Bologneser Leuchtsteine

Wissenschaftliche Experimente von besonderem historischem Interesse.

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lemmi
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Bologneser Leuchtsteine

Beitrag von lemmi »

Bologneser Leuchtsteine

Phosphoreszenz - richtiger: Photolumineszenz - also das Nachleuchten von Körpern, die zuvor mit Licht bestrahlt wurden, läßt sich an organischen und anorganischen Feststoffen beobachten. Hier wird die Herstellung historischer Leuchtmassen, der sogenannten Bologneser Leuchtsteine, beschrieben.

Historische Einleitung:
Die Photolumineszenz anorganischer Stoffe wurde in Europa erstmals zu Beginn des 17. Jahrhunderts von dem Alchemisten Vincencio Casciarolo entdeckt, der sich - den Gepflogenheiten der Epoche entsprechend - mit lateinischem Namen Casciarolus nannte. Casciarolo, in der italienischen Stadt Bologna lebend, hatte auf einer Wanderung am Monte Paderno das Mineral Schwerspat gefunden, das er mit Eiweiß und Mehl anteigte und auf Kohlen glühte. Er erhielt einen weißen „Stein“, der, nachdem er dem Sonnenlicht ausgesetzt worden war, im Dunklen wie glühende Kohlen nachleuchtete und den er folgerichtig „lapis solaris“, Sonnenstein, taufte. Casciarolo selbst hat keine Aufzeichnungen hinterlassen, von seinem Wirken haben wir aber Zeugnis über seine Zeitgenossen, den französischen Alchemisten Pierre Potier und den italienischen Gelehrten Fortunio Liceto. Dieses Schicksal teilt Casciarolo übrigens mit dem Entdecker des Elements Phosphor, Henning Brandt [1669], der ebenfalls kein Akademiker sondern ein „Dilettant“ war, und in Vergessenheit geraten wäre, hätten nicht der Philosoph Leibniz und der Chemiker Kunkel ihn in ihren Werken als Erstentdecker dokumentiert.

Verständlicherweise riefen die „Bologneser Leuchtsteine“ in ganz Europa das Interesse der Gelehrten wach – auch wenn sich bald herausstellte, daß es sich nicht um den lange gesuchten Stein der Weisen handelte. Zunächst nahm man an, nur das in Norditalien gefundene Mineral sei zur Darstellung von Leuchtmassen verwendbar. Aber 1674 veröffentlichte der deutsche Alchemist Christian Aldolph Baldewein seine Entdeckung (die ihm die Mitgliedschaft der berühmten Royal Society in London einbrachte), daß sich auch aus Kalk und Spiritus nitri (Salpetersäure) bei starkem Erhitzen eine Leuchtmasse erhalten ließ - offenbar enthielten seine Ausgangsstoffe Sulfat. Und um 1700 berichtete Friedrich Hoffmann – in einer Schrift mit dem schönen Titel Demonstrationes physicae curiosae (siehe hier), daß auch aus dem in Mitteleuropa vorkommenden Gips ein Leuchtstein erhalten werden kann. So wurde allmählich klar, daß es sich um ein allgemeines Phänomen handelte, das „erdigen und schweflichten Substanzen“ zu eigen war. Der damals berühmte französische Chemiker Nicolas Lemery (1645-1715), dessen Werke auch auf Deutsch erschienen und heute noch wegen der Klarheit ihrer Beschreibungen lesenswert sind, beschrieb erstmals den Einfluß geringer Beimengungen auf das Produkt. Insbesondere stellte er fest, daß das Zerreiben der Ausgangsstoffe in eisernen Mörsern der Leuchtsteinbildung abträglich sei, womit er die störende Wirkung des Eisens auf die Phosphoreszenz der Erdalkalisulfide entdeckte.

1768 stellte der englische Chemiker John Canton (1718-1772) erstmals phosphoreszierendes Calciumsulfid aus Schwefel und Calciumoxid her, welches er durch Glühen von Austernschalen erhielt. Die Chemie der leuchtenden Erdakalisulfide wurde dann im 19. Jahrhundert systematisch durch Edmond Becquerel (dem Vater von Henri Becquerel), Lecoq de Boisbaudran (dem Entdecker des Galliums) und Auguste Verneuil in Paris erforscht. Verneuil wies nach, daß die damals aus England exportierte Balmain´sche Leuchtfarbe – durchaus ein Handelsartikel, dessen Herstellung geheim gehalten wurde – aus Calciumsulfid bestand, das mit geringen Mengen Bismut versetzt war. In Wien führte A. Forster, in Heidelberg Virgil Klatt und Philipp Lenard (1862-1947) Untersuchungen zur gezielten Herstellung von Leuchtmassen durch.

Was die theoretische Deutung des Phänomens der Phosphoreszenz betrifft, so ging man im 17. Jahrhundert zunächst davon aus, daß die Leuchtsteine das Licht ähnlich einem Schwamm aufsögen und langsam wieder abgäben. Dem widersprachen aber die experimentellen Befunde von Nicola Zucchi (1652) und Francesco Maria Zenotti (1728), die feststellten, daß das ausgesandte Licht immer die gleiche Farbe hatte, egal ob man den Stein mit weißem, blauem oder grünem Licht bestrahlt hatte. Im Sinne der damaligen chemischen Theorie, die von den Grundstoffen Schwefel, Salz und Quecksilber ausging, wobei der Schwefel als dasjenige Grundprinzip galt, das allen Substanzen ihre Brennbarkeit verlieh, wurde im 18. Jahrhundert eine komplizierte Erklärung gegeben: durch das Erhitzen des Minerals sollten sich in diesem feine Poren öffnen, durch die der in ihm enthaltene Schwefel an die Oberfläche drang, wo er durch das Sonnenlicht entzündet wurde und so das Nachleuchten im Dunklen bewirkte. Der Schwefelgehalt der Leuchtsteine war schon früh aufgefallen (was man nach den unten beschriebenen Versuchen schnell versteht) und das Element Schwefel galt als der Stoff, der dem „Prinzip Schwefel“ am nächsten kam. Letzteres blieb jedoch spekulativ. Entsprechend bereite die Erklärung der so unterschiedlichen Eigenschaften des Elements Phosphor (das ohne vorige Belichtung leuchtet und sich leicht entzünden lässt, weshalb es ebenfalls als eine Art „Schwefel“ angesehen wurde) und der phosphoreszierenden Bologneser Steine (die sich unverändert erhalten und bei denen das Leuchten nur nach voriger Belichtung auftritt) erhebliche Schwierigkeiten. Man bezeichnete generell alle im Dunklen leuchtenden Stoffe als "Phosphore", das heißt "Lichtträger" (im Englischen verwendet man heute noch den Überbegriff "Phosphors" für alle phosphoreszierenden Stoffe). Erst als die Chemie die tradierten Elementbegriffe zugunsten der modernen Ansichten Lavoisiers aufgab und sich im 19. Jahrhundert das Konzept der Energie zu formen begann, wurde die Phosphoreszenz – vor allem durch die Arbeiten Becquerels – als physikalisches Phänomen erkannt.

