p-Aminophenol

Organische Chemie.

Moderator: Moderatoren

aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

p-Aminophenol

Beitrag von aliquis »

Hallo,

ich habe hier https://woelen.homescience.net ein paar nette Probierglas-Experimente mit p-Aminophenol-Hydrochlorid entdeckt.
Da ich die Substanz leider nicht besitze und ich sie mir auch nicht eigens dafür zulegen möchte, überlege ich gerade, ob es für den Zweck nicht auch hydrolysiertes Paracetamol täte.
Ich würde dazu 4 Tabletten á 500 mg zerstoßen, in 100 ml 15 %iger Salzsäure suspendieren, die Suspension für eine Stunde unter fortlaufendem Nachfüllen des verdampften Wassers kochen, danach die Lösung filtrieren und das Filtrat dann für die betreffenden Experimente verwenden.
Denkt Ihr, dass das Sinn macht?

Danke schon mal und lieben Gruß

aliquis
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4349
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Re: p-Aminophenol

Beitrag von mgritsch »

Spricht nichts dagegen, die Hydrolyse sollte recht glatt verlaufen und als einziges Nebenprodukt bleibt ein wenig Essigsäure. Ein paar Detail-Überlegungen:

Ich denke nicht dass du so ein großes Volumen (100 ml Säure auf 2 g Paracetamol) brauchst, die Hälfte wäre mehr als genug. Das Produkt ist ja gut säurelöslich. Im Idealfall könntest du sogar das Hydrochlorid auskristallisieren. (Müsste man die Löslichkeit noch genauer prüfen wie weit du dafür einengen müsstest...)

Da du aus einer 15% HCl nicht nur Wasser abdestillierst sondern dich dem Azeotrop (20%) näherst wirst du zuerst eine etwas HCl-ärmere Mischung abdestillieren, dadurch konzentriert es sich auf. Dann geht nur noch 20% HCl raus. Wenn du nur Wasser nachfüllst wird das mit der Zeit dünn. Es gibt einen Grund warum man unter Rückfluss kocht :)

Größtes praktisches Hindernis: Tabletten enthalten jede Menge Hilfs- und Füllstoffe die dir das Produkt gnadenlos versauen. Zuerst musst du daher mal das Paracetamol extrahieren - mit Aceton sollte das recht gut gehen. Gut zermörsern, heiß extrahieren, auskühlen lassen, filtrieren, einengen. Und hoffen, dass die Hilfsstoffe einigermaßen filtrierbar sind :)
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: p-Aminophenol

Beitrag von aliquis »

Danke für die schnelle Rückmeldung.

Ich denke, 50 ml HCl dürften auch reichen. 100 ml war bereits vom anschließenden Bedarf an Lösung aus gedacht, danach noch verdünnen geht ja aber auch.
Kochen im Rückfluss wäre natürlich die optimale Methode, aber wo ich nicht zwingend eine Glasschliffapparatur aufbauen muss, da lasse ich es auch bleiben... ;-) 20 % oder mehr HCl muss die Suspension von mir aus ohnehin nicht haben, weil ich sie wegen der Gase sonst bereits gar nicht mehr drinnen (natürlich trotzdem bei offener Tür) statt draußen kochen könnte... Aus 15 %iger Salzsäure entweicht beim Kochen (unter Beibehaltung der Flüssigkeitsgesamtmenge durch fortlaufende Zugabe von Wasser) erfahrungsgemäß verhältnismäßig wenig HCl-Gas - weshalb ich diese Konzentration auch für meine meistgenutzte Arbeitssäure gewählt habe. Bei der Hydrolyse beides, Salzsäure und Wasser, nachzufüllen, dürfte natürlich ebenfalls kein Problem sein.

