Siedeverzug

Fragen zur allgemeinen Chemie; alles, was in keine andere Kategorie passt.

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Killom
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Siedeverzug

Beitrag von Killom »

Guten Abend, Freunde der Nasschemie!

Ich scheitere öfters an einfachen Dingen - so wie jetzt gerade, bei der Destillation von Schwefelsäure.

Sobald der Siedepunkt erreicht ist, kommt es gewiss immer zu einem Verzug, der durch den Kühler schießt und mir so das Destillat verunreinigt.

Ich habe bereits durch Zugabe von Glas und Keramikscherben versucht, eine raue Oberfläche zu schaffen, an denen sich Siedekeime bilden können. Bisher ohne Erfolg. Es kommt weiterhin zu Siedeverzügen.

Was mache ich falsch? Muss ich mir tatsächlich einen dieser teuren Glas-Rührfische besorgen um der Sache Herr zu werden?
CD-ROM-LAUFWERK
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Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Kannst du das mit einem Video oder zumindest Bildern dokumentieren?
Ist es womöglich herabtropfendes Wasser, welches dann explosionsartig verdampft?
Denn ein "richtiger" Siedeverzug würde mich da arg wundern, selbst ohne Siedesteine.
Welches Volumen hat denn der Kolben und die Schwefelsäure?
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Killom
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Beitrag von Killom »

Bilder oder Videos kann ich leider nicht liefern. Nicht zum derzeitigen Zeitpunkt. Ich könnte morgen nochmal einen Versuch wagen und dabei dokumentieren.

Herabtropfendes Wasser kann ich so erstmal nicht bestätigen. Ich stand daneben und habe beobachtet. Es bilden sich mit einem Schlag aus dem Inneren viele Siedekeime / Bläschen, die dann Schwefelsäure mit hinüber reißen. Provozieren lässt es sich auch dadurch, dass man den Sumpf durch schwenken in Bewegung versetzt. (Ich weiß, dadurch könnten sich theoretisch auch tropfen lösen und herabfallen. Aber ich habe keine gesehen.) Ich konnte ebenfalls ein leichtes "wabern" des Sumpfes beobachten.

Volumen Kolben 1000ml
Volumen Schwefelsäure 650ml
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Phil
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Beitrag von Phil »

Am besten kannst Du dem entgegentreten wenn Du mit einem Magnetrürer oder KPG Rührer arbeitest. Seit dem ich mechanisch rühre habe ich keine solchen Probleme mehr.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ich habe die besten Ergebnisse in der Verhinderung von siedeverzügen auch mit konstantem Rühen, wie es Phil beschrieben hat. TFE-beschichtet Rührfische sind ausreichend.
Aber du schreibst du hättest eine "Destillation von Schwefelsäure" durchgeführt. Das ist wohl nicht ganz korrekt, oder? Schwefelsäure destilliert man üblicherweise nicht. Was genau hast du destilliert?
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Pok
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Beitrag von Pok »

Du meinst doch bestimmt PTFE-beschichtet?! Aber diese Rührfische soll man nur bis max 260 oder 280 °C einsetzen (unterschiedliche Angaben). Um konz. Schwefelsäure zu erhalten (vermutlicher Zweck hier), muss man über 300 °C erhitzen. Das täte den Rührfischen vermutlich nicht gut. Deshalb überlegt er ja, sich einen Glasrührfisch anzuschaffen.

Glasrührfische kann man sich auch selbst bauen. Einfach den Magnetkern aus dem PTFE-Mandel befreien und in ein Glasrohr einschmelzen.
Bild
Dabei drauf achten, das Abstand rechts und links ungefähr gleich groß ist, weil es später sonst eiert. Den Magneten am besten mit irgendwas Temperaturbeständigem innen festkleben oder so. Der Abstand ist nötig, damit man auf der einen Seite noch ordentlich zuschmelzen kann, ohne dass das Glas durch Kontakt zum kalten Magneten dabei springt.

