Blutbildfärbung – Synthese und Analyse des Wright-Farbstoffs

Interessante Versuche aus der Biologie, Biochemie und Biotechnologie.

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lemmi
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Blutbildfärbung – Synthese und Analyse des Wright-Farbstoffs

Beitrag von lemmi »

Blutbildfärbung nach Wright – Synthese und Analyse des Wright-Farbstoffes

Die lichtmikroskopische Betrachtung gefärbter Präparate ist trotz zahlreicher neuer (molekularbiologischer und genetischer) Techniken noch immer Grundlage und Ausgangspunkt der der biomedizinischen Forschung und Diagnostik. Die Herstellung und Anwendung der Färbelösung nach James Wright (1869-1928) ist Gegenstand der folgenden Versuchsbeschreibung. Bei dem Versuch kann man die historischen Beobachtungen der Bildung von Methylenazur und der Fällung des Thiazinfarbstoffes mit Eosin schön nachvollziehen. Die komplexe Zusammensetzung des Farbstoffes lässt sich durch eine einfache Dünnschichtchromatographie untersuchen.


Material/Geräte:

Waage, Erlenmeyerkolben 250 ml, großer Kochtopf, Siebeinsatz oder ähnliches (s. Versuchsdurchführung), Becherglas 750 ml (hohe Form), Trichter mit Filter, Uhrglas, Spatel, Magnetrührer, Schliffglas 75 ml, Färbebank, Tropfpipetten, 100 ml-Becherglas, Mikroskop, Uhr, Mikroliterpipette 2-20 µl, Meßzylinder, DC-Fertigfolien Kieselgel G 60 254F (0,2 mm) 5 x 10 cm, Schraubdeckelgläser


Chemikalien:

Methylenblau (C.I. 52015) Warnhinweis: attn
Eosin Y (C.I. 45380) Warnhinweis: attn
Methanol Warnhinweis: fWarnhinweis: t
Butanol-1 Warnhinweis: fWarnhinweis: attn
Ammoniumchlorid Warnhinweis: xn
Ameisensäure Warnhinweis: c
Azur B (C.I. 52010) Warnhinweis: attn
Thionin (C.I. 52000) Warnhinweis: attn
Immersionsöl Warnhinweis: attn
Kaliumdihydrogenphosphat
Dinatriumhydrogenphosphat, wasserfrei
Natriumhydrogencarbonat


Sicherheitshinweise:

Vorsicht! Die Färbekraft der Präparate ist erstaunlich und die Flecken sind aus der Kleidung schwer restlos zu entfernen. Schutzkittel und Handschuhe tragen! Zur Reinigung der Geräte ist Salzsäure–Alkohol (25 %ige Salzsäure 3,0 ml, 70%iges Ethanol ad 100,0 ml) am besten geeignet.


Versuchsdurchführung:

1. Herstellung des Wright-Farbstoffes

Man löst 0,5 g Natriumhydrogencarbonat auf dem Magnetrührer in 100 ml demineralisiertem Wasser, gibt 1,0 g Methylenblau zu und rührt ca. 15 Minuten, bis sich der Farbstoff vollständig gelöst hat. Den Erlenmeyerkolben mit der tief dunkelblauen Lösung stellt man dann, ohne die Öffnung desselben zu verschließen, in einen genügend großen Kochtopf, der 1 L Wasser enthält, und zwar so, daß er nicht im Wasser zu stehen kommt. Dazu verwendet man einen geeigneten, stabilen Untersatz - hier z.B. ein umgedrehtes Gemüsesieb. Der Topf wird dann mit einem Deckel verschlossen und erhitzt, bis das Wasser siedet. Man regelt die Temperatur so, daß das Wasser ständig nur leicht siedet und der Kolben vom heißen Dampf umspült wird. Nach 40 Minuten nimmt man den Kolben aus dem Dampfbad und lässt ihn abkühlen. Die erkaltete Farblösung zeigt jetzt einen blauvioletten Ton, der besonders auffällt, wenn man den Kolben schwenkt, oder einen Tropfen der Lösung auf einem Uhrglas verreibt.

Als nächstes löst man in einem 750-ml-Becherglas 0,5 g Eosin Y in 500 ml destilliertem Wasser und gibt unter gutem Rühren die polychromatische Methylenblaulösung zu. Es entsteht eine braunviolette Flüssigkeit, in der sich ein feiner schwarzbrauner Niederschlag bildet. Man lässt das Becherglas über Nacht stehen und gießt den immer noch dunkel gefärbten Überstand bis auf ca. 150 ml ab (Vorsicht, damit kein Niederschlag aufgewirbelt und mitgerissen wird!). Der Rest wird durchgerührt und über einer Nutsche gut abgesaugt. Auf dem Filter bleibt ein fast schwarzer Rückstand. Man bringt das Filter mit dem Niederschlag nach unten auf ein Uhrglas und kann das Filterpapier - vorausgesetzt es wurde scharf genug abgesaugt – dann einfach abziehen. Der Niederschlag wird bei Zimmertemperatur trocknen gelassen, die dunkel schwarzblau, stark metallisch grün schillernde Masse zerbröckelt, nochmals über Nacht trocknen gelassen und in einer Reibschale verrieben.
Ausbeute: etwa 1 g schwarzes, stark violett abfärbendes Pulver mit grünlichem Metallglanz.


