DC von Indikatoren

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lemmi
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DC von Indikatoren

Beitrag von lemmi »

Hier das Beispiel mit den Farbstoffen! Die Folie enthält in Spur 1 und 3 Phenolrot (das wars NICHT...) und in Spur 2 und 4 Methylrotlösung aufgetragen. Laufmittel ist einfaches Dichlormethan. Methylrot gibt zwei verscheidenfarbige Doppelspots.

Phenolrot und Methylrot 1.jpg

Und nun die Folie in der Mitte durchgeschnitten und die linke Hälfte mit 0,1 N KOH in Methanol, die rechte mit 1 N H2SO4 in Ethanol besprüht:

Phenolrot und Methylrot 2 - KOH und H2SO4.jpg

Erklärung: die Farbstofflösung enthält den Farbstoff offenbar teils in protonierter Form (rot, polar, wandert wenig bis gar nicht) und teils in nicht protonierter Form (gelb, wandert besser da apolar).
Warum Doppelspots entstehen weiß ich nicht! Eine Betafront kann es kaum sein (kein Fließmittelgemisch) - oder vielleicht doch, wenn irgendwo ein paar Promille Wasser im Spiel sind?
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mgritsch
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Re: Synthese von Salicylaldehyd-Semicarbazon

Beitrag von mgritsch »

Ah ja, ich erinner mich wieder daran, danke für das Beispiel!

Nun, ich habe so ziemliche Zweifel an der Theorie.

Zum einen aus fundamentalen physikalischen Gründen. Dissoziation ist ja kein "Einbahn-Prozess" nachdem sich ein Molekül einmal entscheidet entweder oder zu sein und es dann bleibt. Der Prozess müsste ja während der Entwicklung ständig weiter gehen und die beiden sich ständig weiter ineinander umwandeln... Vielmehr würde ich bei unklarer GG-Lage wo beide Formen nebeneinander vorliegen einen "Kometenschweif" auf der Platte erwarten weil aus dem Haupt-Fleck (protoniert) durch das Laufmittel ständig deprotoniertes nachgeliefert wird bzw protoniertes wieder hängen bleibt. Außerdem: was wäre dann der dritte Fleck? Gar nicht mehr erklärbar.

Durchaus bemerkenswert: der Hauptfleck des Methylrot ist sehr kräftig rot = in der protonierten Form, die Nebenspots sind so "orange", das könnte nur bedeuten dass dort eigentlich eine Mischung mit der gelben, dissoziierten Form vorliegt...? Passt gar nicht zu den typischen Farben.

Das hier beobachtete Phänomen würde ich mit Verunreinigungen durch Isomere erklären.
Methylrot entsteht durch Azokupplung diazotierter Anthranilsäure mit N,N-Dimethylanilin. Das Hauptprodukt ist dabei p-gekuppelt (bevorzugt), o-Kupplung tritt kaum - aber eben nur kaum - auf. Einen der Spots würde ich damit sofort erklären (den größeren). Das o-Produkt dürfte mit 99% Wahrscheinlichkeit praktisch identische Indikator-Eigenschaften von Farbe und Umschlag her haben, vor allem wenn man mit sehr starker Säure bzw sehr starker Base drauf hämmert. Und das o-Produkt dürfte auch aufgrund intramolekularer H-Brücke zwischen COOH und N(CH3)2 leichter als Zwitterion äußerlich neutral und wenig polar auf der Platte davonlaufen während das p-Produkt stark polar ist und unten sitzen bleibt.

Weitere Spots könnten durch Verunreinigung in den Edukten (zB des N,N-Dimethylanilin mit N-Methylanilin oder Stellungsisomer bei Anthanilsäure?) beim Hersteller entstanden sein (der kleinere Zweit-Spot...?). Je nach Phantasie des betrachtenden Auges kann man auch einen geringen Farbunterschied nach dem Sprühen konstatieren.

Bei Phenolrot als Sulfonpthalein gibt es da weniger Möglichkeiten zu solchen Verunreinigungen.

