Wie Temperatur, Konzentration und Oberfläche die Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen
"Papa, ich glaube letztens waren mehr Blasen, da ging das schneller."
Diese Feststellung meiner neunjährigen Tochter beim Ätzen von Fossilien war der Auslöser für diesen Artikel.
Die Zielgruppe sind also Kinder und notwendiger Weise ihre Eltern. Deshalb wurde auf möglichst kindgerechte Erklärungen Wert gelegt.
Wir nutzen die Entstehung von Kohlendioxid bei der Reaktion von Kalk und Essig, um die Reaktionsgeschwindigkeit zu beobachten.
Da die zur Verfügung stehenden Materialien bei jedem Kind anders sind, wird die erzeugte Menge Kohlendioxid zum Teil erheblich abweichen. Man kann aber den Einfluss der Bedingungen auf die Reaktionsgeschwindigkeit gut erkennen.
Geräte:
Hier werden absichtlich nur haushaltsübliche Geräte genutzt, um die Hemmschwelle der Eltern herabzusetzen und die Durchführung in jeder Küche zu ermöglichen.
Briefwaage, Stoppuhr, Teelöffel, Kochtopf, Schüssel mit ebenem Boden, Schraubglas ca.100 ml mit passendem Deckel, Schraubglas ca.420 ml als Wasserbad während der Reaktion, 3 gleiche möglichst hohe schmale Gläser, Aquariumschlauch, Locheisen mit dem Durchmesser des Schlauches, Allzweckkleber, 1 Mutter M8 zur Beschwerung des Schlauches, kleine Klammern als Füße, 10 ml Spritze, verschiedenes Werkzeug zum Zerkleinern des Kalks, Siebe mit verschiedener Maschenweite
Chemikalien:
Calciumcarbonat E170 (wenn es rein ist)
aus Eierschalen oder Muschelschalen, Schneckenhäusern oder Seeigelgehäusen heute lebender Tiere oder aus den Schalen ausgestorbener Tiere, also Muschelkalk, der Kreide von Rügen oder anderen Kalkgesteinen. Je feiner zerkleinert wird, um so besser läuft die Reaktion ab und um so mehr Kohlendioxid entsteht. Am besten funktioniert die Kreide von Rügen oder den anderen Aufschlüssen Norddeutschlands. Bei zerkleinerten Eierschalen benötigen wir 4-5 Eier.
Essigessenz 25%

Leitungswasser
___________________________________________________________________________________________________________
Calciumacetat E263 (wenn es rein ist)
Kohlendioxid E290
Wasser
Hinweis:
Die Warnhinweise (Symbole, H- und P-Sätze) auf den Verpackungen der verwendeten Haushaltschemikalien sind unbedingt zu beachten.
Ein Gesichtsschild schützt nicht nur die Augen sondern auch Mund und Nase vor Spritzern.
Für Kinder ist die Tischplatte viel mehr "auf Augenhöhe", als bei den Eltern. Eine Schutzbrille oder ein Gesichtsschild sind deshalb zwingend notwendig.
Weitere Schutzausrüstung wird beim Arbeiten in Gruppen empfohlen. Bei der Versuchsdurchführung mit einzelnen Kindern, deren Fähigkeiten man kennt, ist dies nicht so notwendig.
Alle Arbeitsschritte können von den Kindern unter Aufsicht selbst durchgeführt werden.
