Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Isolierung und Synthesen von Naturstoffen.

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NI2
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von NI2 »

Zu den Halbgeviertstrichen hatten wir schon mal was in den Kommentaren zum Coniin-Artikel erwähnt, ich denke als Gedankenstriche ist dieser in Artikeln sinnvoll, in Normalen Posts nicht unbedingt. Bei einem Normalen Kopplungsstrich den Bindestrich benutzen.

Bezüglich der Anführungsstriche sollten wir uns einigen, das könnte man in einem entsprechenden Thread dazu machen. Auch wenn ich die Zollzeichen einfacher zu tippen finde finde ich es nicht gut, dass sie formal nicht korrekt sind, daher sollte man da einen Konsens finden auch wenn ich vermute, dass der einfachste (" ") der falsch ist :D

Ja die Formeln bekommten man unter. Die Darstellung mit der Liste finde ich sehr gut weil sie einen Überblick gibt. Wo man welche Strukturen genau einsetzt kann man dann schauen, ich wollte erst einmal alle Aufzeichnen. Bei den Zuckern sollte man sich auch darauf einigen welche Projektion verwendet, Xyrofl und ich sind uns einig, dass es aus didaktischen Gründen bei Glycosiden am sinnvollsten ist Haworth-Projektionen zu verwenden, auch auf die Problematik hin, dass man erklären muss, dass rechten Winkel in den Etherbrücken keine zusätzlichen C-Atome sind.
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Cumarinderivat
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von Cumarinderivat »

NI2 hat geschrieben: Mittwoch 5. August 2020, 12:29 In laufndem Text Zeichen mittels Alt+Zahl Kombination einzugeben ist ziemlich umständlich, das nervt bei dem Halbgeviertstrich schon immer ein wenig und im Schnelltext benutze ich auch eher Bindestriche.
Ja, stimmt. Das ist im Mac deutlich intuitiver gelöst.
Wenn es relevant ist, lernt man mit der Zeit die Codes ... ansonsten macht das eben bspw. Word meist automatisch richtig.
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Cumarinderivat
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von Cumarinderivat »

NI2 hat geschrieben: Mittwoch 5. August 2020, 19:53 Bezüglich der Anführungsstriche sollten wir uns einigen, das könnte man in einem entsprechenden Thread dazu machen. Auch wenn ich die Zollzeichen einfacher zu tippen finde finde ich es nicht gut, dass sie formal nicht korrekt sind, daher sollte man da einen Konsens finden auch wenn ich vermute, dass der einfachste (" ") der falsch ist :D
Ich würde die „normalen“ Anführungszeichen verwenden. Gerade wenn man Word zum Schreiben der Texte verwendet, wird das schon automatisch direkt aus den Zollzeichen meist richtig umgewandelt.
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mgritsch
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von mgritsch »

bitte auch darum über solche Feinheiten wie Strichlängennuancen oder Gänsefüßchenorthopädie keine Diskussion zu führen :)
Im Beitrags-Editor gibt es da nur begrenzt möglichkeiten, ich persönlich arbeite bevorzugt mit einem einfachen txt-Editor offline und mit irgendwelchen "alt-123" Kombinationen spielen zu müssen ist angesichts der inhaltlichen Komplexität wirklich das letzte was ich möchte... das überlasse ich dann einem Setzer sollte es einmal in den Druck gehen :)

Machen wir die Barrieren da nicht größer als notwendig :)
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lemmi
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von lemmi »

Ich habe eine Frage zur Hydrolyse von Glykosiden:

Gibt es eine mechanistische Erklärung für die relative Hydrolyseresistenz des Ouabains (Ouabagenin-rhamnosid) im Vergleich zum k-Strophanthin oder sagen wir mal Cymarin (k-Strophantidin-cymarosid)?