121 g/l Hydrochlorid lösen sich bei RT in Wasser. Wäre es wegen des Löslichkeitsprodukts in salzsaurer Lösung dann entsprechend weniger?
Ich habe auch überlegt, ob es vll. sinnvoll wäre, das Aminophenol nach der Hydrolyse des (dann vorher auf jeden Fall zu extrahierenden) Paracetamols durch Zugabe von Natronlauge wieder auszufällen, was wegen der Sauerstoffempfindlichkeit bei Zugabe von Alkalien aber wohl eher keine gute Idee wäre.

Folgende Hilfsstoff sind bei den Tabletten von ratiopharm angegeben: Povidon, Croscarmellose-Natrium, Maisstärke, Mikrokristalline Cellulose, Magnesiumstearat (Ph.Eur.), Hochdisperses Siliciumdioxid, Talkum - also doch eine ganze Menge, insbesondere die mit-hydrolysierten Polysaccharide könnten das Produkt vermutlich deutlich verunreinigen und etwaige geplante Folgereaktionen stören.
Extrahieren des Paracetamols mit Aceton dürfte daher ein gute Idee sein. Als ich das schon mal mit Ethanol bei Aspirintabletten versucht habe, um Acetylsalicylsäure zu gewinnen, machte das Abdampfen des Lösungsmittels aber hinterher (trotz Wasserbads!) leichte Probleme, weil die betreffenden Phenolderivate ja auch nicht besonders hitzestabil sind, sich dabei verfärben und teilweise zersetzen. Auch bei Paracetamol habe ich das in einem YouTube-Video schon mal beobchtet. Da ich aber weder über einen Rotavap noch über geeignete Möglichkeiten der Vakuumdestillation verfüge, kann man das Aceton dann wohl am besten draußen aus dem Filtrat abdunsten lassen, oder? Bei dem ganzen Wind hier immer, bräuchte ich dafür noch nicht mal einen Ventilator zur Unterstützung einzusetzen...
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4349
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Re: p-Aminophenol

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Dienstag 25. April 2023, 19:54 Kochen im Rückfluss wäre natürlich die optimale Methode, aber wo ich nicht zwingend eine Glasschliffapparatur aufbauen muss, da lasse ich es auch bleiben... ;-)
also wenn das keine klassische Anwendung dafür ist dann weiß ich auch nicht. Für eine vollständige saure Hydrolyse eines N-Acetyl sollte man schon gut eine Stunde oder mehr Reflux einplanen, idealerweise mit DC-Überwachung des Fortschritts - das spart Überraschungen und Enttäuschungen. Wenn du deine Glasschliffapparatur nur zum ankucken hast, dann kann ich dir auch nicht helfen... :roll:
ob es vll. sinnvoll wäre, das Aminophenol nach der Hydrolyse des (dann vorher auf jeden Fall zu extrahierenden) Paracetamols durch Zugabe von Natronlauge wieder auszufällen, was wegen der Sauerstoffempfindlichkeit bei Zugabe von Alkalien aber wohl eher keine gute Idee wäre.
Definitiv eine ganz schlechte Idee sofern du nicht Schutzgas hast. Außerdem müsstest du ziemlich genau den isoelektrischen Punkt treffen oder es geht einfach als Phenolat in Lösung. Außerdem ist es als Hydrochlorid besser lagerfähig.
Extrahieren des Paracetamols mit Aceton dürfte daher ein gute Idee sein.
drum hab ich's ja erwähnt. :mrgreen: :yeah:
Als ich das schon mal mit Ethanol bei Aspirintabletten versucht habe, um Acetylsalicylsäure zu gewinnen, machte das Abdampfen des Lösungsmittels aber hinterher (trotz Wasserbads!) leichte Probleme, weil die betreffenden Phenolderivate ja auch nicht besonders hitzestabil sind, sich dabei verfärben und teilweise zersetzen.
Das wäre mir völlig neu. ASS ist super stabil in EtOH Lösung und zersetzt sich jedenfalls bis zum Schmelzpunkt bei 135 °C nicht. Da muss was anderes schief gegangen sein, vermutlich war dein Extraktionsprozess nicht optimal und du hast labile Verunreinigungen rein geschleppt...?