Auf Dauer kann es aber den Boden des Gefäßes anrauen, sodass der nicht mehr ansehnlich aussieht. Beim Rundkolben wäre der Effekt natürlich noch stärker, also besser Erlenmeyer oder Becherglas verwenden. Ab einer gewissen Temperatur verliert auch der Magnet selbst seine magnetische Eigenschaft. Glaube aber, dass das bei den Cobalt-Samarium-Magneten, welche in diesen PTFE-Dingern eingesetzt werden, beim Schwefelsäure-Aufkonzentrieren noch nicht erreicht wird.
Glaskocher
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Beitrag von Glaskocher »

Wie heizt Du den Kolben? Hier könnte sowohl eine Ursache, alsauch die Lösung des Problems liegen.

Deiner Beschreibung nach kommt es im gesamten Volumen zugleich zum Sieden. Wenn die Heizleistung sehr gleichmäßig eingetragen wird, dann kann es tatsächlich zum homogenen Siedebeginn führen. Jetzt wäre die Frage, ob zuviel Wärme je Zeit zugeführt wurde und der "normale" Siedevorgang einfach ein für die Apparatur (und das Schäumverhalten des Inhaltes) zu große Dampfmenge erzeugt. Alternativ ist es eine Überlegung wert, "homöopatisch" an das Problem zu gehen und bewußt asymmetrisch zu erhitzen. Das hat zur Folge, daß der Siedevorgang einseitig oder punktuell begrenzt früher stattfindet und dadurch die Durchmischung fördert.

Es lohnt sich auch, über eine geringere Füllmenge nachzudenken, obwohl die "eigentlich" nicht übertrieben hoch zu sein scheint. Rein vom Gefühl her würde ich es mal mit einem Siedestäbchen (zur Not an der Spitze verschlossene Pasteurpipette kopfüber reinstellen) versuchen. Das hat zumindest an einem Punkt einen "Blasenkeim", in den sich weitere Gasmengen "flüchten" können.


Ich stimme den Kollegen zu, daß permanentes Rühren aus sehr vielen "Rotzbengeln" recht zahme Destillationen macht. Ich pwersönlich rühre gerne mit der maximal verfügbaren Leistung, um einen Wärmestau zu unterbinden. Oft merke ich, daß mit dem Steigern der Rührleistung zumindest vorübergehend auch die Verdampferleistung erhöht wird. Später, wenn der Kolben fast leer ist, hilft die hohe Rührleistung, die benetzte Kolbenfläche zu vergrößern.


Beschreibe doch mal, was bis zum Überschäumen alles schon in der Apparatur passiert ist. Die Frage nach Kondensattropfen war schon da. Falls Kondensattropfen das unkontrollierte Sieden tatsächlich auslösen können diese durch vorbeugendes Erhitzen der Glaswände bis zum Eingang des Kühlers vermieden werden. Hast Du irgendwelche Temperaturen gemessen? In einem perfekten Protokoll werden Sumpftemperatur, Kopftemperatur, Badtemperatur oder Heizleistung und Volumina beobachtet.

Beschreibe bitte auch mal den gesamten Aufbau mit Heizquelle und allen Glasteilen. Das könnte auch bei der Fehlersuche hilfreich sein. Zusätzlich ist die (vermutete) Zusammensetzung des Destillationsgutes hilfreich.
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

lemmi hat geschrieben: Aber du schreibst du hättest eine "Destillation von Schwefelsäure" durchgeführt. Das ist wohl nicht ganz korrekt, oder? Schwefelsäure destilliert man üblicherweise nicht. Was genau hast du destilliert?
Dieser Frage schließe ich mich mal an. Habe noch nie Schwefelsäure destilliert - weil unüblich in der Praxis des Hobbychemikers....
Lasse mich auch gern eines Besseren belehren...
"Der einfachste Versuch, den man selbst gemacht hat, ist besser als der schönste, den man nur sieht." (Michael Faraday 1791-1867)

Alles ist Chemie, sofern man es nur "probiret". (Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832)

„Dosis sola facit venenum.“ (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus 1493-1541)

"Wenn man es nur versucht, so geht´s; das heißt mitunter, doch nicht stets." (Wilhelm Busch 1832 -1908)
meganie
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Beitrag von meganie »

Sieht das bei dir ungefähr so aus?


