Oxidation von p-Aminobenzoesäure

Organische Chemie.

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mgritsch
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Oxidation von p-Aminobenzoesäure

Beitrag von mgritsch »

Ich habe da ein recht interssantes Paper gefunden (J. Mex. Chem. Soc. 2007, 51(4), 213-216), in dem einfache und effiziente Oxidationsmethoden mit Oxone beschrieben sind.
Unter anderem werden aromatische Amine zu Nitroverbindungen oxidiert, Alkohole zu Aldehyd bzw weiter zu Carbonsäure, sec. Alkohole zu Keton.

elektronenreiche Aromatische Amine wie Anilin, Toluidin wurden dabei in hoher Ausbeute binnen Sekunden Reaktionszeit direkt zu den Nitroverbindungen umgesetzt.
p-Aminobenzophenon wurde mit etwas längerer Reaktionszeit zu p-Nitrosobenzophenon umgesetzt.

Nun, ich dachte mir das klingt interessant, das will ich mal auf p-Aminobenzoesäure anwenden und mal sehen was daraus wird: p-Nitrobenzoesäure oder p-Nitrosobenzoesäure oder gar nix?
Die Rezeptur ist auch denkbar einfach - übschuss Oxone und Mangansulfat in wenig Wasser auflösen, mit der PABA vermischen und bei RT warten bis fertig.
Gesagt getan, es setzt sofort eine Reaktion ein und die Mischung verfärbt isch rasch gelb, sieht gut aus.
Nach 1 Stunde ist keine weitere Verfärbung mehr erkennbar, das ganze ist kräftig gelb geworden.

Also nutsche ich ab (schwer filtrierbar) und wasche gründlich mit Wasser nach um alle anorganischen Anteil herauszuspülen (Nitrobenzoesäure wäre sehr schlecht waserlöslich, zu Nitroso habe ich nichts gefunden...)
Das Produkt sieht jetzt cremefarben-weiß aus.
Nitrobenzoesäure sollte gut aus Ethanol umkristallisierbar sein (gefunden: 1 g löst sich in 110 g Ethanol) also koche ich den Filterkuchen mal mit Ethanol auf.
Das Produkt löst sich aber nur schlecht auf, selbst 50 ml siedendes Ethanol sind noch bei weitem (!) nicht genug um meine max. 3g Produkt im Versuchsansatz aufzulösen. Eine kleine Probe im Reagenzglas bestätigt, dass auch viel mehr nicht ausreicht. Ähnlich mit Methanol, wenngleich sich aus der abfiltrierten Methanol-Probe nach Abdunsten des Lösungsmittels ein gelbliches Produkt abscheiden lässt.

nicht-umgesetzte PABA kann ich mal ausschließen, die löst sich schon in kaltem Ethanol sehr gut.

Irgendwelche Ideen was da entstanden sein könnte?
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Irgendwelche Ideen was da entstanden sein könnte?
Nicht wirklich. 8)
Aber vielleicht könnte man ein paar funktionelle Gruppen zu bestimmen suchen.
Z.B.: löst sich das Produkt in verd. Säuren (noch vorhandene Aminogruppe)? Löst es sich in Basen (Carbonsäure, evtl. phenolisches OH)? Gibt es eine Reaktion mit Eisenchlorid (Phenolische OH)?
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Glaskocher
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Beitrag von Glaskocher »

Hier mal einige mögliche Produkte mit Schmelzpunkt:

4-Nitroso-benzoesäure CAS 619-68-1 Schmelzpunkt: 227-230°C unter Zersetzung (einige Daten)

4-Nitrobenzoesäure CAS 62-23-7 Schmelzpunkt: 242°C (Median vieler Werte)

4,4'-Azobis-benzoesäure VAS 5865-91-4 Schmelzpunkt: 117°C, >300°C, >300°C (diese drei Werte)


Azobenzol schmilzt bei 68°C oder 71,4°C je nach Isomer.


Den Bildungsmechanismus zum Azobenzol findet man in der Wikipedia .
Man kann ihn zwanglos auch auf die Reaktion von Aminobenzoesäure mit Nitrosobenzoesäure übertragen. Mir ist er von der Reduktion von Nitrobenzol zu Nitrosobenzol bekannt, wobei eine Überreduktion zum Anilin vorkommt und dann die Komproportionierung und Dimerisierung unter Wasserabspaltung stattfindet. Die Nitrogruppe kann ebenfalls mit der Aminogruppe reagieren und ein "Diazo-N-oxid" erzeugen.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben:Z.B.: löst sich das Produkt in verd. Säuren (noch vorhandene Aminogruppe)? Löst es sich in Basen (Carbonsäure, evtl. phenolisches OH)? Gibt es eine Reaktion mit Eisenchlorid (Phenolische OH)?
in säuren nicht aber in verd. Basen löst es sich sehr gut, das ist keine große Überraschung - die Carbonsäurefunktionalität ist sicher erhalten geblieben. Die Lösung wir dabei dunkelgelb was auch eher auf eine Nitro- oder Nitroso-Gruppe hindeutet.
Für die Nitroso-Gruppe kann ich noch den Liebermann-Test probieren.

