Grundlagen der Iodometrie

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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Wenn nicht muss, dann nicht. Wozu etwas verbessern dass bereits funktioniert.
Mein Verdacht ist auch eher dass es verhindern soll dass sich Peroxid als O2 verabschiedet und der Analyse entzieht zB durch Bildung von einigermaßen stabilen peroxo-Komplexen (peroxomolybdate), selbst kann es ja sonst nicht weiter oxidiert werden. Die Gefahr ist bei Fe oder As bei Raumtemperatur eher nicht so gegeben :)
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lemmi
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von lemmi »

Vanadiumpentoxid hat geschrieben: Mittwoch 28. April 2021, 01:49 Mit den meisten Messungenauigkeiten (in beide Richtungen) habe ich immer in der Iodometrie zu kämpfen ....

Hast Du Ideen für typische Fehlerquellen in diesem Bereich?
Ich habe hier Abweichungen von bis zu 30 % gegenüber dem zu erwartenden Wert - selbst bei voreingestellten Vergleichproben!
Das höhere Molekulargewicht vom Thiosulfat-Hydrat habe ich beim Ansetzen der Masslösung berücksichtigt. Auch titriere ich zügig, um die Oxidation von Iodid an der Luft zu vermeiden. Und Stärkelösung gebe ich zu Titrationsende auch immer zu, um den Umschlagspunkt besser erkennen zu können.
Kurzum: hier bin ich ratlos und mit meinem Latein am Ende.
Das ist so pauschal schwierig zu sagen. Es wäre hilfreich wenn du ein konkretes Beispiel möglichst detailliert beschreiben würdest. Wie hast du die Maßlösungen hergestellt? Hast du sie eingestellt? Was hast du titriert unter welchen Bedingungen (Volumen, pH-Wert...)? Wie genau ist deine Waage? (aber Wägefehler liegen üblicherweise nicht im Bereich von 30%)

Für so grobe Abweichungen gibt es eigentlich nur zwei Erklärungen: grobe Substanzmengenabweichungen (Substanzen nicht der stöchiometrischen Zusammensetzung entsprechend, Maßlösungen grob falsch) oder Rechenfehler.

Da du in dem anderen Thread geschrieben hast, dass du das Problem mit alkali-/acidimetrischen Tirtrationen nicht hast, lassen sich daraus vielleicht Schlüsse ziehen.
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Vanadiumpentoxid
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

Danke lemmi. Hab jetzt mal nachgelesen (vor allem den Link). Es scheint ein Gemengelage von drei Problemen zu sein:

1. Zuviel Säure in der Probelösung - Zerstörung von Thiosulfat, zu erkennen an der immer noch leicht trüb-gelblichen Farbe am Ende der Titration. Wahrscheinlich der Hauptgrund. Hatte ich auch schon irgendwie im Hinterkopf, mir war nur die Stöchiometrie dazu noch nicht ganz klar.
Da frage ich mich: Wie soll dann z. B. die Bestimmung von Blei oder Kupfer überhaupt gelingen?
2. Zu frühe Zugabe/dadurch Ausfällung von Iodstärke.
3. Titerverlust von Thiosulfat. Alle 3 Wochen bestimme ich den nicht. Da stelle ich lieber gleich frisch her und bestimme erst dann (mit Cer-IV-sufat oder Kaliumdichromat).

1./3. und 2. wirken entgegengesetzt. Das erklärt die Abweichungen in beide Richtungen.
Titrationen mit wenig Säure klappen bei mir in der Regel besser, ebenso wie Rücktitrationen.

Die Autoren der Kosmos-Anleitungsbücher (Waselowsky & Co., früher wie heute meine bisherigen Hauptquellen zu dem Thema) gehen auf diese potentiellen Fehlermöglichkeiten kaum ein. Wieviele Generationen enttäuschter Jung-Experimentatoren mag es dadurch wohl gegeben haben?
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mgritsch
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von mgritsch »

