Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

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Glaskocher
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Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von Glaskocher »

Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)
Dieses beliebte Show-Experiment wurde bereits von Liebig vorgeführt. Er wurde vom Bayrischen König um die Wiederholung des Experimentes gebeten, bei dem es zur Explosion des verwendeten Glasrohres kam. Vermutlich war sein Lachgas nicht ausreichend rein und enthielt weitere Stickoxide (NO, NO2), die den Abbrand zu stark beschleunigten.


Geräte: Glasrohre (ca. 8*150cm) mit Boden oder Hahn im Boden, passende Stopfen dazu und Einwegspritzen (5 mL), Stativmaterial zum Aufstellen, Glimmspan


Chemikalien:

Lachgas

Schwefelkohlenstoff

Ethanol
Schwefel
Schwefeldioxid
Kohlendioxid


Hinweis:
Auf gute Lüftung und Brandschutz achten, da große Flammen entstehen. Verbrennungsgefahr beim Zündvorgang.
Version Liebig: Schutzscheibe, Schutzhandschuhe, Lederschürze, Schutzbrille, im Abzug füllen; nur im Freien vorführen, da die Abgase deutlich reizend sind (SO2, Schwefeldampf).


Durchführung:

Version mit Alkohol:
Das unten geschlossene Rohr wird mit der Öffnung schräg aufwärts gehalten, während ein Helfer 5 mL Ethanol mit einer Spritze an der Wand entlang einspritzt. Das oben offene Rohr wird dann ca. eine Minute, oder bis kaum noch Reste Ethanol übrig sind, gedreht und geschwenkt. Show-Einlagen wie Schütteln sind auch möglich. Dann wird das Rohr senkrecht gehalten und der Inhalt mit einem brennenden Holzspan entzündet. Die Flamme wandert mit zunehmenmder Geschwindigkeit und Lautstärke im Rohr nach unten und erzeugt dabei ein "bellendes" Gräusch.

Version "nach Liebig":
Vorbereitung: Das Rohr wird mit dem Hahn nach unten im Stativ montiert. Aus der Lachgas-Bombe (N2O) wird das Rohr von unten ca. 1,5min (deutlich hörbares Zischen) befüllt und sofort oben mit dem Gummistopfen verschlossen. Man kann den Füllgrad auch mit einmem Glimmspan überwachen, der bei Kontakt mit N2O deutlich erkennbar aufflammt. Dann werden 5ml Schwefelkohlenstoff mit der Spritze abgemessen und ins Rohr eingespritzt. Der Gummistopfen wird wieder aufgesetzt und das Rohr geschüttelt, dass sich das CS2 gut verteilt. Der entstehende Überdruck wird regelmäßig über den Hahn abgelassen. Es hat sich bewährt, das CS2 durch Drehen und Kippen des Rohres innen an der Glaswand möglichst breit zu verteilen, da es dann rascher verdunstet.
Zur Vorführung wird das Rohr senkrecht mit dem Stopfen nach oben im Stativ befestigt und zum Publikum mit einer Schutzscheibe von ausreichender Größe gesichert. Der Vorführende trägt Gesichtsschutz, Lederjacke und Lederschürze, sowie Lederhandschuhe. Hinter der Schutzscheibe wird der Stopfen geöffnet und das Gasgemisch mit einem Glimmspan gezündet. Es verbrennt mit einer leuchtend blauen Flamme, die sich mit zunehmender Lautstärke und Geschwindigkeit nach unten durchfrisst.



Entsorgung:
Das mit Schwefel verschmutzte Rohr kann mit Hilfe von alkalisch-oxidierenden Reinigern wieder gesäubert werden.

Das mit Ethanol benutzte Rohr wird gut gelüftet und die möglichen Rauchspuren des Glimmpanes abgewischt.


Erklärung:
Im Glasrohr wird ein leicht entzündliches Gemisch aus Brennstoff und Oxidationsmittel (Ethanol und Luft; Schwefelkohlenstoff und Lachgas) hergestellt, das dann zum Abbrand entzündet wird. Mit zunehmender Entfernung von der Rohrmündung baut sich etwas Staudruck auf, der das Voranschreiten der Flammfront beschleunigt. Die veränderte Temperatur und Zusammensetzung der Flammgase modifizieren die Resonanzfrequenz des Rohres.


Bilder:
Aufbau "Bellender Hund nach Liebig"
Aufbau "Bellender Hund nach Liebig"

Literatur:
Roeski: „Chemische Kabinettstücke“ Versuch Nr. 95
Prof. Blumes Tipp des Monats Januar 2007 (Tipp-Nr. 115)
http://woelen.homescience.net/science/c ... index.html
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lemmi
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von lemmi »

Interessant! Die Variante mit Ethanol kannte ich noch nicht. Vermutlich geht das mit einer ganzen Reihe von flüchtigen brennbaren Stoffen in Mischung mit Luft. Das Mischungsverhältnis ist vermutlich kritisch (wenn zu viel Brennstoff drin ist, bleibt die Verpuffung aus). Wie viel Volumeninhalt hat das Glasrohr? Geht dass auch in kleinerem Maßstab?