Zwischen 1905 und 1930 veröffentliche der Chemiker Ludwig Vanino (1861-1944), der im Laboratorium der Bayrischen Akademie der Wissenschaften in München arbeitete und auch wissenschaftshistorische Forschungen betrieb, zahlreiche Artikel über das Thema. Die Leuchtsteine müssen ihn sein Leben lang fasziniert haben, was man nicht zuletzt aus der oft poetisch anmutenden Sprache schließen kann, in der er seine Beobachtungen beschreibt. Vaninos Veröffentlichungen sind die hier vorgestellten Versuche entnommen.


Geräte:

Waage, Reibschale, Mühle (Kaffeemühle), Pipette mit Markierung 1 ml, Meßzylinder, Bechergläser, Trichter, Filter, Gasbrenner, Dreifuß und Drahtnetz, Porzellantiegel mit Deckel (45 ml Inhalt, niedrige Form), Eisendraht, Zange, Grillkamin, feuerfeste Unterlage (Metallblech und Tonschale oder alte Fliese), Kohlebriketts, Grillanzünder, Tiegelzange, Kohlenschaufel, UV-Lampe (Wood-Lampe, Geldscheinprüfer) 365 nm


Chemikalien:

Calciumoxid Warnhinweis: c (aus Marmor, in Stücken)

Schwefel Warnhinweis: attn
Stärke

Lithiumcarbonat Warnhinweis: xn
Kaliumsulfat

Natriumsulfat (wasserfrei)

Basisches Bismutnitrat Warnhinweis: oWarnhinweis: attn
Ethanol 96% Warnhinweis: f
Salpetersäure 25% Warnhinweis: c
Salzsäure 25% Warnhinweis: c
konzentrierte Schwefelsäure Warnhinweis: c
Bariumhydroxid, wasserfrei Warnhinweis: c (das kristallwasserhaltige Salz kann wie unten angegeben entwässert werden)

Rubidiumnitrat Warnhinweis: oWarnhinweis: attn(alternativ kann Rubidiumchlorid wie unten angegeben mit 0,1 N Silbernitratlösung umgesetzt werden)

Lithiumphosphat Warnhinweis: xn(alternativ kann Lithiumchlorid mit Ammoniaklösung und Phosphorsäure wie unten angegeben umgesetzt werden)

Kupfer(II)-nitrat Warnhinweis: oWarnhinweis: xn(alternativ kann die verwendete Lösung wie unten angegeben hergestellt werden)

Strontiumcarbonat (alternativ kann ein anderes Strontiumsalz mit Ammoniumhydrogencarbonat und Ammoniaklösung 25% wie unten angegeben umgesetzt werden)

Kaliumtetraborat Warnhinweis: xn (Herstellung siehe Anhang]

Die Produkte sind ätzend und gesundheitsschädlich und entwickeln mit Säuren sehr giftige Gase (Schwefelwasserstoff). Bariumsulfid ist giftig Warnhinweis: cWarnhinweis: tWarnhinweis: xn


Versuchsdurchführung:

Zum Einstieg in die Fabrikation der Leuchtsteine habe ich mir einen (Zitat von Vanino) „schön leuchtenden Kalkphosphor“ ausgewählt, der der „Balmain´schen Leuchtfarbe“ ziemlich ähnlich sein dürfte und dessen Bestandteile auch relativ einfach zu beschaffen sind:

Calciumoxid 20 g
Schwefel 3 g
Lithiumcarbonat 1 g
Stärke 1 g
Natriumsulfat (wasserfrei) 0,5 g
Kaliumsulfat 0,5 g
Wismutnitratlösung 0,5% in Alkohol 1,6 ml

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Als Ausgangsprodukt habe ich Calcaria usta e marmore verwendet, aus Marmor gebranntes Calciumoxid, welches sich nach Vanino gut eignet. Es ist in Brocken erhältlich, die noch die Größe der urspünglichen Marmorstückchen besitzen. Durch Lösen in 1 N-Salzsäure und Rücktitration hatte ich einen Gehalt von 95% CaO festgestellt. Um Verunreinigungen, insbesondere durch evtl. vorhandenes Eisen, auszuschließen habe ich nur rein weiße Stücke verwendet. Das Calciumoxid zu pulverisieren kommt einer Sträflingsarbeit gleich – Steine klopfen! Daher habe ich die Brocken im Mörser nur etwas zerstoßen und dann in einer alten elektrischen Kaffeemühle zu einem feinen Pulver gemahlen, wobei auch das sehr unangenehme Stauben wegfällt.

