Titration von Cyanid nach Liebig

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lemmi
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Titration von Cyanid nach Liebig

Beitrag von lemmi »

Titration von Cyanid nach Liebig

Die Bestimmung von Cyaniden nach der von Justus v. Liebig (1803 – 1873) angegebenen Methode ist ein klassisches maßanalytisches Verfahren.


Material/Geräte:

Analysenwaage, Bürette, 100 ml Becherglas, Magnetrührer(optional)


Chemikalien:

Silbernitratlösung 0,1 N Warnhinweis: c
Ammoniaklösung 25 % Warnhinweis: cWarnhinweis: n
Kaliumiodid

Analysensubstanz
Kaliumcyanid zur Synthese Warnhinweis: t+


Versuchsdurchführung:

Hier wird der Gehalt einer Probe Kaliumcyanid pro synthesi bestimmt. Von der Analysensubstanz werden 200 mg auf der analytischen Waage abgewogen und in einem kleinen Becherglas in 30-40 ml Wasser gelöst. Dann wird 1 ml Ammoniaklösung 25 % und eine Spatelspitze (100-150 mg) Kaliumiodid zugegeben und auf einem schwarzen Untergrund mit 0,1 N Silbernitratlösung titriert.

Jeder Tropfen ruft in der Flüssigkeit weißgelbe Schlieren hervor, die sich beim Rühren rasch vollständig auflösen. Nahe des Endpunktes geschieht die Auflösung langsamer, und schließlich wird die gesamte Flüssigkeit durch einen Tropfen der Maßlösung milchig gelbweiß gefärbt. Der Umschlagspunkt ist eindeutig zu erkennen.

Ein Milliliter 0,1 N Silbernitratlösung ist 13,024 mg Kaliumcyanid äquivalent. Bei meiner Bestimmung wurden 14,65 ml der Maßlösung verbraucht, die 190,8 mg KCN in 200 mg Ausgangssubstanz entsprechen, mithin ein Gehalt von 95,4 %. Der Rest dürfte - neben Wasser - vor allem aus Kaliumcarbonat und Kaliumcyanat bestehen.


Entsorgung:

Die austitrierte Lösung wird mit etwas Wasserstoffperoxid versetzt, stehen gelassen, mit Natriumchloridlösung gefällt und der ausgewaschene Niederschlag aus Silberchlorid (und –iodid) getrocknet und zur Rückgewinnung des Silbers aufbewahrt. Cyanidreste können außerdem durch Kochen mit Ammoniumpolysulfidlösung vernichtet werden.


Erklärungen:

Das Cyanidion bildet mit Silber einen sehr gut wasserlöslichen und stabilen Komplex:

AgNO3 + 2 KCN ---> K[Ag(CN)2] + KNO3

Molmasse Kaliumcyanid: 65,12 g/mol

Da sich 1 Mol Silbernitrat mit 2 Mol Kaliumcyanid umsetzt, entspricht 1 ml einer 0,1 M Silbernitratlösung (hier ist 1 Mol gleich 1 Val) 0,2 mmol Kaliumcyanid und damit 13,024 mg.

Der Endpunkt wird bei der klassischen Titration nach Liebig daran erkannt, daß sich in der klaren Flüssigkeit weißes, unlösliches Silbercyanid ausscheidet:

K[Ag(CN)2] + AgNO3 ---> 2 AgCN + KNO3

Bei diesem Vorgehen bildet sich während des Zutropfens der Maßlösung jedesmal eine Wolke des ziemlich flockigen Silbercyanids, das sich vor allem gegen Ende der Titration, wenn die Konzentration an freiem Cyanid stark gesunken ist, nur sehr langsam wieder auflöst. Die Titration wird angenehmer und der Umschlag besser erkennbar, wenn etwas Ammoniak (etwa 2 ml einer 25%igen Lösung auf 100 ml Titrationsflüssigkeit) und Kaliumiodid (ca. 0,2 g pro 100 ml) zugegeben werden. Der Niederschlag am Endpunkt besteht dann nicht aus Silbercyanid, sondern aus Silberiodid:

Löslichkeitsprodukte:
LAgCN = 4 x 10-12
LAgI = 10-16

Wie man sieht, fällt Silberiodid - da sein Löslichkeitsprodukt um vier Zehnerpotenzen niedriger ist - vor dem Silbercyanid aus, wodurch der Endpunkt etwas zu früh angezeigt wird. Der Zusatz von Ammoniak korrigiert diesen Fehler, indem ein Teil der Silberionen komplex gebunden wird.

Ag+ + 2 NH3 ---> [Ag(NH)3]+

Dadurch sinkt die Silberionenkonzentration, so daß der Endpunkt richtig detektiert wird. Ausserdem wird das Wiederauflösen der intermediär gebildeten Niederschläge beim Eintropfen der Maßlösung stark beschleunigt. Das Ammoniak erlaubt auch, Cyanide genau zu bestimmen, wenn die zu titrierende Lösung von vorneherein Bromid (LAgBr = 4 x 10-13) oder Iodid enthält.


Literatur:

Poethke, Walter: Praktikum der Maßanalyse, 2. Auflage; Verlag Harri Deutsch, Thun und Frankfurt/Main 1980; ISBN 3-87144-535-5


Bilder:

Bild Bild
Titration mit Zusatz von KI und NH3 - Ausfallen und Wiederauflösen der Trübung

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Endpunkt der Titration

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Titration ohne Zusätze - Ausfallen flockigen Silbercyanids
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Kaliumperoxid
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Beitrag von Kaliumperoxid »

Mal wieder sehr sehr geil von dir lemmi immer wieder sehr interessant :thumbsup: :thumbsup:
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Newclears
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Beitrag von Newclears »

Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken die Einheit "lemmi" einzuführen ;)
Ein Lemmi= 1000 millilemmi.
Wie auch immer. Bei der Dokumentation der Beiträge zur Chemie an sich toppst Du in letzter Zeit vieles.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Newclears hat geschrieben:Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken die Einheit "lemmi" einzuführen ;)
Ein Lemmi= 1000 millilemmi.
newclears, newclearer am newclearsten... :mrgreen:
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Gefällt mir auch :) Und dad Analyseergebnis ist ja auch okay :mrgreen:
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Solche Klassiker gefallen mir sehr gut! @lemmi, Du toppst alles, was die "Schlagzahl von Experimental-Beiträgen" anbelangt... :thumbsup:
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Pok
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Re: Titration von Cyanid nach Liebig

Beitrag von Pok »

lemmi hat geschrieben: Donnerstag 10. Oktober 2013, 21:40Von der Analysensubstanz werden 200 mg auf der analytischen Waage abgewogen
Wie schaffst du es, hygroskopische Stoffe so genau abzuwiegen? Beim Wiegen ziehen die doch bereits Wasser, oder nicht?
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lemmi
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Re: Titration von Cyanid nach Liebig

Beitrag von lemmi »

Die Frage stelle ich mir manchmal auch! Kaliumcyanid ist m.W. nicht sehr hygroskopisch. Wenn man zügig arbeitet und nicht im feuchten Keller sollte dias hier kein Problem sein. Man müsste mal ausprobieren, wie schnell sich das Gewicht auf der Analysenwaage verändert. Andere Substanzen sind da viel kritischer (deswegen ist es z.B. praktisch unmöglich, genaue Natriumhydroxidlösungen durch Einwaage herzustellen).
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