuchsin wird - obwohl meist als Hydrochlorid verwendet – auch als " basisches Fuchsin" (“basic fuchsine“) bezeichnet. Um die Verwirrung noch zu steigern gibt es auch noch ein "Säurefuchsin“ ("acidic Fuchsine“), das einen sulfonierten Farbstoff darstellt.
Das
“Pararosanilin“ von Merck sollte laut DAB 7nur aus Pararosanilin und Methylpararosanilin bestehen.
Die DC-Vorschrift zur Trennung der Magentafarbstoffe stammt von 1979 (Nettleton GS, Martin AW: Separation of Fuchsin Analoges Using Thin Layer Chromatography; Stain Technology 54 (1979):213-216). Sie wird mit folgendem Fließmittel auf Silicagel-Folien durchgeführt:
Wasser : Methanol : Ammoniaklösung 25% = 6,5 : 2,5 : 1
Eingesetzt habe ich 0,1 %ige Lösungen der Farbstoffe in Methanol, jeweils 2 µl. Wenn man die Folien nicht vorbehandelt sieht das Ergebnis so aus:
Nun habe ich eine Folie mit Paraffin vorbehandelt. Dazu wird diese einfach in ein Schraubdeckelglas gestellt, in dem sich eine Mischung aus 1 ml dünnflüssigem Paraffin (DAB) und 9 ml Petroleumbenzin befindet und gewartet, bis die Flüssigkeit durch die Kapillarwirkung bis zum oberen Rand hochgestiegen ist (ca. 25 Minuten für eine 10 cm-Folie). Die Folie wird dann gründlich getrocknet und das obere Ende markiert. Die Substanzen werden am unteren Ende aufgetragen und das DC in der gleichen Fließrichtung entwickelt, in der die Folie vorher vorbehandelt wurde. Die Entwicklung dauert über eine Stunde (bei mir: 75 Minuten). Das Ergebnis ist ganz anders als das erste:
Während in der normalen DC der Rf-Wert mit zunehmender Lipophilie steigt ist es bei der Umkehrphasen-DC umgekehrt: den höchsten RF-Wert hat das reine Pararosanilin, jede zusätzliche Methylgruppe erhöht die Lipophilie des Moleküls und ergibt einen kleineren Wert, so dass die Substanzen von oben nach unten in der oben gegebenen Reihenfolge laufen. Man sieht, dass die drei rechts aufgetragenen Substanzen identisch sind (Spur 2: Parafuchsin Fluka, Spur 3: Pararosanilin Chroma, Spur 4: Rosanilin Merck nach DAB 7). Das Fuchsin (Spur 1) besteht offenbar aus 4 (oder 5) Komponenten, wobei Pararosanilin kaum enthalten ist. Es überweigen das Mono- und Dimethylanaloge, aber auch Neufuchsin (unterster Spot) ist enthalten. Sonderbar ist, dass im Pararosanilin der Spur 3 sich ein Fleck oberhalb des Pararosanilins ausgebildet hat. Ich vermute folgenden Mechanismus: dieser Farbstoff war schlecht methanollöslich und ich musste einen Tropfen Salzsäure zugeben, um die Lösung zu ermöglichen. Dadurch ist vermutlich der pH-Wert dieses Spots niedriger, als der der anderen und ein Teil des Farbstoffes könnte trotz des ammoniakalischen Fließmittels in ionisierter Form vorliegen, was das Molekül noch polarer macht und den höheren RF-Wert erklären würde. Hier nochmal nebeneinander:
Ich habe mal gelernt, dass zur Herstellung des Schiff’schen Reagenzes bevorzugt das unmethylierte Pararosanilin verwendet werden sollte (und habe es auch immer so gehandhabt). In der englischsprachigen Wikipedia steht das gleiche, während ich zu meiner Verwunderung auf irgendeiner deutschen Seite (die ich gerade nicht wiederfinde) das Gegenteil gelesen habe.
Die Umkehrphasen-DC wird mit der hier angegebenen Vorbehandlung z.B. im Arzneibuch zur Charakterisierung fetter Öle mittels Trennung der Fettsäuren angewandt.
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