Bologneser Leuchtsteine

Wissenschaftliche Experimente von besonderem historischem Interesse.

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Dr. Death
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Beitrag von Dr. Death »

lemmi hat geschrieben:Wo hattest du das Rubidiumnitrat her? Ich hatte meine Lösung aus Rubidiumchlorid und Silbernitrat hergestellt. Dabei bleiben aber sicher Silberspuren in der Lösung und die könnten das Ergebnis verändern.
Vanino beschreibt zwei Ansätze mit Silber, die beide violett leuchten, und zwar werden dafür nur geringe Spuren Silber gebraucht. Die Silbermengen waren so gering, dass ich die Nullen hinter dem Komma nicht mehr gezählt habe.
Es ist also davon auszugehen, dass Ergebnisse verfälscht werden, wenn Silber mitgeschleppt wird. Außerdem können Metalle, die "alleine" eine wirksame Dotierung sind, andere Mischungen komplett verderben.
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Pok
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Beitrag von Pok »

@lemmi: Das mit dem Rubidiumnitrat wurde doch schon geklärt. Li-Ox hatte es von seinem Lehrer (Post) und das Ergebnis wich in der Farbe nicht merklich von deinem ab (2 Beiträge weiter dort).
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Das mit dem Thoriumnitrat von lithiumoxalat hatte ich vergessen. Aber seine Ergebnisse widersprechen denen von Dr. Death. Der hatte keinen Unterschied bei Dotierung mit Rubidium vs. ohne.
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Lithiumoxalat
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Beitrag von Lithiumoxalat »

Wie kommst du auf Thoriumnitrat?
Dieses habe ich noch nicht bei Leuchtsteinen eingesetzt (erst einmahl Uranylnitrat), gute Idee, denn das könnte auch noch interessannte Ergebnise bringen.
Man müsste mal Leuchtsteine aus ultrareinen Chemikalien herstellen, um die tatsächliche Wirkung der verschiedenen Dotierungen zu sehen. Ich habe beispielsweise davon gelesen, dass Calciumsulfid basierte Leuchtsteine wesentlich schlechter leuchten als andere, bei mir war dies aber eher umgekehrt. Ich vermute, dass im Calciumhydroxid (besonders in dem, welches früher verwendet wurde und durch einfaches brennen von Kalk gewonnen wurde) nicht zu vernachlässigbare Mengen Eisenionen enthalten sind.

LG
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ach Schmarrn! Ich habe die Grippe .... ich meinte Rubidiumnitrat! :?

Aber Thoriumnitrat hat Vanino auch mal verwendet. Er beschreibt, es gebe zusammen mit Strontiumkarbonat einen grüngelb leuchtenden Stein.
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Dr. Death
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Beitrag von Dr. Death »

Hallo Lemmi,

wo steht das mit dem grüngelben Leuchten?
Vaninos Angaben zu den Dotierungen sind teilweise widersprüchlich. Die Angaben zu Thorium und Uran als Dotierung halte ich für nicht mehr haltbar, wenn man heute erhältliche reine Chemikalien einsetzt.
Als 1925 die dritte Auflage des Handbuchs zu anorganischen Synthesen erschien, standen da immer noch die Rezepte von 1913 drin, die ich teilweise nicht reproduzieren konnte (dabei habe ich den Thermostaten meines Ofens versaut :evil: )
In "Die Leuchtfarben" von 1935 stand hingegen keine quantitative Angabe zu Thorium. Es wurde nur erwähnt. Die Zusammenfassung, in der auch erstmals die Ergebnisse spektroskopischer Untersuchungen stehen, enthält keine Mischungen mit Thorium:

Bild

Hier wird sogar ausdrücklich gesagt, Uran gäbe keine Phosphoreszenz, obwohl im bis in die 1950er Jahre maßgeblichen Werk zur präparativen anorganischen Chemie von Vanino noch das Rezept mit Uranylnitrat bei einem Strontiumsulfid-Phosphor erscheint.