Bild
Erhitzen im Dampfbad (der Deckel wurde zur besseren Sichtbarkeit abgenommen und muss während des Erhitzens natürlich aufgelegt bleiben)

Bild
Farbe der Methylenblaulösung vor (links) und nach (rechts) dem Erhitzen im Dampfbad

Bild
Fällen mit Eosinlösung

Bild
Absaugen des Farbstoffniederschlages

Bild
Der getrocknete Farbstoff nach Wright


2. Bereitung der Färbelösung nach Wright

Nach der Originalvorschrift von Wright löst man 300 mg des erhaltenen Farbstoffes in 100 ml Methanol. Dazu übergießt man den Farbstoff in einem Schliffglas mit dem Lösungsmittel, gibt einen Rührfisch zu und lässt 24 Stunden stehen, wobei man ab und zu auf dem Magnetrührer durchrührt. Danach filtriert man die Farbstofflösung schnell durch ein Faltenfilter.
Die so erhaltene Färbelösung bildet beim Vermischen mit Wasser (siehe unten: Färbevorschrift) eine dichte metallisch-grüne Oberflächenhaut, überfärbt die Präparate in der Regel kräftig und hinterlässt auf ihnen störende Niederschläge. Wright hat daher in seiner Vorschrift angegeben, daß die Lösung vor der Verwendung mit 25 % Methanol verdünnt werden soll. Die Niederschlagsbildung wird dadurch reduziert, die Zellen sind allerdings immer noch deutlich überfärbt. Ich habe daher eine Zumischung von Methylenblau und Eosin in verschiedenen Verhältnissen ausprobiert und mit folgender Zusammensetzung der Farblösung das beste Resultat erhalten:

Wright-Farbstoff 150 mg, Methylenblau 100 mg und Eosin Y 50 mg werden in 100 ml Methanol gelöst.
Man lässt den Ansatz wie oben unter gelegentlichem Rühren 24 Stunden stehen und filtriert.

Bild
Filtration der Farbstofflösung in Methanol


3. Durchführung der Färbung

Herstellung des Puffers: Man verreibt 5 g Kaliumdihydrogenphosphat gründlich mit 3,2 g wasserfreiem Dinatriumhydrogenphosphat. Von der Puffersalzmischung wird 1 g in 1 Liter Wasser gelöst, um das für die Färbung nötige gepufferte Wasser mit einem pH von 6,8 zu erhalten. Alternativ kann man eine konzentrierte Stammlösung herstellen (2 g in 100 ml), die vor Gebrauch 1:20 verdünnt wird. Damit die Stammlösung nicht schimmelt setzt man einen Kristall Thymol oder eine Spatelspitze Natriumazid zu, wodurch die Färbung nicht beeinflusst wird.

Der sorgfältig hergestellte und gut lufttrockene (mindestens ½ Stunde) Blutausstrich wird auf eine Färbebrücke gelegt und mit einer Pipettenfüllung (1-1,5 ml) Färbelösung bedeckt. Nach einer Minute tropft man vorsichtig die gleiche Menge (eine Pipettenfüllung) gepuffertes Wasser zu und vermischt dieses mit der Färbelösung, indem man mit einem Glasrohr über die Oberfläche der Flüssigkeit bläst. Dabei bildet sich – wenn die Färbelösung korrekt zusammengesetzt ist – ein ganz leichtes, grünlich schillerndes Oberflächenhäutchen. Man lässt die verdünnte Färbelösung 3 Minuten einwirken und spült den Objektträger dann gut mit gepuffertem Wasser ab, um alle Reste des ausgefallenen Farbstoffes zu entfernen. Schließlich bedeckt man das Präparat mit gepuffertem Wasser und lässt dieses 60 Sekunden einwirken. Dann lässt man das Wasser ablaufen und stellt das Präparat senkrecht zum Trocknen auf.


Bild
Färben der Ausstriche nach Zugabe von gepuffertem Wasser mit Ausbildung der grün-metallischen Oberflächenhaut. Diese ist beim ersten Präparat (ganz links) zu stark ausgeprägt und fehlt beim dritten Präparat (ganz rechts). Am besten ist das Färbeergebnis wenn sich eben eine geringe Haut ausbildet (Mitte).

Bild
Blutausstriche: ganz links ungefärbt, daneben schlechte Färbung mit Farbstoffniederschlägen auf dem Objektträger, die beiden Ausstriche rechts sind makroskopisch gut gefärbt


Färbeergebnis:
In einem korrekt gefärbten Präparat sind die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) rosa-bräunlich-rot gefärbt. Dazwischen fallen die Thrombozyten (Blutplättchen) als kleine (ca. 1/5 Erythrozytenduchmesser) kräftig violette, körnig gefärbte Gebilde mit bläulichem Rand auf. Die Leukozyten (weißen Blutkörperchen) kommen in verschiedenen Formen vor. Der Zellkern ist stets dunkel-violett gefärbt. Man unterscheidet:

Lymphozyten:diese sind 1-1,5 x so groß wie die Erythrozyten und besitzen einen relativ großen runden oder leicht bohnenförmigen Kern, der ziemlich dicht ist (das Chromatin ist „schollig kondensiert“) Das Zytoplasma ist blau und kann vor allem bei den größeren Formen einzelne violette Körnchen (sog. Azurgranula) enthalten.