UPDATE: I had to do this again for more sulfuric acid. For boiling chips, I smashed a porcelain dish and the little pieces worked really well to keep things under control. No crazy bumping!
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Killom
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Beitrag von Killom »

Sorry fürs warten lassen. Hatte Gestern leider andere dringliche Angelegenheiten. Vielleicht schaffe ich es heute.

Zu euren Fragen:
Beschreibe bitte auch mal den gesamten Aufbau mit Heizquelle und allen Glasteilen.
1000ml Einhals-Rundkolben NS29 als Sumpf, Heizmantel 300W (Heraeus G2) auf Stufe 3. Darüber 250mm Liebig-Kühler mit angeschmolzenem Destillieraufsatz (all in one) und NS14,5 Thermometer (bis 350°C), 1000ml Stehkolben NS29 als Vorlage. Entstehende Dämpfe werden per Schlauch am Vakuumanschluss nach draußen geleitet.
Zusätzlich ist die (vermutete) Zusammensetzung des Destillationsgutes hilfreich.
Handelsübliche Batteriesäure. Durch die diversen Destillationsversuche schon nahezu azeotrop. >87% Siedepunkt derzeit bei ~320 °C
Allerdings von Anfang an leicht gelblich durch Verunreinigungen. Daher die Destillation. Mir ist bewusst, das sich die H2SO4 dabei teilweise zu SO3 zersetzt.
Aber du schreibst du hättest eine "Destillation von Schwefelsäure" durchgeführt. Das ist wohl nicht ganz korrekt, oder?
Doch. Wie Pok bereits richtig vermutete, zum konzentrieren (und reinigen). Er bekommt deshalb den Keks fürs richtige raten :mrgreen:
Am besten kannst Du dem entgegentreten wenn Du mit einem Magnetrürer oder KPG Rührer arbeitest.
KPG- Rührer habe ich nicht. Glasfische wären da wohl die günstigste Alternative zu.
Glasrührfische kann man sich auch selbst bauen.
Auf Grund der hohen Temperatur habe ich von den PTFE Fischen abgesehen bzw. wollte es erst gar nicht damit versuchen. Daher habe ich bereits probiert, mir welche aus Glas zu schmelzen.
Ich hatte eine alte Pipette, wo der Magnet exakt reinpasste. Nach dem Zuschmelzen sind mir die Schmelzperlen am Endstück immer wieder abgeplatzt. Insbesondere beim Abkühlen. (Jaja, die einfachen Dinge ;) )
Sieht das bei dir ungefähr so aus?
Nein. Eher ziemlich exakt so wie ab Minute 1:05 rum. Nur das schlagartig so viele Blasen entstehen, das es den Sumpf hinüber reißt.
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Handelsübliche Batteriesäure....
Hättest Du aber auch im Startpost erwähnen können! Dann härte ich es sofort verstanden... Immer diese Raterei mitunter... :wink:
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Killom
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Beitrag von Killom »

Ja Sorry ;) Hab mir nix weiter bei gedacht. Halt einfach Schwefelsäure destillieren.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Der korrekte Ausdruck hierfür wäre dann nicht "destillieren" sondern "aufkonzentrieren" oder "eindampfen", da das was verdampft ja gar nicht interessiert.
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Killom
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Beitrag von Killom »

Aufkonzentrieren ist meinem Verständnis nach lediglich solange zu erhitzen, bis das azeotrope Verhältnis eintritt.

Da ich aber das komplette Volumen verdampfen und wieder kondensieren lasse, liegt meinem Verständnis nach hier eine Destillation vor. :conf:

Einerseits zum Zwecke der Aufkonzentrierung, andererseits zum entfernen eventueller Verunreinigungen.

Der Vorlauf wird bis zum erreichen der Kopftemperatur verworfen (damit putze ich später das Klo) und alles was ab erreichen der Kopftemperatur über geht, kommt in die Flasche mit der "konz. H2SO4" Aufschrift.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Naja, ich weiß zwar nicht, wie rein Batteriesäure ist, aber für die meisten Zwecke wird das Aufkonzentrieren ausreichen. Im Destillat erreicht man keine höhere Konzentration als im Sumpf. (Obwohl das für das Problem des Siedeverzuges natürlich irrelvant ist).
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