Grüße vom
Dr. Death[/img]
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Pok
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Beitrag von Pok »

Kannst du deine Bilder lieber direkt bei illumina hochladen? Wenn zu groß, dann ggf. in 2 Bilder teilen. Wenn die auf fremden Seiten liegen, verschwinden die oft nach einiger Zeit und Threads werden so lückenhaft. Dasselbe auch beim Elemente-Thread.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Bild

unter dem letzten - Uranhaltigen - Rezept schreibt er: "so erhält man eine smaragdgrün leuchtende Masse von seltener Schönheit."

aus: Archiv der Pharmazie 248 (1910): 616-622. Der Link zur online-Ausgabe dieser Zeitschrift befindet sich in der Literaturliste des Eingangsartikels zu diesem Thread und funktioniert auch. Man muss nur zu der richtigen Seitenzahl vorblättern.
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Dr. Death
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Beitrag von Dr. Death »

Hallo Pok,
Pok hat geschrieben:Kannst du deine Bilder lieber direkt bei illumina hochladen? Wenn zu groß, dann ggf. in 2 Bilder teilen. Wenn die auf fremden Seiten liegen, verschwinden die oft nach einiger Zeit und Threads werden so lückenhaft. Dasselbe auch beim Elemente-Thread.
Das ist meine eigene Webseite, da verschwindet nichts 8)
Die Elementebilder hatte ich schon mal hier hochzuladen versucht, aber sie waren dann nicht zu sehen.
Was mache ich falsch?

Grüße vom
Dr. Death
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Beitrag von Dr. Death »

Dr. Death hat geschrieben:Hallo Pok,
Pok hat geschrieben:Kannst du deine Bilder lieber direkt bei illumina hochladen? Wenn zu groß, dann ggf. in 2 Bilder teilen. Wenn die auf fremden Seiten liegen, verschwinden die oft nach einiger Zeit und Threads werden so lückenhaft. Dasselbe auch beim Elemente-Thread.
Das ist meine eigene Webseite, da verschwindet nichts 8)
Die Elementebilder hatte ich schon mal hier hochzuladen versucht, aber sie waren dann nicht zu sehen.
Was mache ich falsch?

Grüße vom
Dr. Death
P.S.: Ich versuch mal ein Testbild hochzuladen

Bild

P.P.S.: Ah, so geht das! :D
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lemmi
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Re: Bologneser Leuchtsteine

Beitrag von lemmi »

Ich greife nochmal eine Diskussion von viewtopic.php?f=69&t=3246&start=30 hier auf - es geht um die Erklärung der Phosphoreszenz.

Nach den Erläuterungen von Xyrofl damals habe ich im Eingangspost folgendes geschrieben:
Durch Lichteinwirkung werden im Kristall Elektronen aus dem Valenzband auf das höhere Energieniveau des Leitungsbandes „gehoben“. Die im Valenzband entstehenden Elektronen“lücken“ werden von den Elektronen des Aktivators aufgefüllt, was ohne die Aussendung von sichtbarer Strahlung vor sich geht. Aus dem Leitungsband „fallen“ dann die angeregten Elektronen mit einer Zeitverzögerung in die „Lücken“ der Aktivatoratome zurück. Die dabei freiwerdende Energie wird als Licht abgestrahlt, das natürlich eine größere Wellenlänge besitzt, als dasjenige, welches zur Anregung der Elektronen ursprünglich aufgenommen worden war.
Jetzt habe ich im Internet nach einem Schemadiagramm gesucht, um den Vorgang für Laien verständlich drstellen zu können (deswegen möchte ich auf Singuletts, Tripletts, Spinumkehr etc. verzichten). Ich habe aber nur Diagramme gefunden, in denen die Lichtaussendung so zustande kommt, dass die Elektronen aus dem Aktivator in den Grundzustand des Valenzbandes des Kristalls zurückfallen (z.B. hier. Das widerspricht meiner Erklärung, dass dieser Übergang strahlungsfrei ist und die Lichtaussendung beim Übergang Leitungsband → Aktivator entsteht.

