Coffein ist ein psychoaktives Purinalkaloid, das natürlich z.B. in Kaffee (Coffea sp.) und Tee (Camellia sinensis) vorkommt. Es wurde 1820 von Friedlieb Ferdinand Runge entdeckt, nachdem Goethe ihn dazu angeregt hatte, nach dem Wirkstoff des Kaffees zu forschen. 1895 erfolgte die erste Totalsynthese durch Hermann Emil Fischer. Diese Totalsynthese von Coffein ist an die 1900 von Wilhelm Traube veröffentlichte Traubesche Coffeinsynthese angelehnt, die wohl ein klassisches Beispiel für die Totalsynthese von Naturstoffen darstellt.

Coffea arabica
Geräte:
Zweihalskolben 250 ml, Intensivkühler, Magnetheizrührer, Rührfisch, Tropftrichter mit Druckausgleich, Glasstopfen, Trockenrohr, Waage, Spatel, Becherglas 600 ml, Becherglas 250 ml, Messzylinder 10 ml, Messzylinder 100 ml, Glasstab, Apparatur zur Vakuumfiltration, Eisbad, Exsikkator, Mörser, Siliconschläuche, Rundkolben 250 ml, Luftkühler, Zweihalsspitzkolben 100 ml, Thermometer 0°C-120°C, Nitrilhandschuhe, Abdampfschale, Becherglas 150 ml (hohe Form)
Chemikalien:
Natrium