Hast du nicht ein Video von dem Versuch?

Es gibt noch eine Variante, die ich früher mal mit Erfolg ausprobiert habe: man löst Phosphor in Schwefelkohlenstoff (ca 5-8%) und tropft etwas von der Lösung auf eine Filterpapierscheibe, die auf der Öffnung eines 250 ml fassenden Glaszylinders (Messzylinder) liegt. Nach kurzer Zeit verdunstet der CS2, wobei der Dampf sich teilweise mit der Luft im Zylinder mischt. Die folgende Selbstentzündung des Papiers löst eine "bellende" Verpuffung im Glaszylinder aus (und die brennende Papierscheibe wird in die Luft geschleudert). Zum Gelingen des Versuchs muss es absolut windstill sein! Im Freien ist er mir immer misslungen.
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aliquis
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von aliquis »

Ein schöner Schauversuch, der nicht alt werden will, auch wenn man ihn schon zigmal gesehen hat. Gefühlt der Hauptverwendingszweck von CS2...
Der Maßstab ist hier aber beeindruckend (da bellt dann ein schon Neufundländer... :wink:), so oder noch größer kenne ich das nur von Periodic videos:



Meistens sieht man kleinere Ansätze, oft nur mit Standzylindern.
Soviel Sicherheitsaufwand wie hier beschrieben, findet man eher selten. Von explodierenden Röhren habe ich noch nicht gehört. Aber lieber Vorsicht als Nachsicht. Schaden kann es nicht.
Schwefelkohlenstoff dürfte als Edukt schädlicher sein als die Verbrennungsgase hinterher.

Mit Alkoholdämpfen kenne ich das als sog. Woosh-bottle, das Prinzip ist aber etwas anders und gibt daher auch einen anderen Sound.

Der "alkalisch-oxidierende Reiniger" enthält Percarbonat und Hypochlorit?
Mit Toluol kriegt man Schwefel auch ganz gut weg.
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Glaskocher
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von Glaskocher »

Ein Rohr mit 7,5 Litern Volumen weicht man nicht so gerne mit Toluol ein. Das ist ein bisschen viel Zeugs... Da ist der Rest vom Experiment "Singulettsauerstoff" (=Hypochlorit-H2O2) besser, um es mit Wasser zu verdünnen.

Den Schutz hatten wir installiert, weil die Frage im Raum stand, ob sich auch höher oxidierte NOx bilden könnten, wenn man N2O mit Luft mischt und wir von Liebigs Unfall wußten. Aber besser eine Schutzwand zuviel, als eine fliegende Scherbe am falschen Ort...

Die Kunst am Ganzen scheint zu sein, daß man das Gemisch so einstellt, daß die Zündgeschwinfigkeit beherrschbar bleibt. Meinen Berechnungen nach ist man eher auf der fetten Seite des Zündbereiches. Das macht wohl schönere Flamen und brennt kontrollierter. Es kann auch sein, daß man hier etwas mehr Spielraum hat mit Toleranzen, als nahe an der Stöchiometrie zur Totaloxidation. Das Mischen geht auch einfacher...

EDIT meint, daß auch die Zeit dem Reiniger "in die Karten spielt", weil der gebildete plastische Schwefel zuerst zum Rhombischen mit den S8-Ringen umlagern muß.
aliquis
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von aliquis »

Toluol ist in der Tat eher etwas für kleinere Gefässe, die man ja aber auch nicht randvoll damit füllen muss.
Vorteil ist recht schnelle Löslichkeit.
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mgritsch
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von mgritsch »

Ein Klassiker der Vorführungen :)
Ich frage mich bei dem aber immer was - abgesehen von hübsch und cool - bei dem Versuch der Erkenntniswert sein kann? Dass es zwischen „brennt“ und „explodiert“ noch etwas anderes gibt?
Glaskocher hat geschrieben: Donnerstag 29. Dezember 2022, 21:42 Geräte: Glasrohre (ca. 8*150cm)
Ich nehme an das Verhältnis Durchmesser zu Länge ist hier für den Effekt entscheidend, ist das eigentlich skalierbar? (Ginge das auch in mm statt cm oder braucht es eine Mindestgrösse?)

Chemikalien:
Ethanol
Ist der Versuch mit EtOH/Luft vergleichbar im Effekt?
Hast du die Möglichkeit Videos davon zu machen (und hier einzustellen)?
aliquis
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von aliquis »

Ethanol/Luft erzeugt nicht das gleiche typische Geräusch, auch nicht in langen Rohren statt Flaschen.