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Parallel habe ich die anderen Ingredienzien abgewogen, in einer Reibschale mehrmals gut miteinander verrieben, wieder von der Wandung gekratzt und schließlich mit der Wismutnitratlösung (Zusammensetzung siehe unten) vermischt. Die etwas feuchte Paste habe ich an der Luft stehen gelassen, bis sie ganz trocken war und den Rückstand abermals in der Reibschale gepulvert. Schließlich habe ich das erhaltene Pulver durch Schütteln in einem Glas und erneuten Verreiben gut mit dem Calciumoxid gemischt.

Die Mischung muß dann in einen Porzellantiegel (der niedrigen Form, mit einem Volumen von ca. 45 ml) eingepresst werden - was gar nicht so einfach ist, da das Pulver ziemlich locker ist. Ich habe es in Portionen in den Tiegel gefüllt, durch Aufstoßen auf der Tischplatte verdichtet und zuletzt mit der Rückseite des Pistills festgestampft. Der so gefüllte Tiegel wird dann mit einem Deckel verschlossen, welcher mit einem Eisendraht befestigt wird.

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Das nächste Problem war, die entsprechende Glühtemperatur von ca. 1100 °C zu erreichen und für eine Stunde aufrecht zu erhalten. Da ich nicht über einen Athanor und auch nicht über einen elektrischen Rohrofen verfüge, verfiel ich auf die Verwendung unseres Grillkamins. Im Laufe einiger Versuche habe ich folgendes Vorgehen am besten gefunden, das natürlich im Freien durchgeführt werden muß.

Der Kamin wird zunächst zu 2/3 bis 3/4 der Höhe mit Grillbriketts gefüllt und ein leerer Tiegel in die oberste Schicht der Kohlen gestellt. Dann entzündet man auf einer feuerfesten Unterlage (ich habe ein altes Backblech genommen und darauf eine alte Kachel gelegt) die Grillanzünder und stellt die „Apparatur“ darauf. Nach etwa 30 Minuten ist die Glut bis oben durchgedrungen und der Tiegel rotglühend:

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Man tauscht dann - mit Hilfe einer Tiegelzange und geschützt durch dicke Gartenhandschuhe - den leeren Tiegel gegen den vorbereiteten Tiegel aus, der wie beschrieben mit der Leuchtmassen-Mischung gefüllt wurde und deckt mit einer Schicht Kohlebriketts ab, damit die Hitze möglichst intensiv ist. Das ganze bleibt dann eine Stunde ruhig stehen.

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Danach nimmt man die oberste Kohleschicht (mit einer Kohlenschaufel) vorsichtig ab und zieht den noch rot glühenden Tiegel heraus. Man lässt ihn abkühlen, entleert den Inhalt durch vorsichtiges Klopfen auf einen alten Teller und gibt ihn zur Aufbewahrung in ein dicht schließendes Präparateglas.
Durch Rütteln des Grillkamins fällt die Asche unten heraus (Vorsicht! Sie ist mit Glut vermischt! Feuersichere Umgebung, z.B. das Ausschütteln über einem großen Blumentopf vornehmen!). Die verbleibenden glühenden Kohlestücke können wieder mit frischen Briketts aufgefüllt und die Prozedur wiederholt werden.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der ziemlich harte und bei Tageslicht grauweiße Leuchtstein zeigt unter der Wood-Lampe eine starke blaue Fluoreszenz.

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Nach dem Ausschalten der Lampe leuchtet er im Dunkeln blau nach und zwar für mindestens 15 Minuten.

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Auch normales Glühbirnenlicht und natürlich Sonnenlicht eignet sich zur Anregung der Phosphoreszenz und selbst im diffusen Tageslicht nimmt man an dem Stein einen bläulichen Schimmer wahr.

Laut Vanino lassen sich mit anderen Erdalkalien und Aktivatoren andere Farben erzielen. Besonders schwierig scheint es zu sein, einen rot leuchtenden Bologneser Stein zu fabrizieren. Vanino empfiehlt als das beste Rezept folgendes:

Bariumhydroxid, wasserfrei 22 g
Schwefel 4,5 g
Lithiumphosphat 0,35 g
Kupfernitratlösung 0,38% in Alkohol 1,5 ml

Eigentlich sind 20 g Bariumoxid vorgeschrieben. Da ich aber kein Bariumoxid zur Verfügung hatte, habe ich eine äquivalente Menge wasserfreies Bariumhydroxid verwendet (zur Entwässerung des kristallwasserhaltigen Salzes siehe unten).

Ich erhielt einen diskret roséfarbenen, steinharten Brocken, der unter der Wood-Lampe hell orangerot fluoreszierte und im Dunkeln in der gleichen Farbe nachleuchtete, wenngleich deutlich schwächer als der oben beschriebene Calcium-Leuchtstein. Sonnenlicht ist für die Anregung wirksam, dagegen hatte ich mit Kunstlicht (Glühbirne, Halogenstrahler) keinen nennenswerten Erfolg. Hier zeigt sich, dass die Randpartien etwas weniger stark leuchten, als das Zentrum. Vermutlich ist dort das für die Phosphoreszenz verantwortliche Bariumsulfid oxidiert oder sonstwie zersetzt worden.

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Wenn man statt des Kupfers Wismut als Aktivator verwendet, erhält man einen etwas bröseligen, bei Tageslicht sandfarbenen, im dunklen gelblichgrün leuchtenden Stein:

Bariumhydroxid, wasserfrei 21 g
Schwefel 4,5 g
Kaliumtetraborat 0,75 g
Wismutnitratlösung 0,5% in Alkohol 0,5 ml

Hier die Leuchtsteine auf Barium-Basis mit Wismut (grün leuchtend) und mit Kupfer (rot leuchtend) dotiert im Vergleich. Das obere Bild zeigt die Fluoreszenz, das untere die Phosphoreszenz:

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Mit den Strontium-basierten Leuchtsteinen hatte ich Probleme. Erfolgreich war ich mit folgender Rezeptur:

Calciumoxid 10 g
Strontiumcarbonat 10 g
Schwefel 3 g
Lithiumcarbonat 1 g
Stärke 1 g
Natriumsulfat (wasserfrei) 0,5 g
Kaliumsulfat 0,5 g
Wismutnitratlösung 0,5% in Alkohol 1 ml
Rubidiumnitratlösung 1% in Wasser 1 ml

Die Rezeptur ist einmal mit Calciumhydroxid, ein anderes Mal mit Calciumoxid aufgeführt und als Ergebnis eine „prachtvoll intensiv hellblaue Phosphorescenz“ beschrieben. Bei mir kam etwas anderes heraus. Als ich das Glühprodukt aus dem Tiegel klopfte (die Tiegel überstehen die ruppige Behandlung übrigens oft ziemlich gut) fiel mir eine blass gelbgrüne, krümelige Masse entgegen, die sehr intensiv türkis-blaugrün fluoreszierte und schon nach Belichtung mit der Schreibtischlampe hell und anhaltend in derselben Farbe nachleuchtete. Der andere Farbton ist möglicherweise auf Spuren von Silber zurückzuführen, da ich das Rubidiumnitrat durch Fällen von RbCl mit AgNO3 hergestellt hatte (siehe unten).

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Vanino gibt eine Vielzahl weiterer Rezepturen an, die auf Strontium und Bariumcarbonat ohne Zusatz anderer Erdalkalioxide oder -hydroxide basieren. Damit hatte ich jedoch keine so guten Erfolge. In beiden Fällen erhielt ich eine feste grauweiße Masse, die nur in den äußersten Randschichten fluoreszierte bzw. phosphoreszierte und die Phosphoreszenz hielt auch nicht allzu lange an. Dabei leuchtete die Strontiummasse grünlichgelb und die Bariummasse wieder orangerot. Auch hier mußte zur Anregung Sonnenlicht oder UV-Licht verwendet werden (die Bilder zeigen den Strontiumcarbonat-Stein mit Mangan als Aktivator unter Wood-Licht und im Dunklen):

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Weil´s so schön ist hier nochmal (im Uhrzeigersinn) der Calcium-Leuchtstein, der Barium-Leuchtstein und der Calcium-Strontium-Leuchtstein unter der Wood-Lampe und nach dem Abschalten derselben:

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Die zur Anregung der Lumineszenz notwendige Energie kann auch auf chemischem Wege zugeführt werden. Vanino hat die Erdalkalisulfide mit verschiedenen Säuren reagieren lassen und dabei Leuchterscheinungen beobachtet . Sein Bericht ist so poetisch geschrieben, daß es sich lohnt, ihn im Original zu zitieren:

“Insbesondere überraschend und von seltener Schönheit war der Effekt bei Anwendung von heißer Schwefelsäure. Unter lebhafter Reaktion erstrahlten die Kalkphosphore in einem azurblauen Lichte, die Strontiummasse sandte ein prachtvolles smaragdgrünes Licht aus und das Baryumpräparat leuchtete hell orangegelb. Dabei tritt selbstverständlich eine heftige Reaktion ein, die Temperatur steigt sehr stark, Schwefelwasserstoffgeruch macht sich bemerkbar, und bei den Kalkphosphoren geht die lasurblaue Farbe in ein dunkles Moosgrün über, bis mit der vollständigen Zersetzung ein jegliches Leuchten erlischt.“
(Vanino L und Zumbusch E: Über die Bologneser Leuchtsteine erste Mitteilung; Journal für praktische Chemie 80 (1909)

Ich habe kleine Stückchen meiner kostbaren Leuchtsteine in konzentrierte und verdünnte Schwefelsäure, in 25%ige Salzsäure und in Eisessig gelegt, wobei das beschriebene Aufbrausen eintrat und Schwefelwasserstoff entwich (was der Poesie der Situation durchaus abträglich ist - Abzug!). Am intensivsten war der Effekt in der Tat mit heißer Schwefelsäure, nämlich bei Anwendung einer frisch hergestellten Verdünnung von 1 Volumenteil Schwefelsäure, die in 1 Volumenteil Aqua dest. eingegossen worden war. Dabei erhitzt sich die Mischung natürlich von selbst erheblich. Nach wenigen Sekunden kommt die Reaktion zum Stillstand und das Leuchten läßt nach, wahrscheinlich, weil sich um den Leuchtstein eine Hülle aus schwerlöslichen Erdalkalisulfaten bildet.

Die Bildung von Schwefelwasserstoff an den Leuchtsteinen tritt im Übrigen bereits durch die Einwirkung von Kohlendioxid und Feuchtigkeit aus der Luft ein, so daß die Präparate immer ein wenig danach riechen. Daher habe ich ausgesucht schöne Stücke in Reagenzgläser eingeschmolzen:

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In dieser Form lassen sie sich problemlos aufbewahren.

In Ampullen eingeschlossen kann man auch gut den Einfluß der Temperatur auf die Lumineszenz überprüfen, den Vanino berichtet hatte. Tatsächlich läßt sich eine deutliche Helligkeitszunahme beobachten, wenn man die Ampullen in ein heißes Wasserbad (etwa 60 °C) stellt. Nachdem das Leuchten nachgelassen hatte, ließ es sich mehrmals durch Erwärmen wieder verstärken. Allerdings ist wenigstens eine kurze vorherige Belichtung notwendig. Völlig verloschene Leuchtsteine leuchten auch beim Erwärmen nicht auf.

Herstellung von Leuchtsteinen im Kleinversuch

Nach diesen schönen Experimenten habe ich überlegt, ob man die hier beschriebenen Phänomene nicht auch im Kleinen nachvollziehen kann. Die Bildung von Alkalisulfiden dient ja im Lötrohrversuch zum Nachweis von Schwefel in Mineralien (die sogenannte Heparprobe). Ich habe deshalb etwas der Calcium-Wismut-Mischung (erste oben angegebene Rezeptur) auf Holzkohle vor dem Lötrohr geglüht und nach dem Abkühlen im Reaktionsprodukt tatsächlich phosphoreszierende Teilchen gefunden.