30% :eek: das ist kein "Fehler" sondern schon eher ein "Fail" :D
Das klingt nach einem gröblichen methodischen Fehler. In der einschlägigen Literatur (Poethke, Kolthoff, Latascha/Klein, div. andere Lehrbücher oder Uni-Skripten... zb auch hier) sind das Vorgehen und die Gründe dafür eigentlich hinreichend beschrieben - wer sich daran hält kann bei so einer Standardmethode fast nichts falsch machen. Kosmos-Anleitungsbücher sind sicher nicht schlecht, aber haben einen anderen didaktischen Anspruch. Sie wollen auf für Laien schaffbare Weise mit einfachen Mitteln Prinzipien vermitteln und erlebbar machen, nicht unbedingt exaktes Arbeiten. Als "zitierfähige" Literatur oder Grundlage für dein Fortkommen würde ich die eher nicht sehen :)

Aber statt uns völlig ziellos rätseln zu lassen oder nur deine eigenen Überlegungen wiederzugeben (was du als potenziellen Fehler erkennen konntest) - wie lemmi schrieb: beschreibe doch mal sachlich und genau dein Vorgehen und Auswertung das zu diesem Ergebnis geführt hat. Dann sind wir schlauer. Bisher wissen wir noch nicht mal welchen Analyten du bestimmen wolltest, geschweige denn ob dein Messergebnis oder die Erwartungshaltung bzgl richtigem Wert falsch war. Wie soll man da qualifiziert zu einem Detail wie angemessene Säuremenge Stellung beziehen?
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

Hallo mgritsch,
also, bis auf die Frage, wie man das bei Titrationen mit unvermeidbar viel Säure, z. B. Bleibestimmung über Chromat, in den Griff bekommen kann, sind meine Fragen nach den Ursachen eigentlich bereits geklärt.
Welche Deiner Rückfragen wären nach meinem obigen, editierten Beitrag denn jetzt noch offen?
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mgritsch
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von mgritsch »

Also bisher hast du eine sehr generische Frage gestellt ("warum könnte ich 30% falsch liegen bei irgend einer Iodometrie")
Hast darauf eine sehr generische Antwort bekommen
Hast daraus deine eigenen Schlüsse gezogen (wird wohl Säure, Stärke und Titerverlust sein).

Wenn du meinst dass damit alles klar ist - okay. Ich habe keine Fragen und kein Problem mit Iodometrie :)

Meiner bescheidenen Einschätzung nach ist bei einer Schwefelausscheidung nicht ein Übermaß an Säure schuld (es sei denn du hast bisher in konz HCl gearbeitet). Die Ausscheidung passiert normalerweise langsam und nur wenn freies Thiosulfat vorliegt, da muss also schon vorher was anderes schief gegangen sein.
Meiner bescheidenen Einschätzung nach kann Iodstärke oder Titerverlust vielleicht 1-3% erklären.
Aber wie gesagt, wenn du meinst dass jetzt alles klar ist dann wirst du ja fortan auf <1% genau dran sein :) alles gut :)
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

O. K., wenn auch die drei genannten Ursachen nicht Grund genug sein können für eine Abweichung um 30 %, dann werde ich von meiner nächsten iodometrischen Untersuchung (im Moment steht keine an) hier mal genauer berichten. Vielleicht kommen wir dann ja besser voran als beim pauschalen Rätselraten über meine gesamte 35-jährige iodometrische Erfahrung...
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lemmi
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von lemmi »

Ich finde auch, dass eine Kombination deiner genannten drei Punkte eine so grobe Abweichung nicht erklärt. Der Titerverlust von Thiosulfat ist nach meinen (nach dem Schreiben des Artikels) gesammelten Erfahrungen viel zu gering, als dass er eine so grobe Abweichung bedingen könnte . Zur Zersetzung hat mgritsch schon was gesagt. Es muss ein anderes Problem vorliegen.

Woher hast du deine Maßlösungen und wie stellst du sie ein? Was für eine Waage benutzt du?
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

lemmi hat geschrieben: Donnerstag 29. April 2021, 15:05 Woher hast du deine Maßlösungen und wie stellst du sie ein? Was für eine Waage benutzt du?
Meine Maßlösungen stelle ich im Meßkolben selbst her, die dazugehörigen Chemikalien stammen aus dem Fachhandel.
In der Iodometrie benutze ich Cer-IV-sulfat oder Kaliumdichromat als Urtiter für das Einstellen von Natriumthiosulfat: die sind gut abzuwiegen, nicht hygroskopisch, die Lösungen langzeitstabil.
Die Iodlösung stelle ich mit der zuvor eingestellten Thiosulfatlösung ein.
Das Kaliumiodid als Gegenpart bestelle ich jährlich frisch, es wird dicht verschlossen in einer Braunglasflasche gelagert.