Durchführung:
Zuerst kommt ein Teil des Essigs in den Kühlschrank. Dann stellt man das Reaktionsgefäß her. Dazu stanzt man mit dem Locheisen zwei Löcher in den Deckel eines 110 ml Glases, so dass der Schlauch "saugend" hindurch passt. Die Durchführung wird mit Kleber abgedichtet. Ein kurzes Schlauchstück wird in die zweite Öffnung geklebt. Es dichte dann die Spritze ab. So sieht das fertige Reaktionsgefäß aus. Das zweite Glas wird als Wasserbad die Temperatur stabilisieren. Wenn wir die warme Säure reagieren lassen, kommt dort warmes Wasser hinein - bei der kalten Säure kaltes Wasser und ansonsten lauwarmes Wasser. Im Hintergrund sieht man fossilen Kalk. Orthocerenkalk 440 - 480 Millionen Jahre aus dem Strandgeröll von Rügen,
Muschelkalk 235 - 245 Millionen Jahre aus Rüdersdorf, Seeigel aus der Oberkreide von Rügen ca. 65 Millionen Jahre
Und im Vordergrund sind weitere Kalkspender zu sehen. Nach dem Zerkleinern muss man sieben. Der Trick ist, dass man das verwendete Material doppelt siebt. Man zielt dabei auf die Körner "zwischen" beiden Sieben, um eine einheitlichere und dadurch wiederholbare Körnung zu bekommen. Die Maschenweite ist nicht entscheidend. Die Hauptsache sind zwei verschiedene Siebe.
Von der Kreide reichen 2 g - Portionen. Bei zerkleinerten Eierschalen benötigen wir mindestens 6 g pro Versuch.
Wir benötigen 8 gleiche Portionen zerkleinerten Kalk und ein größeres Stück. Eine Portion wird noch weiter zerkleinert. Hier sind noch zwei Reserve. Unsere Körnung 0,8 - 1,6 mm sind die Körner, die durch 1,6 mm Löcher gefallen sind aber nicht durch 0,8 mm Löcher passen. Das feinere Pulver hat 0,1 - 0,8 mm. Und der Große ist Körnung 8 - 16 mm.
Nachdem man die Füße an den Auffanggläsern befestigt hat wird es etwas kniffelig. Wir müssen die Auffanggläser ganz mit Wasser füllen, so das keine Luftblasen mehr drin sind und die Gläser kopfüber, also mit der Öffnung nach unten in der kleinen Schüssel im Wasser stehen. Das geht ganz gut, wenn man die Schüssel und die gefüllten Gläser im gefüllten Waschbecken vorsichtig ankippt.
Die Gläser stehen jetzt mit Abstand über dem Boden der Schüssel. Durch diesen Spalt führen wir später den Schlauch, um das Gas aufzufangen. Jetzt lassen wir das Wasser aus dem Waschbecken. Der Aufbau bleibt im Waschbecken, weil das Wasser überlaufen wird.
In einem Topf wird auf dem Herd Wasser erwärmt und in dem Wasserbad Essig erwärmt. 40 - 50 °C sind ok.
Jetzt gibt man die erste Portion Kalkpulver in das Reaktionsglas und der Deckel wird verschlossen. Die Spritze wird mit 10 ml der warmen Essigessenz gefüllt und in das zweite Loch im Deckel gesteckt. Nun füllt man warmes Leitungswasser in das große Glas und stellt das Reaktionsgefäß hinein. Das Ende des Schlauches kommt unter das erste Auffangglas.
Der Betreuer macht jetzt die Stoppuhr klar. Und auf los gehts los. Wir drücken Essig in das Glas und starten die Uhr. Wenn alles dicht ist müssen sofort Blasen im Auffangglas aufsteigen. Wenn 3/4 des Wassers aus dem Glas entwichen ist wird die Uhr angehalten und die Zeit notiert. Bei uns waren es 30 Sekunden. Mit dieser Zeit führen wird die anderen Versuche durch. Dazu Säubern wir jedes mal das Reaktionsglas. (1) 55°C / 25 % Essigessenz / Korngröße 0,8-1,6 mm / 30 s
(2) 22°C
(3) 15°C
(4) 0,1-0,8 mm / 22°C / 25 % Essigessenz / 30 s
(5) 0,8-1,6 mm
(6) 8-16 mm
(7) 5 % / 22°C / Korngröße 0,8-1,6 mm / 30 s Wir ziehen zuerst 2 ml Essig auf die Spritze und dann noch 8 ml lauwarmes Wasser.