Noch einfacher ist aber folgendes Vorgehen: man teigt etwas von der genannten Mischung mit einem Tropfen Wasser zu einer steifen Masse an und formt daraus eine erbsengroße Kugel. Dann biegt man sich aus Blumendraht eine spiralförmige Halterung. Als Griff kann man den Draht z.B. in einen Holzstab stecken.

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Ohne die Kugeln trocknen zu lassen (sonst hat man hinterher Calciumcarbonat statt des Hydroxids!) legt man sie in die Halterung und hält sie in die nicht leuchtende Flamme eines Gasbrenners.

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Dabei verfärbt sich die Probe zunächst schwarzgrau (durch Verkohlung der Stärke), wird dann wieder weiß und gerät in helle Glut. Nach fünf Minuten lässt man sie in einer Porzellanschale abkühlen. Von außen zeigt das erhaltene „Steinchen“ keinerlei Leuchterscheinung. Bricht man es aber auf, so kann man in den inneren Schichten eine schöne hellblaue Fluoreszenz und Phosphoreszenz nachweisen.

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In dieser Form ist der Leuchtsteinversuch mit einfachsten Mitteln durchzuführen. Da es passieren kann, dass die glühenden Masse zerspringt oder aus dem Halter fällt, sind eine Schutzbrille und eine feuerfeste Unterlage zu empfehlen.


Anhang: Herstellung einiger Ausgangsstoffe:
Einige der hier verwendeten Stoffe habe ich mir selbst nach folgenden Verfahren hergestellt:

0,5 %ige alkoholische Lösung von Bismutnitrat [Bi(NO3)3 x 5 H2O]:
Man erwärmt in einem Reagenzglas 292 mg basisches Bismutnitrat (BiONO3) mit 1,0 ml 25%iger Salpetersäure, bis eine klare Lösung entstanden ist, fügt 0,5 ml Salzsäure 25% zu und füllt mit 96%igem Ethanol auf 50 ml auf. Wenn beim Verdünnen eine Trübung auftritt, gibt man tropfenweise Salzsäure zu, bis die Flüssigkeit wieder klar ist.

1 %ige wässrige Lösung von Rubidiumnitrat:
Man löst in einem Reagenzglas 121 mg Rubidiumchlorid in 4,75 ml Wasser und gibt 10,0 ml Silbernitratlösung 0,1 N dazu. Die Mischung wird stehen gelassen, bis sich das ausgefallene Silberchlorid vollständig abgesetzt hat und dann durch ein kleines Filter abgegossen. Die erhaltene Lösung hat die oben angegebene Konzentration.

0,38 %ige alkoholische Lösung von Kupfer(II)-nitrat [Cu(NO3)2 x 3 H2O]:
100 mg feiner Kupferdraht (aus einem altem Elektrokabel) werden im Reagenzglas unter Erwärmen in 1,5 ml 25%iger Salpetersäure gelöst und die tiefblaue Lösung auf etwa die Hälfte eingekocht. Man verdünnt mit destilliertem Wasser auf 5,0 ml und füllt 1 ml dieser Lösung mit 96%igem Ethanol auf 20 ml auf.

wasserfreies Bariumhydroxid:
Man gibt 41 g kristallisiertes Ba(OH)2 x 8 H2O in eine tiefe Abdampfschale mit rundem Boden und erhitzt zunächst für etwa 1 Stunde auf dem siedenden Wasserbad. Das Salz schmilzt in seinem Kristallwasser, welches allmählich verdampft. Durch Rühren mit einem Glasspatel verteilt man es vor der gegen Ende erneut eintretenden Erstarrung an den Wänden der Schale. Da die letzten Reste Feuchtigkeit auf dem Wasserbad nicht auszutreiben sind, stellt man die Schale anschließend noch für 1 Stunde bei 150-180 °C in den Backofen (Vorsicht! Gift! Um Erlaubnis bitten!). Danach kratzt man das trockene Salz mit einem eisenfreien Spatel von den Wänden der Schale - was bei einem flachen Boden fast unmöglich ist, daher eine Schale mit rundem Boden verwenden! - und zerreibt es in einer Reibschale zu feinem Pulver. Dabei unbedingt Schutzbrille aufsetzen und einen Mundschutz umbinden, da das Produkt sehr staubt! Erhalten werden ziemlich genau 22 g wasserfreies Ba(OH)2.

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Wenn lösliche Barium- oder Strontiumsalze zur Verfügung stehen, können auch die entsprechenden Carbonate leicht selbst hergestellt werden. Zur Fällung nimmt man Ammoniumhydrogencarbonat, denn bei Anwendung von Natriumcarbonat bleiben immer wechselnde Mengen Natrium an das Produkt adsorbiert, die auch durch gründliches Auswaschen nicht ganz zu entfernen sind. Bei der Fällung ist ein Überschuß von Ammoniak notwendig, da diese sonst nicht vollständig ist.

Strontiumcarbonat:
Man löst in einem 1 l-Becherglas 53 g Strontiumchlorid (SrCl2 x 6 H2O) oder 42 g Strontiumnitrat (Sr(NO3)2) unter Erhitzen in 500 ml Wasser und versetzt mit einer kalten Lösung von 18 g Ammoniumhydrogencarbonat und 15 ml Ammoniaklösung (25%) in 200 ml Wasser. Die Mischung wird aufgekocht, absetzen gelassen, der Überstand dekantiert und der Niederschlag auf ein Filter gebracht (großes Faltenfilter). Dann wird auf dem Filter portionsweise mit 500 ml heißem destilliertem Wasser ausgewaschen, das Filter nach dem letzten Abtropfen auf eine dicke Lage Küchenkrepp gelegt, mit einem zweiter Filterpapier und Küchenkrepp bedeckt und gut mit der Hand abgepresst. Das erhaltene Produkt wird vom Filter gekratzt, in einer Porzellanschale auf der Heizung an der Luft trocknen gelassen, in einer Reibschale zerrieben und nochmals trocknen gelassen. Man erhält rund 28 g Strontiumcarbonat.

