Vakuum-Vorstoß für fraktionierte Destillation

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mgritsch
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Vakuum-Vorstoß für fraktionierte Destillation

Beitrag von mgritsch »

Ich bin ja ein bekennender Freund der China-Ware, und so habe ich mir für wohlfeile EUR 26,26 letztens mal einen vernünftigen Vakuum-Vorstoß für fraktionierte Destillation gegönnt.
Vakuum-Destillationen mit einer Spinne leiden chronisch unter zwei Ärgernissen:
1) unter den Kräften die entstehen wenn die Apparatur mal evakuiert ist, kann das Drehen an so einem Schliff schon mal etwas schwer gehen, und man will so eine Apparatur ja nicht unbedingt mit rohen Kräften behandeln.
2) an so einer Spinne haben 2-4 Kölbchen platz, je nach Ausführung. Damit und mit dem Gewicht dass man dem Schliff zumuten will, sind sowohl gesamte Menge als auch Anzahl der möglichen Fraktionen limitiert. Meist reicht ja 3 (Vorlauf / Hauptfraktion / Nachlauf), aber nicht immer.

Daher mal falls es jemand nicht kennt und auch braucht - die einfache und geniale Lösung sieht so aus:
Bild

Mittels Schliff C kommt der Vorstoß an den Kühler. Vakuum wird an Öffnung B angeschlossen. an Schliff E kommt der Vorlagekolben.
Die Hähne 1-3 werden geöffnet (2 wird dabei in die Stellung gebracht, in der Durchgang von B nach E möglich ist und D verschlossen ist.
Nun kann die ganze Destillationsapparatur evakuiert werden und die Destillation beginnt.

Möchte man den Vorlagekolben wechseln, dann schließt man zuerst Hahn 3, das Destillat sammelt sich dann inzwischen weiter in Gefäß A.
Nun dreht man Hahn 2 um 120° nach links, dadurch wird der Vorlagekolben über D belüftet und kann bequem getauscht werden und man bringt einen neuen Vorlagekolben an.
Will man besonders schonend arbeiten kann man nun zuerst Hahn 1 schließen, dann wieder Hahn 2 um 120° nach rechts in die ursprüngliche Position drehen, dann wird der neue Kolben evakuiert. Einfach wieder Hahn 1 und Hahn 3 öffnen und der neue Kolben ist verbunden und das System läuft weiter. In der "Brutalvariante" verzichtet man auf Schließen/Öffnen von Hahn 1 und evakuiert den neuen Vorlagekolben gleich direkt an der Apparatur nur über Hahn 2. Bei Druckschwankungen ist aber vermehrt mit Siedeverzügen zu rechnen.

Da auf den Hähnen durch das Vakuum keine Kraft liegt, ist die Bedienung sehr geschmeidig und ohne gefrickle. Man kann einfach und beliebig oft wechseln. Einziger "Nachteil" ist ggfs der Platzbedarf.
Zu empfehlen ist ggfs auch dass man während des Wechselprozesses das Heizbad kurz absenkt. Flüssigkeiten nahe dem Siedepunkt im Vakuum reagieren auf geringe Druckschwankungen bereits gerne mit heftigen Siedeverzügen, damit reduiziert man das Problem auf ein Minimum.

Ich habe auf die Art letztes Wochenende mein Benzaldehyd das schon recht gelb-braun war destilliert, faszinierend wie schön so eine völlig klare, farblose, stark lichtbrechende Substanz in einem Rundkolben aussieht ;)
Nebenergebnis: mein Siedepunkt am Kopf war nach wenigen ml Vorlauf recht konstant 53-54°, daraus errechne ich zurück dass ich praktisch mit 9-10 mBar gearbeitet habe :)
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Cumarinderivat
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Beitrag von Cumarinderivat »

Das Gerät nennt sich Anschütz-Thiele-Vorlage. Da hab ich auch schon mit geliebäugelt :).
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Glaskocher
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Beitrag von Glaskocher »

Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile.