Prof. Blume lässt in seiner Erklärung das Valenzband gar völlig aussen vor. Bei Ihm werden die Elektronen nur vom Aktivator ins Leitungsband des Kristalls verschoben und fallen auch nur dorthin wieder zurück.

Was ist nun richtig?
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Zeno
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Re: Bologneser Leuchtsteine

Beitrag von Zeno »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 15. August 2021, 20:55 Ich greife nochmal eine Diskussion von viewtopic.php?f=69&t=3246&start=30 hier auf - es geht um die Erklärung der Phosphoreszenz.
<...>
Was ist nun richtig?

Hallo zusammen,

zufällig bin ich über das Thema gestolpert - und hätte ein paar Antworten.
Zunächst einmal vielen Dank für den wunderschönen Eingangsbeitrag - macht Spass zu lesen!

Zu den Begriffen Lumineszenz, Fluoreszenz, Phosphoreszenz, Thermolumineszenz, persistente Lumineszenz (Nachleuchten)

Wozu die unterschiedlichen Begriffe? Dazu gibt es -sowie ich die Literatur und Gepflogenheiten verstehe - zwei Ansätze:
einen phänomenologischen Ansatz und einen (moderneren) Ansatz, der sich auf die zugrundeliegenden physikalischen Mechanismen bezieht. Im folgenden beziehe ich mich auf letzteres.


Der Begriff "Lumineszenz" geht auf Eilhard Wiedemann 1888 zurück (1). Damit sollte "Luminescenz" als "kaltes Leuchten" gegenüber dem Leuchten heißen Materials (der "Glut", engl. incadescence) unterschieden werden. Eine schön lesbare Erklärung zur historischen Enwicklung liefern Valeur und Kollegen (2).

Fluoreszenz.
Diesen Begriff hat Sir George Gabriel Stokes 1852 in einer Fußnote geprägt. Er schreibt (3):
"I confess I do not like this term (Anm.: er bezieht sich auf die Bezeichnung dispersive reflexion). I am almost inclined to coin a word, and call the appearance fluorescence, from fluor-spar, as the analogous term opalescence is derived from the name of a mineral."
Er möchte dieses Phänomen also in Analogie zur Opaleszenz auch nach einem Mineral benennen, eben "Fluoreszenz" nach dem Mineral Fluorit.

Laut IUPAC ist Fluoreszenz "Luminescence which occurs essentially only during the irradiation of a substance by electromagnetic radiation." IUPAC Gold Book, https://goldbook.iupac.org/terms/view/F02453
Eine doch eher phänomenologische Definition. Was meint "occurs essentilly", was meint "during the irradiation"? Und vorallem - wie entsteht diese Fluoreszenz, wie messe ich "occurs essentially" oder "during"? Auch eine Fluoreszenz hat eine Lebensdauer, häufig im Nanosekunden Bereich - nach Anregung mit einem Femtosekunden-Laserpuls sind ns Lumineszenzlebensdauern doch immer noch halbe Ewigkeiten- sprich einen Faktor von rund 106 länger. Ist also eine Leuchterscheinung mit, sagen wir, 2.5 ns Lebensdauer eine Fluoreszenz im Sinne dieser Definition, wenn ich mit einem fs-Lasepuls arbeite? Und was, wenn ich nicht mit einem Ultrakurzpulslaser arbeite, sondern mit einer langsam geschalteten LED mit Anstiegsflanken im Bereich von µs?

Eine Definition auf Basis des Mechanismus lautet dann eher:
Fluoreszenz ist die Lumineszenz einer Paritäts- und Spin-erlaubten Relaxation (in der Regel in den Grundzustand). (3)

Hier ist mir wichtig zu betonen, dass keine Transportphänomene stattfinden (z.B. keine lichtinduzierte Leitfähigkeit) und eine Fluoreszenz kein kooperatives System voraussetzt - auch ein Atom oder Molekül kann fluoreszieren. Bei einem Festkörper ist das dann aufgrund der Systemgröße sogar schwierig. Aufgrund quantenmechanischer Gegebenheiten müssen sich die Elektronen in mindestens einer Quanteneigenschaft unterscheiden. Rein fluoreszente Übergänge im gesamten Festkörper werden dann unwahrscheinlich.