Monozyten: Die Monozyten sind die größten Leukozyten (2-2,5 Erythrozytendurchmesser). Ihr Kern, der vielgestaltig ist, besitzt ein maschenartig-wolkig lockeres Chromatin, öfter hat er eine Hufeisenform. Das Zytoplasma ist graublau und enthält eine feine violette Granulation, die in der Wright´schen Färbung oft stärker hervortritt als bei anderen Färbeverfahren.

Granulozyten: Die Granulozyten zeichnen sich dadurch aus, daß ihr Kern durch Einschnürungen in Segmente unterteilt ist. Man bezeichnet sie daher zusammenfassend als "polynukleäre Zellen" und grenzt sie von den "mononukleären" Lymphozyten und Monozyten ab. Wie der Name sagt, enthält das Zytoplasma, das in seiner Grundstruktur fast farblos ist, zahleiche Granula (Körnchen). Nach dem Färbeverhalten dieser Granula unterscheidet man:
Neutrophile Granulozyten: das Zytoplasma dieser häufigsten Leukozytenart ist mit feinen, unscharf erkennbaren, violetten Granula ausgefüllt. Der Kern ist sehr vielgestaltig und kann aus bis zu 5 Segmenten bestehen.
Eosinophile Granulozyten: sie sind leicht zu erkennen, denn die Zelle ist mit kugelrunden, scharf begrenzten leuchtend roten Granula wie vollgestopft. Der Kern hat höchstens 3, meist aber nur 2 Segmente ("Zwickelform“). Verglichen mit den neutrophilen Granulozyten sind sie etwas größer im Durchmesser.
Basophile Granulozyten: diese seltenste Art der Leukozyten besitzt einen segmentierten Kern, der oft nicht ganz zu sehen ist, da er von groben schwarzblauen Granula verschiedener Größe überlagert wird. Die Zellen sind meist etwas kleiner als die neutrophilen Granulozyten.

Bild Bild
Links: zwei Lymphozyten, rechts: Monozyt

Bild Bild Bild
links: neutrophiler Granulozyt, Mitte: eosinophiler Granulozyt, rechts: basophiler Granulozyt - im zweiten und dritten Bild auch Thrombozyten, die blasenartigen Veränderungen der Erythrozyten im rechten Bild sind Trocknungsartefakte


4. Dünnschichtchromatographische Analyse des erhaltenen Farbstoffes

Als Laufmittel für die DC dient folgende Mischung: 48 ml n-Butanol werden in einem Scheidetrichter mit 8 ml verdünnter Ameisensäure (2 %ig) und 20 ml Ammoniumchloridlösung (1 %ig) gut durchgeschüttelt. Nach der Trennung der Komponenten lässt man die untere (wässrige) Phase ablaufen und verwirft sie. Verwendet wird die obere (organische) Phase. Das Laufmittel muss am gleichen Tag verbraucht werden, da sich seine Eigenschaften bei der Lagerung verändern, vermutlich durch Veresterung der Ameisensäure.

Man stellt sich eine 0,1% ige Lösung des erhaltenen Wright- Farbstoffes in Methanol her. Als Referenz dienen je 0,05 %ige Lösungen von Methylenblau, Eosin Y, Azur B und Thionin ebenfalls in Methanol. Von jeder Lösung werden 2 -3 µl auf die Startlinie der DC-Platte aufgetragen und diese 15 Minuten vor Licht geschützt an der Luft liegen gelassen. Während dieser Zeit beschickt man die mit Fließpapier ausgelegten Schraubdeckelgläser mit 15 ml Laufmittel und lässt zur Ausbildung einer Kammersättigung verschlossen stehen.

Zur Entwicklung stellt man die Platten in die vorbereiteten Gefäße, die, um das Tageslicht fernzuhalten, mit Aluminiumfolie umwickelt oder sonstwie abgeschirmt werden (manche Farbstoffe zersetzen sich bei Lichteinwirkung merklich). Um eine gute Trennung der Farbstoffe zu erreichen, muss die Laufmittelfront ca. 80 mm hoch steigen, was rund 100 Minuten benötigt. Die Platten werden trocknen gelassen und können wegen der kräftigen Eigenfarbe der Substanzen ohne Anwendung eines Reagenz direkt bei Tageslicht ausgewertet werden.