Wenn ich schon am DC-machen bin kann ich das ja auch mal nachvollziehen :)

Was Polarität und Laufverhalten betrifft - IMHO ist der Effekt ionischer Ladungen um Größenordnungen relevanter als die Polarität neutraler Moleküle. Die deprotonierte Form die du oben vermutest, sollte also diejenige sein die nicht wandert! Und viel mehr Polarität als wenn eine -COOH gruppe deprotoniert kannst du dem Molekül schon nicht mehr mitgeben. Das merkt man doch bei allen DC - als Faustregel gilt hast du eine Base, dann musst du stark basische Modifier (Piperidin, Triethylamin) im Laufmittel haben sonst bleibt der Spot unten kleben odermacht zumindest Kometenschweif. Hast du Säuregruppen, dann saure Modifier (Ameisensäure, Essigsäure).

Ein sehr mysteriöses Phänomen jedenfalls...
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lemmi
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Re: Synthese von Salicylaldehyd-Semicarbazon

Beitrag von lemmi »

Die Isomerentheorie habe ich auch in Betracht gezogen. Die "Doppelspots" (in einer früheren DC über eine etwas größere Laufstrecke hat man gesehen, dass auch der untere rote Spot ein doppelspot ist, nur ist er hier nicht genügend getrennt) lassen sich gut durch Verunreinigung mit einem Isomeren erklären. Aber vier Isomere, die alle die gleiche Farbe haben? Nein, ich gehe weiter davon aus, dass es die selbe(n beiden) Substanz(en) ist/sind, einmal protoniert und einmal nicht.

Man könnte nochmal versuchen, die DC mit einem sauren/basischen Laufmittel zu machen ob dann nur ein spot rauskommt. Ich hab noch eine KOH-Imprägnierte Platte rumliegen (ist hoffentlich nicht zu alt und inzwischen K2CO3-imprägniert), die kann ich qad mal probieren.

Farbstoffe sind voller interessanter Probleme! Ein weiteres Mysterium meiner DC oben: guck' dir mal den Spot des Phenolrots auf der linken Plattenhälfte an! Der ist durch das Besprühen mit methanol. KOH nach unten, unterhalb die Startlinie, gerutscht - und das, ohne zu verwischen! (fiel mir erst jetzt Anhand der Fotos auf)
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mgritsch
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Re: Synthese von Salicylaldehyd-Semicarbazon

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Donnerstag 25. Februar 2021, 23:23 Aber vier Isomere, die alle die gleiche Farbe haben?
ist sogar sehr wahrscheinlich. Die Moleküle sind sehr ähnlich aufgebaut und haben daher keinen großartigen Grund ganz anders gefärbt zu sein.
Methylorange, das Produkt aus Sulfanilsäure und N,N-Dimethylanilin, ist schon komplett anders aufgebaut mit der Sulfonsäuregruppe in p-Stellung und trotzdem farblich und vom Umschlagbereich her auch ähnlich. Am Ende ist es eine sehr einfache Struktur mit der Azo-bindung als Chromophor und dann ein paar Auxochromen Gruppen.

Im Prinzip hast du dir ja sogar mit dem Phenolrot selbst den Beweis daneben gelegt - gäbe es das Phänomen der Trennung protoniert/deprotoiert dann hätte das bei dem Indikator genauso stattfinden müssen. Tut es aber nicht. Ich befürchte da ist der Wunsch (nach reinen Substanzen) Vater des Gedankens.
Man könnte nochmal versuchen, die DC mit einem sauren/basischen Laufmittel zu machen ob dann nur ein spot rauskommt. Ich hab noch eine KOH-Imprägnierte Platte rumliegen (ist hoffentlich nicht zu alt und inzwischen K2CO3-imprägniert), die kann ich qad mal probieren.
das wäre ein Ansatz, der andere wäre eine ganze Latte an anderen Indikatoren die in ähnlichen pH-Bereichen umschlagen und die dann auch 2 Spots erzeugen (oder eben nicht?). Wenn der "neben"-Spot die deprotonierte Form ist, dann sollte er umso stärker ausfallen, je niedriger der pH-Umschlagbereich. Wenn das Methylrot der einzige mit dem Effekt ist, dann ist er wohl der einzige verunreinigte in der Kiste :)

Gerne führe ich so einen Test unabhängig auch durch, würde auf: Methylorange (3,3-4,3), Kongorot (3,0-5,2), Methylrot (4,7-5,4), Alizarin S (4,4-5,8) gehen. Immer DCM als Laufmittel?

