Coniin aus geflecktem Schierling

Isolierung und Synthesen von Naturstoffen.

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NI2
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Beitrag von NI2 »

lemmi hat geschrieben:Dann musst du aber die Enantiomere noch trennen.
Mein eigentlich Plan war ein wenig anders :D
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Wie sieht dein "eigentlich Plan" denn aus? Stereoselektive Synthese? (Wenn ich gemein wäre, würde ich dich jetzt fargen, ob du dafür nicht vielleicht d-Dibenzoylweinsäure brauchst :mrgreen: )
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Nein leider nicht, es läuft auf das Racemat hinaus. Die Dibenziylweinsäure bräuchte ich für etwas anderes. Leider mangelt es am richtigen Enantiomer der Weinsäure.
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lemmi
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Nachtrag: Coniin in Aronstab?

Beitrag von lemmi »

Nachtrag: Coniin in Aronstab?

Wie angekündigt bin ich der Angabe nachgegangen, daß im gefleckten Aronstab (Arum maculatum) Coniin vorkommen soll. Dazu habe ich bei einem Sonntagsspaziergang frische Aronstabblätter gesammelt.

Bild

12 g frische Blätter wurden auf bewährte Weise zerschnitten, mit 25 ml Ethanol über Nacht mazeriert, das Extrakt abgedampft, mit schwefelsäurehaltigem Wasser extrahiert, filtriert, alkalisch gemacht und mit Ether ausgeschüttelt. Die Etherauszüge wurden über Natriumsulfat getrocknet, der Eher auf dem WB abdestilliert und der Rückstand in 0,5 ml Methanol aufgenommen. Davon wurden 8 µl zur DC aufgetragen und mit Chloroform:Methanol=11:9 entwickelt. Als Referenz diente eine Lösung von einer Spatelspitze Coniinhydrochlorid (ca 2 mg) in 1 ml Methanol. Jede Substanz wurde zweimal aufgetragen. Das DC wurde im UV betrachtet und mit Dragendorff, Anisaldehyd und Jodplatin-Sprühreagenz behandelt.

Bild Bild
DC im kurzwelligen (li) und langwelligen UV (re) - jeweils li Extrakt und re Coniin aufgetragen

Bild Bild
Detektion mit Dragendorff-Sprühreagenz (li - Extrakt/Coniin) und Anisaldehyd-Reagenz (re - beide Spuren enthalten verschiedene Mngen Aronstabextrakt)

Es finden sich im Extrakt zwei nahe beieinaderliegende Spots bei recht hohem Rf (ca. 0,85), die im UV-254 Fluoreszenzlöschung zeigen, und von denen einer im UV-365 kräftig fluoresziert. Die Stoffe färben sich mit Dragendorff nicht an, geben aber mit Anisaldehyd eine Reaktion. Coniin zeigt, wie zu erwarten, nur mit Dragendorff eine Färbung und läuft wesentlich weiter unten als die frgl. Aronstab-Inhaltsstoffe. Jodplatin-Sprühreagenz gab weder mit dem Extrakt noch mit Coniin eine Färbung (nicht fotografiert).

Auch mit Nesslers Reagenz oder Dragendorff in wässriger Lösung lässt sich in dem Extrakt keine Fällung erzeugen, ebenso war der oben beschriebene Test mit Schwefelkohlenstoff und Kupfersulfat negativ.


Zusammenfassung:

Ich konnte in den Aronstabblättern kein Coniin nachweisen. Auch die allgemeinen Alkaloidreagenzien sprechen nicht an. Die Farbreaktion mit Anisaldehyd spricht dafür, daß der fluoreszenzlöschende Spot bzw. die Spots einem Terpenoid entsprechen. Es könnte sich um ein Glykosid handeln.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Nachtrag No. 2:
man soll ab und zu mal in seine Bücher gucken!