Letzters gibt im sauren unter ziemlich milden Bedingungen quantitativ k-Strophantidin (das wurde früher sogar zur Gehaltsbestimmung von Strophantus-kombé-Zubereitungen genutzt, da die k-Strophantine notorisch schlecht kristallisieren). Beim Ouabain sind dagegen wesentlich "härtere" Bedingungen nötig und es wird Anhydrouoabagenin gebildet. Liegt das an dem gebundenen Zucker (Rhamnose vs. Cymarose)? Oder am Aglykon? (ein weiteres herzwirksames Glykosid mit Rhamnose als Zucker ist das alpha-Antiarin. Zu seiner Hydrolyseempfindlichkeit habe ich aber aktuell keine Daten zur Verfügung)
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NI2
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von NI2 »

rhamnose cyamrose.png
rhamnose cyamrose.png (8.13 KiB) 4997 mal betrachtet
Schaut man sich die Stukturen an wird auf den ersten Blick direkt klar: direkt neben dem anomeren Zentrum fehlt eine OH-Gruppe, diese beeinflusst durch Elektronenzug die Reaktivität des Moleküls, insbesondere der Hydrolyseempfindlichkeit. Ohne jetzt intensiver recherchiert zu haben würde ich vermuten, dass auch genau das der Grund (oder zumindest einer davon) für die "Reaktivität" der Fluordesoxyglucose ist - umso stärker der Elektronenzug umso stabiler das Acetal.
Ein weiterer Grund könnte die sterische Ausrichtung der OH/OMe-Gruppen sein, welche Angriffe von bestimmten Seiten einschränken. Der Unterschied in der anomer-vicinalen OH-Gruppe, der Stereochemie und der Methoxygruppen machen eine unterschiedliche Reaktivität sehr plausibel. Den Hauptgrund vermute ich aber in der fehlenden OH-Gruppe.

Edit: Ich lag mit meiner Vermutung genau richtig. Die Hydrolyseempfindlichkeit korreliert mit dem Substituent ("X") in 2-Position und um so stärker dieser Elektronen zieht (induktiver Effekt) um so geringer wird die Reaktionsgeschwindigkeit (die Stereozentren, gerade das anomere Zentrum spielen ebenso eine - wenn auch untergeordnete - Rolle). Laut Paper erhöht sich die Hydrolysegeschwindigkeit durch den Austausch der OH-Gruppe gegen ein H um Faktor 700 (im Falle der β-1-O-Methyl-D-Glucose, analoges Anomer zu den besprochenen Glycosiden).
o-methylglucose.png
o-methylglucose.png (5.43 KiB) 5013 mal betrachtet
hydrolyse deoxyglucose.png
Quelle

Demnach ist bei Antiarin eine - verglichen mit Cymarin - geringe Hydrolyseempfindlichkeit/hohe Hydrolysestabilität zu erwarten, da sich bei α- und β-Antiarin das anomere Zentrum nicht unterscheidet sollten sie sogar ähnliche bzw. gleiche Hydrolysegeschwindigkeiten haben (edit3: sie unterscheiden sich, siehe weiter unten bzw mein übernächster Post).
lemmi hat geschrieben:ein weiteres herzwirksames Glykosid mit Rhamnose als Zucker ist das alpha-Antiarin
Du meinst β-Antiarin.

(Das dem Antiarin vorangestellte α- oder β- bezieht sich nicht auf das anomere Zentrum sondern ist lediglich die Namensbezeichnung beider vorkommender Diastereomere welche sich in ihrer Konfiguration in der 5-Position des Zuckers unterscheiden. Edit3: Durch die Änderung des Bezugsatoms für die Nomenklatur des Anomeren Zentrums ändert sich damit das β zu α. (genauere Ausfürhung dazu siehe hier)
Antiarin korrigiert.png
Antiarin korrigiert.png (14.65 KiB) 4868 mal betrachtet
Edit2: Das führt außerdem zu der Schlussfolgerung, dass Digitoxin (3x Digitoxose) im Gegensatz zu Digitonin (erster Zucker ist Galactose) relativ leicht - ähnlich dem Cymarin - zu hydrolysieren sein sollte. Beim Digitonin wird ein Überschuss HCl konz. in absolutem Alkohol 2,5 h refluxiert. Eventuell hast du Daten zum Digitoxin oder jenes bereits hydrolysiert. Die leichte Hydrolysierbarkeit müsste demnach auch für Helveticosid, Erysimosid, k-Strophanthin-β und k-Strophantosid gelten.
digitoxose galactose.png
digitoxose galactose.png (8.24 KiB) 5016 mal betrachtet
Fun fact: D-Cymarose ist 3-O-Methyldigitoxose, also ein naher Verwandter :D
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lemmi
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von lemmi »