Phosphoreszenz.

Die IUPAC liefert als Definition:
"From a phenomenological point of view, the term has been used to describe long-lived luminescence. In mechanistic photochemistry, the term designates luminescence involving change in spin multiplicity, typically from triplet to singlet or vice versa. The luminescence from a quartet state to a doublet state is also phosphorescence." https://goldbook.iupac.org/terms/view/P04569
Die phänomenologische Definition ist wieder anrührend unpräzise - was ist denn "long-lived"? Bleibt die mechanistische Beschreibung. Darin wird von einer notwendigen Änderung des Spinzustands gesprochen (4). Das ist also hier das Maß der Dinge, wenn ein Phänomen als "Phosphoreszenz" beschrieben werden soll.
Wissen wir bei einem leuchtenden Festkörper, ob manche (-oder alle?) elektronischen Übergänge eine Änderung des zugehörigen Spinzustand bedeuten? Schwierig zu bewerten....

Thermolumineszenz und persistente Lumineszenz (Nachleuchten)
Gleich vorweg: Beim Nachleuchten (engl. häufig afterglow), was modern als "persistente Lumineszenz" (persistent luminescence) bezeichnet wird, was im übrigen auch das Phänomen des Steins von Bologna ist, handelt es sich um nichts anderes, als um Thermolumineszenz bei Umgebungstemperatur - und das hat zunächst nichts (!) mit Phosphoreszenz und Triplettzuständen zu tun!

Bei derartigen Prozessen braucht es tatsächlich gekoppelte Systeme, Transport oder Energieübertrag, Defekte, einen Festkörper....
Und Thermolumineszenz bzw. persistente Lumineszenz (und solche Phänomene wie optisch stimulierte Lumineszenz) können in der Leuchterscheinung sowohl einen dominant fluoreszenten wie einen dominant phosphoreszenten Charakter aufweisen.

Der Mechanismus ist - vereinfacht, abgekürzt und reduziert - folgender (6-14):

1) Durch Energieeintrag (Beleuchtung, aber auch Röntgenstrahlung etc.) wird am Leuchtzentrum ein Elektron in die Nähe des Leitungsbandes (bzw. einen exzitonischen Zustand knapp unter dem Leitungsband) angeregt. Unter geeigneten Bedingungen kann es dann in das Leitungsband übergehen - das Leuchtzentrum wird oxidiert.

2) Im Leitungsband wird das Elektron dann transportiert (lichtinduzierte Leitfähigkeit bzw. lichtinduzierter Strom).

3) An einem (geeigneten) Defektzentrum bindet das Elektron. Dieses Defektzentrum wird Fallenzustand oder Haftstelle genannt. Das angeregte Defektzentrum relaxiert daraufhin in seinen Grundzustand. Dieser Übergang kann strahlend oder nichtstrahlend ablaufen. Durch die Aufnahme des Elektrons wird das Defektzentrum reduziert und das Elektron stabil gebunden. Wichtig: Das Defektzentrum ist dann in seinem elektronischen Grundzustand! Ohne Energieeintrag bleibt das Elektron dort für Sekunden, Minuten, Stunden, Jahre, Jahrhunderte, Jahrtausende .... Dies ist die Grundlage für Datierungsmethoden auf der Basis optisch stimulierter Lumineszenz oder Thermolumineszenz. Dies beschreibt zudem die Phänomene, die weiter oben beschrieben wurden: mit Licht kann dann die Lumineszenz gelöscht oder eben auch ausgelesen werde. Und: Es ist eben ein Grundzustand und kein Triplettzustand, der das Elektron bindet!