Bild
Chromatogramm der Einzelfarbstoffe: links Mischung aus Eosin Y und Methylenblau, in der Mitte Thionin und rechts Azur B

Bild
Ganz links: Methylenblau-Eosin-Referenz, daneben Thionin-Azur B-Referenz. Die beiden rechten Spuren zeigen zwei verschiedene Präparate Wright-Farbstoff (W1 = 60 Minuten und W2 = 40 Minuten Dampfbad)

Bild
Chromatographie von je zwei Proben kommerzieller May-Grünwald-Farbstoffe (links: MGF = May-Grünwald-Farbstoff von Fluka 0,1% in Methanol; MGM = May-Grünwald-Lösung von Merck 1:1,2 mit Methanol verdünnt) und Giemsa-Farbstoffe (rechts: GF = Giemsafarbstoff von Fluka 0,1% in Methanol; GM = Giemsalösung von Merck, 1:6,5 mit Methanol verdünnt). Die beiden ersten Spuren sind (wie oben) die Referenzsubstanzen. Die veränderte Form der Spots in der Giemsa-Lösung von Merck ist auf den Glyceringehalt des Präparates zurückzuführen.


Entsorgung:

Strenggenommen muss man die gebrauchte Farblösung zu den halogenfreien organischen Lösungsmittelabfällen geben. Das DC-Fließmittel wird ebenfalls dort entsorgt.


Erklärungen:

Der Effekt der sogenannten "panoptischen“ Färbung beruht auf mehreren Vorgängen, von denen einige erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts aufgeklärt wurden. Im Wesentlichen spielen drei färbechemische Mechanismen eine Rolle:

1. elektrochemische Wechselwirkung: Dieser, am frühesten von Paul Ehrlich beobachtete, Effekt lässt sich vereinfacht so zusammenfassen, daß saure, anionische Farbstoffe (hier das Eosin) besonders an basische und umgekehrt basische, kationische Farbstoffe (die Phenothiazine) an saure Zellstrukturen binden. Letztere sind vor allem die Nukleinsäuren, erstere die mehr basischen Plasmaproteine. Zellstrukturen, die basische Farbstoffe binden heißen "basophil“, solche die saure Farbstoffe anlagen "acidophil“ oder "eosinophil“. Die elektrostatische Wechselwirkung hängt stark vom pH-Wert ab, weshalb in gepuffertem Wasser gefärbt wird. Bei zu niedrigem pH wird das Bild zu rotstichig, ist der pH zu hoch resultiert eine zu blaustichige Färbung. Diese Beziehungen wurden von Pischinger in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts näher untersucht.

2. Metachromasie: Die ebenfalls zuerst von Ehrlich beobachtete Metachromasie ist die Eigenschaft eines einzelnen Farbstoffes, differente Zellstrukturen verschieden zu färben. Der Effekt wird besonders bei Farbstoffen der Thiazinreihe – jedoch nicht beim Methylenblau – beobachtet. Substanzen wie Tolidinblau oder die Azure (s.u.) erscheinen in größerer Verdünnung rein blau, die konzentrierten Lösungen sind dagegen dunkelviolett gefärbt. Diese Farbänderung, die sich objektiv in differenten Absorptionsspektren wiederspiegelt, beruht auf der Bildung von Molekül-Dimeren. Man nimmt an, daß polychromatische Zellstrukturen (insbesondere die basophilen Granula), den Farbstoff selektiv und so stark binden, daß Dimerbildung eintritt. Man spricht daher auch von metachromatischen Granula.

3. Romanowsky-Giemsa-Effekt (RGE): Dieser, nach Dimitri Romanowsky (1861-1921) und Gustav Giemsa (1867-1941) benannte, Effekt ist für die rotviolette Färbung der Zellkerne (des Chromatins), der neutrophilen Granula und der "Azurgranula“ verantwortlich. Er tritt nur ein, wenn die entsprechenden Zellbestandteile gleichzeitig der Einwirkung von Azur B und Eosin ausgesetzt sind, weshalb die entsprechenden Strukturen "azurophil“ genannt werden, obgleich Azur eigentlich ein blauer Farbstoff ist. Erst die Arbeitsgruppe um Wittekind (s. Literatur) konnte in den 80er Jahren aufklären, worauf der Effekt beruht. Das Azur bildet zunächst einen Dimer, der dann mit einem Eosinmolekül einen charge-transfer-Komplex ausbildet. Dazu ist ein pH von 6 oder höher notwendig. Man kann nachweisen, daß sich das Absorptionsspektrum des im Zellkern gebildeten Farbstoffkomplexes signifikant von dem unterscheidet, das man an einer einfachen Mischung der Farbstoffe in Lösung erhält. Lässt man das Farbstoffgemisch in höherer Konzentration oder über längere Zeit einwirken, so zeigen irgendwann fast alle Zellstrukturen einen RGE und das Präparat wird stark violett überfärbt. Bei der abschließenden Spülung mit Puffer (im Fachjargon als "Differenzierung" bezeichnet) wird die Komplexbildung an den weniger RGE-affinen Strukturen wieder aufgehoben und so die differenzierte Darstellung der subzellulären Strukturen ermöglicht.