Super, vielen Dank für die Erklärungen!

Was vesteht man eigentlich genau unter "Desoxyzuckern"? Sind das die, die genau in der 2er-Position keine OH-Gruppe haben? Denn sowohl Cymarose als auch Rhamnose fehlt ja schon eine OH-Grupe in Position 6 (-CH3 statt -CH2OH), sind somt eigentlich auch "desoxy".

Wenn die o.g. Definition zutrifft, könnte man sagen, das Gykoside mit Desoxyzuckern hydrolyseempfindlicher sind als solche mit normalen Zuckern.
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von NI2 »

Kein Problem, habe dabei selbst auch viel gelernt zumal Zucker nicht gerade mein Lieblingsthema sind :D

"Desoxyzucker" (im englischen Deoxy~, weswegen man im englischen DNA auch als Deoxyribo~ und DNS im deutschen als Desoxyribo~ sprechen muss) sagt lediglich aus, dass eine/mehrere OH-Gruppe fehlt/fehlen bzw durch Wasserstoff ersetzt sind (Polydesoxyzucker scheinen aber eher selten zu sein und tauchen woanders auf), ohne Lokant ist daher keine allgemein Aussage über Reaktivität möglich. Aber ja, die 2-Desoxyzucker hydrolysieren leichter als die Nicht-2-Desoxyderivate. Allerdings darf man nicht vom Namen allein darauf schließen, ist eine der OH-Gruppen durch ein anderes Atom (welches die Hydrolyseempfindlichkeit massiv beeinflussen kann wie wir gesehen haben) oder eine Gruppe substituiert, wird - wie bei der 2-Fluordesoxyglucose - der Name teilweise derart aufgebaut, dass die neue Gruppe zusätzliche zur fehlenden OH-Gruppe genannt wird und man als Grundgerüst für die Nomenklatur den Desoxyzucker benutzt. Die Nomenklatur der ganzen Zucker ist alles andere als trivial.
Rhamnose ist ein 6-Desoxyzucker, Cymarose ein 2-Desoxyzucker. Um so mehr Informationen (die Lokanten) man im Namen weglässt um so mehr Stoffe werden eingebezogen und es bilden sich "Überbegriffe".

Kannst du die Hydrolyseeigenschaften bei Digitoxin bestätigen?

Mich würde eine andere Frage noch interessieren, ich habe bei der Recherche nur β-Anomere bei Glycosiden gefunden. Das scheint durch den Anomeren Effekt bedingt zu sein, gibt natürliche α-Anomere bei Glycosiden? Kennt da jemand vielleicht was oder kann sagen warum es sie nicht geben kann?
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lemmi
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von lemmi »

Der "Steinegger/Hänsel - Lehrbuch der Pharmakognosie und Phytopharmazie" von 1988 schreibt:

In allen bisher bekannten Glykosiden ist das Aglykon entweder β-D-glykosidisch oder α-L-glykosidisch mit der Zuckerkette verbunden, was so viel bedeutet als daß in allen Glykosiden die Absolutkonfiguration am Anomeriezntrum C-1 stets die gleiche ist. Die Zucker der β-D-Reihe liegen in der 1C4-, die der α-L-Reihe in der 4C1-Konformation vor. [N.B.: kannst du mir diesen letzten Satz bitte erklären! 8) )

Im "Schneider - Arzneidrogen" von 2004 heißt es :

In den natürlich vorkommenden Heterosiden sind die Monosaccharide der D-Reihe ganz überwiegend β-glykosidisch, die der L-Reihe gehäuft α-glykosidisch mit dem Aglykon verbunden.