KOH-imprägniert? hab ich noch nicht gehört, was können die, wie macht man das (ohne daraus gleich eine K2CO3-imprägnierte zu machen)?
ICh habe mal mit AgNO3-imprägnierten gearbeitet (mit meth. AgNO3-Lösung, "Argentations-Chromatographie"), zur Trennung von Fetten (nach Anzahl Doppelbindungen). Das war ziemlich einfach und auch nice!
guck' dir mal den Spot des Phenolrots auf der linken Plattenhälfte an! Der ist durch das Besprühen mit methanol. KOH nach unten, unterhalb die Startlinie, gerutscht - und das, ohne zu verwischen! (fiel mir erst jetzt Anhand der Fotos auf)
ja, lustig :)
naja, zeigt wie du gesprüht hast! von der Mitte her, dort war dann wohl mehr meth.KOH die ihn nach unten trieb. Aber nicht weiter verwunderlich.
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mgritsch
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Re: Synthese von Salicylaldehyd-Semicarbazon

Beitrag von mgritsch »

p.s.: schau mal den Fall: viewtopic.php?f=21&t=4794

in dem Fall könnte der zweite Spot tatsächlich ein Artefakt der DC sein und nicht eine a priori in der Substanz vorhandene Verunreinigung:
...lediglich in basischen Medien lässt es sich rückstandsfrei auflösen. Dabei kommt es aber zu einer raschen Oxidation durch Luftsauerstoff, wie man leicht daran bemerken kann, dass sich die Lösung beim Stehen im Reagenzglas langsam gelb und bis hin zu tief orange verfärbt
die Oxidation ist ein Einbahn-Prozess --> dementsprechend gibt es einen begründbaren Zweitspot... aber nicht bei einem reversiblen Prozess wie Dissoziation.
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lemmi
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Re: Synthese von Salicylaldehyd-Semicarbazon

Beitrag von lemmi »

KOH-imprägnierte DC-Folien: die Folie wird in eine 0,1 N-Lösung von KOH in Methanol gelegt bis die Schicht gleichmäßig transparent geworden ist, dann im Trockenschrank rasch getrocknet und im Exsikkator über NaOH oder CaO aufbewahrt.

Die TIAFT hat 1992 diese Platten in verschiedener ihrer Standard-DC-Systeme zur Identifizierung von Pharmaka beschrieben. Auch clarkes analysis of drugs and posions 2011 führt sie noch auf. Benutzt werden sie zur Trennung basischer Substanzen in aprotischen Laufmitteln. Ich fühle mich damit ehrlich gesagt auch nicht ganz wohl, weil ich die selben Zweifel habe wie du (Stabilität, Reproduzierbarkeit...). Aber es ist halt eine Koventionsmethode.
Dissoziation ist ja kein "Einbahn-Prozess" nachdem sich ein Molekül einmal entscheidet entweder oder zu sein und es dann bleibt. Der Prozess müsste ja während der Entwicklung ständig weiter gehen und die beiden sich ständig weiter ineinander umwandeln... Vielmehr würde ich bei unklarer GG-Lage wo beide Formen nebeneinander vorliegen einen "Kometenschweif" auf der Platte erwarten weil aus dem Haupt-Fleck (protoniert) durch das Laufmittel ständig deprotoniertes nachgeliefert wird bzw protoniertes wieder hängen bleibt.
Finde ich nicht überzeugend. Da DCM ein wasserfreies Laufmittel ist, ist anzunehmen, dass keinerlei Dissoziation im System stattfindet. Die zu trennenden Stoffe sind entweder protoniert oder nicht und belieben es während der Entwicklung.