In meinem Regal steht ein Band von Frohne und Pfänder (Hrsg.) "Giftpflanzen - ein Handbuch für Apotheker, Ärzte, Toxikologen und Biologen" von 1987. Darin heißt es:

"Diese Angaben [daß Aronstab coniinähnliche Alkaloide enthalten soll] sind alle zurückzuführen auf Untersuchungen, die Mitte (von BIRD und ENZ) bzw. Ende (von SPICA und BISCARO, CHAULIGUET) des 19. Jahrhunderts durchgeführt wurden. Aus 100 kg frischem Kraut konnten CHAULIGUET und Mitarbeiter nach bekannter Methode 4-5 g einer dunkel gefärbten Base erhalten. Nach dem an Mäuseharn erinnerden Geruch und der Flüchtigkeit nahmen sie an, daß es sich um Coniin oder ein ähnliches Alkaloid handelt und dies mit dem scharfen Prinzip identisch sei"

STAHL und KALTENBACH konnten 1965 in Aronstab wenig Nikotin nachweisen (0,7 mg/kg), jedoch keine Schierlingsalkaloide oder andere, nicht flüchtige Alkaloide (Archiv der Pharmazie 198 (1965) Heft 9: 599-604). Nach dem genannten Handbuch spricht vieles dafür, daß die Toxizität des Aronstabs auf Oxalsäure zurückzuführen ist. Tödliche Vergiftungen scheinen bei Menschen nicht wirklich dokumentiert zu sein, wohl dagegen beim Weidevieh.

Man muss Puidokait und den anderen Autoren des Artikels in "Chemie in unserer Zeit" von 2016 den Vorwurf machen, diesbezüglich nicht gut recherchiert zu haben!
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Vanadium
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Beitrag von Vanadium »

Interessant! :D
Nach dem genannten Handbuch spricht vieles dafür, daß die Toxizität des Aronstabs auf Oxalsäure zurückzuführen ist. Tödliche Vergiftungen scheinen bei Menschen nicht wirklich dokumentiert zu sein, wohl dagegen beim Weidevieh.
Ich dachte, dass bei der Pflanze schon das Anfassen Probleme bereiten kann (ähnlich wie beim Riesenbärenklau). Dafür kann doch nicht die Oxalsäure verantwortlich sein oder? Kenne mich damit, also mit den Pflanzen, nicht so genau aus.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Beim Riesenbärenklau sind für die Hauttoxizität Stoffe verantwortlich, die eine starke UV-Sensibilisierung bewirken (wenn ich mich recht erinnere sind es Furanocoumarine) was dazu führt, daß an den Stellen wo die Haut mit der Pflanze in Berührung gekommen ist in Nullkommanix ausgeprägte Rötungen bis zu Blasen (wie beim Sonnenbrand) entstehen. Man nennt das etwas irreführend "Wiesengräserdermatitis". Vom Aronstab habe ich sowas noch nicht gehört. Abgesehen davon, daß entsprechend veranlagte Personen natürlich auf alles mögliche eine Kontaktallergie entwickeln können.
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Lithiumoxalat
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Beitrag von Lithiumoxalat »

Meines Wissens ist Aronstab (Blätter) in kleinen Mengen nicht allzu giftig, bei uns in der Schule im Biologielager haben Schüler mal anderen Schülern aus blödsinn Aronstabblätter zum Probieren gegeben, die die es wagten hineinzubeissen hatten dann für den Rest des Tages stechende Oxalsäurenadeln im Mund, es geschah aber weiter nichts besonderes.

LG
Lithiumoxalat
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Die lokale Irritation der Schleimhäute durch Oxalatkristalle ist bei manchen Pflanzen ein wichtiges Prinzip ihrer "Gift"Wirkung. Bei der Dieffenbachie trifft das z.B. zu. Es ist gut möglich daß die "scharfe" Wirkumng des Aronstabs uaf die Schelimhäute auch durch Oxalate ausgelöst wird und eigentliche "Scharfstoffe" gar nicht enthalten sind. Aber das Gerücht hält sich, wie man sieht, hartnäckig und wird weiter propagiert.
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

lemmi hat geschrieben: ..... spricht vieles dafür, daß die Toxizität des Aronstabs auf Oxalsäure zurückzuführen ist. Tödliche Vergiftungen scheinen bei Menschen nicht wirklich dokumentiert zu sein, wohl dagegen beim Weidevieh.
Ich glaube jedoch eher, dass diese tödlichen Vergiftungen beim Weidevieh eher auf den Genuss von reichlich Sauerklee zurückzuführen ist, der auf Wiesen in größerer Menge mehr verbreitet sind wird als Aronstab. So aus Erinnerungen meiner Mutter, die in den 1920ern und 1930ern mit der Landwirtschaft groß geworden ist...

