Herstellung chemisch kompetenter Zellen

Interessante Versuche aus der Biologie, Biochemie und Biotechnologie.

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Dimethylsulfoxid
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Herstellung chemisch kompetenter Zellen

Beitrag von Dimethylsulfoxid »

Herstellung chemisch kompetenter Zellen

Die Herstellung kompetenter Zellen ist ein wichtiges Verfahren in der Molekularbiologie. Kompetenz beschreibt die Fähigkeit einer Zelle Fremd-DNA aufzunehmen, beispielsweise in der Form von Plasmiden. Es gibt verschiedene Wege die Kompetenz von Zellen zu erreichen, bei Bakterien ist die Behandlung mit Calciumchlorid-Lösung oder Calciumphosphat-Lösung üblich. Der am häufigsten im Labor verwendete Vektor ist Escherichia coli, welcher selbst keine natürliche Kompetenz besitzt (anders als einige andere Arten wie Bacillus subtillis). Um fremde Gene in E. coli klonieren zu können, müssen die Zellen zunächst kompetent gemacht werden.


Geräte:

Zentrifuge (mind. 5000 rpm), (Schüttel-)Inkubator, Vortexer, Bunsen- oder Teclubrenner, Kulturröhrchen mit Kappe/Aluminiumfolie, Mikroliterpipette 100 – 1000 µl, Mikroliterpipette 20 – 100µl, Sterile Pipettenspitzen im Rack 100 – 1000 µl, Sterile Pipettenspitzen im Rack 20 – 100 µl, Reaktionsgefäße 1,5 ml (''Eppis''), Eiskübel mit Crushed-Eis, Dewargefäß, Timer (obligatorisch)


Chemikalien/Medien:

LB-Medium, Typ Lennox
Calciumchlorid-Lösung c= 0,1 mol/l
2-Propanol, wässrig (70 %) Warnhinweis: fWarnhinweis: attn
Flüssiger Stickstoff
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Stamm:

E. coli K12 DH5α


Hinweis: Das hier beschriebene Verfahren erzeugt keine transgenen Organismen. Sollten die kompetenten Zellen weiterverwendet werden, um beispielsweise fremde Gene in die Bakterien einzuschleusen, so müssen die Bestimmungen des Gentechnikgesetzes (GenTG) berücksichtigt werden! Die verwendeten Medien und Gefäße müssen steril sein! Das gilt insbesondere für Reaktionsgefäße, als auch Pipettenspitzen und selbstverständlich für die Medien. Die Sterilität erreicht man durch Autoklavieren bei 121 °C für 20 Minuten. Um Kontaminationen zu vermeiden sollte der Arbeitsplatz mit 2-Propanol (70 %) desinfiziert werden. Es sollte in der Nähe einer Flamme garbeitet werden, der Hitzekegel vernichtet Fremdorganismen in der Luft. Sollten große Mengen kompetenter Zellen hergestellt werden, so empfiehlt es sich die Verwendung einer Sicherheitswerkbank. Vorsicht bei der Arbeit mit Flüssigen Stickstoff, bei falscher Handhabung drohen schweren Erfrierungen!


Durchführung

Am Tag vor der Herstellung der kompetenten Zellen, wird ein Klon (Kolonie) mit einem sterilen Zahnstocher von einer LB-Agarplatte entnommen, in ein Kulturröhrchen mit sterilem LB-Medium überführt und dieses kurz gevortext. Vor dem Öffnen und dem Schließen des Kulturröhrchens sollte der Deckel/Folie, sowie die Öffnung kurz abgeflammt werden. Das Röhrchen wird eine Nacht, möglichst unter Schüttelinkubation, bei 37 °C inkubiert. Am nächsten Tag werden je 1000 µl der Übernachtkultur in vorgekühlte Reaktionsgefäße überführt und anschließend für 10 Minuten auf Eis inkubiert. Anschließend werden die Reaktionsgefäße für 5 Minuten bei 5000 rpm (Umdrehungen pro Minute) entrifugiert.
Der Überstand wird verworfen, dass Bakterienpellet in 200 µl CaCl2-Lösung resuspendiert und 30 Minuten auf Eis inkubiert. Anschließend wird wieder bei 5000 rpm abzentrifugiert und der Überstand verworfen. Nun wird das Pellet nochmals in CaCl2-Lösung resuspendiert und diesmal für eine Stunde auf Eis inkubiert.
Anschließend können die Zellen sofort für die Transformation verwendet werden. Sollten sie zu einem späteren Zeitpunkt verwendet werden, so werden diese mit flüssigen Stickstoff schockgefroren und können in einem -80 °C-Tiefkühlschrank bis zu 3 Monate gelagert werden. Sollten die Zellen bereits in den nächsten Tagen verwendet werden, ist eine kurzfristige Lagerung bei -20 °C möglich.


Entsorgung:

Biologische Abfälle werden grundsätzlich vor der Entsorgung autoklaviert! Dies soll verhindern, dass pathogene oder transgene Bakterien in die Umwelt gelangen. Um eine ausreichende Sterilisation sicherzustellen, sollte Autoklavierband mit Indikator verwendet werden. Sind keine weiteren Stoffe verwendet worden, können autoklavierte Rückstände und Kulturen im Ausguss entsorgt werden.