Ich bin immer noch der Meinung, dass es sich um nur zwei Substanzen handelt: Methylrot und eine Verunreinigung, vermutlich ein Isomeres. Diese läuft knapp unter dem Methylrot. Beide Stoffe können protoniert sein ( sehr niedriger Rf) oder nicht (höherer Rf). Bei vier Stoffen würde ich nicht verstehen, warum sich so ein regelmäßiges Muster bildet (immer ein dicker Hauptspot und darumnter in gleichem Abstand ein kleiner Nebenspot. In der früheren DC (über eine größere Laufstrecke) sieht man das besser als auf meiner aktuellen:


Bild


Die mittlere Spur ist das Methylrot.
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mgritsch
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Re: Synthese von Salicylaldehyd-Semicarbazon

Beitrag von mgritsch »

So, Gegenbeweis.
Hier meine heutige DC. Laufmittel DCM, v.l.n.r.: Methylrot, Methylorange, Alizarin S, Bromkresolblau. (jeweils in EtOH Lösung gespottet)
28D0F73C-B56D-46F5-8C6D-CA482C69E11A.jpeg
Wie man sieht laufen die gar nicht, nur Bromkresolblau macht einen kleinen Kometen (war vielleicht nicht gut getrocknet, der letzte Auftrag erfolgte etwas später als die anderen). So ein Laufverhalten hätte ich auch erwartet für so polare Moleküle.

Dass sich bei dir überhaupt etwas bewegt hat im DCM wundert mich sehr. War es recht nass? Hast du die Spots nicht gründlich getrocknet vor der Entwicklung? Wenn nicht - das ist ein beliebter Fehler, sorgt dafür dass man lokal ein etwas anderes (polareres) Laufmittel hat. Reduziert die Auflösung, macht verbeulte Spots, schlechtere Reproduzierbarkeit der RF.

Sonstige Beobachtungen: wenn man die orange Lösung von Methylrot aufträgt, dann wird sie beim Trocknen des Spots von anfangs orange immer dunkler rot. In EtOH scheint es noch etwas dissoziiert vorzuliegen, am (sauren) Kieselgel nur noch in protonierter Form.

Nächster Schritt: wir gehen mal ein klein wenig polarer in ein vertrautes 08/15-System. PE/EtOAc 15:10; einfache Phenole laufen damit schon ganz gut. (Der Einfachheit halber die gleiche Platte noch mal laufen gelassen):
37D52EBE-C659-4E12-BBBA-A74142566E56.jpeg
Wir sehen jetzt ein für schwache Säuren typisches ausgeprägtes Kometen-Verhalten zumindest mal am Methylrot. Restwasser auf der Platte bzw im Lösungsmittel mag hier eine Rolle spielen bei der Kometen-Bildung. Andere Farbstoffe - weitgehend unbeeindruckt. Die Sulfonsäuren Methylorange und Alizarin machen unter den Bedingungen rein gar nichts, das Sulfonphtalein Bromkresolblau hat sich nicht mehr verändert (spricht für mangelnde Trocknung vor der ersten DC wo das "Krönchen" entstanden ist) und kann den Ring ohne Wasser nicht öffnen.

Noch ein Schritt weiter: Zugabe von 3 ml Ameisensäure (neue Platte :) )
D31269A9-0DE7-4232-A5AD-61997844595A.jpeg
Methylrot macht jetzt keinen Kometen mehr und wandert brav ca 1 mm weiter. Das Laufmittel ist natürlich immer noch bei weitem zu unpolar, aber man kann schon gut erkennen dass es sauber wandert und es definitiv keine voraus laufenden anderen Spots gibt. Wenn ich gut aufgelegt bin mache ich die Woche noch eine mit passendem Laufmittel.

Welches Laufmittel war das bei deiner DC mit längerer Laufstrecke? Sicher kein DCM...