Ich finde es auch immer wieder erstaunlich, wie lange Gerüchte sich halten und weiter propagiert werden.

Interessant ist, dass es in Northumberland (UK) einen "Poison Garden" gibt, in dem Besucher so ziemlich alle giftigen Pflanzen besichtigen können:

A Beautiful Tourist Garden Full Of Plants That Could Kill You
"Der einfachste Versuch, den man selbst gemacht hat, ist besser als der schönste, den man nur sieht." (Michael Faraday 1791-1867)

Alles ist Chemie, sofern man es nur "probiret". (Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832)

„Dosis sola facit venenum.“ (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus 1493-1541)

"Wenn man es nur versucht, so geht´s; das heißt mitunter, doch nicht stets." (Wilhelm Busch 1832 -1908)
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

kleine Nachlese:

Bild

Eine Marmorstatue, entdeckt im Parc Ciani (Lugano)! Der Herr kam mir doch gleich bekannt vor ... :wink:
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Fixing-fell
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Beitrag von Fixing-fell »

Eine Kurze Frage:

kann man anstatt dem Zerquetschen des Pflanzenmaterials, dieses nicht auch zerschneiden? Also zum Beispiel in einer Kaffemühle oder einem ähnlichen Gerät? Würde es theoretisch nicht zu einer höheren Ausbeute führen, da man die Zellwände stärker zerstört hat und damit die Extraktion erleichtert?
Wegen meiner eigenen Dummheit habe ich mich "Fixing-fell" genannt und nicht "Fixing-well" (Ist ein Wortwitz)

„Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt, lehre ihn Fischen, und er wird nie wieder hungern.“ ~ Laotse
Glaskocher
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Beitrag von Glaskocher »

Denkfehler: Du kannst nicht kiloweise Dünnschnitte anfertigen, aber kiloweise zu Brei quetschen. Gequetschtes wird im ganzen Volumen zerstört, Geschnittenes nur oberflächlich.

Teste das mal mit Zwiebeln, die Du a) zu Würfelchen schneidest und b) mit dem Nudelholz platt walzt. Bei b) sollte mehr Saft fließen und das Auge stärker tränen.

EDIT: Völlig zu Brei Zerquetschtes hat nicht genug freie Kanäle zum Durchlauf des Extraktionsmittels. Eine Kaffeemühle eignet sich kaum zum Zermahlen von halbreifen Samen, die sich in der "Teigreife"* befinden. Man muß das Gerät nachher auch wieder verlustarm reinigen können.
* = Begriff aus dem Getreideanbau, wenn das Korn fast reif ist, aber noch eine teigige Konsistenz hat beim Zerdrücken.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Man darf dabei auch das Extraktionsmittel nicht ausser acht lassen. Das zerstört biologische Membranen und macht Zellwände permeabel. Natürlcih geht das bei zuvor zerkleinertem Material besser als bei intaktem, aber man muss sich nun nicht allzu ängstlich plagen, was die Zerkleinerung angeht.

Ich würde rein aus praktischen Erwägungen so vorgehen, dass getrocknete Pflanzenteile gemahlen werden und frische erst möglichst fein zerschnitten und dann in der Reibschale zerquetscht.
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lemmi
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Re: Coniin aus geflecktem Schierling

Beitrag von lemmi »

Vom Coniin, das keines war ...

Mit Naturstoffen ist das ja so eine Sache. Ohne Referenzen tappt man da ziemlich im Dunklen. Wie ich woanders schon mal geschrieben hatte, habe ich festgestellt, dass das von mir isolierte "Coniin" kein Coniin ist. Jetzt bin ich der Sache nochmal nachgegangen.