Generell ist "Eindampfen" ein eher unprofessioneller Ansatz. Einengen bis Kristallisation und dann abnutschen!
Auch bei Paracetamol habe ich das in einem YouTube-Video schon mal beobchtet

Auch das wäre mir fremd. Habe ich schon gemacht, ohne Probleme. Ein N-Acetyliertes Aminophenol ist mit der Schutzgruppe eine gute Ausgangsbasis für Synthesen.
Da ich aber weder über einen Rotavap noch über geeignete Möglichkeiten der Vakuumdestillation verfüge, kann man das Aceton dann wohl am besten draußen aus dem Filtrat abdunsten lassen, oder? Bei dem ganzen Wind hier immer, bräuchte ich dafür noch nicht mal einen Ventilator zur Unterstützung einzusetzen...
ist das so kompliziert?
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: p-Aminophenol

Beitrag von aliquis »

Auch wenn ich sie in der Tat hübsch anzuschauen finde, werden die Normschliffgeräte bei mir durchaus benutzt... ;-)
Wenngleich nach Möglichkeit nicht bei jeder Gelegenheit, sondern eher da, wo es unverzichtbar ist, z. B. für regelmäßig wiederkehrende Arbeiten mit aggressiven Dämpfen/Destillaten, etc. Reflux/Destillation bei teuren, leichtflüchtigen oder gar giftigen oder feuergefährlichen Lösungsmitteln definitiv auf jeden Fall, aber eher nicht für wässrige Lösungen, wo es nicht unbedingt sein muss...
Meist dauern Aufbau, Abbau und Reinigung ja deutlich länger als die eigentliche Destillation. Da kommt die Bequemlichkeit in mir durch - nicht ohne Grund habe ich eine besondere Leidenschaft für Probierglas-Chemie: kleine, schnelle, einfache, aber überzeugende Ergebnisse...

Ja, und Aminophenol mit Natronlauge auszufällen habe ich bereits früh wieder verworfen...

Vakuumdestillation zu kompliziert? Ein Rotavap ist mir einfach zu teuer. Eine elektrische Vakuumpumpe besitze ich nicht, bei Wasserstrahl geht mir zu viel Frischwasser durch, Rückkopplung mit grob regulierter Tauchpumpe ist mir irgendwie nicht geheuer...
Aceton verdunsten zu lassen ist im Freien hingegen recht unkompliziert...

ASS:
Die eingeengte Lösung ging auf dem Wasserbad direkt in eine gelbliche, stark nach Phenol und Essigsäure riechende, glasig-sirupöse Masse über - und das wie gesagt schon bei deutlich unter 135 Grad. Wie weit sollte man denn einengen, wenn man es auskristallisieren lassen will? Leider kenne ich die genaue Löslichkeit in Ethanol nicht. Oder sollte man ASS vll. besser auch mit Aceton statt Ethanol extrahieren, immerhin liegt die Siedetemperatur nochmals gute 20 Grad darunter...
Vll. habe ich bei der Extraktion wirklich einen Fehler gemacht: ich habe die Ethanol-Tablettenpulver-Suspension direkt auf dem Magnetrührer erhitzt, um die Auflösung der ASS zu beschleunigen - evtl. hat das Pulver auf dem Becherglasboden dabei tatsächlich vorab schon zuviel Hitze abbekommen...
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: p-Aminophenol

Beitrag von aliquis »

Ist Organische Chemie ein nicht-öffentliches Unterforum?
Ich sehe diesen Thread nämlich nur, wenn ich mich einlogge.

Edit: Jetzt sehe ich es auch, ohne eingeloggt zu sein.
Seltsam...
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4349
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Re: p-Aminophenol

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Mittwoch 26. April 2023, 03:33 Vakuumdestillation zu kompliziert?
Das nicht, aber deine ausgiebigen Überlegungen dazu im Verhältnis zur Trivialität der Aufgabe :)
Die eingeengte Lösung ging auf dem Wasserbad direkt in eine gelbliche, stark nach Phenol und Essigsäure riechende sirupöse Masse über - und das wie gesagt schon bei deutlich unter 135 Grad.