Bei Kleinmengen und übersichtlicher Zusammensetzung (Vor-, Haupt- und Nachlauf + Reserve) arbeite ich gerne mit der Spinne. Besonders bei luftempfindlichen Produkten ist das von Vorteil, wenn man unter Schutzgas arbeitet. Das Vakuum ist in diesem Fall "kontinuierlich" und man destilliert den Sumpf in einem Zug leer.

Bei größeren Mengen und komplexen Gemischen (mehrere große Fraktionen mit unterschiedlichem Siedepunkt) bevorzuge ich die Vakuum-Wechselvorlage (VWV). Man "kauft" den Vorteil, unbegrenzt viele Fraktionen schneiden zu können aber mit Zeiten, in denen das Vakuum in der Apparatur "statisch" ist und man oft Druckstöße hat, wenn der neue Kolben ins System eingeführt wird. In einem Schreiberprotokoll konnte ich dann regelmäßig absinkende und sich erholende Kopftemperatur beobachten. Wenn man über eine zusätzliche Pumpe (Luxus im Hobbxlabor) vorevakuiert, kann es auch zum Schäumen (Ko...) kommen. Unter Schutzgasbedingungen ist das eine echte Herausforderung, da man jeden frischen Kolben zuerst inertisieren und tarieren muß. Bei luftstabilen Präparaten will ich diese Art der Destillation nicht missen. Vermutlich werde ich mir noch eine Spinne unter die VWV hängen, um dann vier Kolben in einem Rutsch abnehmen zu können.


Tipp zum Benzaldehyd: Die Substanz ist mäßig luftempfindlich und oxidiert mit der Zeit zu Benzoesäure. Dazu kommt noch eine Polyaddition zum Polyether, was dann als dunkler Sirup im Verdampferkolben übrig bleibt. Lagerung unter Schutzgas ist zwar empfehlenswert, aber nicht Pflicht. Kühle und dunkle Lagerung sind ebenfalls hilfreich, die Vermeidung von Alkalien ist Pflicht.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Cumarinderivat hat geschrieben:Das Gerät nennt sich Anschütz-Thiele-Vorlage. Da hab ich auch schon mit geliebäugelt :).
pfff, Namen sind Schall und Rauch :D Thx für die Ergänzung!
Warum nur geliebäugelt? Für das Geld...
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Glaskocher hat geschrieben:Bei Kleinmengen und übersichtlicher Zusammensetzung (Vor-, Haupt- und Nachlauf + Reserve) arbeite ich gerne mit der Spinne. Besonders bei luftempfindlichen Produkten ist das von Vorteil, wenn man unter Schutzgas arbeitet. Das Vakuum ist in diesem Fall "kontinuierlich" und man destilliert den Sumpf in einem Zug leer.
Schutzgas unnd Vakuum klingt jetzt ein bisschen widersprüchlich, was nu? Schutzgas oder kein Gas? :D Aber Spülen funktioniert damit grundsätzlich auch, hänge einen N2-Ballon an den Belüftungs-Anschluss, einmal Evakuieren und mit N2 belüften, ein zweites mal und gut ists... "sauberer" wird das Vakuum so oder so nicht mehr, bei den Schliffen pfeift unter Vakuum immer ein kleiner rest an Luft hinein und die paar O2-Moleküle wird der Ansatz hoffentlich überleben.
Man "kauft" den Vorteil, unbegrenzt viele Fraktionen schneiden zu können aber mit Zeiten, in denen das Vakuum in der Apparatur "statisch" ist und man oft Druckstöße hat, wenn der neue Kolben ins System eingeführt wird. In einem Schreiberprotokoll konnte ich dann regelmäßig absinkende und sich erholende Kopftemperatur beobachten. Wenn man über eine zusätzliche Pumpe (Luxus im Hobbxlabor) vorevakuiert, kann es auch zum Schäumen (Ko...) kommen.
Ja, das ist sicher so. wie ich schrieb ist es förderlich, das Heizbad kurz abzusenken um Siedeverzüge zu vermeiden. So oder so kommt es zu einer kurzen Unterbrechung und damit Absinken der Kopftemperatur, aber das finde ich nicht weiter tragisch. Man unterbricht ja im Regelfall an einem definierten Punkt wo bereits eine konstante Kopftemperatur erreicht wurde und setzt dann nach wenigen Minuten ebendort wieder fort.
Tipp zum Benzaldehyd: Die Substanz ist mäßig luftempfindlich und oxidiert mit der Zeit zu Benzoesäure. Dazu kommt noch eine Polyaddition zum Polyether, was dann als dunkler Sirup im Verdampferkolben übrig bleibt. Lagerung unter Schutzgas ist zwar empfehlenswert, aber nicht Pflicht. Kühle und dunkle Lagerung sind ebenfalls hilfreich, die Vermeidung von Alkalien ist Pflicht.
Das Produkt war ursprünglich eine einfache billige Lieferung in der Plastikflasche, bei Anlieferung war es leicht gelbstichig. Die HDPE Flaschen sind nicht Sauerstoff-dicht, Luft kam bei Entnahmen auch reichlich dazu, so gesehen kein Wunder wenn es nach ca 1/2 jahr eher Amaretto-Farben war. Zu Beginn der Destillation siedete das ganze noch vor dem Aufheizen - so wie es aussieht ging dabei wohl etwas Wasser durch die Pumpe hinaus :) Alkalien sollten nach der Destillation auszuschließen sein.