4) Durch Energieeintrag (Thermolumineszenz:Wärme, optisch stimulierte Lumineszenz: Licht, druck: Mechanolumineszenz) kann das Elektron wieder in das Leitungsband angeregt werden, diffundiert (Transport!) durch das Leitungsband, bis es entweder wiederum in einen Fallenzustand oder eben an ein oxidiertes Leuchtzentrum gerät, dort bindet. Relaxiert das angeregte Leuchtzentrum dann, so wird wieder Licht abgestrahlt, mitunter eben mit großem zeitlichen Abstand zum ersten Prozess. Diese Emission nun kann ein dominant erlaubter Übergang (z.B. wenn Eu2+ wie in CaS:Eu2+,Sm3+ das Leuchtzentrum ist) oder ein dominant verbotener Übergang (z.B. wenn Eu3+ wie in Y2O2S:Eu3+,Mg,Ti das Leuchtzentrum ist) sein.

Detaillierter Untersuchungen zeigen, dass statt Elektronen auch Löcher den Prozess machen können, dass zusätzlich Energietransferprozesse stattfinden können, und dass derlei Mechanismen auch im Kontext mit katalytischer Aktivität von z.B. TiO2, oder Vanadaten eine Rolle spielen.

Insgesamt findet also eine lichtgetriebene Donor-Akzeptor- (oder Redox-) Reaktion im Festkörper statt, wobei der zugrundeliegende Prozess, der zu persistenter Lumineszenz führt nichts ursächlich mit Triplettzuständen zu tun hat. Phosphoreszenz und persistente Lumineszenz sind zwei unabhängige Phänomene.

Grüße, Martin




(1) Wiedemann, E. (1888). Ueber Fluorescenz und Phosphorescenz I. Abhandlung. Annalen der Physik, 270(7), 446-463. Wörtlich:
"Neben dieser Art der Lichtentwicklung kennen wir aber eine andere, bei der durch äussere Ursachen ohne entsprechende Steigerung der Temperatur ein Leuchten erzeugt wird. [...] Ich möchte für diese zweite Art der Lichterregung, für die uns eine einheitliche Benennung fehlt, den Namen Luminescenz vorschlagen, und Körper, die in dieser Weise leuchten, luminescierende nennen. Wir würden dann das durch auffallendes Licht erregte Leuchten als Photoluminescent bezeichen, welche sich je nach seiner Instantaneität oder längeren Dauer in Fluorescenz oder Phosphorescenz trennen würde." so Wiedemann 1932.
(2) Valeur, B., & Berberan-Santos, M. N. (2011). A brief history of fluorescence and phosphorescence before the emergence of quantum theory. Journal of Chemical Education, 88(6), 731-738.
(3) George G. Stokes, On the Change of Refrangibility of Light, Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 142 (1852) pp463-562
(4) Baryshnikov, G., Minaev, B., & Ågren, H. (2017). Theory and calculation of the phosphorescence phenomenon. Chemical reviews, 117(9), 6500-6537.
(5) Hölsä, J. (2009). Persistent luminescence beats the afterglow: 400 years of persistent luminescence. Electrochem. Soc. Interface, 18(4), 42-45.
(6) Xu, J., & Tanabe, S. (2019). Persistent luminescence instead of phosphorescence: History, mechanism, and perspective. Journal of Luminescence, 205, 581-620.
(7) Kulesza, D., et al. "The bright side of defects: Chemistry and physics of persistent and storage phosphors." Journal of Luminescence 133 (2013): 51-56.
(8) Bos, A. J. J. "Theory of thermoluminescence." Radiation measurements 41 (2006): S45-S56.
(9) Reuven, Chen, and Mckeever Stephen WS. "Theory of thermoluminescence and related phenomena." World Scientific Publishing Ltd, Singapore (1997).
(10) Pan, Z., Lu, Y. Y., & Liu, F. (2012). Sunlight-activated long-persistent luminescence in the near-infrared from Cr 3+-doped zinc gallogermanates. Nature materials, 11(1), 58-63.
(11) Ueda, J., Dorenbos, P., Bos, A. J., Kuroishi, K., & Tanabe, S. (2015). Control of electron transfer between Ce 3+ and Cr 3+ in the Y 3 Al 5− x Ga x O 12 host via conduction band engineering. Journal of Materials Chemistry C, 3(22), 5642-5651.
(12) Van den Eeckhout, Koen, Philippe F. Smet, and Dirk Poelman. "Persistent luminescence in Eu2+-doped compounds: a review." Materials 3.4 (2010): 2536-2566.
(13) Van den Eeckhout, K., Poelman, D., & Smet, P. F. (2013). Persistent luminescence in non-Eu2+-doped compounds: a review. Materials, 6(7), 2789-2818.
(14) Lastusaari, Mika, et al. (2012). The Bologna Stone: history’s first persistent luminescent material. European Journal of Mineralogy 24.5, 885-890.

