Phenylthioessigsäuremorpholid, alternativ

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Sharam
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Phenylthioessigsäuremorpholid, alternativ

Beitrag von Sharam »

Synthese von Phenylthioessigsäuremorpholid
aus Zimtsäure

Die klassische Synthese von Phenylthioessigsäuremorpholid gelingt leicht und in hohen Ausbeuten durch die Willgerodt-Kindler Reaktion an Acetophenon. Daneben konnte jedoch die Herstellung aus zahlreichen Substraten wie Styren, Phenylacetylen und Benzylbromid unter Kindler-Bedingungen gezeigt, und so das Spektrum an Verbindungen, auf die diese schlichte Methode anwendbar ist erheblich erweitert werden. Dieser Artikel stellt die Umsetzung von Zimtsäure vor. Ein erkennbarer Unterschied zu den klassischen Bedingungen ist ein größerer Schwefelüberschuss, mildere Temperaturen und die gleichzeitige Funktion der Säure als Katalysator.


Geräte:

Ölbad, Magnetheizrüher, 50 ml Rundkolben, 50 ml Bechergläser, Büchnertrichter, Glassintertiegel, Saugflasche, Stativmaterial, Standardequipment


Chemikalien:

Zimtsäure
Morpholin
Schwefel
Ethanol
Phenylthioessigsäuremorpholid Warnhinweis: unknown


Hinweis:

Während des Versuchs entstehen stark übelriechende Nebenprodukte und es werden geringe Mengen an Schwefelwasserstoff frei, weswegen unter einem Abzug zu arbeiten ist. Verschüttete Lösungen werden mit alkalischer Hypochloritlösung behandelt.


Durchführung:

In einen 50 ml Rundkolben wird eine Verreibung von 4,45 g Zimtsäure mit 3,85 g Schwefel gegeben, 5,2 ml Morpholin hinzupipettiert und ein Rührfisch eingelegt.
Nun wird der Ansatz im Ölbad auf 80-90 °C Badtemperatur erhitzt, wobei sich die zunächst weiße Masse bräunlich einfärbt und aufbläht. Allmählich beginnt der Kolbeninhalt zu schmelzen, um eine tiefrote Lösung zu hinterlassen. Tritt dieser Zustand nicht innerhalb von 30 min ein, kann etwas stärker erhitzt werden. Sobald der Ansatz eine rührbare Konsistenz erreicht, wird der Magnetrührer auf geringer Umdrehungszahl gestartet und ggf. am oberen Kolbenhals anhaftende Reste des geblähten Materials unter Zuhilfenahme eines Glasstabs in die Schmelze gestoßen. Nun wird der Rückflusskühler aufgesetzt und für 10 h auf 85 °C erhitzt. Zunächst beginnen Morpholin und Wasser schwach zu refluxieren, wobei sich im Kühler ein typischer heller, gelblicher Rauch niederschlägt (Anm. 1). Allmählich nimmt die Kohlenstoffdioxidentwicklung zu, was neben des erneuten Aufblähens der Schmelze an der Kristallisation von weißem Morpholinhydrogencarbonat erkennbar wird. Durch temporäres Absenken der Hitzequelle kann die Reaktion gut reguliert werden, wobei darauf zu achten ist, dass der Kühler nicht durch die Carbonatkristalle und Reste der Schmelze verstopft wird. Die Heftigkeit der Reaktion nimmt allmählich ab; in den letzten 3 Stunden wird lediglich gelinde im Ölbad gerührt.
Nach Ablauf der Reaktionszeit werden über den Rückflusskühler 20 ml Ethanol zugegeben und für 5-10 Min. am Sieden gehalten, um nachfolgend durch einen Glassintertiegel zu filtrieren und diesen mit 10-20 ml heißem Ethanol nachzuwaschen (Anm. 2). Das Filtrat wird etwas eingeengt und langsam abkühlen gelassen. Dabei scheidet sich das Produkt kristallin ab. Man filtriert und wäscht mit kaltem Ethanol, bis die gelbe Färbung der Mutterlauge verschwunden ist. Getrocknet wird offen ausliegend oder bei 60 °C in einem Trockenschrank. Wurde der Schmelzpunkt noch nicht erreicht, kann aus Ethanol ein weiteres Mal umkristallisiert werden.

Ausbeute: 3,52 g (53,0% d.Th.)

Identität: Smp: 77-78 °C (Lit. 77-79 °C)

Eine DC zeigt Identität mit einem nach der klassischen Methode synthetisiertem Präparat:

Bild
(P2 - Produkt, P1 - Referenz)


Entsorgung:

Alle Abfälle werden den halogenfreien organischen Abfällen zugeführt, Filterückstände in den Festoffabfall gegeben.


Erklärung:

Der Mechanismus ist noch nicht hinreichend aufgeklärt. Es wird angenommen, dass über ein Polysulfid Schwefel an die Doppelbindung des Cinnamats in β-Position addiert, das Thion am Kohlenstoff nukleophil angegriffen wird und unter Abgang von Schwefelwasserstoff unter saurer Katalyse ein β-Iminiumcarboxylat hinterlässt, welches zum Enamin decarboxyliert und schließlich analog zur Willgerod-Kindler-Reaktion über ein Aziridinium-thiolat zum Thiosäureamid reagiert (siehe [1]).
Schema:
Bild


Bilder:

Bild
Am Beginn der Gasentwicklung aus der Schmelze

Bild
Kristallisation des Carbonats

Bild
Das Produkt


Literatur:

[1]T. Guntreddi, R. Vanjari and K. N. Singh: Decarboxylative Thioamidation of Arylacetic and Cinnamic Acids: A New Approach to Thioamides, Org. Lett., 2014, 16, 3624
[2]D. Priebbenow, C. Bolm: Recent advances in the Willgerodt–Kindler reaction, Chem. Soc. Rev., 2013, 42, 7870
Sharam
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Beitrag von Sharam »

Anm. 1: Es handelt sich wohl gleich der klassischen Route um Morpholinhydrogensulfid, was dafür spricht, dass zunächst H2S freigesetzt wird und erst verzögert die Decarboxylierung stattfindet.

Anm. 2: Im Grunde kann gleich der Aufarbeitung des klassischen Ansatzes verfahren werden, allerdings entschied ich mich für eine Trennmethode, die möglichst wenig Mutterlauge an Geräten zurücklässt (der geringen Ansatzgröße geschuldet).
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Hast du zu dem Mechanismusvorschlag noch ein Paper? Hatte mal die verlinkte Literatur angeschaut und ihn in den Formeln auf anhieb nicht so gefunden. Steht der da drin und ich hab ihn übersehen oder woanders? In der aktuellen Formulierung ist es ein wenig unverständlich - ohne Formeln dazu zu haben.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Habe den Artikel korrekturgelesen. Das Verschieben sollte bitte ein Organiker übernehmen, der das auch inhaltlich überprüfen kann!

//edit by NI2: Ja passt so. Verschoben.
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ChemDoc
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Beitrag von ChemDoc »

Hast du zu dem Mechanismusvorschlag noch ein Paper?
Folgenden Link aufrufen

https://libgen.unblocked.app/scimag/index.php?last=

dann bei Author Guntreddi oder Priebbenow einfügen

search

den gewünschen Artikel aussuchen

nach Links auf Libgen gehen

es erscheint ein neues Fenster mit GET

nun kann man gezielt das paper downloaden
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Habe das entsprechende Paper bereits, aber danke :)
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