Erklärung:

Ein erhöhter Gehalt an Calcium-Kationen erhöht die Porosität der zellulären Membran. Zusammen mit weiteren Schritten, wie einem Hitzeschock, kann eine deutliche Weitung von Poren erzielt werden, was die Aufnahme von Fremd-DNA ermöglicht. Der genaue molekulare Prozess ist noch nicht geklärt.
Das Schockgefrieren mit flüssigen Stickstoff begünstigt eine rasche Bildung kleiner Eiskristalle, welches die Zelle wesentlich besser verkraftet, als ein langsames Gefrieren, welches zur Bildung größerer Eiskristalle führt.


Bilder:

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Entnahme aus der Übernachtkultur.

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Kompetente Zellen auf Eis.

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Schockgefrieren mit Stickstoff.
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dihydrogenmonooxid
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Beitrag von dihydrogenmonooxid »

Ich als nicht - Biochemiker hätte dazu mal ein paar Fragen und Anmerkungen :wink:

1. Wozu dient das Verfahren, wenn man nun keine transgenen Organismen erhält? Evtl. wäre das als zusätzliche Artikelbeschreibung einfügbar, ob das überflüssig ist, musst du entscheiden.
bei Bakterien ist die Behandlung mit Calciumchlorid-Lösung oder Calciumphosphat-Lösung üblich.


2. Verwendet man hierfür wirklich Calciumphosphat Ca3(PO4)2? Das wäre ja praktisch unlöslich in Wasser. Oder sprichst du da allgemein von Calciumphosphaten (wie z.B. das lösliche Dihydrogenphosphat)?

3. Deine Texte sind zwar gut verständlich, aber bei der Durchführung scheitert es bei mir etwas. Z.B ist mir folgende Textstelle unklar:
Anschließend wird der Überstand wieder bei 5000 u/Min abzentrifugiert und verworfen.
Zentrifugierst du nicht eine Suspension, bei der du erst nach dem Zentrifugieren einen Überstand erhälst? Dann wäre "anschließend wird ... wieder bei 5000 u/Min abzentrifugiert und der Überstand verworfen" leichter verständlich.

Alternativ könnte ich es höchstens so deuten: Du hast nach der 30 minütigen Inkubation keine Suspension, sondern einen Überstand und zentrifugierst diesen ab. Dann verwirfst du ihn (also den nach der Zentrifugation neu gebildeten Überstand aus dem unrprünglichen Überstand). Das müsste in diesem Fall aber auch anders formuliert werden.

4. Auch, wenn es sich penibel anhört, aber du hast noch einige Rechtschreibfehler in deinen Abschnitten (z.B schreibt man Öffnen + Schließen in deinem Fall groß, weil nominalisiert) Einige Kommas hätte ich auch anders gesetzt, aber darüber kann man streiten :wink:

Naja, ansonsten wäre es das von meiner Seite. Mir fehlt leider das Fachwissen, deshalb kann ich inhaltlich nicht viel mehr dazu sagen. Aber ansonsten scheint es dir ganz gelungen zu sein :D

P.S Ist das, was du in der Erklärung geschrieben hast eigentlich das einzig Erklärenswerte oder passiert da in den Zwischenschritten auch noch was "Besonderes"?
...the question is not, Can they reason? nor, Can they talk? but, Can they suffer? (Jeremy Bentham)


Chemiker haben für alles eine Lösung
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Dimethylsulfoxid
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Beitrag von Dimethylsulfoxid »

:oops: :oops: :oops: SCH....!!! versehntlich beim Antworten überschrieben...SORRY DMSO!!!

lemmi :oops: :oops: :oops:
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Sehr interessante Sache! Macht Appetit auf mehr! Wie geht es denn dann weiter? Ich hätte da gleich ein paar interessierte Fragen!

Wie überprüft man, ob die Zellen ein Plasmid tatsächlich übernommen haben? Wie schafft man davon eine Reinkultur, d.h. wie trennt man die plasmid-haltigen von den nicht-plasmidhaltigen Zellen?

