Ich habe jetzt auch mal Essigester dargestellt - der Anleitung von Gattermann folgend, etwas anders, als hier beschrieben. Der Vorteil der Methode sind die bessere Ausbeute und die Möglichkeit, größere Mengen auf einmal darstellen zu können. Wie immer steckt der Teufel dieses, augenscheinlich so einfachen, Versuchs im Detail – hier in der Aufreinigung!
Versuchsdurchführung:
Man mischt vorsichtig 25 ml Schwefelsäure zu 25 ml Ethanol und legt die Mischung in einem 500 ml-Zweihalskolben vor, der sich in einem Ölbad befindet. In einen der Ansätze wird der Tropf(Scheide-)Trichter so eingeführt, dass das untere Ende des Rohres in der Mitte des Kolbens mündet. Ein Kühler mit einer 500 ml fassenden Vorlage wird angeschlossen und das Ölbad angeheizt. Daneben mischt man 150 ml Ethanol mit 160 ml Essigsäure und gibt die erste Portion der Mischung in den Tropftrichter.
Wenn die Badtemperatur 130-140 °C erreicht hat lässt man unter Rühren (Magnetrührer) ca 20 ml der Mischung zufließen. Sofort beginnt ein Siedevorgang und nach 2-3 Minuten beginnt Destillat überzugehen. Nun lässt man kontinuierlich immer so viel der Ethanol-Essigsäure-Mischung zufließen, wie überdestilliert, so dass der Flüssigkeitsspiegel im Kolben etwa konstant bleibt. Die Badtemperatur wird bei 130-140 °C gehalten. Wenn die gesamte Ausgangsmischung zugegeben ist und fast nichts mehr überdestilliert (Temperatur vor dem Kühler maximal 85°°C) wird die Vorlage entfernt bzw. gewechselt (da noch ein Nachlauf übergeht, der verworfen wird) und das Heizbad abgestellt.
Das Rohprodukt wird mit 100 ml einer 10 %igen Sodalösung gründlich durchgeschüttelt, um überschüssige Essigsäure zu entfernen, bis ein Tropfen der Esterphase, mit einem Glasstab auf Lackmuspapier aufgebracht, dieses nicht mehr rötet. Danach wird im Scheidetrichter getrennt und der klare Ester in einen Kolben zu 100 ml gesättigter Calciumchloridlösung (50 g wasserfreies Calciumchlorid + ca. 90 ml Wasser) gegeben. Abermals wird zweimal für 1 Minute gut durchgeschüttelt, absitzen gelassen und im Scheidetrichter getrennt. Jetzt ist der Ester deutlich trübe. Er wird über Nacht mit ca. 20 g wasserfreiem Calciumchlorid verschlossen stehen gelassen und am nächsten Tag in einen 500 ml-Kolben filtriert. Das Calciumchlorid wird in wenig Wasser gelöst, worauf sich nochmals ca. 20 ml Ester abscheiden. Diese werden mit wasserfreiem Natriumsulfat geschüttelt, ebenfalls in den Kolben abgegossen und dann erneut aus dem Wasserbad destilliert. Die von 77-79°C übergehenden Anteile werden gesondert aufgefangen.
Ausbeute: insgesamt 200 ml (74 %), davon 60 ml Reinprodukt (22 %)
Entsorgung:
Der Sumpf im Kolben wird in reichlich Wasser gegossen, mit Soda neutralisiert und weggeschüttet. Die Waschwässer können ebenfalls mit dem Abwasser entsorgt werden. Das Produkt muss den halogenfreien Lösungsmittelabfällen zugeführt werden.
Beobachtungen und Überlegungen:
Die hier eingesetzte Menge Essigsäure entspricht 2,82 Mol, die des Ethanols etwas mehr (2,9 Mol). Zunächst ist interessant, dass man bei Mischen gleichen Volumenteile von Eisessig und 96 %igem Ethanol ziemlich genau äquimolare Verhältnisse erreicht.
Beim Anheizen des Bades fällt auf, dass aus der vorgelegten Schwefelsäure-Ethanol-Mischung nichts überdestilliert, die Destillation aber sofort beginnt, wenn man die Essigsäure-Alkohol-Mischung zutropft. Das spricht dafür, dass Schwefelsäure und Ethanol sich verbunden haben (Ethylschwefelsäure) und nicht einfach als Gemisch vorliegen, aus dem das Ethanol abdestillieren würde. Es dauerte 55 Minuten bis die Ausgangsmischung vollständig zugetropft war und die Gesamtdauer der Destillation lag bei knapp über 1 Stunde.
