Um zügig mehrere (orientierende) Mikrotitrationen etwa im Volumen-Bereich von 20 - 50 µL durchführen zu können, ist meine überaus genaue Apparatur mit Hamilton-Spritze und Mikrometerschraube zu unbequem. Sie muß jedesmal ziemlich umständlich gefüllt und entlüftet werden und das Titrationsvolumen muß durch Differenz-Bildung zweier Einstellungswerte an der Schraube errechnet werden, was deutlich (flüchtigkeits-) fehlerbehaftet ist.
Die Entwicklungen von Mikroburetten aus den frühen 40er Jahren des letzten Jahrhunderts (Benedetti-Pichler/Kirk) sind mir zwar bekannt, schienen mir aber ohne technische Hilfe zunächst nicht weiter interessant. Hier müßte insbesondere eine genaue vorherige Kalibrierung durchgeführt werden.
Schon öfter hatte ich daran gedacht, eine senkrecht stehende Burette aus einer Messpipette zu bauen und deren Abfluß durch möglichst kleine Quetschhähne, entweder unten (wie gewohnt) oder oben zu bewerkstelligen. Dann wäre die Kalibrierung schon vorgegeben.
Es zeigte sich aber bald, daß auf diese Art keine verläßliche Dosierung im µL-Bereich zu erreichen ist. Der Abfluß hier viel zu unregelmäßig und schnell.
Dann kam mir die Idee, die fertige Kalibrierung einer 100 µL-Messpipette mit der Idee von Hybbinette/Benedetti-Pichler zu verbinden. Ich verbog eine solche Pipette unterhalb der Skala um etwa 45°, steckte sie in eine drehbaren Fassung und versah sie mit einer fein ausgezogenen Kapillarpipette an der Spitze.
Das Prinzip:
Die Flüssigkeit in der Burette (Messpipette) fließt erst aus, wenn der hydrostatische Druck der Flüssigkeit die Kapillarkräfte an der Spitze überwindet. Das ist erst bei deutlicher Schrägstellung (~30 °Neigung) der Fall. Wenn aber bei geringerer Neigung die kapillare Spitze in eine Flüssigkeit getaucht wird, fließt der Inhalt kontinuierlich ab. Die Geschwindigkeit wird durch das Kaliber der Spitze bestimmt.
Senkt man den Behälter mit der zu titrierenden Flüssigkeit ab oder kippt man die Burette wieder etwas zurück, kommt der Abfluss sofort zum Stillstand.
Die Apparatur wird vom anderen (vormals oberen) Ende mithilfe einer einfachen Spritze nachgefüllt.
Die Skala der hier gezeigten Messpipette ergibt ein Volumen von 1 µL/Teilstrich, eine Interpolation auf 0,5 µL oder noch geringer, ist bei einiger Übung möglich (!)
Hybbinette, AG., Benedetti-Pichler, A.A. Automatic microburet with horizontal scale. Mikrochim Acta 30, 15–22 (1942).
https://doi.org/10.1007/BF01419768
Eine einfache Burette für die Mikrochemie
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Re: Eine einfache Burette für die Mikrochemie
Vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen.
Dir ist dieser Weg bestens gelungen. Das ist doch mal ein Gerät, das man aus käuflichen Teilen leicht bauen und es mit wenigen Modifikationen an die aktuelle Aufgabe anpassen kann. Damit lassen sich bestimmt die Titrationen recht bequem durchführen und sie sollten zusätzlich sehr genau sein.
Wie füllt man diese Bürette? Ich sehe eine Spritze im Hintergrund und vermute, daß sie damit gefüllt wurde. Zum "Nullen" müßte man die Bürettenspitze nur im richtigen Moment aus einem Tropfen Maßlösung heben...
Dir ist dieser Weg bestens gelungen. Das ist doch mal ein Gerät, das man aus käuflichen Teilen leicht bauen und es mit wenigen Modifikationen an die aktuelle Aufgabe anpassen kann. Damit lassen sich bestimmt die Titrationen recht bequem durchführen und sie sollten zusätzlich sehr genau sein.
Wie füllt man diese Bürette? Ich sehe eine Spritze im Hintergrund und vermute, daß sie damit gefüllt wurde. Zum "Nullen" müßte man die Bürettenspitze nur im richtigen Moment aus einem Tropfen Maßlösung heben...
- mgritsch
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Re: Eine einfache Burette für die Mikrochemie
Simpel und genial
Nachfüllen von oben - stelle ich mir mühsam vor, mit Luft dazwischen und bis 0 ablaufen lassen… kann man vermutlich mit Spritze einfach wieder hoch saugen, oder?
Nachfüllen von oben - stelle ich mir mühsam vor, mit Luft dazwischen und bis 0 ablaufen lassen… kann man vermutlich mit Spritze einfach wieder hoch saugen, oder?
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Re: Eine einfache Burette für die Mikrochemie
Respekt! Das nenne ich eine gelungene Eigenkonstruktion.
- Seaborg
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Re: Eine einfache Burette für die Mikrochemie
Die Erstbefüllung geschieht so, daß ich die Burette vom oberen (hinteren) Ende her über ein passendes kurzes Schlauchstück mit einer blasenfreien Spritze fülle. Zum Nachfüllen ziehe ich die Titrationsflüssigkeit auch schon mal durch die Kapillar-Spitze, indem ich mithilfe der Spritze ein leichtes Vakuum anlege. Die Gefahr ist dabei aber, daß man die Spitze beim Eintauchen ins Vorratsgefäß abbricht.
Anschließend stelle ich den Nullpunkt ein, indem ich die Burette soweit kippe, bis sie ausfließt. Das geht so langsam, daß dies unproblematisch möglich ist. Die Abflussgeschwindigkeit ist eher vom Durchmesser der kapillaren Spitze als von der Neigung der Burette abhängig. Für die Titration stelle ich die Kippung so ein, daß gerade noch keine Flüssigkeit ohne Kontakt zur titrierenden Flüssigkeit oder zu einer Glaswand austritt.
In der Praxis alles sehr unproblematisch und auch sowohl mit voluminöseren, als auch mit feineren Pipetten möglich.
Hier ergibt sich also die Möglichkeit, das Volumen der bekannten senkrechten Buretten mit Hahn (m.E.>10 mL) auf z.B. 1 mL und alles darunter zu verkleinern.
Anschließend stelle ich den Nullpunkt ein, indem ich die Burette soweit kippe, bis sie ausfließt. Das geht so langsam, daß dies unproblematisch möglich ist. Die Abflussgeschwindigkeit ist eher vom Durchmesser der kapillaren Spitze als von der Neigung der Burette abhängig. Für die Titration stelle ich die Kippung so ein, daß gerade noch keine Flüssigkeit ohne Kontakt zur titrierenden Flüssigkeit oder zu einer Glaswand austritt.
In der Praxis alles sehr unproblematisch und auch sowohl mit voluminöseren, als auch mit feineren Pipetten möglich.
Hier ergibt sich also die Möglichkeit, das Volumen der bekannten senkrechten Buretten mit Hahn (m.E.>10 mL) auf z.B. 1 mL und alles darunter zu verkleinern.
Re: Eine einfache Burette für die Mikrochemie
Gute Idee und schöne Umsetzung. Auch die Schwarz-Weiß-Fotos passen hier perfekt. Ich liebe solche "Hacks"!
Grüße
Markus
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