Da hast du offensichtlich brav hydrolysiert - ein Hinweis darauf dass dein Ethanol nicht sauber bzw ziemlich nass war, sollte sonst nicht passieren. Kommt auch vom zu lange und zu weit einengen.

ASS bzw Saylicylsäure haben sehr steile Löslichkeitskurven mit der Temperatur. Einengen nach Gefühl (ich halbiere immer gerne) - kühlen - Auskristallisieren lassen - Mutterlauge ggfs erneut einengen... gibt dann auch Fraktionen die man einzeln auf Reinheit prüfen kann.

Auch Ausfällen mit Wasserzusatz kann gute Ergebnisse bringen.
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: p-Aminophenol

Beitrag von aliquis »

Hm, ja, vll. sollte ich wieder vom 96 %igem Brennspiritus zum 99 %igen Bio-Ethanol wechseln, preislich geben die sich ohnehin nichts mehr (Brennspiritus war vor Pandemie und Ukraine-Krieg mal halb so teuer...).
Und auf dem Wasserbad hat es wohl naturgemäss zu lange gekocht, so dass Hydrolyse eingetreten ist.
Die Wasserfreiheit wäre noch ein zusätzliches Argument für Aceton statt Ethanol als Lösungsmittel.

Mit Ethanol-Wasser-Gemischen habe ich in letzter Zeit eher wenig überzeugende Ergebnisse beim Ausfällen erzielen können. Dafür muss die Lösung wirklich schon gesättigt bzw. übersättigt sein. Ist es erstaunlich, wie gut sich viele Substanzen in dem Gemisch noch lösen. Oft fällt da gar nichts aus, manchmal noch mit Zeitverzögerung nach gutem Zureden...

Paracetamol werde ich also mit Aceton extrahieren und Lösungsmittel verdunsten lassen, bis die Substanz auskristallisiert, dann dekantieren usw.
Wird dann schon werden (hoffentlich).
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5606
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Re: p-Aminophenol

Beitrag von lemmi »

Aceton ist in der Tat zur Abtrennung von Arzneistoffen aus Tabletten gut geeignet, indem die meisten Hilfsstoffe darin unlöslich sind. Dazu eine früher mal von mir selbst zusammengestellte Tabelle:

IMG_20230426_160618.jpg

Ich würde mit Schwefelsäure hydrolysieren, mit Ammoniak neutralisieren, auf pH 8 einstellen und mit Ether ausschütteln. Damit sollte es ausreichend rein für ein paar Experimente sein (den Ether natürlich abdestillieren, evtl vorher mit HCl neutralisieren).
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: p-Aminophenol

Beitrag von aliquis »

Schwefelsäure scheint auch der Standard zur Hydrolyse zu sein, an die Salzsäure hatte ich nur gedacht, weil in den Anleitungen von Herrn Oelen das Hydrochlorid angegeben ist.
Ist Ammoniak im Hinblick auf die Oxidationsanfälligkeit des Produkts weniger problematisch als Natronlauge? Schutzgas trotzdem erforderlich?
Vorteil von Neutralisation, Ausschütteln und Abdestillieren wäre, dass man die Essig- und Hydrolyse-Säure über die Ammoniumsalze auch gleich los wäre.
Löst sich die Substanz auch in MTBE (nur diesen Ether verwende ich)? Und vll. auch eher verdunsten lassen statt destillieren? Oder die Etherphase abtrennen und wiederum mit verd. HCl ansäuern, ausschütteln und dann die wässrige Phase mit dem Hydrochlorid für die Folgeexperimente verwenden?
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5606
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Re: p-Aminophenol

Beitrag von lemmi »

