Eindampfen unter vermindertem Druck

Fragen zur allgemeinen Chemie; alles, was in keine andere Kategorie passt.

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lemmi
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Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von lemmi »

Ich will eine wässrige Lösung bei 40 °C eindampfen. Dazu heißt es in der Literatur lapidar "unter vermindertem Druck".

Wie macht man sowas praktisch? Ich habe das Problem,dass ich nur ein Wasseranschluß habe und als Vakuumpumpe nur eine Wasserstrahlpumpe . Ich kann also nicht gleichzeitig einen Kühler mit Wasser betreiben und die Wasserstrahlpumpe. Kann ich auf den Kolben mit dem Destillationsgut (da das Destillat nicht interessiert) einfach einen Schlauch anschließen und die Wasserstrahlpumpe dranhängen? Oder vielleicht besser eine Waschflasche dazwischen schalten, damit nichts zurück steigt? Soll ich mit einer Kapillare Luft durch das Destillationsgut saugen? Ideen / Tipps dazu?
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Glaskocher
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von Glaskocher »

Ist es möglich, den Ablauf der Wasserstrahlpumpe zumindest zum Teil durch den Kühler zu leiten? Alternativ könntest Du den Kühler aus einem erhöht hängenden Eimer speisen, der dann mit dem in anderen Eimern aufgefangenem Pumpenablauf immer wieder nachgefüllt wird. (recht sportlich)

Die Waschflasche, oder besser zwei, ist immer gut. Die erste mit Tauchrohr zur Apparatur kann Überschäumendes retten und die Zweite mit Tauchrohr zur Pumpe verhindert das Zurücksteigen beim Abstellen des Wassers. Optimal ist dazwischen ein T-Stück zum Belüften der Apparatur (Schlauch/Klemme).

Man kann bei unbedenklichem Kondensat auch direkt in den Wasserstrahl einkondensieren. Das kann am Anfang etwas auf die Saugleistung gehen, da das gesamte Dampfvolumen abgezogen werden muß. Aus Waschflaschen (Tauchrohr zur Pumpe) läßt sich eine Kühlfalle bauen, wenn man die Teile in eine Schüssel mit Wasser* stellt. Das hat den Vorteil, daß zu Beginn mehr Dampf "verarbeitet" werden kann, als die Pumpe an Gasvolumen schafft. * = das Wasser läßt sich gut durch den Pumpenablauf ständig erneuern.
Nail
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von Nail »

Ich würde zwei Waschflaschen dazwischschen schalten und beide schön mit Eis/Salz runterkühlen. Wenn es nur Wasser ist, kannst du es auch direkt in die Pumpe leiten, aber ich wäre mir nicht so sicher, ob eine Wasserstrahlpumpe überhaupt so stark ist um bei 40°C Wasser zu verdampfen.
Q.E.D.
Glaskocher
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von Glaskocher »

Solange die Wasserstrahlpumpe funktioniert wird sie Wasser von höherer Temperatur als das Betriebswasser verdampfen können. Der Grenzdruck einer Wasserstrahlpumpe ist der Dampfdruck des Betriebswassers.

Da ich nicht weiß, um welche Mengen Wasser es geht, habe ich zunächst bewußt auf den Tipp der Kühlung mit Eis verzichtet. Das waren aber eher wirtschaftliche Gründe*. Eis/Wasser im Kühlbad sind kein Problem, aber Eis/Kochsalz können zu Problemen führen, wenn das Kondensat gefriert und die Apparatur dicht macht. Das wird nicht nur lästig...

Schätzfrage (bitte erst später rechnen):
Wenn man 1kg Dampf von 100°C und 1kg Eis von 0°C mischt, welches Volumen und welche Temperatur hat die Mischung?
Zusatzfrage: Wieviel Eis braucht man, um ein Kilo Dampf vollständig zu kondensieren?
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lemmi
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von lemmi »

Volumen: ungefähr zwei Liter. Was ich nicht auswendig weiß ist, ob die latente Wärme des Dampfes ausreicht die latente Schmelzwärem des Eises zur Verfügung zu stellen. Dann muss man auch noch berücksichtigen dass der auf 100°C warmes Wasser kondensierte Dampf nochmal Wärme abgeben kann beim runterkühlen...Vermutung: es kommt irgendwas zwischen 0 und 10 °C raus.[/OT]