Ich benutze eine kalibrierte, elektronische Feinwaage, mit der ich bis auf 0,01 g genau abwiegen kann. Waagen mit noch größerer Genauigkeit oder gar Laborwaagen kann und will ich mir nicht leisten; das, was ich habe, reicht mir für meine Zwecke aber vollkommen aus.
Meine Büretten haben eine 0,1 ml-Einteilung.

Bei Überprüfung meiner Maßlösungen mit Urtitern lag die Abweichung meist bei unter 1 %. Die größte Abweichung hatte ich bislang in der Argentometrie bei Ammoniumthiocyanat mit einem Korrekturfaktor von 1,03 - was bei einem derart hygroskopischen Stoff m. E. immer noch ein guter Wert ist.

In anderen Bereichen der Titrimetrie habe ich wie gesagt keine derartigen Probleme mit Abweichungen (immer deutlich unterhalb von 1 %, meist sogar punktgenau gegenüber der stöchiometrischen Berechnung).
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lemmi
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von lemmi »

Die Einstellung einer Thiosulfatlösung gegen Kaliumdichromat ist nicht banal. Man muss die kräftig saure Lösung mit dem Jodid 15 bis 20 Minuten reagieren lassen, und zwar unter Luftabschluss, sonst erhält man falsche Werte beim Thiosulfat-Verbrauch. (Siehe dazu Jander/Jahr, Maßanalyse).

Bei der Einstellung gegen Cersulfatlösung ist es mir einmal passiert, dass ich einen völlig falschen Faktor für die Thiosulfatlösung ermittelt habe, weil ich irrigerweise Ferroin als Indikator verwendet hatte. Aber wenn man Jodid/Stärke verwendet funktioniert es.

Allerdings ist die Verwendung von Urtiter-Substanzen fraglich, wenn deine Waage eh nur auf 10 mg genau geht. Vor allem wenn das Äquivalentgewicht klein ist, wie z.b. bei Kaliumdichromat. Dann ist es wahrscheinlich genauso zuverlässig, wenn du ein sauber kristallisiertes Thiosulfat so genau wie möglich einwägst und zu einem definierten (möglichst großen, damit der Wägefehler nicht so ins Gewicht fällt) Volumen löst.
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

lemmi hat geschrieben: Donnerstag 29. April 2021, 20:02 Die Einstellung einer Thiosulfatlösung gegen Kaliumdichromat ist nicht banal. Man muss die kräftig saure Lösung mit dem Jodid 15 bis 20 Minuten reagieren lassen, und zwar unter Luftabschluss, sonst erhält man falsche Werte beim Thiosulfat-Verbrauch. (Siehe dazu Jander/Jahr, Maßanalyse).
Das könnte natürlich auch die hohe Abweichung bei der Bleibestimmung erklären.
Wenn ich die Lösung einstelle (ich mache das beileibe nicht immer, weil ich mit geringen Abweichungen durchaus leben kann), verwende ich eher Cersulfat, Kaliumdichromat bislang erst einmal. Seltsamerweise (im Gegensatz zur Bestimmung von Blei über Chromsäure) habe ich dabei keine großartigen Abweichungen festgestellt.
lemmi hat geschrieben: Donnerstag 29. April 2021, 20:02Bei der Einstellung gegen Cersulfatlösung ist es mir einmal passiert, dass ich einen völlig falschen Faktor für die Thiosulfatlösung ermittelt habe, weil ich irrigerweise Ferroin als Indikator verwendet hatte. Aber wenn man Jodid/Stärke verwendet funktioniert es.
Ich verwende immer Iodid/Stärke. Das Ergebnis bestätigt mir meist zu über 99 % meine Einwaage.
By the way: Ferroin wäre natürlich ein wichtiges Reagenz für die Cerimetrie, auf die ich daher bislang leider verzichten musste, obwohl ich Cersulfat an sich da hätte. Ferroin finde ich aber nur bei Händlern, die ausschließlich Gewerbekunden beliefern. Da mein Gewerbe derzeit aber nicht zu der Chemikalie passt, frage ich mich: wo bekommt man das als Privatkunde sonst als her?
lemmi hat geschrieben: Donnerstag 29. April 2021, 20:02Allerdings ist die Verwendung von Urtiter-Substanzen fraglich, wenn deine Waage eh nur auf 10 mg genau geht. Vor allem wenn das Äquivalentgewicht klein ist, wie z.b. bei Kaliumdichromat. Dann ist es wahrscheinlich genauso zuverlässig, wenn du ein sauber kristallisiertes Thiosulfat so genau wie möglich einwägst und zu einem definierten (möglichst großen, damit der Wägefehler nicht so ins Gewicht fällt) Volumen löst.
So handhabe ich es ja meistens auch (s.o.). Das Einstellen habe ich überhaupt erst zur Kontrolle gemacht, weil ich oft so große Abweichungen in der Iodometrie hatte - ohne anschließend wirklich nennenswerte Korrekturen vornehmen zu müssen, die die bisherigen "Fails" erklärt hätten.
Ich löse sogar nur zu 100 ml, weil mir 1000 ml als Verschwendung erscheint, da ich die bis zum nächsten Ansatz niemals verbrauchen würde (und mir für viele weitere Großgebinde im Schrank einfach auch der Platz fehlt). Aber wie gesagt: die Ungenauigkeiten wären ja trotzdem eher nur gering und erklären keine Fehlerquoten von 30 %.
Es machte übrigens auch keinen Unterschied, ob ich beim Ansetzen handelsübliches Thiosulfat wasserfrei oder als Hydrat (natürlich unter Berücksichtigung der abweichenden Molmasse) verwende.