Der Ammoniak dient in erster Linie dazu, den pH schön nahe dem isolelektrischen Punkt zu halten und eine Deprotonierung der OH-Gruppe zu vermeiden.
Ob es sich in MTBE löst weiß ich nicht , nicht mal ob das bei Ether der Fall ist ... :angel: Ausprobieren!
Einfach verdunsten lassen würde ich das nur bei ganz kleinen Mengen, a) um der Sicherheit willen und b) weil bei langsamem Verdunsten die Substanz zu sehr dem Luftsauerstoff ausgesetzt ist. Einfach mit HCl wieder in die wässrige Phase ausschütteln geht natürlich auch - wenn die Konzentration danach hoch genug für deine Experimente ist.
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: p-Aminophenol

Beitrag von aliquis »

p-Aminophenol soll in DEE löslich sein.
Wie finde ich heraus, ob und wieviel sich in MTBE gelöst hat, ohne das Lösungsmittel verdunsten zu lassen?
Sicherheitsbedenken hätte ich im Freien bei viel nordischem Wind und fernab jeglicher Zündquelle ausnahmsweise nur wenige. Oxidation wäre hingegen echt ungünstig.

Momentan scheint mir die zuerst genannte Variante (Paracetamol mit Aceton extrahieren, eindunsten lassen, mit HCl hydrolysieren und diese Mischung dann direkt verwenden) doch die naheliegende, einfachste und für den Zweck vermutlich auch ausreichende Lösung zu sein.
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5606
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Re: p-Aminophenol

Beitrag von lemmi »

Na dann mach mal und berichte darüber! :wink:
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: p-Aminophenol

Beitrag von aliquis »

lemmi hat geschrieben: Donnerstag 27. April 2023, 21:25 Na dann mach mal und berichte darüber! :wink:
Selbstredend! 8)
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: p-Aminophenol

Beitrag von aliquis »

So, hier nun der versprochene Bericht. :)

4 Tabletten á 500 mg Paracetamol im Mörser zerkleinert, anschließend den Wirkstoff mit 50 ml Aceton extrahiert (unter Verwendung eines Magnetrührers, aber unter Verzicht auf Hitze) und das klare, farblose Filtrat zum Eindunsten nach draußen gestellt. Zurück blieb, was man auf dem Foto sehen kann.
Ganz offensichtlich ist bereits in dieser Lösung eine teilweise Aufspaltung oder leichte Oxidation eingetreten, wie man an leichten orange-rosanen Verfärbung erkennen kann. Wer ein reines Ausgangsprodukt möchte und die Möglichkeit zur Vakuumdestillation bei Raumtemperatur hat, sollte diese also am besten hier auch nutzen.

20230501_142945.jpg




Dann wurde der Rückstand mit 50 ml 2 M Salzsäure eine Stunde lang gekocht (ich habe mich zur Verminderung der HCl-Dämpfe für eine Halbierung der geplanten Säure-Konzentration entschieden, im Gegenzug wurde die entstehende Lösung nach Ende der Hydrolyse dann aber nicht mehr weiter verdünnt). Verdampftes Wasser wurde fortlaufend ersetzt und einmal Salzsäure nachgefüllt.
Schon nach kurzer Zeit war ein kräftiger Geruch nach Essig wahrnehmbar, was auf eine funktionierende Hydrolyse hindeutet.
Am Ende erhält man eine sepiafarbene Lösung, die im Wesentlichen aus Wasser, überschüssiger Salzsäure, abgespaltener Essigsäure und p-Aminophenol-Hydrochlorid bestehen dürfte. Da nach dem Abkühlen kein schlecht wasserlösliches Paracetamol mehr auskristallierte, gehe ich von einer weitestgehend vollständigen Umsetzung aus. Das Dunkle am Kolbenboden ist eine Reflexion, die beiden Krümel im Erli sind nur Siedesteine...

20230501_212335.jpg




Die erhaltene Lösung wurde direkt für mehrere Probierglasversuche zum Verhalten von p-Aminophenol im alkalischen Milieu und bei Oxidation unter sauren Bedingungen benutzt.