Kann man plasmidhaltige E.coli schon als transgen bezeichnen? Dieser Vorgang spielt sich doch auch in der Natur dauernd ab. Und wenn ich dich richtig verstanden habe, muss man Zellen kompetent machen, wenn sie Plasmide von fremden Zellen übernehmen sollen, nicht aber innerhalb der eigenen Art. Soweit ich mich erinnere (aber es kann sein, daß ich da was durcheinaderwerfe) tauschen Enteriobacteriaceae in der Natur ständig Plasmide auch über die Speziesgrenzen hinweg aus, was z.B. ein Problem bei der Verberitung von (plasmidvermittelten) Antibiotikaresistenzen ist.
Dimethylsulfoxid hat geschrieben::Anschließend wird der Überstand wieder bei 5000 u/Min abzentrifugiert und verworfen.
...
Meine Formulierung ist korrekt und eigentlich verständlich. "Überstand abzentrifugieren" bezieht sich auf die abgeschlossene Zentrifugation. Entscheidend ist hier das "ab". Falsch wäre es, wenn ich geschrieben hätte "der Überstand wird zentrifugiert", da es sich um eine Suspension handelt.
H2O hat nicht ganz unrecht und deine Formulierung, DMSO, ist nicht ganz korrekt. Korrekterweise und unmissverständlich müsstet Du das Objekt zu dem Prädikat stellen, zu dem es sinngemäß gehört ("Überstand" gehört zu "verwerfen" und nicht zu "(ab)zentrifugieren") Abzentrifugieren bezieht sich ausserdem üblicherweise auf den Bodensatz: man zentriefugiert den Bodensatz vom Überstand ab und nciht umgekehrt).
Dimethylsulfoxid-Ghostwriter hat geschrieben:Anschließend wird wieder bei 5000 u/Min zentrifugiert und der Überstand verworfen.
oder
Anschließend werden die Zellen wieder bei 5000 u/Min abzentrifugiert und der Überstand verworfen.
Ein häufiger grammatischer Schnitzer, der dann zu Missverständnissen führt, wie es H2O passiert ist. Auch hier gilt: dass alle mit der Materie Vertrauten den Satz verstehen (weil sie über den grammatischen Fehler hinweglesen und ihn vielleicht selbst machen) ist keine Entschuldigung.

:wink:

lemmi
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Dimethylsulfoxid
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Beitrag von Dimethylsulfoxid »

Lemmi, ich hatte kurz überlegt, ob ich das gleiche mit deinem Beitrag mache :mrgreen:
Ich habe den Kommentar leider nicht wo anders abgespeichert. Ist aber nicht so schlimm.


Deine Fragen werden mit weiteren Artikeln in den nächsten Tagen beantwortet. Grundsätzlich überprüft man eine Transformation über Agarose-Gelelektrophorese.
Die Plasmide enthalten Gene für Antibiotikaresistenzen. Durch die Wahl Antibiotika-haltiger Medien können die Bakterien selektiert werden.

Von Natur aus besitzen E. coli, wie auch viele andere Bakterien und auch Hefen Plasmide. Gram-negative tauschen diese auch häufig über Konjugation aus. Vorraussetzung für die Klassifizierung als GVO ist das vorhanden sein artfremder Gene. Diese werden meistens in Plasmide von E. coli eingebaut (via Restriktion und Ligation), die Plasmide dienen als Vektor.
Die meisten kommerziell erhältlichen Plasmide gelten bereits als GVO, da sie artfremde Gene für Antibiotikaresistenzen enthalten. Diese dienen dann der späteren Selektion.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Dimethylsulfoxid hat geschrieben:Lemmi, ich hatte kurz überlegt, ob ich das gleiche mit deinem Beitrag mache :mrgreen:
Danke, dass du es nicht gemacht hast! :wink: Nochmal Sorry!

Ist es denn so, daß in der Natur Plasmide auch über Artgrenzen hinweg ausgetauscht werden?
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Dimethylsulfoxid
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Beitrag von Dimethylsulfoxid »

Ja, sogar von Bakterien auf Eukaryoten. Das Agrobacterium tumefaciens kann z.B. bestimmte Plasmide auf Pflanzenzellen übertragen. Das macht man sich in der Pflanzenbiotechnologie zu nutze. Die Übertragung von E. coli Plasmide auf Hefezellen ist auch üblich.
Aus medizinischer Sicht ist sicher die Übertragung von Plasmiden mit Pathogenitätsfaktoren (Antibiotikaresistenzen, Toxine etc.) interessant. Das spielt natürlich nicht nur eine Rolle bei der Problematik der (multi-)resistenten Keime, sondern hat das entstehen ganz neuer Krankeheitserreger begünstigt. Beispielsweise hängt die Virulenz von Yersinia pestis von Plasmiden ab. Man vermutet heute, dass Bacillus anthracis sich erst durch die Aufnahme bestimmter Plasmide bilden konnte.
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Dithizon
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Beitrag von Dithizon »

Dimethylsulfoxid hat geschrieben:
Die meisten kommerziell erhältlichen Plasmide gelten bereits als GVO, da sie artfremde Gene für Antibiotikaresistenzen enthalten. Diese dienen dann der späteren Selektion.
Und man kann, wenn man die Konzentration der kompetenten Bakterien (der Ausgangssuspension) kennt, eine Kompetenzanalyse machen, indem man sie Auf Antibiotikahaltigem Medium kultiviert und dann die Kolonien (einer 1:100 Verdünnung in den meisten Fällen) zählt.

Ich kenne die Methode so, dass man die Bakterien in einem Niedrigsalzpuffer hat (auch mit Temperaturschock etc) und dann nacher die DNA-Lösung in einem Hochsalzpuffer zugibt. Durch die osmotischen Effekte ist dann die Transformation recht effizient. Wenn ich morgen die Vorschrift wieder habe werd ich mal Genaueres schreiben, ich hab sie nur im Labor liegen lassen...
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NI2
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Beitrag von NI2 »

//edit by NI2: Kleinigkeiten geändert und verschoben.
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