Zunächst war es ja durchaus eine Frage, welche der Proben das echte Coniin ist: die Referenz (ein älteres Präparat "Coniinum hydrochloricum") - oder vielleicht doch mein Präparat? Um dieser Frage nachzugehen habe ich ein DC-System gewählt, bei dem Coniin und Nikotin den selben RF-Wert aufweisen (Cyclohexan:Toluol:Diethylamin = 7,5:1,5:1,0) und mit Dragendorff-Sprühreagenz entwickelt:

DC 5 6.1.20 - 2.jpg
DC 5 6.1.20 - 2.jpg (44.47 KiB) 4173 mal betrachtet
v.l.n.r.: mein Präparat - Nikotin - Coniinum hydrochloricum

Das Referenzpräparat ist Coniin. Ich habe auch den Schmerzpunkt bestimmt und 217 °C gefunden (Literaturwert: 217,5 - 218,5 °C). Das passt also.
Dann habe ich die DC mit einem anderen Laufmittel wiederholt (Ethylacetat:Methanol:Ammoniak 25% = 8,5:1:0,5) und wie im Eingangspost gezeigt jede Spur doppelt angelegt. Auch hier zeigt sich eine deutliche Differenz der Spots bei Detektion mit Dragendorff:

DC Coniin Hannes-Präparat 2 A.jpg
DC Coniin Hannes-Präparat 2 A.jpg (20.21 KiB) 4173 mal betrachtet
links Coniinum hydrochloricum, rechts mein Präparat (je 2 mg/ml in Methanol, 2,5 µl aufgetragen)

Die zweite Hälfte der Folie habe ich mit Nitroprussid und Ammoniak behandelt und eine Überraschung erlebt:

DC Coniin Hannes-Präparat 2 mit Nitroprussid.jpg
DC Coniin Hannes-Präparat 2 mit Nitroprussid.jpg (17.61 KiB) 4173 mal betrachtet

Wenn man genau hinschaut (Pfeil) sieht man in der linken Spur oben einen schwachen rosafarbenen Spot! Ich habe nicht etwa die Präparate verwechselt, denn nach Besprühen mit Dragendorff (das geht auch noch nach der Behandlung mit Nitroprussid) zeigte sich das Coniin deutlich weiter unten:

DC Coniin Hannes-Präparat 2 B.jpg
DC Coniin Hannes-Präparat 2 B.jpg (18 KiB) 4173 mal betrachtet

Der flaue, obere, Nitroprussid-positive Spot muss auf einer Verunreinigung des Coniinum hydrochloricum mit Conicein-HCl beruhen! Das Coniin selbst ist - wie es im Buch steht - Nitroprussid-negativ.

Nun zu meinem Präparat. Was kann es sein? Conicein scheidet aus. Conhydrin läuft in der DC noch weiter unten als das Coniin (Diskussion siehe hier) und ist außerdem ein Feststoff. Methylconhydrin kommt in der Natur offenbar, wenn überhaupt, nur in Spuren vor, mein Präparat ist aber das Hauptalkaloid der von mir verarbeiteten Schierlingsfrüchte und fast völlig rein. In Frage käme Methylconiin. Ich habe mir Stoffdaten herausgesucht, die ich überprüfen konnte - alle aus der älteren Literatur (Hess und Eichel - Ber. dtsch. chem. Ges. (50), 1917: 1400):

d-Methylconiinhydrochlorid: Schmelzpunkt 188-189°C, Schmelzpunkt des Chloroaurates 78°C
l-Methylconiinhydrochlorid: Schmelzpunkt 191-192°C, Schmelzpunkt des Chloroaurates 77-78°C

Das Chloroaurat habe ich aus wässriger Lösung (150 mg in 5 ml Wasser) mit verdünnter Tetrachlorgoldsäurelösung gefällt und nach dem Dekantieren aus etwas Aqua dest. umkristallisiert. Schmelzpunkt: 77°C

Umkriustallisieren des Chloroaurats.jpg
Umkriustallisieren des Chloroaurats.jpg (65.99 KiB) 4173 mal betrachtet
Trocknen des Chloroaurats.jpg
Trocknen des Chloroaurats.jpg (52.53 KiB) 4173 mal betrachtet
Dann habe ich den Rest des Produktes, das nach inzwischen 4jähriger Lagerung deutlich gebräunt war, aus Ethylacetat/Ethanol umkristallisisert und ein schneeweißes Präparat erhalten. Schmelzpunkt: 192°C.

Diese Daten sind mit dem Vorliegen von l-Methylconiin vereinbar.

Fragen an die Community:

1. Hat jemand von euch die Möglichkeit, die Substanz einer Analyse mit einer anderen Methode zu unterziehen? Könnte man mittels GC-MS die an den Stickstoff gebundene Methylgruppe nachweisen?
2. Ist es normal, dass Stereoisomere (siehe oben) unterscheidliche Schmelzpunkte haben?
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