Bromkresolblau macht hingegen schön 3 Spots - das ist im Gegensatz zum Methylrot offensichtlich verunreinigt. (Vermute Stellungsisomere was die Bromierung betrifft, evtl auch Bromierungsgrad. Der Komet nach hinten am Haupt-Spot deutet auf überladene Platte hin, sollte mehr verdünnen). Auch am Alizarin tut sich etwas (gelber Spot ein bisschen gelaufen, etwas braunes bleibt am Start. Ist vermutlich kein sehr reines Produkt bzw sind polyphenole etwas oxidationsempfindlich).

Fazit: es ist keineswegs so, dass bei Methylrot (oder generell Indikatoren) immer ein vorauslaufender Spot auftritt der irgendwas mit den Formen zu tun hätte. Aber für einen Indikator der einfach nur pH Umschlag zeigen soll dürfte es nicht immer so große Reinheitsanforderungen geben. Da kommen schon mal Isomere und Verunreinigungen vor, stört bei der Titration ja nicht.

Was dein Methylrot betrifft: die 4 Spots ergeben sich zB „logisch“ wenn man annimmt dass mit mono-Methylanilin Verunreinigung synthetisiert wurde (der kleinere jeweils nachlaufende Spot). Methylaniline fallen industriell als Gemisch an und werden destillativ getrennt. Und das Paar das voraus läuft ist das o-gekuppelte mit mono-/di.

Was als Prüfung ebenfalls lohnen könnte: statt mit sehr starker Säure / Base mit Puffer besprühen (z.B. pH 4, 5, und 6) - wenn es sich um die Isomeren handelt, dann erwarte ich zwar gleiche Farben in den "extrema" aber möglicherweise leicht unterschiedliche Umschlagpunkte. Würde mich wundern, wenn dann auch alle Spots immer die gleiche Farbe haben.

Nie im Leben würden sich dissoziierte und undissoziierte Form so trennen. Stell dir das mal für Wasser vor - denkst du die OH- würden alleine vorne weg laufen können? Oder Acetat vs Essigsäure?

Die Aussage:
Da DCM ein wasserfreies Laufmittel ist, ist anzunehmen, dass keinerlei Dissoziation im System stattfindet.
unterschreibe ich, ein Grund mehr dass so ein Verhalten nicht auftreten kann.

Die Aussage
Die zu trennenden Stoffe sind entweder protoniert oder nicht und belieben es während der Entwicklung.
hingegen nicht, denn wie soll das in einem aprotischen Medium gehen? Wie kann es darin ohne Solvatisierung der Ionen eine deprotonierte Form geben die auch noch wandert?

DC vom carbazon folgt in den nächsten Tagen, inzwischen habe ich auch kommerzielles Semicarbazid bekommen und kann ein hoffentlich (?) nicht mit Hydrazin / Aldazin verunreinigtes Vergleichsprodukt machen.
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lemmi
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Re: Synthese von Salicylaldehyd-Semicarbazon

Beitrag von lemmi »

Welches Laufmittel war das bei deiner DC mit längerer Laufstrecke? Sicher kein DCM...
Doch, reines DCM! Toluol gab übrigends ein sehr ähnliches Bild.
Ich finde blöderweise den thread grad nicht wieder, aber im Laborbuch ist es eindeutig vermerkt (es lebe die analoge Dokumentation! :yeah: )
wie soll das in einem aprotischen Medium gehen? Wie kann es darin ohne Solvatisierung der Ionen eine deprotonierte Form geben die auch noch wandert?
Muss doch gar nicht im Medium sein. Wenn die Lösung aus der Laborluft HCl oder NH3 (vielleicht auch einfach nur CO2) aufgenommen hat liegen teils protonierte, teils deprotonierte Moleküle vor. Nebst Gegenion (Cl- oder NH4+) natürlich. Im DCM wird der Zustand quasi konserviert. Wieso soll das geladene vs. dem ungeladenen Molekül kein unterschiedliches Laufverhalten zeigen? Die Ladung spielt doch z.B. eine Rolle bei der Wechselwirkung mit der stationären Phase.