(8) 15 % Wir ziehen zuerst 4 ml Essig auf die Spritze und dann noch 6 ml lauwarmes Wasser.
(9) 25 %
Entsorgung:
Übrig gebliebenes Kalkpulver heben wir für weitere Versuche auf oder geben es zum Hausmüll.
Die Reaktionsreste nutzen wir bei einem späteren Kristallzuchtversuch. Oder man gibt sie verdünnt in den Ausguss.
Erklärung:
Grundsätzlich bedarf jede chemische Reaktion einer gewissen Zeit, bis sie beendet ist oder ihren Gleichgewichtszustand erreicht hat.
Wir nutzen die Entstehung von Kohlendioxid bei der Reaktion von Kalk und Essig um die Reaktionsgeschwindigkeit zu beobachten.
Die Chemiker schreiben wie folgt:
2 CH3COOH + CaCO3 → Ca(CH3COO)2 + H2O + CO2
Je größer die Konzentration der reagierenden Stoffe ist, desto höher ist die Reaktionsgeschwindigkeit. Das ist wie mit der 4a auf dem Pausenhof. Die Jungen sind der eine Ausgangsstoff und die Mädchen der andere. Je mehr Kinder rum rennen um so mehr Zusammenstöße gibt es. Die zusammen gestoßenen Kinder setzten sich auf den Boden. Sie sind die Reaktionsprodukte. Im Verlauf einer chemischen Reaktion nimmt die Konzentration der Ausgangsstoffe, also der rennenden Kinder ab und die der Reaktionsprodukte zu. So wird auch die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Reaktionsdauer geringer. Immer weniger Kinder rennen und so gibt es immer weniger Zusammenstöße. Das zeigt (7)(8)(9).
Wenn wir am Anfang noch die Mädchen der 4b dazu holen, steigt die Konzentration der Mädchen und alles geht noch schneller.
Und wenn wir uns vorstellen, dass immer ein Junge mit zwei Mädchen zusammenstoßen muss, sind wir bei Stöchiometrie und das führt hier zu weit. Aber es passt ins Bild.
Nun stellen wir uns vor, die Jungen stellen sich ganz dicht zusammen. Dann können die Mädchen immer nur mit den äußeren Jungen zusammenstoßen. Das dauert. Also umgekehrt - je feiner die reagierenden Stoffe verteilt sind, desto höher ist die Reaktionsgeschwindigkeit. Das können wir in (4)(5)(6) sehen. Und wenn nun die zusammengestoßenen Paare um den Jungenhaufen herum sitzen bleiben, dann können die Mädchen nicht mehr mit den Jungen zusammen stoßen. Das nennt der Chemiker Passivierung.
Alle Dinge sind umso wärmer, je schneller sich die Teilchen bewegen, aus denen sie bestehen . Also auf unserem Schulhof, wenn der Lehrer zu sehn ist und alle nur rumstehn, nennt man das absoluter Nullpunkt. Noch kälter geht nicht. Nun fangen sie an, gaaanz kleine Schritte zu machen, es wird wärmer, dann immer größere, und wenn sie über den Hof rasen, dann ist es sehr warm. Wenn wir uns nun vorstellen, dass nur ein Zusammenstoß mit blauem Fleck aus Reaktion zählt, haben wir ein Bild für die Mindestenergie (Aktivierungsenergie), die für eine Reaktion erforderlich ist. Also, je schneller alle rennen, um so wärmer, um so mehr blaue Flecken. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt zu. Das können wir in (1)(2)(3) sehen.
Zusammenfassung:
Wir haben gesehen, das chemische Reaktionen je nach Temperatur, Zerteilungsgrad und Konzentration der beteiligten Stoffe mal schneller und mal langsamer ablaufen.
Links
Essigsäurerechner