Methanol, wasserfrei


Harnstoff
Cyanessigsäureethylester


Wasser
Aktivkohle

Essigsäure 99%

Natriumnitrit



Natriumsulfid-Nonahydrat

Schwefelsäure 30%

Formamid

Thymolblau
Natronlauge 30%

Dimethylsulfat

Ammoniakwasser 10%


Chloroform

Natriumsulfat, wasserfrei
4-Aminouracil
4-Amino-5-nitrosouracil

Schwefel

Schwefelwasserstoff



4,5-Diaminouracilsulfat
Kohlenstoffmonooxid


Xanthin

Coffein

Hinweis:
Bei der Reduktion des 4-Amino-5-nitrosouracils mit Natriumsulfid und insbesondere beim darauffolgenden Ansäuern wird sehr giftiger Schwefelwasserstoff frei! Beim Refluxieren des Reaktionsgemischs aus 4,5-Diaminouracilsulfat und Formamid wird Ammoniak und durch teilweisen Zerfall des Formamids auch etwas giftiges Kohlenstoffmonooxid frei. Das zur Methylierung des Xanthins verwendete Dimethylsulfat ist ebenfalls akut sehr stark toxisch und noch dazu krebserregend und wird sehr schnell über die Haut aufgenommen! Ein gut ziehender Abzug ist somit unerlässlich; bei der Methylierung müssen Nitrilhandschuhe als kurzzeitiger Spritzschutz getragen werden! Weiterhin muss 10%ige Ammoniaklösung sowohl zur Dekontaminierung der Arbeitsfläche oder der Haut im Fall von Spritzern sowie auch zur Dekontaminierung aller mit Dimethylsulfat in Kontakt geratenen Geräte bereitgestellt werden!
Durchführung:
In einem 250 ml-Zweihalsrundkolben mit aufgesetztem Tropftrichter und Intensivkühler mit Trockenrohr werden 6,40 g (278 mmol) Natrium in kleinen Portionen in 80 ml wasserfreiem Methanol gelöst. Die Lösung wird kurz unter Rückfluss zum Sieden erhitzt. Wenn das Sieden gerade abgeklungen ist werden so schnell wie möglich 7,65 g (127 mmol) Harnstoff hinzugegeben und unter Rühren gelöst. Sobald sich der Harnstoff vollständig gelöst hat werden 13,5 ml (127 mmol) Cyanessigsäureethylester hinzugegeben und die Lösung wird drei Stunden lang unter Rühren weiter refluxiert. Dabei fallen nach einiger Zeit gelbliche Kristalle aus. Dann gibt man 100 ml Wasser hinzu und rührt, bis sich die Kristalle lösen. Man destilliert das Methanol soweit wie möglich heraus, kocht mit 1 g pulverisierter Aktivkohle auf und filtriert heiß ab. Zum Filtrat gibt man 14,0 ml (245 mmol) Eisessig, kühlt eine Stunde lang im Eisbad, saugt ab und trocknet im Exsikkator. Ausbeute 12,53 g (77,9% d.Th.) 4-Aminouracil. Gelbliches Pulver.
In einem 600 ml-Becherglas werden 12,53 g (98,6 mmol) 4-Aminouracil in einer siedenden Lösung von 6,80 g (98,6 mmol) Natriumnitrit in 200 ml Wasser unter kräftigem Rühren aufgelöst. Nun werden 5,7 ml (100 mmol) Eisessig hinzugegeben. Nach wenigen Sekunden bilden sich erste kleine, rosafarbene Kristalle. Man erhitzt eine halbe Stunde zum Sieden und lässt noch zwei Stunden bei Raumtemperatur stehen, wobei sich immer mehr rosafarbener Niederschlag bildet. Der Niederschlag wird abgesaugt, mit Wasser nachgewaschen und getrocknet. Ausbeute 11,81 g (76,7% d.Th.) 4-Amino-5-nitrosouracil. Feinkristallines, rosafarbenes, in den meisten Lösemitteln schwer lösliches Pulver.
In einem 600 ml-Becherglas werden 11,81 g (75,7 mmol) 4-Amino-5-nitrosouracil in 200 ml Wasser suspendiert und zum Sieden erhitzt. Man gibt zügig eine Lösung von 50,0 g (208 mmol) Natriumsulfid-Nonahydrat in 100 ml Wasser hinzu, wobei weiter erhitzt wird. Dabei löst sich das 4-Amino-5-nitrosouracil zunächst auf, wobei die Lösung eine dunkelrote Farbe annimmt, die sich nach und nach in ein helles Braun umwandelt. Zwischenzeitlich kann etwas Schwefel ausfallen, der sich jedoch bald wieder auflöst. Man erhitzt noch eine Stunde lang. Wenn noch rosafarbenes 4-Amino-5-nitrosouracil erkennbar ist, setzt man mehr Natriumsulfidlösung hinzu und erhitzt weiter, bis die Nitrosoverbindung ganz reduziert worden ist. Dann fügt man so viel 30%ige Schwefelsäure hinzu, bis der pH bei etwa 7 bleibt, während man zum Sieden erhitzt. Man filtriert heiß ab, wobei in der Vorlage bereits das Produkt auskristallisiert. Das Filtrat wird mit 100 ml 30%iger Schwefelsäure versetzt und nochmals kurz zum Sieden erhitzt. Dann wird im Eisbad abgekühlt. Über Nacht kristallisiert 4,5-Diaminouracilsulfat aus, welches abgesaugt und getrocknet wird. Ausbeute 5,47 g (30,1% d.Th.) 4,5-Diaminouracilsulfat. Hellgelbe, in kaltem Wasser schwer, in heißem Wasser mäßig lösliche Kristalle.
In einem 250 ml-Rundkolben mit aufgesetztem Luftkühler suspendiert man 5,47 g (22,8 mmol) 4,5-Diaminouracilsulfat in 55 ml Formamid und erhitzt unter magnetischem Rühren zum Sieden. Die anfänglich gelbe Suspension wird dabei immer bräunlicher, während sich das 4,5-Diaminouracilsulfat auflöst. Nach vollständiger Auflösung ist die Lösung tiefrot. Man erhitzt zwei Stunden lang so stark, dass kein Niederschlag ausfällt. Die nun braune Lösung lässt man über Nacht im Eisbad abkühlen, wobei schon nach kurzer Zeit bräunliches Xanthin ausfällt. Man saugt ab, wäscht mit Wasser nach und trocknet im Exsikkator. Ausbeute 2,97 g (85,7% d.Th.) Xanthin. Ockergelbes, in kaltem Wasser schwerlösliches Pulver. Die Murexidprobe des Produkts muss positiv ausfallen!
In einem 100 ml-Zweihalsspitzkolben mit zwei aufgesetzten Tropftrichtern werden 1,33 g (8,74 mmol) Xanthin in 15 ml Wasser suspendiert. Man gibt 0,5 mg Thymolblau hinzu und erwärmt in einem auf 35°C temperierten Wasserbad. Ein Tropftrichter wird mit 10 ml 30%iger Natronlauge, der andere mit 2,48 ml (26,2 mmol) Dimethylsulfat gefüllt. Nun tropft man das Dimethylsulfat und die Natronlauge unter kräftigem Rühren im Verlauf von 10 Minuten hinzu, wobei man darauf achtet, dass die Lösung stets schwach alkalisch (pH 8-9) reagiert. Nach Beendigung der Zugabe des Dimethylsulfats wird noch eine Stunde erwärmt. Man macht mit Natronlauge alkalisch (pH 11-12) und extrahiert viermal mit je 10 ml Chloroform. Die vereinigten organischen Phasen werden mit wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet, mit 0,1 g Aktivkohle verrührt und filtriert. Das Filtrat sollte nur noch höchstens schwach gelblich sein, sonst muss erneut mit Aktivkohle versetzt und filtriert werden. Nun wird vorsichtig eingedampft und das so gewonnene Rohcoffein durch Sublimation gereinigt. Ausbeute 0,168 g (9,89% d.Th.) Coffein. Gesamtausbeute 1,53% d.Th. Weißes Pulver oder farblose Kristallnadeln. 1H-NMR (300 MHz, CDCl3): 3.35 (s, 3H, CH3); 3.52 (s, 3H, CH3); 3.93 (s, 3H, CH3); 7.44 (s, 1H, CH).
Entsorgung:
Harnstoff, Cyanessigsäureethylester, 4-Aminouracil, 4-Amino-5-nitrosouracil, 4,5-Diaminouracilsulfat, Xanthin und Coffein werden zu den organischen Abfällen gegeben. Natronlauge, Ammoniakwasser, Schwefelsäure und Essigsäure können nach Neutralisation in den Abfluss gegeben werden. Methanol und Formamid gibt man zu den halogenfreien organischen Lösemittelabfällen, Chloroform wird zu den halogenhaltigen organischen Lösemittelabfällen gegeben. Natrium wird vorsichtig mit Ethanol umgesetzt, die Lösung kann danach mit viel Wasser verdünnt in den Abfluss gegeben werden. Aktivkohle, Natriumnitrit, Schwefel, Natriumsulfid und Natriumsulfat werden zu den anorganischen Feststoffabfällen gegeben. Dimethylsulfat wird mit einem großen Überschuss an Ammoniakwasser umgesetzt und kann danach stark verdünnt in den Abfluss gegeben werden.
Erklärung:
Cyanessigsäureethylester wird mit Harnstoff zu 4-Aminouracil cyclisiert. Dies wird durch starke Basen, hier Natriummethanolat, katalysiert.