Dass dein Methylrot so gar nicht wandert, gibt mir zu denken. Ich habe eine Lösung eingesetzt, die schon ein paar Jahrzehnte alt ist. Die nehme ich immer für Titrationen und sie funktioniert eigentlich gut. Gut möglich, dass meine Lösung sich einfach partiell zersetzt hat. Dass alle Spots im sauren/basischen die gleiche Farbe haben wäre da aber ien großer Zufall. Irgendwo müsste ich aber auch ein bisschen Methylrot in Substanz haben, damit probiere ich es nochmal. Vielleicht hast du recht und es sind irgendwelche nahe verwandte Isomere mit gleichen Farbeingenschaften aber unterschiedlichem Laufverhalten!

Der Kommentar zum DAB9 gibt eine Vorschrift zur Reinheitsprüfung von Dimethylgelb (nämlich durch DC mit DCM, deswegen kam ich ehemals darauf). Dabei darf sich nur ein Fleck zeigen. Für Methylrot gibt es keine solche Vorschrift. Vermutlich haben die Autoren genau gewusst warum ... :mrgreen:
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mgritsch
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Re: Synthese von Salicylaldehyd-Semicarbazon

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Montag 1. März 2021, 15:38 Doch, reines DCM! Toluol gab übrigends ein sehr ähnliches Bild.
Ich finde blöderweise den thread grad nicht wieder, aber im Laborbuch ist es eindeutig vermerkt (es lebe die analoge Dokumentation! :yeah: )
da ist definitv etwas sehr faul. :idea2:
Toluol ist noch mal unpolarer als DCM. Der Spot daneben mit dem Phenolrot (ein ganz einfaches Sulfonphthalein) wandert keinen mm. Das Verhalten finde ich mit meiner Erfahrung und er Struktur übereinstimmend und auch zum gestrigen Versuch passend.
Längere Laufstrecke hin oder her - wenn auf deinen Bildern die gesamte Platte zu sehen ist (leider hast du die Laufmittelfront nicht markiert) dann ist das auf "längere Laufstrecke" ein Rf von vielleicht um die 0,25 für den rosa "Hauptspot" (oben beim Kopf der Platte meine ich Beschriftung zu erkennen?) - bei der anderen DC waren es wie viel? Hattest du keine Geduld es bis oben laufen zu lassen? Sonst auch RF < 0,1, inkonsistent mit der anderen.

Ich kann gerne noch eine Hand voll andere Indikatoren DCen die auch so in dem Bereich pH 3 - 7 liegen, aber ich befürchte das Ergebnis wird das gleiche sein. Mit DCM tut sich da wahrscheinlich relativ wenig. Kann auch gerne mal mit Toluol laufen lassen, erwarte auch mäßig viel. Das sind alles Säuren mit einem pKs von 3-6 und sowas wandert nun mal nicht so leicht über Kieselgel.
Muss doch gar nicht im Medium sein. Wenn die Lösung aus der Laborluft HCl oder NH3 (vielleicht auch einfach nur CO2) aufgenommen hat liegen teils protonierte, teils deprotonierte Moleküle vor. Nebst Gegenion (Cl- oder NH4+) natürlich. Im DCM wird der Zustand quasi konserviert. Wieso soll das geladene vs. dem ungeladenen Molekül kein unterschiedliches Laufverhalten zeigen? Die Ladung spielt doch z.B. eine Rolle bei der Wechselwirkung mit der stationären Phase.
ich hab's versucht, aber drehen wir es doch mal um. Bitte bring für diese IMHO etwas abenteuerliche Hypothese über "konservierte protonierte Formen" eine Literaturstelle :)

