wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Versuche, die mit einfachen, haushaltsüblichen Mitteln und etwas Unterstützung der Eltern von Kindern durchgeführt werden können, mit kindgerechten Erklärungen.

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mgritsch
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Mittwoch 3. November 2021, 23:15 Du hattest die Anthocyanidine durch saure Hydrolyse in der Wärme dargestellt und dazu 45 Min. im Wasserbad erhitzen müssen. Geht das im Alkalischen in der Kälte genauso? Warum passiert im Sauren in der Kälte nichts erkennbares? Und unter welchen Bedingungen werden Acylgruppen abgespalten?
Gute und berechtigte Fragen. War mal nur eine Hypothese :)
Beim glycosid könntest du recht haben, acyl geht basisch IIRC recht leicht ab (analog zur Verseifung von Essigsäureestern).
Du hast ihm auch 4 Stunden Zeit gegeben, ich nur kurz gekocht :)

Und: nicht erkennbar bedeutet nicht dass sich nichts tut. Die saure glycosid-hydrolyse sieht man den Anthocyanen auch nur wenig an. Erst im basischen macht es einen großen Unterschied wenn die phenolische OH deprotoniert wird.
Das reizt mich richtig, mal nach einem Weg zu suchen, Cyanidin zu isolieren ... :D
Rotkohl gibt’s um die Jahreszeit ja jede Menge :)
Wenn du Literatur brauchst… habe ich noch.
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lemmi
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von lemmi »

Ich werde mal im Sauren eine weile stehen lassen und dann gucken ob es sich im Basischen wie vorher verhält oder anders.

Wenn du eine Vorschrift zur Isolierung von Cyanidin hättest wäre das super!
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aliquis
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von aliquis »

Rotkohl wird ja sauer eingekocht. Das sollte doch auch den puren essigsauren Saft (also ohne die Blätter, Salz, Pfeffer, Apfel, Lorbeer und Nelke drin... :wink: ) für Experimente haltbar machen können, oder?
Sowas sollte für diesen Zweck reichen:
https://www.weckglaeser.com/shop/weck-k ... mplett.php
(Leider gehören mittlerweile fast alle Online-Shops für Hauhaltsglas zum Floracura-Imperium...)

P.S.: Wieso habe ich gerade jetzt Appetit auf Gänsebraten und Knödel bekommen...? Am 11. ist Martinstag... :mrgreen:
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mgritsch
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Mittwoch 3. November 2021, 20:43 …kleingeschnittenes Blatt mit Brennspiritus erhitzt und dann abfiltriert […] Die (schwach angesäuerte) alkoholische Tinktur hält sich seit 6 Wochen unverändert
Da stellt sich die Frage ob 6 Wochen saure Lagerung das Glycosid ohnehin schon erledigt haben…?
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lemmi
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von lemmi »

Nee, eben nicht! Die oben gezeigten Farbreaktionen waren mit genau dem alkoholischen Auszug gemacht, der 6 Wochen alt ist. Die Veränderung der Farbe ist erst nach dem Stehenlassen mit Wasser aufgetreten (okay, einen direkten Vergleich mit einer frisch hergestellten wässrigen Lösung habe ich nicht...)
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mgritsch
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von mgritsch »

Ich habe aus meiner Arbeitshypothese „glycosid gespalten“ schon wieder geistig gestrichen zumal das tatsächlich eine saure Angelegenheit sein sollte (siehe zB auch Zuckerinversion..)
Bleibt also nur noch die spaltbare Acylierung als Kandidat im basischen (wobei 7 - 8 ja geradezu physiologisch ist, würde mich wundern wenn das reicht..)
Und sie sollte erst recht bei pH 10 zuschlagen.
Jetzt könnte man die Hypothese noch zu retten versuchen und kompliziert herumüberlegen inwieweit zB durch die dort bereits stärkere Deprotonierung der relative Effekt nur einer weiteren Gruppe geringer wird oder was weiß ich oder die Hypothese auch wieder beiseite legen :)

Bloß dann fällt mir nicht mehr viel ein was das Molekül noch tun könnte.

Bei genauem Betrachten könnte es auch sein, dass nicht die Hauptkomponente Anthocyan sich verändert sondern irgendwelche Nebenkomponenten. Du hast in solchen Extrakten eine komplexe Mischung an Naturstoffen vieler Klassen, siehe im Artikel die letzte DC, rechts, nach Bedampfen mit NH3.

Die leichte Farbveränderung dass das blau weniger grau wird könnte auch auf das Wegfallen einer schwach gelben Komponente zurückzuführen sein. Ein Photometer wäre hier deutlich objektiver als unser Farbempfinden :)

Oxidation? Effekt des Anions? Enzyme die du mit extrahiert hast und die bei ca physiologischem pH wirksam werden? Reaktion der Bestandteile untereinander? Veränderung der Löslichkeit und langsames Ausflocken bzw Ausfallen als Kolloid? Letzteres wäre mein neuer „best guess“, so eine Art isoelektrischer Punkt rund um 7 - 8. Mal auf Tyndall-Effekt prüfen?