Vll. kommen wir ja weiter, wenn ich schon mal etwas eingrenze und zusammenfasse, wo das Problem häufiger auftauchte und wo eher nicht:
Eher problemlos bei Einstellung und Titration mit Cer (IV), Bestimmung von Peroxiden, Chlor und Brom, direkte Titration gegen Iod.
Erhebliche Abweichungen bei Bestimmung von Blei (über Chromsäure), Kupfer, Eisen (III), Mangan (IV/VII).

Iod wirkt in der Maßanalyse irgendwie zickig auf mich. Wie gesagt: völlig unproblematisch laufen bei mir Acido-, Komplexo- (die aktuelle EDTA-Maßlösung war - als einzige - allerdings auch fertig gekauft), Argento- und Chromatometrie.
Höchstens in der Manganometrie habe ich sonst schon mal leichte Abweichungen, weil die Lösung bei der Genauigkeit meiner Waage nicht ganz einfach anzusetzen (solange ich keinen Magnetrührer hatte, war es sogar vollkommen unmöglich), nicht lange haltbar und dank meiner Probleme in der Iodometrie auch nur schwer einzustellen ist.
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von lemmi »

Bis auf die Sache mit dem die Chromat und die Tatsache, dass saure Iodidlösungen sich im Kontakt mit der Luft leicht zu Jod oxidieren und man dadurch etwas (...) zu hohe Thiosulfatwerte bekommt, kann ich nicht wirklich sagen warum ausgerechnet die vier letzten Analysen dir solche Schwierigkeiten bereiten. Welche Vorschrift hast du verwendet?
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

lemmi hat geschrieben: Freitag 30. April 2021, 08:34 Welche Vorschrift hast du verwendet?
Für Pb, Cu und Mn: Waselowsky, 225x Chemie.
Für Fe3 Deine Beschreibung hier.
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mgritsch
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von mgritsch »