EDIT: jetzt hab ich nachgelesen! Die Verdampfungsenthalpie ist etwa 7mal so hoch wie die Schmelzenthalpie des Wassers. Das heißt, die Kondensation des Dampfes reicht locker, um das Eis zu schmelzen und das entstehende Wasser auch noch zu erwärmen. Neue Schätzung der Endtemperatur: ungefähr 75 °C.[nochmal /OT]

Was ist mit der Kapillare? Wann bringt man die bei einer Destillation unter vermindertem Druck an?
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mgritsch
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von mgritsch »

wie auch die anderen Antworter schreiben:
wenn es nur um das Einengen geht und nur Wasser (oder ähnlich biologisch verträgliches) abgezogen werden soll - kein Kühler notwendig, ab damit in den Wasserstrahl. Alle Kühlungsrechungen sind somit zusatz-Fleißaufgaben... doppelte Waschflaschen sind auf jeden Fall ein Muss weil du weder durch "Kotzen" Produkt verlieren willst noch Wasser in den Ansatz zurücksaugen. Vermute ich mal :)

Die Wasserstrahlpumpe erreicht ein Vakuum das dem Dampfdruck der Betriebswassertemperatur entspricht, also bei 20° etwa 23 mbar, bei 15 °C etwa 17 mbar. Zur Verdampfung deines Ansatzes reicht also schon leichte Erwärmung, mit 40° bist du gut auf der sicheren Seite. 40° entspricht einem Dampfdruck von ca 73 mbar. Wenn die Pumpe mit dem Volumsdurchsatz nachkommt und diese Drücke von < 30 erreicht, wirst du also im Kolben nie auf 40° kommen. Vorher kühlt sich das durch Verdampfung selbst runter.

Daher praktisch immer zuerst das Vakuum anlegen und erst dann mit Erwärmen beginnen, sonst "kotzt" es sicher :)
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mgritsch
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Montag 22. Juni 2020, 13:40Was ist mit der Kapillare? Wann bringt man die bei einer Destillation unter vermindertem Druck an?
Kapillaren helfen ähnlich wie Siedesteinchen Siedeverzüge zu vermeiden die unter Vakuum besonders gerne auftreten. Je niedriger das Vakuum desto lieber. Dafür verliert man aber auch ein bisschen an Enddruck da dieses Leck permanent mit entsorgt werden muss. Ggfs helfen sie auch einer Pumpe durch Gasballast Dämpfe die es durch die Kühlfalle schaffen etwas leichter wieder loszuwerden.

Alles für deine Anwendung jetzt nicht relevant.
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von Glaskocher »

Man staunt: Es braucht fast DREI Kilo Eis, um ein Kilo Dampf zu kondensieren. Das Wasser hat dann immer noch fast 100°C...!
Fazit: Wasser hat eine enorm hohe Verdampfungswärme.
Schmelzwärme: 333,5 kJ/kg
Wärmekapazität: ~4,2 kJ/(kg*K)
Verdampfungswärme: 2257 kJ/Kg

Das ist auch der Grund, warum ich auf das Eis in meinem Tipp verzichtet habe.


Im Endstadium des Einengens, wenn der Dampfdruck des Rückstandes unter den Absolutdruck im Gefäß sinkt, dann hilft der "Leckstrom", den Rest Wasser auszutreiben. Ansonsten bevorzuge ich einen hochtourigen Magnetrührer als Siedehilfe, da er keinen permanenten Gasstrom erzeugt.
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lemmi
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von lemmi »

Okay, vielen Dank, damit kann ich was anfangen!
Bis zur Trockene eindampfen ist nicht das Ziel. Nur "reduzieren", wie das in der Küche heißt.
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mgritsch
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von mgritsch »

Auch wenn es nur um "Einengen" geht - Volumen von 2 Litern - das dauert auch unter Vakuum schon ganz hübsch seine Zeit bis da mal 1 Liter weg ist. Ich hoffe du hast ein Kreislaufsystem dafür und musst nicht den Wasserhahn so lange voll aufgedreht haben?
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lemmi
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von lemmi »

Es ist Gott sei Dank viel weniger. :)
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von Glaskocher »

Nachtrag zur Siedekapillare und Kühlfalle:
Eine Lühlfalle arbeitet an besten, wenn sie keinen Gasstrom durchlassen muß. Der "Leckstrom" treibt eher etwas Unkondensiertes in die Pumpe, als es als Gasballast wieder auszutreiben. Das Austreiben (aus dem Pumpenöl) macht man besser mit gezieltem Gasballast nach der Destillation.