Nun entstehen zunächst durch Protonierung von Salpetriger Säure und darauffolgender Wasserabspaltung Nitrosoniumionen.

Diese greifen 4-Aminouracil, welches aufgrund von Tautomerie auch aromatischen Charakter aufweisen kann, elektrophil an.

Die Nitrosogruppe des 4-Amino-5-nitrosouracils wird durch Sulfidionen unter Abscheidung von Schwefel über ein intermediäres Hydroxylamin zur Aminogruppe reduziert.

4,5-Diaminouracil wird mit Formamid zu Xanthin cyclisiert.

Die über einen SN2-Mechanismus verlaufende N-Methylierung des Xanthins durch Dimethylsulfat im alkalischen Milieu liefert Coffein.

Bilder:

Apparatur zur Synthese von 4-Aminouracil

Ausgefallenes 4-Aminouracil

4-Aminouracil

Nitrosierung zu 4-Amino-5-nitrosouracil

4-Amino-5-nitrosouracil

Reduktion zu 4,5-Diaminouracil

Klare Lösung nach der Reduktion

Ausgefallenes 4,5-Diaminouracilsulfat

4,5-Diaminouracilsulfat

Cyclisierung mit Formamid

Ausgefallenes Xanthin

Xanthin

Positive Murexidprobe des Xanthins

Methylierung

Dimethylsulfat

Coffein

Aus Chloroform kristallisiert das Coffein in Form langer Nadeln aus

Die gesamte Synthese auf einen Blick: (v.l.n.r.) Cyanessigsäureethylester, 4-Aminouracil,
4-Amino-5-nitrosouracil, 4,5-Diaminouracilsulfat, Xanthin, Coffein

Dünnschichtchromatogramm des Coffeins (links Referenzsubstanz Ph.Eur., rechts Produkt); Laufmittel: Ethylacetat/Methanol/Ammoniakwasser 25% 18:4:3 (V/V/V); stationäre Phase: Kieselgel 60 auf Aluminiumfolie (Merck); angefärbt mit Iod

LC-(TIC)-Massenspektrum des Coffeins (mit Dank an Dr. Bettray der RWTH Aachen)

IR-Spektrum des Coffeins (mittels ATR), gemessen mit einem Spectrum 100 FTIR-Spektrometer von PerkinElmer (mit Dank an Dr. Bettray der RWTH Aachen)

1H-NMR-Spektrum des Coffeins in CDCl3 (Deuterierungsgrad 99,8%), aufgenommen mit einem Bruker 300 MHz NMR-Spektrometer (mit Dank an Prof. Dr. Klankermayer der RWTH Aachen)