Während der Herstellung des Farbstoffes wird die Methylenblaulösung zunächst "polychromatisch" gemacht. Durch Erhitzen in alkalischer Lösung unter Luftzutritt wandelt sich das Methylenblau über einen noch nicht verstandenen Reaktionsmechanismus in eine Mischung verschiedener Azure (überwiegend Azur B) um, die sich vom Stammmolekül durch eine geringere Anzahl von Methylgruppen unterscheiden. In der Originalvorschrift von Wright (1902) wird ein einstündiges Erhitzen im Dampfbad vorgeschrieben. Ich habe gefunden, daß so hergestellte Präparate stark violettstichig überfärben, und habe mich deshalb auf ein 40-minütiges Erhitzen beschränkt.
Das vollständig demethylierte Produkt ist die Stammsubstanz Thionin. Daneben entstehen durch oxidative Deaminierung Bernthsens Methylenviolett und dessen demethylierte Derivate bis zum Thionolin:

Bild

Die Metachromasie der Azure, im Gegensatz zum Methylenblau, erklärt den Farbwechsel der Lösung von Blau nach Violett. Das Vorhandensein von Azur in der Färbelösung ist Voraussetzung für die Chromatinfärbung durch den RGE, denn azurfreies Methylenblau ruft mit Eosin Y keinen RGE hervor. Das entstandene Farbstoffgemisch wird durch Eosin ausgefällt, das mit Thiazinfarbstoffen eine fast unlösliche Verbindung der Stöchiometrie 2:1 (2 mol Thiazinfarbstoff auf 1 mol Eosin) bildet. Da die Molmasse des Eosins etwas mehr als doppelt so groß ist wie z.B. die des Methylenblaus, kann man grob sagen, daß gleiche Gewichtsteile Thiazinfarbstoff und Eosin Y miteinander gefällt werden. Nach experimentellen Untersuchungen ist die Färbung der Blutbilder aber erst bei einer wesentlich höheren Thiazin/Eosin-Ratio optimal (3-6:1). Zudem wird durch einen Überschuss an Methylenblau die Niederschlagsbildung in wässriger Lösung vermindert. Die Arbeitsvorschrift von Wright verwendet einen deutlichen Unterschuß an Eosin. Der reine Wright-Farbstoff zeigt einen zu starken RGE und bewirkt eine Überfärbung. Durch "Verdünnen" mit Methylenblau wird die gewünschte Farbbalance hergestellt.

Die hier beschriebene Herstellung des Wright-Farbstoffes führt natürlich nicht zu einem Produkt definierter Zusammensetzung, so daß das Färbeergebnis durchaus variabel sein kann. Wie die dünnschichtchromatographische Analyse zeigt, ist schon das von mir eingesetzte Methylenblau (Qualität U.S.P. = U.S. Pharmacopea) nicht rein, sondern enthält Spuren von Azur B. Auch das Eosin enthält eine Verunreinigung, vermutlich ein niedriger bromiertes Derivat (z.B. Tribromfluorescein). Bei dem kommerziell erworbenen „Azur B“ ist gleich die ganze Palette der Azure neben Resten von Methylenblau im Präparat enthalten. Auch das "Thionin" besteht aus mindestens 4 Farbstoffen. Die Zuordnung ist etwas unsicher. Sicher ist die Lage der diversen Azure und des Thionins. Der kräftige violette Fleck unterhalb des Thionins müsste Bernthsens Methylenviolett sein. Ganz oben könnte Thionolin liegen.

Bild

Der selbst hergestellte Wright-Farbstoff enthält neben den diversen Azuren eine erkleckliche Menge Methylenviolett, und zwar der länger erhitzte Ansatz (W1) mehr als der kürzer erhitzte (W2). Methylenviolett ist wahrscheinlich für die Überfärbung der neutrophilen Granula mitverantwortlich.

Die Routinemethode zur Färbung hämatologischer Präparate ist die von dem deutschen Hämatologen Artur Pappenheim (1870-1916) in Berlin ausgearbeitete Färbevorschrift, die er 1912 erstmals publizierte und in der er die Färbungen nach May-Grünwald und Giemsa kombinierte. Sie wird heute als Pappenheim-Färbung (im deutschen Sprachraum), oder May-Grünwald-Giemsa-Färbung ("MGG" im angloamerikanischen Sprachraum) weltweit verwendet. Dennoch ist eine Standardisierung der Färbung immer wieder auf Schwierigkeiten gestoßen. Wie die Analysen zeigen, sind schon die unter dem gleichen Namen ("Giemsa", "Wright", "May-Grünwald") vertriebenen Farbstoffgemische verschiedener Hersteller keineswegs identisch zusammengesetzt! In der Routine bedeutet dies, daß in einem etablierten Färbeprotokoll immer Farbstoffe gleicher Herkunft verwendet werden müssen, um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Nachdem die Färbechemie gegen Ende des letzten Jahrhunderts zu einem (vorläufigen) Abschluss gelangt war, wurden Versuche unternommen (Marshall bzw. Wittekind, dessen Vorschrift sogar vom International Commitee for Standardization in Hematology übernommen wurde), eine Standardfärbung auf der Basis von Farbstofflösungen chemisch genau definierter Zusammensetzung zu etablieren. Diese Versuche haben sich jedoch nicht durchsetzen können, einmal weil niemand die neuen Lösungen kommerzialisieren wollte, zum anderen aber, weil das Färbeergebnis wohl doch nicht ganz den Erwartungen der Hämatologen entsprach. Da die Zusammensetzung der Farblösungen stark schwankt und nach wie vor ein Betriebsgeheimnis der herstellenden Firmen ist, ist jede standardisierte Färbevorschrift noch immer eine Rechnung mit mehreren Unbekannten.