Vanadiumpentoxid hat geschrieben: Donnerstag 29. April 2021, 21:56 Ich verwende immer Iodid/Stärke. Das Ergebnis bestätigt mir meist zu über 99 % meine Einwaage.
das deckt sich auch mit meiner Erfahrung - wenn man eine gute Qualität an Thiosulfat hat, dann ist Stellen geradezu optional.
(btw - waserfrei habe ich es im Handel noch nie angeboten gesehen? Hat auch keinen Vorteil, eher nachteilig wegen geringerer Äquivalentmasse.)
Was die Einwaage betrifft - bei 10 mg Anzeigegenauigkeit kann die Abweichung vom wahren Wert ohne weiteres 20 mg betragen, das wäre dann wenn du nur 100 ml einer 0,1 M Lösung ansetzt bereits ca 1%. Kein Beinbruch, just saying. An Waage + Reagenzien gleichzeitig sparen bezahlt man eben mit möglicher Genauigkeit.
By the way: Ferroin wäre natürlich ein wichtiges Reagenz für die Cerimetrie, auf die ich daher bislang leider verzichten musste, obwohl ich Cersulfat an sich da hätte. Ferroin finde ich aber nur bei Händlern, die ausschließlich Gewerbekunden beliefern.
Selbst ansetzen. 1,10-Phenanthrolin findet man im gut sortierten Handel noch eher. Eine 25 mmol Lösung mit gleicher Menge Mohrsches Salz und fertig. Vorteil: man weiß was man hat! 1,10-Phenanthrolin gibt es als Chlorid oder als Hydrat. Solltest du mal die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion machen wollen - achte darauf dass es das Hydrat und nicht das Chlorid ist, denn Chloridionen stören bei der Reaktion und dann wartest du vergeblich auf die schönen rot-blauen Ringe...
Vll. kommen wir ja weiter, wenn ich schon mal etwas eingrenze und zusammenfasse, wo das Problem häufiger auftauchte und wo eher nicht: Eher problemlos bei Einstellung und Titration mit Cer (IV), Bestimmung von Peroxiden, Chlor und Brom, direkte Titration gegen Iod.
Erhebliche Abweichungen bei Bestimmung von Blei (über Chromsäure), Kupfer, Eisen (III), Mangan (IV/VII).
...
Für Pb, Cu und Mn: Waselowsky, 225x Chemie.
Für Fe3 Deine Beschreibung hier.
JA! So kommen wir weiter. :thumbsup: Warum nicht gleich so :D Jede einzelne der Bestimmungen hat ihre ganz eigenen Fallen, daher macht es nur Sinn sie speziell zu behandeln. Für Cu und Mn habe ich im Waselovsky nichts gefundene? Bleiben wir zB mal beim Blei. Hattest du systematische Minder- oder Mehrbefunde oder beliebig in beide Richtungen? (ich tippe auf Minderbefund...)
  • Bleiacteat ist alle andere als ein Urtiter - merkliche Gehaltsabweichungen sind eher die Regel als die Ausnahme (Verwitterung/Kristallwassergehalt, Carbonat-Bildung...)
  • Die Fällung des Chromats ist sehr zickig und super sensibel in Bezug auf pH. Etwas zu niedrig und du hast Dichromat, etwas zu hoch und dir fallen andere Bleiverbindungen (Hydroxide) mit. Waselovsky erwähnt das beiläufig ("Abstumpfen"), geht darauf aber nicht weiter konkret ein. Poethke ist da klar: "Natriumacetat zur sauren Lösung zugeben bis Kongopapier eben gebläut wird".
  • Poethke schreibt vor, AlCl3 zuzusetzen (als "Flockungshilfsmittel"), zu kochen und über Nacht stehen zu lassen bevor man abfiltriert. Waselovsky weiß davon nichts. In der verkürzten Form dürfte die Fällung wohl nicht vollständig sein.
  • Niederschläge quantitativ filtrieren, waschen und wieder auflösen ist gerne eine breite Fehlerquelle. Wie viel geht durch den Filter weil zu fein? Wie viel Chromat hast du nicht ausgewaschen? Wie viel ist am Filter hängen geblieben?
  • Hat das Auflösen funktioniert? Immerhin ist Bleichromat deutlich schlechter löslich als Chlorid oder Iodid, die Reaktion funktioniert überhaupt nur wegen der nachgelagerten Reduktion des Chromats zu Cr+3. Ob das Chromat tatsächlich vollständig umgesetzt wurde kann man visuell nicht gut beurteilen, alles gelb...
  • in der gelb-grünen Suppe ist der Umschlag mit Stärke nicht gerade optimal erkennbar. Ein paar Tropfen mehr oder weniger...? Und wenn du da auch so sparsam wie sonst oft warst und mit einem kleineren Ansatz gearbeitet hast macht das nochmal etwas aus...
Generell finde ich die Vorschrift ja eher solala. Kann man machen, Bleibestimmung mit Komplexometrie ist aber eindeutig überlegen in Bezug auf Einfachheit (und wohl auch Präzision). Iodometrie ist halt ein sehr altes Verfahren und historisch reizvoll, Komplexometrie ein jüngeres Kind der 60er Jahre und erst mit immer neueren und besseren Indikatoren zur vollen "Größe" aufgestiegen.