Das Problem derzeit ist halt auch dass nicht sicher ist ob ich da überhaupt mehr oder weniger ein Hauptprodukt habe oder einen bunten Zoo...
solange ich es nicht vernünftig gelöst bekomme kann ich nicht mal DC machen um das zu prüfen :(

Naja, eine DC von dem was sich löst (und das ist ja zumindest teils der Fall) kann auch nicht schaden.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Glaskocher hat geschrieben:Hier mal einige mögliche Produkte mit Schmelzpunkt:

4-Nitroso-benzoesäure CAS 619-68-1 Schmelzpunkt: 227-230°C unter Zersetzung (einige Daten)
4-Nitrobenzoesäure CAS 62-23-7 Schmelzpunkt: 242°C (Median vieler Werte)
4,4'-Azobis-benzoesäure VAS 5865-91-4 Schmelzpunkt: 117°C, >300°C, >300°C (diese drei Werte)
Azobenzol schmilzt bei 68°C oder 71,4°C je nach Isomer.
Vielen Dank für die Infos!
Bleiben nur 2 Probleme: erst mal die vermutliche Mischung an Reaktionsprodukten irgendwie getrennt zu bekommen, dann brauch ich noch ein Thermometer für den Bereich 200-300°....

auch wenn ich keinen sauberen Schmelzpunkt hinbekomme so kann doch die Zersetzung irgendwo zwischen 200 und 300 auch schon ein Hinweis auf Nitroso-Funktionalität sein.
Auffällig ist auch eine gewisse Thermochromie - im siedenden Ethanol sieht das ganze eher grünlich aus, nach dem Auskühlen wird es wieder eher gelb-cremefarben.

für eine Diazoverbindung ist mir das ganze ein bisschen zu farblos, das sollte doch deutlich stärker gefärbt sein, oder?

Naja, das hat man davon dass man sich auf Neuland begibt statt einfach etwas nachzukochen ;)
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ach, das ist doch auch spannend! Nachkochen kann jeder ....
Eine DC wäre interessant. Löst sich das Zeug denn in organischen Lösungsmitteln?
Wäre auch 4-Hydroxybenzoesäure möglich - d.h, kann es sein, dass der Stickstoff abgespalten wird?
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben:Ach, das ist doch auch spannend! Nachkochen kann jeder ....
ja man lernt so einiges unterwegs :) sind ja zum Glück immer nur ein paar Gramm.

den ersten Ansatz habe ich zu früh abgebrochen vor lauter Freude dass es gelblich wurde. Er enthielt sehr offensichtlich noch viel unumgesetztes Produkt.
den zweiten Ansatz habe ich also lange stehen gelassen (über Nacht, weil's ja egal ist...) und musste lernen dass lange Reaktionszeit und ein Becherglas hoher Bauform eher ungeeignet ist. Der Oxone-Überschuss bildet H2O2, das zersetzt sich, und irgendwann steigt alles als Schaum heraus und verteilt sich zwanglos rund um das Becherglas.
den dritten Ansatz wollte ich dann - undgeduldig wie ich bin - beschleunigen und habe gelinde erwärmt. Ergebnis: die Zersetzung des Oxone wird extrem beschleunigt und der Becherglas-Inhalt schäumt einfach rasch über. Nebenprodukt der Zersetzung in dieser Phase ist übrigens Braunstein (es ist MnSO4 in der Mischung) und den wollte ich nicht auch noch abtrennen müssen.

Es kommt also offensichtlich drauf an bei RT zu arbeiten und zum richtigen Zeitpunkt abzubrechen. Wenn kein Substrat mehr da ist, das oxidiert werden kann dann sucht sich der O2 offensichtlich einen anderen Weg in die Freiheit, und das bedeutet Schaumbildung und Braunsteinabscheidung. Abbrechen (verdünnen, abnutschen, waschen) am besten dann, wenn erste Zeichen von Schaumbildung auftreten, das habe ich immerhin schon raus ;)

Man sieht das schön beim abnutschen: das Filtrat bzw Waschwasser ist ganz leicht rosa gefärbt (Permanganat), das rosa wird zuerst etwas stärker um dann in braune Flocken überzugehen, ständig sieht man eine leichte Gasbildung.