Danksagung:

Danke an Pok für die Bereitstellung von Thionin als Referenzsubstanz.


Literatur:

Horobin RW: "How Romanowsky stains work and why they remain valuable — including a proposed universal Romanowsky staining mechanism and a rational troubleshooting scheme"; Biotechnic & Histochemistry 86 (2011): 36–51.
International Committee for Standardization in Haematology: "ICSH reference method for staining of blood and bone marrow films by azure B and eosin Y (Romanowsky stain)"; Brit. J. Haematol. 57 (1984): 707-10.
Loach KW: "Thin-Layer Chromatographic Separation of Methylene Blue and Related Thiazine Dyes"; Journal of Chromatography 60 (1971): 119-126.
Marshall PN, Bently SA, Lewis SM: "A standardized Romanowsky stain prepared from purified dyes"; J. Clin. Pathol. 28 (1975): 920-3.
Marshall PN, Lewis SM: "A Rapid Thin-Layer Chromatographic System for Romanowski Blood Stains"; Stain Technology 49 (1974): 235-240.
Pappenheim A: "Zur Blutzellfärbung im klinischen Bluttrockenpräparat und zur histologischen Schnittpräparatfärbung der hämatopoetischen Gewebe nach meinen Methoden"; Folia Haematologica I. Teil/Archiv, Bd. XIII, Heft 3 (1912): 339-45.
Pischinger A: "Die Lage des isoelektrischen Punktes histologischer Elemente als Ursache ihrer verschiedenen Färbbarkeit"; Zeitschr. Zellforsch. mikr. Anat. 3 (1926): 169-97.
Romeis B: Mikroskopische Technik, Neubearb. und hrsg. von P. Böck, 17. Auflage, Urban & Schwarzenberg München-Wien-Baltimore 1989; ISBN 3-541-11227-1.
Wittekind DH: "On the nature of the Romanowsky-Giemsa staining and its significance for cytochemistry and histochemistry: an overall view"; Histochemical Journal 15 (1983): 1029-47.
Wright J H: "A rapid method for the differential staining of blood films and malarial parasites"; Med. Res. 7 (1902): 138-44.
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Beitrag von NI2 »

Entsorgung:
Strenggenommen muss man die gebrauchte Farblösung zu den halogenfreien organischen Lösungsmittelabfällen geben. Das DC-Fließmittel wird ebenfalls dort entsorgt.
[Textteil wegeditiert]

Ja, die methanolischen Lösungen sollten besser im halogenfreien Abfall entsorgt werden, dennoch könnte man das Methanol rückgewinnen, bevor man es entsorgt.

Ansonsten: Sehr interessant zu lesen - wie immer :mrgreen: Ich entsinne mich noch aus meiner Schulzeit an Blaufärbungen im medizinischen Labor, dabei wurden die OTs aber einfach (senkrecht) in die Lösung gesteckt und stehen gelassen. Das Ergebnis sah deinen sehr ähnlich.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Die Fotos der Zellen sind mit der ersten Färbung gemacht, die trotz allem noch zu stark überfärbt. Bei Gelegenheit mache ich nochmal welche, die zweite Farblösung gibt schönere Bilder.

Mich hat vor allem interessiert, was in den Farbstoffen so alles vorhanden ist. Daß schon das Methylenblau und das Eosin nicht rein sind hat mich doch etwas überrascht. Ich habe es mit Eosin "reinst" von Acros (Substanzprobe von BJ68) und Methylenblau aus dem Merck-Arzneibuchreagenziensatz wiederholt: gleiches Ergebnis! Beim Thionin und Azur B hatte ich sowas schon eher erwartet.

Ausserdem war es mir ein Genuss, die Zusammensetzung der kommerziellen Farblösungen "auszuspionieren". Merck gibt auf der Spezifizierung der May-Grünwald-Lösung z.B. an, sie enthalte Methylenblau und Eosin Y. In Wirklichkeit enthält sie viel mehr Azure als Methylenblau und unterscheidet sich von der Giemsa-Lösung vor allem dadurch, dass letztere mehr sym-Dimethylthionin+AzurC enthält (und höher konzentriert ist). Der May-Grünwald-Farbstoff von Fluka ist einfach eine Mischung von Eosin + Methylenblau und der Giemsa-Farbstoff ist meinem Wright-Farbstoff ähnlich!
NI2 hat geschrieben:Ist nicht notwendig. Dabei geht es nur um kovalent gebundene Halogene, nicht ihre Ionen
:conf: Was für Halogene? Hab ich irgendwo Halogene drin? (Na gut, das Brom im Eosin, aber das wirst du nicht gemeint haben, oder?). Ich dachte an das Methanol...
NI2 hat geschrieben:Ich entsinne mich noch aus meiner Schulzeit an Blaufärbungen im medizinischen Labor...
Ich war in meiner Schulzeit auch als mal blau :mrgreen:
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Arg... *peinlich* ich hatte 'organische halogenHALTIGE' gelesen... Und ja sollte man natürlich, werde nachher meinen Post oben nochmal überarbeiten...
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Beitrag von lemmi »