Bariumcarbonat:
Man verfährt genauso wie unter Strontiumcarbonat angegeben und verwendet als Ausgangsstoff 48 g Bariumchlorid (BaCl2 x 2 H2O) oder 52 g Bariumnitrat (Ba(NO3)2). Erhalten werden rund 37 g Bariumcarbonat. Vorsicht beim Hantieren mit Bariumsalzen – sie sind giftig! Zum Abpressen Handschuhe anziehen!

Lithiumphosphat (Li3PO4):
Man löst 3,0 g Lithiumchlorid in 25 ml Aqua dest., wobei eine Erwärmung eintritt, und lässt abkühlen. Zwischenzeitlich verdünnt man 1,6 ml Phosphorsäure (85%ig) mit 15 ml Aqua dest. und setzt 6,0 ml Ammoniaklösung (25%ig) zu. Auch diese Mischung wird durch die Neutralisation warm und muss auf Zimmertemperatur abkühlen. Dann vereinigt man die beiden Lösungen unter gutem Rühren. Es bildet sich ein allmählich dichter werdender Niederschlag aus seidenweißen Kristallnadeln, den man absitzen lässt und nach Dekantieren des Überstandes auf ein Filter gibt. Man wäscht dreimal mit 10 ml 5%iger Ammoniaklösung nach, presst ab und lässt an der Luft trocknen. Erhalten werden ca. 2 g Lithiumphosphat.

Kaliumtetraborat (K2B4O7+ 5 H2O)
In 20 ml Wasser gibt man 4,2 g käufliches Kaliumhydroxid (86 % KOH) und 7,94 g Borsäure und löst unter leichtem Erwärmen. Die Lösung wird auf dem Wasserbad eingedampft bis sich erste Kristalle abscheiden, abkühlen gelassen und zuletzt der entstandene Kristallbrei zwischen Filterpapier abgepresst. Ausbeute 8,5-9 g. Das Produkt verwittert beim Trocknen an der Luft.


Entsorgung:

Die Produkte werden aufbewahrt. Will man sie entsorgen, so kann man die Calcium- und Strontium-Leuchtmassen in den Hausmüll geben. Die Bariummasse ist giftig und muss als anorganischer Sondermüll entsorgt werden.


Erklärungen:

Die Darstellung der Leuchtmassen folgt keiner einheitlichen stöchiometrischen Reaktion. Die Produkte enthalten im Wesentlichen ein Gemisch aus Erdalkalisulfid und unverbrauchtem Oxid neben Polysulfiden. In kleinen Mengen kommen auch Sulfit und Sulfat vor.

4 CaO + 4 S ---> 3 CaS + CaSO4

CaS + 4 S ---> CaS5

Die Umsetzung mit den entsprechenden Hydroxiden verläuft analog unter zusätzlicher Abspaltung von H2O.
Aus den Erdalkalicarbonaten entstehen die Oxide beim Erhitzen:

SrCO3 ---> SrO + CO2

Dabei nimmt die zur Zersetzung notwendige Temperatur mit steigendem Atomgewicht des Metallions zu. Während Calciumcarbonat schon bei etwas über 800 °C Kohlenstoffdioxid abgibt und sich in das Oxid umwandelt, sind beim Strontiumcarbonat dazu 1200 °C und beim Bariumcarbonat über 1450 °C notwendig. Kein Wunder, dass ich mit Bariumhydroxid viel bessere Ergebnisse erzielte als mit dem Carbonat.

Die zugesetzte Stärke verbessert die Phosphoreszenz, insbesondere der Calciumsulfid-Leuchtsteine. Vermutlich wirkt sie reduzierend und erhöht die Ausbeute an Sulfid. Auch bei der ursprünglich von Casciarolus durchgeführten Reduktion des Bologneser Schwerspates - d.h. des natürlich vorkommenden Bariumsulfats - mit organischen Stoffen oder Kohle entsteht das Sulfid:

BaSO4 + 2 C ---> BaS + 2 CO2

Die so erhaltenen Erdalkalisulfide lassen sich bereits durch schwache Säuren zersetzen, wobei Schwefelwasserstoff entweicht:

CaS + CO2 + H2O ---> CaCO3 + H2S

Chemisch reine Erdalkalisulfide phosphoreszieren nicht. Entscheidend ist das Vorkommen kleiner Mengen anderer Metalle, die nach dem Glühen mit Schwefel ebenfalls als Sulfide vorliegen. Die Metallionen besetzen einzelne Gitterplätze im Erdalkalisulfidgitter und wirken als Phosphoreszenz-Aktivatoren. Geeignet sind Metalle aus ganz verschiedenen Gruppen des Periodensystems, so z.B. Bismut, Kupfer, Silber, Uran, Thorium, Thallium, Rubidium und Caesium.

Nach dem sogenannten Bändermodell bilden die bindenden Orbitale der Atome in Festkörpern ein „Valenzband“, die antibindenden ein „Leitungsband“ aus. Dazwischen liegt ein für die Elektronen „verbotener“ Energiebereich, in dem die Energieniveaus passender Aktivatoratome liegen. Durch Lichteinwirkung werden im Kristall Elektronen aus dem Valenzband auf das höhere Energieniveau des Leitungsbandes „gehoben“. Die im Valenzband entstehenden Elektronen“lücken“ werden von den Elektronen des Aktivators aufgefüllt, was ohne die Aussendung von sichtbarer Strahlung vor sich geht. Aus dem Leitungsband „fallen“ dann die angeregten Elektronen mit einer Zeitverzögerung in die „Lücken“ der Aktivatoratome zurück. Die dabei freiwerdende Energie wird als Licht abgestrahlt, das natürlich eine größere Wellenlänge besitzt, als dasjenige, welches zur Anregung der Elektronen ursprünglich aufgenommen worden war. Wie die Experimente zeigen, kann die Anregungsenergie dabei auch anders als durch Belichtung zugeführt werden. Auch die bei der Zersetzung der Sulfide durch Säuren freiwerdende Energie ist in der Lage, Elektronen in das Leitungsband zu befördern. Leider werden die Leuchtsteine dabei endgültig zerstört.

