Nachweis von Harnsäure im Urin

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lemmi
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Nachweis von Harnsäure im Urin

Beitrag von lemmi »

Nachweis von Harnsäure im Urin

Harnsäure ist ein Stoffwechselprodukt des Purinabbaus im Organismus. Hier wird sie im Urin nachgewiesen.


Material/Geräte:

500 ml Kolben mit Stopfen, Zentrifuge (alternativ: Spitzglas), Mikroskop, Abdampfschälchen, Spiritusbrenner, Dreifuß mit Drahtnetz


Chemikalien:

Salzsäure 32% Warnhinweis: c
Ammoniaklösung 10% Warnhinweis: nWarnhinweis: attn
Wasserstoffperoxid 3%

Urin
Warnhinweis: b


Versuchsdurchführung:

400-500 ml Urin werden mit 1/10 des Volumens an Salzsäure versetzt und in einem verschlossenen Kolben (das "Aroma" ist ziemlich durchdringend!) in den Kühlschrank gestellt. Nach 24 Stunden ist die Mischung dunkel und trübe geworden. Am Boden des Kolbens haben sich gelbbraune Kristalle abgesetzt, die mit einem Spatel abgekratzt werden. Man suspendiert sie in den letzten ml Urin und zentrifugiert (alternativ kann man in einem kleinen Spitzglas oder Reagenzglas absetzen lassen). Man gießt ab, schlämmt mit 10 ml dest. Wasser auf und zentrifugiert erneut. Im Bodensatz finden sich bei mikroskopischer Betrachtung Rosetten von typischen, "Wetzstein-förmigen" Kristallen.

Die Harnsäure wird mit Hilfe der Murexid-Reaktion identifiziert. Dazu wird der Niederschlag in einer kleinen Porzellanschalöe mit 100 µl konzentrierter Salzsäure und 500 µl Wasserstoffperoxidlösung 3% übergossen und über einer Spiritusflamme zur Trockene verdampft, bis ein violettroter Rückstand hinterbleibt. Dieser gibt, mit einigen Tropfen Ammoniaklösung befeuchtet, eine violette Lösung.


Entsorgung:

Die Reste werden über das Abwasser entsorgt.


Erklärungen:

Harnsäure liegt im Urin je nach pH-Wert z.T. als Anion gelöst vor. Bei niedrigem pH (durch Salzsäurezusatz) kristallisiert sie aus und kann im Bodensatz anhand der charakteristischen Kristallform erkannt werden, die klinische Chemiker auch von der Urin-Mikroskopie kennen. Bei der Murexidprobe entsteht das tief violett gefärbte purpursaure Ammonium, wodurch das Vorliegen eines Purinderivates nachgewiesen wird. Auffällig war bei meinem Versuch, dass es einer ziemlich intensiven Wärmebehandlung und zweimaligen Abrauchens bedurfte, bis sich die charakteristische Färbung ausbildete - und selbst dann war sie ziemlich blass. Mit Purinalkaloiden (Coffein u.ä.) geht die Reaktion nach meinen Erfahrungen viel besser!


Bilder:

Bild
Urin mit Salzsäure gemischt

Bild

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Harnsäurekristalle im Mikroskop (oben100-fache, unten 400-fache Vergrößerung)

Bild
positive Murexidprobe mit Harnsäure
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Schick! Weißt du, ob/inwiefern der Urin-Harnsäure-Spiegel tageszeitabhängig ist?
Eventuell ließe sich die aufwändigere Wärmebehandlung und das zuerst schlechtere Ergebnis mit der Verwendung des 3%igen H2O2 erklären... Wie wir im Purin-thread ja schon festgestellt haben hat man die Murexid-Probe ja ursprünglich für Harnsäure entwickelt und dabei HNO3 verwendet. Warum bist du hier auf H2O2 ausgewichen?
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Ich finde die "Spielereien" von lemmi immer sehr interessant! :thumbsup:

Wenig bekannt ist, dass Harnsäure auch für Blasensteine verantwortlich sein kann: Harnsteine
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

@NI2: ich habe die Murexidprobe nach dem DAB7 gemacht. Im Purin-Thread habe ich das schon mal geschildert und auch Bilder eingestellt. Man braucht, jedenfalls für die Methylxanthine, keineswegs konzentriertes H2O2. Allerdings habe ich mit Harnsäure nicht systematisch probiert, ob das mit konzentrierten Lösungen besser geht. Dazu habe ich zu wenig Material gehabt (ich müsste meine Quelle nochmal anzapfen für einen weiteren Versuch... :D ).

Die Harnsäureausscheidung ist meines Wissens nach nicht tageszeitabhängig, aber durchaus ernährungsabhängig. Über Nacht wird der Urin aber meist konzentrierter, so daß vermutlich der Harnsäuregehalt im ersten Morgenurin höher sein wird, vor allem wenn man abends gut gegessen hat. Im tierischen Organismus wird Harnsäure nur als Endprodukt des Purinstoffwechsels gebildet, also beim Abbau der DNA-Bausteine Adenosin und Guanin. Daher ist die die Harnsäurebildung bei Purinreicher Ernährung (Fleisch, besonders Innereien) erhöht. Die Ausscheidung in den Urin ist von vielen Faktoren beeinflusst. Harnsäure wird nicht nur glomerulär filtriert, sondern auch teilweise wieder in der Niere rückresorbiert (im proximalen Tubulus). Die Ausscheidung ist z.T. ebenfalls ernährungsabhängig, z.T. genetisch mitbestimmt, was die individuell verschieden hohen Harnsäurespiegel im Blut mit erklärt (Normalwert etwa bis 7,5 mg/dl). Eine verminderte Urinausscheidung ist die Ursache für Gicht, eine erhöhte die für Harnsäuresteine (die eher nicht so häufig sind, die meisten Nierensteine bestehen aus Calciumoxalat). Hemmend auf die Harnsäureausscheidung wirkt sich z.B. Alkohol aus, weshalb - bei entsprechender Veranlagung - eine Schweinshaxe und Bier zum Abendbrot einen nächtlichen Gichtanfall auslösen können. :wink:

Es gibt Medikamente, die die Harnsäureausscheidung erhöhen, sogenannte "Urikosurika. Am meisten verwendet wird Benzbromaron. Es hemmt die Rückresorption, die über ein spezifisches Transportmolekül in den Tubuluszellen erfolgt. Also gut essen, 100 mg Benzbromaron einwerfen und dann sammeln.... :mrgreen:
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