Für den Erkenntnisgewinn wäre es m. E. interessant, auf solche Unterschiede oder z. B. auf die zunächst verzögerte und sich dann wieder beschleunigende Durchzündung einzugehen (die man bei Ethanol m. W. in dieser Form ebenfalls nicht beobachten kann).
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von BJ68 »

mgritsch hat geschrieben: Freitag 30. Dezember 2022, 18:03 Ein Klassiker der Vorführungen :)
Ich frage mich bei dem aber immer was - abgesehen von hübsch und cool - bei dem Versuch der Erkenntniswert sein kann? Dass es zwischen „brennt“ und „explodiert“ noch etwas anderes gibt?
Anscheinend geht da bei der Verbrennung noch etwas mehr ab:

Siehe Artikel
https://www.thenakedscientists.com/get- ... experiment
und Video:



bj68
Fuck the "REGULATION (EU) 2019/1148" of the European Parliament and of the Council...denn
Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Art 5 Abs. 3 GG
Glaskocher
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von Glaskocher »

Ich vermute, daß die Maße nicht allzusehr die Rolle spielen, was den Reaktionsablauf betrifft. Die "Stimmlage" und die Länge des Abbrandes werden davon sicher beeinflußt. Es wird einen unteren Grenzdurchmesser geben, unterhalb dessen der Effekt verblasst und einen Kleineren, der die Flammfront ausbremst. Wie weit man nach oben skalieren kann weiß ich nicht. Da könnte das Handling der limitierende Punkt sein, wenn der Diffusion ausreichend Zeit gelassen wird.

Es macht einen Unterschied, ob man Ethanol oder CS2 verbrennt. Beim CS2 ist die Flamme wesentlich schöner, weil brennender Schwefel blaue Flammen macht. Beide Flammen müßte ich mir nochmal ansehen, um den Unterschied zu erkennen. Jedes System macht da einen etwas anderen Ton und eine leicht andere Flamme. Es macht übrigens einen kleinen Unterschied, ob "Liebigs Hund" noch einige Tropfen flüssiges CS2 unten im Hahn stehen hat oder nicht. Der Abschluß ist ohne den Tropfen etwas "zahmer".

EDIT meint, daß die Videos sehr schön sind und neue Aspekte zur Geräuschbildung beitragen. Sie wecken das "Spielkind" und das Verlangen nach längeren Röhren und Slomo-Kameras...

Nachtragend: Der "Schluck Wasser" zum Mischen scheint praktisch zu sein, weil man sonst nur die Diffusion auf seiner Seite hat. Zum Schütteln reicht der Dichteunterschied wohl noch nicht...
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mgritsch
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von mgritsch »

Glaskocher hat geschrieben: Freitag 30. Dezember 2022, 21:15 Beim CS2 ist die Flamme wesentlich schöner, weil brennender Schwefel blaue Flammen macht.
Dann werfe ich mal Trimethylborat als Alternative zu CS2 ins Rennen :)
Glaskocher
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von Glaskocher »

Das wäre glatt mal einen Test wert. Die grüne Flamme des Borsäureesters ist echt schön. Jetzt müßte man doch glatt die "Üblichen Verdächtigen" In Sachen Flammfärbung mit testen... Ich vermute aber, daß das nicht soo dolle klappt.

Nochmal zurück zum Geräusch:
Heiße Gase haben eine höhere Viskosität als Kalte. Dadurch kann es sein, daß der Druck im Rohr steigt und damit der Verbrennungsvorgang in eine Oszillation gezwungen wird. Die Maße des Rohres prägen ihr dann ihre Charakteristik auf.
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Uranylacetat
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Re: Der bellende Hund (zwei Versionen eines Show-Experiments)

Beitrag von Uranylacetat »

Diesem beeindruckenden Show-Versuch habe ich vor Jahren einmal live während eines Tags der offenen Tür an Chemie-Fakultät der FU in Dahlem erleben können. :thumbsup:

Die altbekannte Variante mit Lachgas und Schwefelkohlenstoff wird wohl unerreicht bleiben. :mrgreen:

Ein "Bellender Hund" mit Mitteln des Alltags wird im folgenden PDF-Paper ab Seite 266 beschrieben:

http://www.clb.de/ck2011rx52_files/CLB06-11.pdf

Ich wünsche allen hier eenen juten Rutsch ins Jahr 2023!
"Der einfachste Versuch, den man selbst gemacht hat, ist besser als der schönste, den man nur sieht." (Michael Faraday 1791-1867)

Alles ist Chemie, sofern man es nur "probiret". (Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832)

„Dosis sola facit venenum.“ (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus 1493-1541)

"Wenn man es nur versucht, so geht´s; das heißt mitunter, doch nicht stets." (Wilhelm Busch 1832 -1908)
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