Phenylthioessigsäuremorpholid

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Sharam
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Phenylthioessigsäuremorpholid

Beitrag von Sharam »

Synthese von Phenylthioessigsäuremorpholid

Die hier vorgestellte Synthese lässt leicht und lösemittelfrei die Darstellung zahlreicher Thiocarbonsäureamide aus Carbonylverbindungen zu und stellt den ersten Schritt im Willgerodt-Kindler-Verfahren zur Herstellung von Phenylessigsäuren aus durch Friedel-Crafts-Acylierung leicht zugänglichen Acetophenonen dar. Neben dieser Anwendung sind die Thiosäureamide wichtige Ausgangsstoffe in der Heterocyclensynthese, etwa die Phenylessigsäurederivate zur Herstellung hochsubstituierter Thiophene.


Geräte:

Magnetheizrührer, Silikonölbad, 100 ml Kolben, Rückflusskühler, zwei Gaswaschflaschen (fakultativ), Thermometer, Stativmaterial, Saugflasche und Büchnertrichter etc.


Chemikalien:

Acetophenon
Morpholin
Schwefel
Ethanol
Phenylthioessigsäuremorpholid Warnhinweis: unknown


Hinweis:

Als Beiprodukte entstehen diverse Organoschwefelverbindungen sowie Schwefelwasserstoff, was zu starker Geruchsbelästigung führt und die Gesundheit schädigen kann. Es ist daher unter einem Abzug zu arbeiten.


Durchführung:

In einen 100 ml Rundkolben werden 6,41 g fein gepulverte Schwefelblüte, 12 g Acetophenon und 12,4 g Morpholin eingewogen und unter Rückflusskühlung im Ölbad auf 135 °C Badtemperatur erhitzt. Die zunächst orange gefärbte Suspension nimmt bereits nach wenigen Minuten eine dunkelrote Farbe an. Allmählich geht dabei der Schwefel in Lösung und das Morpholin beginnt im unteren Teil des Kühlers zu kondensieren (Anm. 1). Nach 6-7 Stunden wird geringfügig abkühlen gelassen und unter Rühren in 40 ml bereits vorgewärmten Ethanol gegossen. Dabei fällt nicht umgesetzter Schwefel aus, welcher zunächst nicht abgetrennt wird. Währen des Abkühlens kristallisiert das Thioamid aus, wobei die Kristallisation durch Kühlung über Nacht vervollständigt wird. Der Kristallbrei wird auf dem Büchnertrichter abfiltriert und mit wenig kaltem Ethanol gewaschen. (Anm. 2)
Nachfolgend wird zwecks einer Umkristallisation der Filterückstand in etwa 50 bis 60 ml siedendem Ethanol aufgenommen, wobei unlösliches Material (Anm. 3) durch heiße Filtration abgetrennt wird. Filtrat und Waschethanol des Rückstands engt man anschließend auf 40-50 ml Volumen ein und lässt langsam abkühlen. Dabei kristallisiert das Produkt in langen Nadeln aus. Nach Filtration wird mit wenig kaltem EtOH nachgewaschen, sodass das Präparat rein weiß gefärbt ist.

Ausbeute: 17,74 g (80,2% d.Th.)

Identität Smp: 78 °C (Lit.: 77-79 °C)


Entsorgung:

Alle Abfälle werden den halogenfreien, organischen Abfällen zugeführt. Kontaminierte Geräte (insb. der Kühler) werden mit alkalischer Permanganatlösung entgiftet. Rückstände im Kolben können leicht mit einer Behandlung im Ultraschallbad beseitigt werden.


Erklärung:

Das Amin greift initial an den Carbonyl-C an und es entsteht ein Enamin. An dessen Doppelbindung addiert Schwefel elektrophil. Der genaue Mechanismus ist - soweit mir bekannt - nicht aufgeklärt, im Mechanismus (unten) wird es als Polysulfid dargestellt (Anm. 4). Aus folgenden Umlagerungen mit Hydrid-Verschiebung geht ein 2-Aminothial hervor, welches intramolekular durch das nicht bindende Elektronenpaar des Stickstoffs nucleophil angegriffen wird. Dieses Aziridimium-thiolat geht unter Ringöffnung und Tautomerisierung in das Thiosäureamid über.
Mechanismus:
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Bilder:

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Das Setup

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Ansatz nach Ablauf der Reaktionszeit

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Nach Einguss in Ethanol wird Kristallisation auf dem Schwefelrückstand beobachtet

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Am Beginn der Rekristallisation, die Gestalt der Kristalle ist gut erkennbar

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Das Präparat


Literatur:

Organikum 22. Auflage, Weinheim 2004, p.427
Sharam
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Beitrag von Sharam »

Anm. 1: Im Verlauf der Reaktion schlägt sich im Kühler ein weißer bis schwach gelblich gefärbter Rauch nieder. Dabei handelt es sich vorwiegend um Morpholinhydrogensulfid.

Anm. 2: Soll das Produkt Ausgangsstoff für die PAA-Herstellung sein, so kann das Rohprodukt zur Erhöhung der Ausbeute hydrolysiert und nach diesem Schritt filtriert werden.

Anm. 3: Es handelt sich dabei vorwiegend um nicht umgesetzten Schwefel. Anhaftendes Produkt kann durch Aufsieden des Filterkuchens in wenig Ethanol zurückerhalten werden.