Phosphoreszenz ähnelt stark der Fluoreszenz, auch in ihrem quantenphysikalischen Ursprung, tritt jedoch zeitverzögert auf. Bei der Fluoreszenz ist der Übergang vom angeregten Singulettzustand zum Singulett-Grundzustand spinerlaubt und daher schnell, während bei der Phosphoreszenz der Übergang vom angeregten Triplettzustand zum Singulett-Grundzustand verboten ist. Damit erfolgt er sehr selten, das Nachleuchten hält also lange an. Auch das bei der Fluoreszenz zu beobachtende „Quenching“, die Fluoreszenzlöschung durch bestimmte Stoffe hat hier ihr Analogon. So machen schon kleine Beimengungen von Eisen die Phosphoreszenz der Bologneser Leuchtsteine vollständig zunichte. Offenbar ermöglicht das Eisen den Elektronen den Übergang aus dem Leitungs- in das Valenzband ohne die Aussendung von sichtbarem Licht. Daher ist es von Bedeutung, eisenfreie Reagenzien zu benutzen und man sollte die Substanzen nicht mit eisernen Spateln aus den Reibschalen kratzen.

Heute sind eine große Anzahl von Leuchtmassen bekannt und systematisch erforscht, von denen allerdings viele eine Lumineszenz im UV-oder IR- Bereich oder eine so kurze Abklingzeit besitzen, dass sie mehr theoretisches Interesse beanspruchen. Durch die Aufnahme der Spektren sowohl des absorbierten als auch des ausgesandten Lichtes wird der Einfluss selbst kleinster Beimengungen deutlich. Als Beispiel hier das Spektrum einer Calciumsulfid-Leuchtmasse mit Zusätzen von Natriumsalzen und Bismut als Aktivator:

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Die gestrichelte Linie stellt das Aktivierungsspektrum, die durchgezogene Linie das Spektrum des emittierten Lichtes dar. Das Emissionsmaximum liegt bei 450 nm, also im blauen Bereich.
Dagegen liegt der Peak der Emission beim Strontiumsulfid mit Mangan als Aktivator bei etwa 545 nm, im grünen Bereich Teil des Spektrums:

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Die gestrichelte Linie zeigt, dass hier zur Anregung kurzwelligeres UV-Licht effektiver ist und im sichtbaren Bereich praktisch keine Absorption stattfindet, wie ich es auch in meinen Experimenten gefunden hatte.

Der überwiegende Teil der heute verwendeten Leuchtfarben dürfte das mit Kupfer dotierte leuchtende Zinksulfid enthalten, das nach seinem Entdecker, dem fanzösischen Chemiker Theodore Sidot als Sidot´sche Blende bezeichnet wird. Es hat den Vorteil chemisch stabiler zu sein als die Erdalkalisulfide und gibt das bekannte gelbgrüne Leuchten der Uhrenzifferblätter und der nachtleuchtenden Sterne im Kinderzimmer.

Abschließend noch eine kleine Hommage an Vanino, dem ich die Idee und die Anleitung zu diesen Versuchen verdanke:

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Fazit: Nach diesen Experimenten kann man gut verstehen, wie fasziniert die Alchemisten von der Entdeckung der Leuchtsteine gewesen sein müssen.


Literatur:

Die hier beschrieben Versuche habe ich folgenden Artikeln entnommen:

Vanino L und Zumbusch E: Über die Bologneser Leuchtsteine erste Mitteilung ; Journal für praktische Chemie 80 (1909): 69-86
Vanino L und Zumbusch E: Über die Bologneser Leuchtsteine zweitee Mitteilung ; Journal für praktische Chemie 82 (1910): 193-204
Vanino L und Zumbusch E: Über die Bologneser Leuchtsteine dritte Mitteilung ; Journal für praktische Chemie 84 (1911): 305-317
Vanino L und Schmidt F: Über rotleuchtende Erdalkaliphosphore ; Journal für praktische Chemie121 (1929): 374-376
Vanino, Ludwig: Ueber die Bologneser Leuchtsteine ; Archiv der Pharmazie 248 (1910), 2-6: 616-622

letzterer ist auch im Netz zugänglich unter:
http://ia600303.us.archive.org/20/items ... 48deut.pdf

Die historischen Hintergründe beschreibt Vanino besonders ausführlich in:
Vanino, Ludwig: Die künstlichen Leuchtsteine; Carl Winter´s Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1906

Praktisch alle sonst in der Literatur zu findenden Vorschriften für Leuchtsteine sind von Vanino übernommen, so z.B. in:
Hofmann Karl A: Lehrbuch der anorganischen Chemie, Verlag Friedrich Vieweg &Sohn, Braunschweig 1920: Seiten 462-463
Frerichs G, Arends G, Zörnig H: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis; Springer-Verlag Berlin-Göttingen-Heidelberg 1949, Band 1: Seiten 763-765


Eine neuere Publikation über eine Unzahl verschiedener Leuchtmassen, der ich die hier abgebildeten Spektren entnommen habe, ist:
Yen William M und Weber Marvin J: Inorganic Phosphors – Compositions, Preparations and optical Properties; CRC Press – Boca Raton, London, New York, Washington DC (2004); ISBN 0-8493-1949-8
Und wer (auf englisch) an der aktuellen Forschung auf dem Gebiet der phosphoreszierender Sulfide interessiert ist, findet hier reichlich Informationen:
www.mdpi.com/1996-1944/3/4/2834/pdf
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
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NI2
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Beitrag von NI2 »

OHNE WORTE!
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Newclears
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Beitrag von Newclears »