Das Volumen des Rohprodukts betrug bei meinem Versuch 276 ml (101 % der Theorie), was schon zeigt, dass es nicht rein sein kann. Nach dem Entsäuern mit Sodalösung verblieben 234 ml (85,7 %). Ich habe das in einem 500 ml-Stehkolben gemacht, den ich mit einem durchbohrten Gummistopfen verschlossen habe. Indem man das Loch mit dem Zeigefinger verschließt kann man nach jedem Durchschütteln einen Druckausgleich vornehmen, denn es entsteht CO
2. Ich musste ziemlich oft schütteln (6 x) bis der Lackmustest negativ verlief. Die Phasentrennung geht glatt und der Ester ist klar.
Sonderbarerweise war er nach dem Schütteln mit Calciumchloridlösung dann trübe. Beim Stehen über festem CaCl
2 klärte er sich, doch blieb ein staubfeiner Bodensatz, der leicht aufgewirbelt wurde, so dass Filtration nötig war. Das Schütteln und Stehenlassen mit CaCl
2 soll überschüssigen Ethanol entfernen, der mit dem Salz eine Additionsverbindung bildet. Die Filtration bewirkt einen Verlust und auch im Calciumchlorid bleiben Reste hängen, die ich versucht habe, wie oben beschrieben, zurückzugewinnen.
Bei der Redestillation begannen die ersten Anteile – für mich unerwartet – schon bei 74°C überzugehen. Bei 77 °C habe ich die Vorlage gewechselt und bei 78 °C erneut. Danach stieg die Temepratur nicht weiter an. Folgende Fraktionen wurden erhalten:
74-77 °C = 125 ml
77-78 °C = 60 ml
78°C = 15 ml
Ich habe die dritte Fraktion mit der ersten vereinigt und die Dichte bestimmt: 0,891 g/cm
3
Die Dichte der zweiten Fraktion betrug 0,8959 g/cm
3 (bei 21 °C).
Reines Ethylacetat hat laut Wikipedia die Dichte 0,894 g/cm
3 bei 25 °C. Da kommt meine Fraktion 2 doch gut hin. Ich habe sie für eine künftige Synthese getrennt aufgehoben.
Ich nehme an, daß das Präparat doch noch Ethanol enthielt. Ethanol siedet zwar bei praktisch der gleichen Temperatur wie Ethylacetat, bildet mit demselben aber ein Azeotrop, dessen Siedepunkt bei 72 °C liegt. Wahrscheinlich war das Ausschütteln mit Calciumchlorid nicht ausreichend intensiv gewesen und Reste von Ethanol sind zunächst mit dem Ethylacetat übergegangen. Vielleicht war das, was ich als 3. Fraktion aiufgefangen habe auch noch reines Ethylacetat - ich habe halt die Vorlage gewechselt, weil ich nicht wusste, ob die Temperatur weiter steigen würde. Tatsächlich ist der Ester bis auf den letzten Tropfen bei 78°C überdestilliert.
Die hier angewandten Mengen sind etwas weniger als die Hälfte der Originalvorschrift. Bei Gattermann ist beschrieben, dass man aus dem 500 ml-Kolben unter Vorlage von je 50 ml Schwefelsäure und Ethanol eine Mischung von je 400 ml Eisessig und Ethanol destillieren kann. Die Verarbeitung dürfte 2-3 Stunden in Anspruch nehmen und es wären etwa 550-600 ml Endprodukt zu erwarten, wenn man die in der Literatur angegebene Ausbeute von 80-85% annimmt.
Literatur:
Gattermann, Ludwig: Die Praxis des organischen Chemikers; 24. Auflage 1936 bearbeitet von Heinrich Wieland, Verlag Walter de Gruyter & Co. Berlin und Leipzig;
Bilder:
Gesamte Apparatur
Kolben mit Tropftrichter und Thermometern im Ölbad
Sieden im Kolben beim Zutropfen der Alkohol-Essigsäure-Mischung, links das Rohr des Tropftrichters
Vorlage
Zwei Schichten nach dem Ausschütteln mit Natriumcarbonat
Stehenlassen über Calciumchlorid
Redestillation aus dem Wasserbad
Produkt
[EDIT: wenn gewünscht, mache ich aus dieser Anleitung einen dritten, detaillierten Ethylacetat-Artikel
- aber erstmal reichen zwei
]
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)
"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)
"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)