NI2 hat geschrieben:... Ja, die methanolischen Lösungen sollten besser im halogenfreien Abfall entsorgt werden, dennoch könnte man das Methanol rückgewinnen, bevor man es entsorgt.
Ich habe heute ca 220 ml Farbstofflösungen (schlechte Ansätze, die Lösungen für die DC ...) zur Rückgewinnung des Methanols destilliert. Zu meinem Erstaunen ist das Destillat deutlich hellblau gefärbt. Da müssen trotz Claisenaufsatz winzige Mengen Farbstoff mitgerissen worden sein. Wenn das so ist muss man ja davon ausgehen, daß bei anderen Destillationen auch nichtflüchtrige Feststoffe in kleiner Menge mit übergehen - nur sieht man die eben nicht.
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Newclears
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Beitrag von Newclears »

Das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit so. Nicht umsonst wird Brennspiritus mit Bitrex vergällt. Denkbar ist auch, dass eine Flüchtigkeit der Subsstanz in der Gasphase mit dem Lömi vorliegt.
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Cyanwasserstoff
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Beitrag von Cyanwasserstoff »

Einige Rechtschreibfehler entfernt und verschoben.
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Beitrag von lemmi »

Nacdem mir jetzt Bernthsens Methylenviolett zur Verfügung steht, habe ich die DC mit meinen Wright-Farbstoffen und Methylenviolett als Referenz wiederholt.

Bild
v.l.n.r.: Thionin - Azur B - Bernthsens Methylenviolett - zweimal Wright-Farbstoff

Das bestätigt den Verdacht, daß der violette Fleck unterhalb des Thionins auf Methylenviolett zurückzuführen ist.
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Beitrag von lemmi »

Eine weitere Ergänzung.

Ich habe den Versuch nochmals durchgeführt und mich gefragt, was denn nach der Fällung mit Eosin in der Lösung, die immer noch tief dunkelblau ist so zurückbleibt und ob man die Ausbeute mit einer weiteren Fällung verbessern kann. Also habe ich nach der ersten Fällung (Produkt 1 - 1,0 g) das Filtrat (Filtrat 1) nochmals mit 0,5 g Eosin in 10 ml Wasser verrührt, stehen gelassen und erneut abgesaugt. Es wurden nochmals 0,28 g (Produkt 2) erhalten. Das Filtrat war jetzt deutlich rotbräunlich gefärbt (Filtrat 2) von den Produkten habe ich je 1 mg in 1 ml Methanol gelöst und chromatographiert. Auch die Filtrate wurden chromatographiert.

Bild
v.l.n.r.: Produkt 1 - Filtrat 1 - Produkt 2 - Filtrat 2

Es wird deutlich, daß das Filtrat 1 viel weniger Azure und Methylenviolett enthält, als das Produkt 1 (die Farbstoffkonzentration im Filtrat liegt in einer Größenordnung von 0,1%), und dass das Eosin der ersten Fällung vollständig verbraucht wird. Die zweite Fällung enthält, wie die Lösung aus der sie erfolgt ist, vor allem Methylenblau und Azur B. In dem resultierenden Filtrat ist praktisch nur noch Methylenblau, neben Eosin (das im Überschuss ist) vorhanden.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Hm, muss ich auch mal ausprobieren, das Mikroskop verstaubt sonst noch ;)
Wright, Giemsa, May-Grünwald ist also alles das gleiche?
Beim ersten DC im Artikel hast du glaube ich die Reihenfolge falsch geschrieben...
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

mgritsch hat geschrieben:Wright, Giemsa, May-Grünwald ist also alles das gleiche?
Nein, genau umgekehrt! Selbst "Giemsa" oder "May-Grünwald" verschiedener Herkuft ist verschieden zusammengesetzt, wie ich im Artikel ausgeführt habe. Die Unterschiede scheinen auf den ersten Blick gering, haben es aber in sich. Das Färbeergebnis variiert erheblich. Es ist sogar versucht worden, die Färbung kolorimetrisch zu standardisieren. Das macht meines Wissens aber keiner (außer dem Autor des Artikels).
mgritsch hat geschrieben:Beim ersten DC im Artikel hast du glaube ich die Reihenfolge falsch geschrieben...
Das Erste, das mit der Chromatographie der Einzelfarbsteoffe? Nein, das ist korrekt beschriftet.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Nein, genau umgekehrt! Selbst "Giemsa" oder "May-Grünwald" verschiedener Herkuft ist verschieden zusammengesetzt, wie ich im Artikel ausgeführt habe. Die Unterschiede scheinen auf den ersten Blick gering, haben es aber in sich. Das Färbeergebnis variiert erheblich. Es ist sogar versucht worden, die Färbung kolorimetrisch zu standardisieren. Das macht meines Wissens aber keiner (außer dem Autor des Artikels).
Ja schon klar, verstanden nicht mal 2 Wright sind genau gleich je nach Herkunft der Farbstoffe und Details der Herstellung. Aber alle basieren auf MB/E und dienen dem gleichen Zweck und die DC zeigen dass auch +/- das selbe drin ist, oder? MGM, GF und W1 sehen für mich praktisch identisch aus.
Im Artikel war ich etwas überrascht wo die auf einmal her kamen im Vergleich und du hast deren Herstellung/Verwendung sonst nicht weiter kommentiert...
Das Erste, das mit der Chromatographie der Einzelfarbsteoffe? Nein, das ist korrekt beschriftet.
Die rechte Spur ist mit TH beschriftet :) aber im Vergleich zu den anderen DCs wird klar dass die Bildunterschrift trotzdem stimmt.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Achso, das meinst du. Das war mir gar nicht aufgefallen :D