Jetzt sind ca 260 ml in eine 250 ml Chemikalien-Glasflasche gefüllt, da ist nicht mehr viel Luft drauf, sollte als Oxidationsschutz genügen. Ich bin gespannt ob/wann es wieder zu einer Verfärbung kommt! Die Entnahmen sind jedenfalls fürs erste schon mal getätigt, ich habe ein bisschen gespielt und noch etwas vor... (Benzaldehyd -> Benzoin -> Benzil -> Diphenyhydantoin...), evtl steht aber auch noch Zimtsäure an.. mal sehen :)
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Cumarinderivat
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Beitrag von Cumarinderivat »

mgritsch hat geschrieben:
Cumarinderivat hat geschrieben:Das Gerät nennt sich Anschütz-Thiele-Vorlage. Da hab ich auch schon mit geliebäugelt :).
pfff, Namen sind Schall und Rauch :D Thx für die Ergänzung!
Warum nur geliebäugelt? Für das Geld...
Naja, bisher war der Bedarf noch nicht wirklich da. Ich hab eine wirklich gute 4-er Spinne, die hat bisher immer gereicht ;).
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Cumarinderivat hat geschrieben:Naja, bisher war der Bedarf noch nicht wirklich da. Ich hab eine wirklich gute 4-er Spinne, die hat bisher immer gereicht ;).
"Bedarf" ist immer relativ. "Habenwollen" ist eine perfekte Rechtfertigung, die Anwendung dafür findet sich schon :mrgreen:
zweitens
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Beitrag von zweitens »

Ich habe das Teil aber Teil A ist etwas größer und hat eine mL-Skala wie bei einem Messzylinder.
Wer eine Wanddeko braucht...
Glaskocher
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Beitrag von Glaskocher »

Ne WANDDEKO ...? Ein solches Schmuckstück gehört in die Vitrine (=Schrank mit Glas drin ;D). Und wenn es dem Teil zu langweilig wird, dann braucht es eine ordentliche Destillation, im Vakuum bevorzugt. Interesse hätte ich schon... ein Bisschen.
zweitens
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Beitrag von zweitens »

Deko für Wand oder Vitrine deswegen, weil es zwar ganz aussieht aber am unteren Hahn ein Glasbruch ist. Da kann ich das obere Gewäß mit der Hsnd 1mm vom Han weg biegen. In Ruhelage hält es mechanisch noch durch den Bypass. Aber ist eben defekt. Nur Deko oder mit Epoxy kleben, wem das reicht. Je nach Anwendung halt.
Oder man ist Hobbyglasbläser...

Habe ein paar Sachen in einer Viteine. Wird grade ein wenig ausgebaut...
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