In deiner Vorstellung hast du ja deinen bisherigen Hintergrund sehr genau dargelegt - ich glaube du bist mehr als reif dass du den nächsten Schritt von "ganz netten" Experimentierbüchern auf Abi-Niveau hin zu professioneller Literatur mit etwas mehr Hintergrundverständnis machst...
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Re: Grundlagen der Iodometrie

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

Hallo mgritsch,

vielen Dank für Deine detaillierte Rückmeldung.

Wasserfreies Thiosulfat habe ich im Röhrchen eines alten Kosmos-Kastens, darüber hinaus immer einen Vorrat von 250 g Pentahydrat aus dem Fachhandel.
Wasserfreies gibt es doch aus mannigfaltigen Quellen: nahezu alle namhaften Gewerbebelieferer haben es im Angebot, bei S3 können es auch Privatleute kaufen. Jedoch ist es gegenüber dem Pentahydrat um ein Vielfaches teurer.

Mit einer Ergebnisabweichung von unterhalb 1 % kann ich durchaus leben. Ich muss ja keine Dissertation darüber schreiben...

Selbstherstellung von Ferroin ist zumindest ein innteressanter Tipp. Kann man auch Eisen-II-sulfat statt Mohrsches Salz verwenden?
Belousov-Zhabotinsky wäre neben der Cerimetrie bestimmt eine tolle Anwendung, andererseits möchte ich mir eigentlich kein weiteres Karzinogen (Bromat) ins Haus holen. Das gleiche gilt für Kongorot. Könnte man nicht genauso gut Methylorange bzw. -rot nehmen?
Da Phenanthrolin T ist, kann man das als Privatnutzer in Deutschland nicht über den Versandhandel, sondern nur aus PL oder NL bekommen - wenngleich zu stolzen Preisen (5-10 g zwischen 18 und 50 Euronen zzgl. Versand!).

Warum nicht gleich so? Weil ich zunächst nicht so recht verstanden habe, was genau Du mir eigentlich mitteilen willst... ;-)

Waselowsky Exp. 28.5 ist die Kupferbestimmung, 30.2. Sauerstoffbestimmung über Mn.

Statt Bleiacetat habe ich Nitrat verwendet und den zu bestimmenden Bleigehalt rechnerisch entsprechend angepasst.
Abstumpfen, Fällen und Filtrieren hat augenscheinlich ganz gut funktioniert.
Die erhebliche Abweichung war (ebenso auch bei Bestimmung von Fe und Cu) jedoch ein Mehrbefund, was darauf hindeutet, dass die Spülung des Rückstandes unvollkommen und daher überschüssiges Kaliumchromat enthalten war, welches mehr Iodid und dadurch Thiosulfat verbraucht hat. Fehlerquelle (zumindest beim Blei) gefunden!
Minderbefunde hatte ich allenfalls mal bei den von mir als unproblematisch eingestuften Bereichen, dann höchstens jedoch so 1-3 %.
Laut Waselowsky gibt es mehrere Fehlerquellen, die sich z. T. aber auch gegenseitig aufheben können.
Der Umschlag ist in der Tat nicht besonders gut zu erkennen. Gleiches gilt auch hier bei der Bestimmung von Fe und Cu.
Die Ansatzgröße war genau diejenige, die Waselowsky vorgibt.

Komlexometrie ist toll: zwar einmal mehr um die Ecke denken, dafür einfache Abläufe, klare Umschläge und punktgenaue Ergebnisse!
Schade, dass ich das erst in den letzten Jahren entdecken konnte. Ende der 80er Jahre ohne Onlineversand war an ETDA, Eriochromschwarz etc. kein Herankommen. Selbst meine Lieblingsapotheke musste passen und meine Lehrer hatte ich wohl schon ein paar mal zu oft um Chemikalien angebettelt...

Danke, dass Du mir mehr zutraust. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich noch drin sitzt. Schon jetzt muss sich meine Familie meinen Feierabend, meine Wochenenden und meinen Urlaub zu oft mit der Chemie teilen. Und ein weiteres Kleingewerbe will ich ja auch noch starten. Mir würde es schon reichen, wenn ich noch etwas Material auf dem jetzigen Niveau finde. Und wenn meine Tochter soweit ist und ihr Interesse behält, können wir ja in ein paar Jahren nochmal von vorne beginnen...
Nicht zuletzt mag ich die alten Anleitungen mit den einfachen Experimenten auch aus nostalgischen Gründen... das hat immer etwas von Jugenderinnerungen...
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