Ich hatte mal die Aufgabe, Nebenkomponenten einer Sulfonamidsynthese aus wässriger Mutterlauge zu isolieren, um Vergleichsubstanz für die Analytik zu gewinnen. Der Betrieb hatte ein 30-Liter-Aliquot bereitgestellt und mein erster Schritt war das Aufkonzentrieren am Roti. Den hatte ich "frisiert", um im Originalkühler mit Kühlwasser und in einem zweiten Kühler mit einem Kryostaten arbeiten zu können. Das erlaubte mir eine deutlich höhere Verdampferleistung, als nur mit einem Kühler. Aus der Muterlauge konnte ich nacheinander das "Dimere" und weitere Nebenkomponenten isolieren.
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dihydrogenmonooxid
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von dihydrogenmonooxid »

Die Frage ist natürlich, was du genau vor hast. Auch bei einer Wasserstrahlpumpe kann man den Unterdruck halbwegs kontrollieren, indem man einen Hahn oder besser ein sehr feines Ventil zwischen Pumpe und Destille schaltet. Ich hätte es so gemacht: Wasserstrahlpumpe an Hahn angeschlossen, dieser führt zur Apparatur und da es nur um das Abziehen geht direkt zum Kolben oder halt noch über eine Waschflasche. Der Kolben befindet sich auf einem Magnetrührer im Wasserbad.

1. Kolben auf Temperatur bringen

2. Pumpe bei geschlossenem Hahn einschalten und dann entsprechend den Druchlauf regulieren, sodass es gelinde siedet.
...the question is not, Can they reason? nor, Can they talk? but, Can they suffer? (Jeremy Bentham)


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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von Glaskocher »

Man stellt immer das Vakuum zuerst ein. Was machst Du mit der Appatatur, während dea Aufheizens? Hat sie dann einen Ausgang zum Atmosphärendruck? Was ist mit gelösten Gasen und möglichen Leichtsiedern?

Bei der Destillation von organischen Produkten, die vorher in einem Lösemittel behandelt wurden, kann ich den Druck auch bei kaltem Kolben nicht in einem Schritt zum Ziel absenken. Zwischendurch muß ich, trotz vorher abdestilliertem Lösemittel, den Druck langsam senken, um zu heftiges Sieden der Lösemittelreste zu vermeiden.

Wenn man den Druck bei warmem Kolben absenkt, dann muß man extrem vorsichtig sein, weil das Destillationsgut schon viel Wärmeenergie gespeichert hat. Diese Energie steht beim Absenken des Druckes sofort zur Verdampfung zur Verfügung. Beim nachträglichen Heizen kann man den Wärmeeintrag wesentlich deiner dosieren.
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dihydrogenmonooxid
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Re: Eindampfen unter vermindertem Druck

Beitrag von dihydrogenmonooxid »

Ich habe es so verstanden, dass man bei exakt 40°C arbeiten soll. Wenn es +- 10°C Spielraum gibt, macht deine Variante das Vakuum zuerst einzustellen natürlich mehr Sinn.
Bei der Destillation von organischen Produkten, die vorher in einem Lösemittel behandelt wurden, kann ich den Druck auch bei kaltem Kolben nicht in einem Schritt zum Ziel absenken. Zwischendurch muß ich, trotz vorher abdestilliertem Lösemittel, den Druck langsam senken, um zu heftiges Sieden der Lösemittelreste zu vermeiden.
So wie ich es deute, hat Lemmi nur Wasser abzudampfen? In deinem Fall wäre es ja quasi unmöglich, mit einer unregulierten Wasserstrahlpumpe schon vorher Vollgas zu geben. Deshalb meine Nachfrage nach dem genauen Vorhaben :D
Wenn man den Druck bei warmem Kolben absenkt, dann muß man extrem vorsichtig sein, weil das Destillationsgut schon viel Wärmeenergie gespeichert hat. Diese Energie steht beim Absenken des Druckes sofort zur Verdampfung zur Verfügung. Beim nachträglichen Heizen kann man den Wärmeeintrag wesentlich deiner dosieren.
Stimmt, es sei denn man hat ein sehr feines Ventil parat, das den Druck so langsam absenken kann, wie man die Temperatur auf der anderen Seite erhöhen könnte.
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