Ja, es gibt feste Hydrochloride oder Ammoniumsalze (btw, mein Methylrot ist als "Natriumsalz" gekennzeichnet...?). Aber solange diese als in DCM unlöslicher ionischer Feststoff vorliegen wandern sie nicht. Begründung: Chromatographie beruht darauf, dass zu analysierende Teilchen sich zwischen zwei Phasen in einem charakteristischen Verhältnis verteilen. Liegt etwas als unlösliches Salz vor, kann es nicht in die Mobile Phase übergehen. Keine WW mit mobiler Phase - kein Wandern. Oder denkst du dass NaCl mit DCM läuft? Ionische Stoffe brauchen solvatisierende, meist protische Löse-/Laufmittel. Bei den Hydrochloriden sehr schwacher Basen ist das allenfalls noch etwas anderes - sobald die auch nur wenig Wasser bekommen zerfallen sie sofort in freie (undissoziierte) Base und HCl. Wandern würde dann aber die freie Base - mag sein dass du da gewisse Analogien aus der Pharmazie im Kopf hast? Welche Laufmittel benutzt man da gerne?
Dass alle Spots im sauren/basischen die gleiche Farbe haben wäre da aber ien großer Zufall.
kein Zufall, im Gegenteil - es hat System! :) (Stellungs-)Isomere sind oft nur wenig unterscheidbar. Ausnahme hier: die o oder p Kupplung. Durch die Nachbarschaft in der o-gekuppelten Form kann es zu einer intramolekularen WW zwischen tert. Amin und Carbonsäure kommen, deswegen sieht der Fleck auch so braun-orange aus da hier wohl eine Art inneres Salz vorliegt. Deswegen wandert er so viel besser, hat so viel weniger Polarität. und wenn man dann mit starker Lauge/Säure drauf geht, wird diese intramolekulare Bindung mit gewalt aufgebrochen - damit bleibt es ein Molekül mit Azo-Chromophor in der Mitte, und den genau gleichen ziehenden bzw schiebenden Gruppen an den beiden Ringen.

Was als Prüfung ebenfalls lohnen könnte: statt mit sehr starker Säure / Base mit Puffer besprühen (z.B. pH 4, 5, und 6) - wenn es sich um die Isomeren handelt, dann erwarte ich zwar gleiche Farben in den "extrema" aber möglicherweise leicht unterschiedliche Umschlagpunkte. Würde mich wundern, wenn dann auch alle Spots immer die gleiche Farbe haben
Der Kommentar zum DAB9 gibt eine Vorschrift zur Reinheitsprüfung von Dimethylgelb (nämlich durch DC mit DCM, deswegen kam ich ehemals darauf). Dabei darf sich nur ein Fleck zeigen. Für Methylrot gibt es keine solche Vorschrift. Vermutlich haben die Autoren genau gewusst warum ... :mrgreen:
Dimethylgelb hat einen ganz ganz wesentlichen Unterschied - es ist keine Säure! Das ist nur ein einfaches tert. Amin mit einer Azo-Bindung. Dass das mit DCM gut wandert glaube ich sofort, ja, die Autoren wussten warum :) Nehme ich gerne zum Vergleich auch mal auf.
Will man die Laufeigenschaften vorhersagen muss man schon die Struktur betrachten und nicht nur Namensähnlichkeiten :)

Im übrigen werde ich für die Indikatoren mal das "NI2'sche" Laufmittel MeCN/H2O/KNO3(aq, gesättigt) 50:5:0,5 einsetzen, damit bekommt man die sicher gut in Schwung.
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lemmi
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Re: Synthese von Salicylaldehyd-Semicarbazon

Beitrag von lemmi »

Das bedarf dríngend der experimentellen Klärung! Ich mach mich heute mal an eine DC der Ausgangssubstanz, wie gesagt, meine Methylrotlösung ist schon etwas "gereift". 8)
(leider hast du die Laufmittelfront nicht markiert)
Doch habe ich! (ich bitte dich, mach ich immer, bin doch kein Anfäger ... :angel: ). Hier ist sie:

Dimethylgelb, Methylrot, Phenolrot in DCM 2014.jpg
Dimethylgelb, Methylrot, Phenolrot in DCM 2014.jpg (8.48 KiB) 4111 mal betrachtet
Dimethylgelb, Methylrot, Phenolrot, Methylorange in DCM 2014