Ouabain ist 3-O-(α-L-Rhamnosyl)ouabagenin. Wenn es stimmt was oben steht, müsste β-Antiarin ein α-L-Rhamnosid sein. Im Schneider wird aus dem "in allen bisher bekannten" zwar ein "ganz überwiegend" und das β-Antiarin könnte eine Ausnahme sein, aber ich nehme an, dass die Konfiguraion des β-Antiarins 1988 schon bekannt war - oder doch nicht?

Im Steinegger/Hänsel steht weiter: Wenn seltene Desoxyzucker und "normale" Zucker wie D-Glucose nebeneinander in der Zuckerkette auftreten, dann ist das Aglykon an einen seltenen Zucker gebunden, wohingegen die D-Glucosemoleküle endständig angeordnet sind. Enzyme spalten bevorzugt die β-D-Glucose ab.

[EDIT: ich weiß, dass man das D und das L als Kapitälchen schreiben muss und nicht als Großbuchstaben - sieh bitte großzügig darüber hinweg!]

Über die Hydrolyseempfindlichekit von Digitoxin habe ich auf die Schnelle nichts gefunden. Wenn ich was finde schreibe ich noch was dazu.
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NI2
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von NI2 »

Ich habe den Fehler gefunden, er lag tatsächlich bei mir, habe es oben in der Abbildung beim Antiarin bereits korrigiert, es ist tatsächliche α-L-Rhamnose - formal lässt sich sagen, dass nahezu alle Glycoside mit L-Zuckern im anomeren Zentrum α-Konfiguiert sind (In deiner Tabelle steht beim Ouabain übrigens D-Rhamnose statt L-Rhamnose, das muss noch geändert werden. Wobei ich ja eh die Struktureformeln zum Artikel schreiben wollte und noch nicht dazu gekommen bin :oops: ). Um zu verstehen was es damit auf sich hat muss man ein bisschen weiter ausholen:

Das Anomere Zentrum definiert sich nicht - wie ich dachte - nur über die sterische Ausrichtung der Glycosidischen Bindung, sondern über deren Verhältnis zur Chiralität des Referenz-C-Atomes. Bei den üblichen Zuckern die wir hatten (Glucose, Antiarose, Digitoxose,...) sind diese gleich (CIP-Konfiguration am substituierten Atom mit der höchsten Nummer im Ring). Damit sind die entsprechenden sterischen Zentren (nach den CIP-Regeln) (R)-konfiguiert und damit gleich, sind beide identisch wird das Anomere Zentrum mit β gekennzeichnet. Bei der L-Rhamnose hingegen sind diese unterschiedlich, also die Methylgruppe - da sie "nach hinten" geklappt ist - ist (S)-konfiguriert, die glycosidische Bindung - wie gewohnt nach vorne zeigend - (R)-konfiguriert, und damit ist es ein/-e α-L-Rhamnose/-id.
Zucker konfig.png
Für alle üblichen Lehrbuchbeispiele, bei denen genau dieses höchste substituierte C-Atom (R)-konfiguiert ist kommt es hin zu sagen: "zeigt die Glycosidische Bindung nach vorn ist sie β" (sofern der sechsring in der planaren Schreibweise mit dem Sauerstoffatom "oben rechts" ist).