Btw, im Sinne eines Indikators mit reproduzierbarer Zusammensetzung wäre es vermutlich besser gezielt zum Anthocyanin aufzuschließen, das reduziert die Vielfalt an Komponenten. Allerdings zum Preis der noch schlechteren Stabilität des Moleküls…

P.s: Literatur grabe ich aus. Da war eine Dissertation dabei wo einer kiloweise Heidelbeeren aufgearbeitet hat… ;)
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immi07
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von immi07 »

Hallo,
P1200353.JPG
Gruß Thomas
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lemmi
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von lemmi »

Sieht so aus als würden sich die Farben eines wässrigen Auszugs in diesem, Zeitraum nicht verändern.
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immi07
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von immi07 »

Hallo,

an Ende der heutigen Holundersaftherstellungsorgie (28 Liter)

P1220343.JPG
mit Zitronensaft

P1220344.JPG
mit Zitronensaft und verd. KOH (in der Mitte der Hand Zerstörung des Farbstoffs)

P1220345.JPG
Holundersaft auf Fichtenholz mit KOH
P1220346.JPG
Holundersaft auf Fichtenholz mit KOH und Zitronensaft

Grüße von Johanna und Thomas
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mgritsch
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von mgritsch »

Dabei soll man doch im Labor immer mit Schutzausrüstung (Handschuhe) arbeiten :lol: :cry:
Wie lange bleibt die Farbe erhalten?
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immi07
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von immi07 »

Hallo mgritsch,

auf der Haut ließ sich der Farbstoff mit einem Durchgang verd. KOH und danach krist. Zitronensäure komplett zerstören.
Den Färbetest auf Holz will Johanna aufheben. Wir werden also berichten.

"Nein Papa, ich ziehe meinen Kittel nicht an, der wird ja sonst bunt." Und so wurde noch ein T-Shirt am Körper gefärbt.

Gruß Johanna und Thomas
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lemmi
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von lemmi »

Ich war vor zwei bis drei Jahrzehnten mal auf einem Seminar zur Färbung von Bakterien. Damals sagte die MFA: wenn Ärzte mal Handschuhe anziehen, dann ist es, wenn sie mit Farbstoffen arbeiten... :wink:
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immi07
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von immi07 »

Hallo Lemmi,

oder sie sind Zahnarzt :angel:

Gruß Thomas
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aliquis
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von aliquis »

Ein bisschen verdünnte Alkalilauge auf der Hand ist kein Beinbruch, sollte aber trotzdem zügig abgewaschen werden, weil sie (im Gegensatz zu verdünnten Säuren) relativ bald auch spürbar wird... Falls man irgendwo eine kleine Wunde oder einen Kratzer hat, reicht dafür auch schon Zitronensäure... (aua...)
Ob Handschuh oder nicht: wichtig ist vor allem, dass der unwillkürliche Weg von der Hand zum Auge immer durch eine Schutzbrille unterbrochen ist.
Nitrilhandschuhe nutze ich auch nur im Umgang mit hartnäckigen Farbstoffen, Permanganat (Braunstein!) oder mit Schlifffett. Gegen Vinyl bin ich allergisch.
Wenn es wirklich stark ätzend oder ziemlich giftig wird (und vor allem auch bei CMR-Stoffen!), verwende ich Chloroprenhandschuhe. Und insbesondere bei Nassarbeiten finde ich es außerdem sehr praktisch, wenn der Handschuh bis auf den Unterarm hinaufreicht.
Bei gefahrenarmen Tätigkeiten im Heimlabor arbeite ich sonst eher nackig - also zumindest an den Händen... :wink:
Längeres Tragen von Schutzhandschuhen ist ohnehin irgendwann unangenehm wegen der Schweißansammlung - insbesondere im Sommer...
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immi07
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Re: wie aus Blaukraut Rotkohl wird

Beitrag von immi07 »

Hallo aliquis,

die Benutzung von Handschuhen hätte diese Vorführung in praktischer Chemie verhindert. :!:

Johanna hatte festgestellt, daß ihre Hände immer dann die Farbe wechselten von violett nach blau , wenn sie die Holunderdolden in Leitungswasser abgespült hat. Mit neuen zerdrückten Beeren wurden die Hände wieder violett.
Und dann...
"Papa, wenn das wie beim Rotkohl ist...ich hol Zitronensaft. Kannst Du was für grün holen?"
Und dann hat sie mit zwei Pipetten auf allen erreichbaren Händen gemalt. :thumbsup:

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