Wäre schon cool wenn sich daraus eine nette konkrete Synthese ableiten lässt. Oxone ist ein relativ billiges, extrem starkes und leicht verfügbares Oxidationsmittel (Pool-Sauerstoff-Pulver...)
Wie so oft ist wohl die Synthese der triviale Teil und das Tal der Tränen kommt dann bei der Aufarbeitung... ich verstehe schon warum in den Publikationen viele einfach eine HPLC oder GC machen und daraus auf Produkte/Ausbeuten schließen. Richtig präprativ arbeiten ist out :)
Eine DC wäre interessant. Löst sich das Zeug denn in organischen Lösungsmitteln?
ein Teil ja, das kann ich mal genauer prüfen. Evtl quantitativ prüfen (auswiegen wieviel sich davon extrahieren lässt), dann habe ich schon eine Idee wie die Verhältnisse etwa sein könnten. Und den Teil kann ich auch einer DC unterwerfen. Ein (so wie es aussieht?) Großteil scheint sich aber in nichts (außer NaOH) zu lösen, und das hilft mir bei der DC nicht weiter... das Erscheinungsbild erinnert mich stark an Terephthalsäure, aber woher käme das zusätzliche C...
Wäre auch 4-Hydroxybenzoesäure möglich - d.h, kann es sein, dass der Stickstoff abgespalten wird?
Ausschließen kann ich nichts, für wahrscheinlich halte ich es nicht - keines der Oxidationsprodukte im Paper beruhte auf irgend einer Abspaltung.
Nitro, Nitroso oder Azo wären eigentlich die einzigen plausiblen Kandidaten.
Ganz absurde (?) Überlegung noch: sollte sich aus PABA nicht unmittelbar ein Polyamid bilden können?
virgil
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Beitrag von virgil »

mgritsch hat geschrieben:Überlegung noch: sollte sich aus PABA nicht unmittelbar ein Polyamid bilden können?
Offensichtlich ist es möglich:

http://kirste.userpage.fu-berlin.de/che ... kevent.htm

nebenbei wurde dabei noch Kevlar erfunden.....
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

lezte Erkenntnisse:

- eine DC von dem was sich lösen lässt zeigt nur einen Fleck (Rf ca 0,8 mit EtOH als Laufmittel); der Fleck ist wie erwartet nicht PABA (RF von ca 0,9; mit DC im Produkt nicht mehr nachweisbar - also vollständige Umsetzung...), ob das wirklich nur ein Produkt bedeutet oder ob einfach eine schlechte Trennung vorliegt kann ich nicht sagen. Evtl noch mal mit anderem Laufmittel versuchen.
- interessantes Detail: der Fleck ist im Gegensatz zu PABA nicht mit Iod-Dampf anzufärben, reagiert überhaupt nicht. Mit Cer/Ammoniummolybdat geht es.
- Das Produkt lässt sich nicht schmelzen - ein bisschen sublimiert, ab einer gewissen Temperatur zersetzt (verkohlt) es aber vor allem. Schmelzpunktbestimmung somit hinfällig :)
- Es löst sich gut in konz. H2SO4 mit kräftig dunkeloranger Farbe, beim Erwärmen verkohlt es aber dann rasch
- Die heiß konzentrierte Lösung in Ethanol hat einen olivgrünen Farbton, beim Auskühlen fällt wieder etwas beige-gelbes Produkt als sehr feines Kristallmehl aus. Das was aus der EtOH Lösung zu gewinnen ist sieht genauso aus wie der abfiltrierte Kuchen - hier scheint es zu keiner Trennung zu kommen, es gibt nicht einen löslichen und einen unlöslichen Anteil. Das wäre grundsätzlich zu "nur ein DC Fleck" passend. Eine Umkristallisation aus Ethanol ist also durchaus denkbar, man braucht aber große Volumina (100 ml siedendes Ethanol haben geschätzt vielleicht 1 g gelöst), also nicht sehr praktikabel.

Vieles davon passt auch hervorragend dazu:
https://books.google.at/books?id=OI6ZAw ... re&f=false
oder zu:
http://www.biochemj.org/content/ppbioch ... 8.full.pdf

Den Befunden nach könnte es sich also wirklich sehr gut um p-Nitrosobenzoesäure handeln. Dann hätte ich hiermit einen sehr einfachen und raschen Syntheseweg dafür anzubieten :)

Aber:
- Liebermann-Test ist negativ. Zusatz von H2SO4 und Phenol gibt zuerst kurz eine intensiv dunkelgrüne Färbung die aber beim Erwärmen oder Verdünnen sehr rasch in verkohlt-Braun übergeht. Keine Rotfärbung die bei Zusatz von Lauge zu blau wechselt.

:( wieder so schlau wie vorher. Möglicherweise ist der Test aber auch nicht so universell zuverlässig.
Mit Diphenlyamin/H2SO4 soll es auch eine rote Farbreaktion geben, muss ich noch testen.
Ideal wäre natürlich wenn man das mal in ein NMR schieben könnte...

Interessant wäre auch ob man die Nitroso-Gruppe noch in eine Nitrogruppe umgewandelt bekommt, die Nitrobenzoesäure wäre ein nützlicheres Produkt.
Und theoretisch sollte die Nitroso-Verbindung auch leicht mit einem Amin zu Azoverbindung zu kuppeln sein... wie? Vielleicht so: http://www.sciencedirect.com/science/ar ... 4915382277 ?
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