Kennt man diese Zusammenhänge wird es auch ersichtlich, warum die L-Zucker oft/fast immer ein α-anomeres Zentrum haben:
Ob die D- oder L-Konfiguration vorliegt wird anhand des fünften C-Atoms festgelegt, das ist bei Glucose das mit der Hydroxymethylgruppe, bei Rhamnose die Methylgruppe. Bei den Zuckern gibt es die Möglichkeit eines "Ring-flips" Dabei kann der ganze Ring einfach quasi einmal halb umgestülpt/"umgekrempelt" werden und Zucker bewegen sich zwischen beiden Konformeren im Gleichgewicht. Die Gleichgewichtslage ist aber (bei gängigen Zuckern) vom Substituenten in 5-Position abhängig (geht es über die üblichen Desoxyhexapyranosen hinaus, also größere oder Alkylsubstituenten außerhalb der 5-Position muss man es sich jeweils zurecht suchen und die günstigeren Konformere finden, die obigen Annahmen gelten nur für die 5-(X-yl-alkyl)-Substituenten). Dieser ist oft eine CH2-Gruppe oder bei der Rhamnose eben eine Methylgruppe, diese haben einen höheren Raumanspruch und benötigen daher "mehr Platz". Bei dem Ringflip ändert sich die Ausrichtung der Substituenten am Zuckergerüst derart, dass aus äquatorialen Gruppen axiale werden und umgekehrt. Um die einzelnen Konformere zu kennzeichnen gibt es die Nomenklatur mit 1C4 und 4C1 (gibt nur diese beiden Möglichleiten bei Betrachtung der Sesselkonformation). Definiert ist sie seeehr praktisch:

Man stelle sich vor die mittleren 3 C-Atome und das Sauerstoffatom bilden ein waagerechtes Viereck ("Fast-Quadrat"), dann kann bei gleicher Position des Sauerstoffatoms (rechts hinten) entweder die "Ecke" des C-4-Atoms oberhalb dieser Ebene sein und dann ist das C-1-Atoms darunter oder umgekehrt. Daraus ergeben sich die 4C1-Konformation (links) oder die 1C4-Konformation (rechts).

Bild
(Wiki)

D-Zucker (die die sterisch anspruchsvolle Gruppe in der 5-Position (R)-konfiguriert haben) bevorzugen die 4C1-konfoguration, da diese eine Gruppe damit äquarotial steht und am wenigsten stört (das Hauptproblem ergibt sich durch 1,3-Spannungen der (Hydroxy-)Methylgruppe mit anderen OH-Gruppen über den Ring hinweg). Bei der L-Rhamnose wissen wir jetzt schon, dass diese in genau der 5-Position anders konfiguriert ist, womit wir vorhersagen können, dass genau die 1C4-Konformation bevorzugt sein sollte und bastelt man mal Modelle kann man genau das beobachten:
Links: 4C1-Konformation (sterisch gehindert), rechts 1C4-Konformation (begünstigt)
L-Rhamnose konformere-3.png
Somit ist deinem Auszug aus dem Steinegger/Hänsel zuzustimmen*, das klingt sehr plausibel:

*Ich bin mir sicher, dass da die Konformationen vertauscht wurden, bitte prüfe das noch einmal!
Edit: Tatsächlich ist nicht dir der Fehler beim Abtippen unterlaufen sondern den Autoren selbst, ich habe selbst noch einmal nachgeschaut. Sie haben im erklärenden Text die 4C1-Konformation und die 1C4-Konformation in diesem Satz vertauscht.
In der Abbildungsbeschreibung beschreiben sie es korrekt wie es sich auch aus der Theorie ergibt:
lemmi hat geschrieben: Sonntag 18. Oktober 2020, 23:02 Der "Steinegger/Hänsel - Lehrbuch der Pharmakognosie und Phytopharmazie" von 1988 schreibt:

In allen bisher bekannten Glykosiden ist das Aglykon entweder β-D-glykosidisch oder α-L-glykosidisch mit der Zuckerkette verbunden, was so viel bedeutet als daß in allen Glykosiden die Absolutkonfiguration am Anomeriezentrum C-1 stets die gleiche ist. Die Zucker der β-D-Reihe liegen in der 1C4-, die der α-L-Reihe in der 4C1-Konformation vor.
Steinegger/Hänsel, Abbildungsbeschreibung hat geschrieben:Die Zucker der D-Reihe sind β-glykosidisch, die Zucker der L-Reihe α-glykosidisch mit dem Aglykon verknüpft. Dabei liegen die Zucker bei den β-D-Glykosiden in der 4C1-Konformation vor, die der α-L-Reihe überraschenderweise bevorzugt in der 1C4-Konformation. Dies bedeutet, daß in der α-L-Reihe der raumerfüllende Cardenolidrest eine axiale Position einnimmt
https://de.wikipedia.org/wiki/Konformation#Ringinversion hat geschrieben:In Glucopyranosen liegt der größte Substituent daher in der äquatorialen Stellung, wenn dadurch möglichst wenige sterische Wechselwirkungen zu anderen Substituenten ausgebildet werden. Dies ist bei D-Zuckern allgemein durch die 4C1-Konformation der Fall. In L-Zucker dagegen positioniert sich die Hydroxymethylgruppe gerne äquatorial in der 1C4-Konformation.
Ich hatte mich genau an der besagten Absolutkonfiguration des C-1-Atoms orientiert, welches bei den (gängigen) D-Zuckern zwar (fast) immer β-Anomere liefert aber bei den L-Zuckern (fast) immer α-Anomere.

Von daher ist auch die Frage geklärt: Ja es gibt α-anomere Glycoside, man muss welche mit L-Zuckern an erster Stelle suchen, L-Rhamnose ist einer der einfachsten Vertreter und damit stellen β-Antiarin und Ouabain genau solche dieser "Ausnahmen" dar, welche - nachdem wir nun wissen wie das funktioniert - keine wirklichen Ausnahmen mehr sind. Stattdessen muss man die Frage neu formulieren: gibt es natürliche α-D-Glycoside oder β-L-Glycoside?

Das mit den Kapitälchen ist mir schon aufgefallen, aber solange wir noch nichts haben um das einfach und schnell zu tippen kann man da getrost drüber hinwegsehen, aber es freut mich, dass du dich noch erinnerst :)

Entsprechende Wiki-Links zu dem Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Anomere
https://de.wikipedia.org/wiki/Konformation
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von Glaskocher »

A B M Defg
Ein Behelf könnte sein, daß man die Kapitälchen als verkleinerte Schgiftgröße schreibt. Ob man allerdings diese ausreichend HOCH stellen kann muß sich erst zeigen.
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von NI2 »

Typografisch sind Kapitälchen aber keine kleineren Buchstaben, sondern ein Sondersatz, sowohl die Strichdicke ist angepasst als auch dass sie leicht gesperrt sind. Deswegen sollte man es entweder korrekt machen oder lieber bei normalen Buchstaben bleiben.
Evtl. kann Cumarinderviat das wieder genauer ausführen, ich hatte nur schnell bei Wiki nachgelesen... :D
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von Glaskocher »

OK. Sonst müßten wir diese Buchstabendiskussion nach [OT] auslagern.
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von NI2 »

semi-OT: Ja, eventuell sollte man einen Thread zur Typografie aufmachen, wobei die meisten Sachen ja schon geklärt sind. Aber eventuell könnte man dort einige Sachen as Tutorial zusammenfassen, auch was Nomenklatur und Deskriptoren angeht. Das ist eine Gute Idee... In dem Kontext könnte man gleich das richtige Schreiben von Strukturformeln/Gleichungen ansprechen, damit diese innerhalb des Forums halbwegs einheitlich sind, sofern es die üblichen Sachen sind.
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Re: Auf der Spur des Strophanthins - Isolierung von Strophanthusglykosiden

Beitrag von lemmi »

Ja bitte! Lasst uns dafür einen extra Thread aufmachen und nehmen wir den hier für die Diskussion zum Thema!
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