:thumbsup: :D Super Artikel!!! Ich liebe es leuchtend!
"...wie ein Sprecher betont,hat für die Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt Gefahr bestanden."
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NI2
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Beitrag von NI2 »

@NC: Ich auch, aber dann nur Strukturformel und der Möglichkeit es andere Moleküle dran zu hängen *muhahaha*

Aber gefällt mir sehr gut,... hab ich damals auch schon am Wickel gehabt, als ich mich näher mich Goethe und dem Thema beschäftigt hab... Hatte auch mal eine mehr oder weniger erfolgreiche Diplomarbeit dazu in den Händen,.... ;)
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Danke für das Lob! Ich fand das Thema historisch mindestens so spannend wie experimentell. Hab´ mir sogar das Buch von Lemery - Cours de Chimie, die deutsche Ausgabe von 1734 - und eines von Marggraf (Andres Sigismund, 1709-1782) aus dem Jahr 1776 in unserer UB aus dem Magazin bestellt und durfte es im Lesesaal ansehen (und fotografieren)! Es geht doch nichts über eine gut sortierte Unibibliothek!

@NI2 wenn du die Diplomarbeit noch ausfindig machen kannst wäre ich dir für eine Referenz dankbar!

Und ich habe im Netz erstaunlichwerweise die Lebensdaten von Theodore Sidot nicht gefunden. Kann das jemand besser als ich?
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Ich kann ma gucken ob ich was finde,... Denke aber, dass es auf dem alten leicht geschrotteten Rechner ist.... Aber da brauch ich eh nochwas ;)

Als Buch hätte ich gerade noch "Goethe und seine Chemiker" von Rüdiger Stolz (ISBN: 978-3- 939964-13-1) da... Hab ich aber schnell auch nichts zum Sidot gefunden, was folgendes Sheet (Auszug) bestätigt: Théodore Sidot (?–?)
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Boxah
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Beitrag von Boxah »

Richtig schöner Artikel!!! :thumbsup:
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Kaliumperoxid
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Beitrag von Kaliumperoxid »

Ein extrem geiler Artikel :mrgreen:
Bild
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bahmtec
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Beitrag von bahmtec »

Respekt! Saubere Arbeit und ein richtig dicker informativer Artikel! :thumbsup:
Im www findet man dazu nicht gerade viel zu dem Thema,geschweigedenn Bilder.
Auch historisch gesehen ist das Ganze sehr interessant.
Ich vermisse sowas z.B. in der Chemieabteilung des Deutschen Museums. (soweit ich mich entsinne gibts das dort nicht)

Das Thema hat mich auch schonmal ziemlich beschäftigt.
Hatte das ganze sozusagen "natürlich" aus Sammlermineralien wie Coelestin,Schwerspat und Flourit hergestellt:
Bild
Ausschlaggebend für ein gutes Ergebnis war die Menge Kupfersulfat zum "dotieren".
Es genügte bereits sehr,sehr wenig. Schon bei der Zugabe von etwas zuviel wurden die "Steinchen" dunkel
und leuchteten teilweise gar nicht mehr.

..mein Avatar leuchtet übrigens auch "bolognesisch"

bolognesische Grüsse!

-edit:

Interessant dass die Leuchtsteine,nachdem mittels einer UV-Lichtquelle "aufgeladen",
bei Bestrahlung mit IR-Licht (z.B. Ferndedienung) nochmal richtig,wenn auch nur kurz "aufglimmen".

Das Bariumsulfid eignete sich in meinen Versuchen besonders gut als "Infrarotindikator":
Bild


Ähnlich funktionieren auch käufliche IR-Test-Karten: http://www.voelkner.de/products/29205/100-xl.jpg
Hopfen und Malz-Gott erhalt´s
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Woow, ich mag es auch gern "leuchtend" :thumbsup:

"Goethe und seine Chemiker" habe ich gerade bestellt. Danke für den Tipp an Hannes!
"Der einfachste Versuch, den man selbst gemacht hat, ist besser als der schönste, den man nur sieht." (Michael Faraday 1791-1867)

Alles ist Chemie, sofern man es nur "probiret". (Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832)

„Dosis sola facit venenum.“ (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus 1493-1541)

"Wenn man es nur versucht, so geht´s; das heißt mitunter, doch nicht stets." (Wilhelm Busch 1832 -1908)
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Bitte ;) Hatte auch irgendwo mal nochwas anderes zu dem Thema :D

@lemmi: kannst du kalkulieren wie lange du in etwa dran gearbeitet hast? Also theoretische Ausarbeitung und Durchführung?
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frankie
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Beitrag von frankie »

Wirklich toller Artikel !!


mfg
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Chaoschemiker
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Beitrag von Chaoschemiker »

(Super, Richtig schöner; Extrem geiler; Wirklich toller) Artikel !!
Schließe ich mich inhaltlich meinen Vorrednern vollkommen an!
Ich würde sagen, dass der Artikel viel zu schade ist, um ihn als "Spiel" in der "Spielwiese" zu lassen, zumal die Dokumentation ausführlich und die Bilder sehr gut sind.
Anwesenheit sehr wahrscheinlich.

Don't throw anything away. There is no 'away'.

Abusus non tollit usum.

Wären Maulaffen giftige Gefahrstoffe im Sinne der GefStoffV, könnte man das Gaffen an Privatpersonen durch Personen ohne Sachkunde nach §5 ChemVerbotsV nach §382 StGB bestrafen.
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Cyanwasserstoff
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Beitrag von Cyanwasserstoff »

Sehe ich genauso. Bei so viel Arbeit und der wie bei dir üblich sehr guten Dokumentation wäre ich doch sehr dafür, einen Artikel daraus zu machen. :wink: :thumbsup:
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- Claude Rimington
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Newclears
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Beitrag von Newclears »

Dem kann ich mich nur anschließen :!:
"...wie ein Sprecher betont,hat für die Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt Gefahr bestanden."
"...mittlerweile rostet das Miststück..." E.v. Däniken
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