Die Lösung färbt sich bei Zusatz von Laugen im Überschuss relativ schnell bräunlich-schwarz. Die Färbung ist sehr intensiv: das Reagenzglas links auf dem Foto zeigt eine Mischung, die aus ca. 5 ml Hydrolyse-Mischung und einem Überschuss an 10 %iger Natronlauge gewonnen wurde, mit Wasser aufgefüllt bis zum Rand (ca. 40 ml), bis auf 5 ml abgegossen und wieder bis zum Rand aufgefüllt - die Lösung ist immer noch tiefdunkel und undurchsichtig! Anschliessendes Ansäuern hellt etwas auf, stellt aber nicht die ursprüngliche Farblosigkeit wieder her.

Bei Zusatz von Oxidationsmitteln zur sauren Lösung entsteht eine kräftig violette Färbung. Als Beispiel wurde beim Reagenzglas rechts wieder 5 ml Aminophenol-Lösung sowie diesmal einige ml Bromwasser gewählt, die Mischung wie oben geschildert mit Wasser aufgefüllt, bis auf ca. 5 ml abgegossen und erneut aufgefüllt.
Die Violett-Färbung stellte sich auch mit Nitrit, dreiwertigem Eisen, Dichromat, Wasserstoffperoxid oder Persulfat ein, z. T. bedarf es des Erwärmens im Wasserbad. Zusatz von Alkalilauge zerstört den violetten Farbstoff und ergibt kräftig braunschwarze Mischungen.
Bei Zusatz von Chlorbleichlauge im Unterschuss zur Säure bleibt die Violettfärbung zunächst erhalten, bei Zugabe der alkalischen Hypochlorit-Lösung im Überschuss wird der Farbstoff aber ebenfalls zerstört.
Überschüssiger Zusatz von Sulfit als Reduktionsmittel zu den violetten gefärbten Lösungen zerstört den Farbstoff auch. Die Lösung färbt sich entweder hellbräunlich-gelb oder nimmt die Farbe des reduzierten Oxidationsmittels an (z. B. grün beim zum dreiwertigen Chrom reduzierten Dichromat).

20230501_225329.jpg




Die Hydrolyse-Lösung verursacht auf Papiertüchern übrigens eine Gelbfärbung, die deutlich kräftiger ist als die Eigenfarbe. Irgendwelche Ideen wieso?

20230501_225639.jpg



Fazit:
Die Hydrolyse-Mischung tat, was sie tun sollte.
Für ein paar einfache Reagenzglasversuche müssen es also nicht immer hochreine und teure Feinchemikalien aus dem Fachhandel sein.
Sofern eine nahezu vollständige Umsetzung zum gewünschten Produkt erreicht werden kann und die evtl. Nebenprodukte die Reaktionen nicht stören, kann man genauso gut auf billige Ausgangsstoffe aus Apotheke, Super- oder Baumarkt zurückgreifen, die man entsprechend aufschließt/umsetzt. Die vier Tabletten haben mich nur ca. 30 Cent gekostet, Aceton und Salzsäure vll. jeweils nochmals genauso viel, dazu noch etwas Stromkosten für die Kochplatte, Sonne und Wind gab's draußen kostenlos... ;-) Paracetamol-Tabletten gehören außerdem auch nicht zu den raren Medikamenten in der Apotheke und der Inhalt der Schachtel überschreitet Ende diesen Monats eh sein Haltbarkeitsdatum, so dass auch von daher kein schlechtes Gewissen aufkommen muss...

P.S.: Wenn demnächst hoffentlich endlich mal meine Ferroin-Indikatorlösung aus Holland ankommt, freue ich mich schon die cerimetrische Bestimmung von Paracetamol nach lemmis Anleitung, die ebenfalls auf der Oxidation von p-Aminophenol beruht... 8)
Dann wird aber selbstverständlich mit verd. Schwefelsäure hydrolysiert.
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Antworten