die Präparate "May-Grünald" und "Giemsa" waren einmal von Fluka (Feststoffe) und einemal von Merck (fertige Lösungen). Steht unter dem letzten Bild im Post. Und ja, du hast recht, die MG-lösung Merck und das Giemsa-Fluka-Präparat sind ähnlich zusammengesetzt. Meine Wright-Präparate unterscheiden sich vor allem dadurch dass sie noch Methylenviolett enthalten.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

weißt du wie Giemsas oder May-Grünwald genau hergestellt werden?
Die Anleitungen die ich finden konnte gehen alle schon von einem fertigen Präparat aus, zu Wright fand ich zB nicht mehr als: "Erwärmen von 0,2 g Eosin-Methylenblau in 100 ccm Methylalkohol puriss. wasserfrei auf 60 °C, Filtrieren"...
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ich habe vor langer Zeit, als ich mich selbst mit der Standartisierung von Blutbildfärbungen beschäftigt habe, mal bei Merck angerufen. Man hat mich einigermaßen indigniert abgewehrt: die Herstellung sei ein Firmengeheimnis.

Ursprünglich war der May-Grünwald Farbstoff folgendermaßen publiziert worden (Centralblatt für Innere Medizin, 1902):
Bild

Es wird also eine Methylenblaulösung mit Eosin im Überschuss gefällt, wobei während des Stehenlassens über "einige Tage" in der Lösung Veränderungen des Methylenblaus möglich sind, so daß ein gewissenr Anteil verschiedener Azture enthalten sein kann. Meine Chromatogramme zeigen ja, daß z.B. der May-Grünwand-farbstoff von Fluka die gleiche Zusammensetzung hat wie meine Mischung aus Eosin und Methylenblau (gemischt, nicht ausgefällt!), so daß dieser Farbstoff vermutlich eine einfache Mischung ist. Dagegen enthält Mercks May-Grünwald-Lösung Azure, womöglich, weil hier der Fällung eine "Reifung" des Methylenblaues vorangegangen ist.

Giemsa beschreibt seinen Farbstoff im Centralblatt für Bacteriologie (1904) so:
Bild
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Das ist noch schwieriger zu repoduzieren, schon wegen der Nomenklatur der Farbstoffe. An anderer Stelle heißt es, "Azur II-Eosin" sei die Kurzbezeichnung für eine Mischung aus "Azur-Eosin" (hergestellt aus "reinem Methylenazur") und Methylenblau-Eosin. Hier sind offenbar jeweils die Fällungsprodukte von Azur bzw. Methylenblau mit Eosin gemeint. Azur-II wäre dann die Mischung Azur+Methylenblau, eben ohne Eosin. Aber was ist denn nun "Methylenazur"? Ich vermute, daß es sich um Azur B gehandelt hat - aber das ist keineswegs sicher, denn Azur B rein herzustellen war damals schwierig (Azur A ist viel einfacher darzustellen). Auch das Verhältnis der Mischung "Azur-Eosin/Methylenblau-Eosin" ist nicht angegeben. Früher habe ich mal versucht, Giemsa-Lösung selbst herzustellen, indem ich Azur B und Methylenblau 1:1 gemischt habe, einen Teil davcon mit Eosin gefällt habe und dann das Präzipitat im angegebenen Vehältnis mit einem weiteren Teil der Farbstoffmischung verrieben habe. Das Ergebnis war leidlich gut (leider habe ich nichts mehr von dem selbstgemachten Giemsa-Farbstoff für eine Chromatographie übrig - wäre jetzt mal interessant gewesen). Damals waren die Präparate sicher nicht besonders rein und womöglich ist die alte Zusammensetzung heute gar nicht mehr zu reproduzieren. Wie Merck das heute macht weiß ich nicht. Sie werden eine interne Standartisierung haben, einen immer konstanten Herstellungsprozess und dann eine Analyse, bei der bestimmte Eckdaten konstant sein müssen. Ob sie Reinstoffe einsetzen oder Methylenblau kontrolliert zu einem Gemisch von Methylenblau und Azuren "reifen" und dann fällen, ist mir unbekannt. Ich vermute aber eher das erstere, denn bei dem zweiten Vorgehen würde ich erwarten, daß sich auch Methylenviolett (Bernthsen) bildete, was sich aber in der Lösung von Merck nicht nachweisen lässt.
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