Anm. 4: Am wahrscheinlichsten ist n=1 bis 4 bezüglich des unten dargestellten Mechanismus.

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Sharam
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Beitrag von Sharam »

Die Reaktionszeit kann durch den Zusatz von wenig pTsOH verkürzt werden, da diese die Enaminbildung katalysiert. Ich würde dazu in den kommenden Tagen noch einige alternative Routen ausprobieren und mit TLC verfolgen, um den Einfluss grob zu untersuchen.

Hier noch ein paar Bilder von der UK, die wirklich gute Resultate liefert:
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Vanadium
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Beitrag von Vanadium »

Schön! Gibt es einen Grund, warum gerade das Morpholid hergestellt wird? Erhält man durch Thioamidspaltung die Phenylthioessigsäure?

Wenn ich jetzt schon neuerdings Acetophenon hab, werd ich das wohl nachkochen "müssen"! :D
Sharam
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Beitrag von Sharam »

Weshalb Morpholin genutzt wird, weiß ich leider nicht (ein sekundäres Amin, natürlich, das eben nicht sehr giftig ist und das Morpholid sich gut kristallisieren und handhaben lässt ??). Die Isolation der Thioessigsäure ist durch Hydrolyse nicht möglich, da zunächst das Carbonsäuremorpholid erhalten wird, welches zum Carboxylat weiterhydrolysiert (Artikel kommt morgen).
Sharam
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Beitrag von Sharam »

Morpholin ist darum besonders geeignet, da es Cyclooktaschwefel unter den Reaktionsbedingungen gegenüber anderen sekundären Aminen am effizientesten in lösliches Polysulfid überführt.
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Sehr schön, gibt es noch ein Bild des fertigen Produktes?
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Sharam
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Beitrag von Sharam »

Ist beigefügt.

Da ich oben erwähnt hatte, die Reaktion unter Zusatz eines Kat. über eine DC zu verfolgen, frage ich nach Vorschlägen Eurerseits bzgl. des Laufmittels. In einem Testversuch hatte ich das Präparat mit Acetophenon auf einer (nur) 4 cm langen Platte laufen lassen mit Toluen/EtOAc/CH2Cl2 6:3:1 (die Laufmittelmischung hatte ich gerade zur Hand, andere Versuchsbeschreibungen für Acetophenon involvierende Reaktionen nutzen meist Hexan/EtOAc 7-9/3-1, also ähnlich). Sicherlich ist die Strecke etwas kurz, aber ich konnte damit keine Auftrennung erreichen und bezweifle, dass ein deutliches Ergebnis eintreten würde. Bevor ich nun meine Zeit verschwende, wende ich mich lieber an die Community.
...in einem gewissen anderen Forum wurde die Überwachung via TLC erwähnt, also sollte das grundsätzlich funktionieren.

Zumindest konnte ich feststellen, dass das Präparat keine detektierbaren Verunreinigungen enthält. (Sichtbarmachung durch Ioddampf)
Sharam
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Beitrag von Sharam »

Nach einigen Tests konnte ich die beste Auftrennung mit Isopropanol erreichen, wenngleich diese nicht sehr deutlich ist.

Bei 21 °C:
Rf (PhAc) = 0.82
Rf (PTAAM) = 0.74

Des Weiteren lassen sich geringe Mengen Acetophenon nur schlecht detektieren, bei einer Auftragung (mit Kapillare) von 1 „Tropfen” 25%iger ethanolischer Lösung von Acetophenon und 1 „Tropfen” 50% Produkt in Ethanol war die klare Erkennung des Ketons mMn nicht mehr möglich, da es nur durch sehr schwach angefärbt und durch den großen dot teilweise überlagert wurde. Aus diesem Grund verzichte ich auf einen gesonderten Versuch und ergänze die Durchführung um eine Anmerkung diesbezüglich.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

[EDIT: verschoben]
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Vanadium
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Beitrag von Vanadium »

Hat jemand Interesse an der Durchführung dieses Versuchs mit Beta-Naphthylmethylketon ("Acetonaphthon") und/ oder 2-OH-Acetophenon (auch fraglich ob es mit letzterem dann auch funktioniert)? :) Dann würde ich mich dort heranwagen :angel:
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Vanadium
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Beitrag von Vanadium »

Habe den Versuch (auch mit 2-Acetonaphthon) nun mal gemacht und trockne gerade die umkristallisierten Produkte. Ich glaube es wäre besser, zum Umkristallisieren unvergällten EtOH zu benutzen, da es sonst anscheinend immer wieder zur Rotfärbung kommt (MEK). Isopropanol wäre bestimmt auch möglich. Bei mir sehen die Kristalle auch ganz anders aus, allerdings nicht unbedingt schlechter. Ich gehe mal davon aus, dass diese langen Kristalle bei dir durch sehr langsames Verdampfen erhalten wurden?

Interessanterweise ergibt die DC des umkristallisierten Produkts mit Acetonaphthon als Edukt zwei extrem nahe beeinander liegende und gleich stark ausgeprägte Spots, die ich nicht wirklich zuordnen kann. Auf jeden Fall entsprechen sie nicht dem Edukt. Mein erster Gedanke war schon, dass es Isomere sind, aber eine wirkliche Erklärung hätte ich auch hierfür nicht.
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