EDIT: nochmals gehübscht.
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mgritsch
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Re: Bologneser Leuchtsteine

Beitrag von mgritsch »

Wow, das ist eine wirklich gute Erklärung. So gut erklärt als würdest du das öfter mal lehren...? Ist das dein Spezialgebiet? :)
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lemmi
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Re: Bologneser Leuchtsteine

Beitrag von lemmi »

@zeno: ich glaube, das drucke ich mir aus und lege mir neben den Lesesessel zum mehrfachen nachlesen - vielen Dank für die ausführliche Darstellung des Problems!

Ich bin auch neugierig auf deine Fachqualufikation geworden! Hast du nicht Lust, dich etwas vorzustellen?
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Re: Bologneser Leuchtsteine

Beitrag von Zeno »

Hallo zusammen

Danke für das Lob...

Kurz nur, nachdem Ihr gefragt habt: ja das ist Teil meines Arbeitsgebiets als Physiker, aber nein, ich bin nicht in der Lehre/öffentlichen Forschung tätig.

Grad vorhin hab ich noch etwas gefunden (aus: Hermi F. Brito, Jorma Hölsä, Taneli Laamanen, Mika Lastusaari, Marja Malkamäki, and Lucas C. V. Rodrigues, "Persistent luminescence mechanisms: human imagination at work," Opt. Mater. Express 2, 371-381 (2012) )

"...Persistent luminescence is definitely not phosphorescence since the relatively long life time of phosphorescence is due to the forbidden transitions within the luminescence center [10]. However, in persistent luminescence materials, the excitation energy is stored in defects – the nature of which is usually totally different from the luminescence center. As an example, rather intense persistent luminescence – though not good enough for practical applications – can be obtained from Ce3+ doped aluminates [11].... "

und

"...It has been already a few generations ago when – at least some kind of – agreement was achieved to use luminescence instead of – usually theoretically inaccurate – fluorescence and phosphorescence [10]. Maybe it is the time to make the same with persistent luminescence? At least the some 50+ participants of the first meeting on persistent luminescence were overwhelmingly for the use of a single term [13]. Maybe the common sense finally gains over the temptation of using too much imagination...."

Das Feld ist seit kurzem ziemlich in Bewegung gekommen, getrieben zum einen von medizinischen Anwendungen, Dosimetrie etc., aber vor allem auch von den Bedürfnissen der LED-Hersteller nach Phosphoren, die das Flackern der Lampen reduzieren. Ein nachleuchtender Stoff kann so etwas liefern. Achja, für Szintillatoren ist das Thema auch relevant, im umgekehrten Sinn: dort möchte man das Nachleuchten eben genau unterdrücken, um z.B. schnelle, ortstreue Teilchendetektoren damit auszustatten. Wer weitere Literatur suchen möchte, für den sind vielleicht die Stichwörter "persistent luminescence", "afterglow", "storage phosphor", "optically stimulated luminescence", "trap design", "vacuum referred binding energies" interessant.

Grüsse
Antworten