Oder denkst du dass NaCl mit DCM läuft?
Das ist ein Extrembeispiel. Ein organisches Molekül ist nicht so extrem polar wie Cl-. Ein bisschen läuft es ja auch bei dir. Nein, ich kenne dazu keine Literaturstellen.
Dass alle Spots im sauren/basischen die gleiche Farbe haben wäre da aber ien großer Zufall.
kein Zufall, im Gegenteil - es hat System!
Ich meinte nicht die möglichen Isomere. Dass die eine sehr ähnliche bis gleiche Farbe haben, glaube ich auch. Ich bezog mich auf mögliche Zersetzungsprodukte, weil meine Methylrotlösung schon so alt ist.
Zusammengefasst: ich habe die "Verunreinigung-durch-Isomere-Hypothese" und die "Verunreinigung durch Zersetzung-Hypothese" verglichen und erstere finde ich plausibler, weil ich bei Zersetzungsprodukten mehr Irregularitäten erwarten würde.

Alles sehr spekulativ, da muss jetzt "der unerbittliche Versuch" ran, wie gesagt. Aber eine interessante Diskussion allemal! :D
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Re: Synthese von Salicylaldehyd-Semicarbazon

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Dienstag 2. März 2021, 09:54
(leider hast du die Laufmittelfront nicht markiert)
Doch habe ich! (ich bitte dich, mach ich immer, bin doch kein Anfäger ... :angel: ). Hier ist sie:
auf der DC konnte ich etwas ausmachen, ja, drum die ca 0,25 Rf.
Nur auf der anderen nicht, wo der Spot nur minimal gewandert ist. viewtopic.php?p=80929#p80929 wo war da die Front?
Zusammengefasst: ich habe die "Verunreinigung-durch-Isomere-Hypothese" und die "Verunreinigung durch Zersetzung-Hypothese" verglichen und erstere finde ich plausibler, weil ich bei Zersetzungsprodukten mehr Irregularitäten erwarten würde.
ja, denke ich auch.
Das ist auch kein extrem empfindliches Molekül das sich zersetzen würde. Ja okay, Brom/Bromat zerlegt es gleich (darum auch für Bromatometrie als Indikator tauglich) aber an der Luft in alkoholischer Lösung sollte alles stabil sein.
Mein Bromkresolblau (Spatelspitze ganz frisch aufgelöst) hat ja auch ganz deutlich "Nebenspots", ich glaube das ist nicht so ungewöhnlich bei solchen Stoffen. Sie großartig zu reinigen macht technisch keinen Sinn, niemand braucht einen Reinstoff wenn es nur um Indikator-bunt geht. So gesehen finde ich es sogar eher ungewöhnlich dass mein Methylrot rein ist.

Alles sehr spekulativ, da muss jetzt "der unerbittliche Versuch" ran, wie gesagt. Aber eine interessante Diskussion allemal! :D
welche Versuche planst du?

ich werde noch Dimethylgelb auf die Reise schicken und einmal zum Vergleich nasses DCM einsetzen.
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Re: DC von Indikatoren

Beitrag von mgritsch »

So, nachdem das etwas ausgiebiger wurde habe ich mir erlaubt es abzutrennen :)

Hier die letzten Ergebnisse. Zuerst mal die DC mit DCM:
2021-03-03 13_52_37-Präsentation1 - Microsoft PowerPoint.png
wie prognostiziert läuft Dimethylgelb natürlich gut in DCM; ist ja nur ein tertiäres Amin.
Besonders hübsch wird es aber nicht, macht einen großen Buckel und ob da etwas anderes drin ist erkennt man nicht zu gut.
Deutlich besser fällt das Ergebnis aus, wenn man das DCM vorher mit Wasser sättigt (im Scheidetrichter gut geschüttelt). Dann erkennt man auch, dass da ein kleiner Spot hinterher läuft - evtl die Monomethyl-Variante? Eine o-gekuppelte Variante scheint nicht aufzutreten (oder ist nicht unterscheidbar im Rf? in dem Fall resultiert keine ausgeprägte intramolekulare WW), der Farbumschlag mit HCl-Dämpfen oder NH3 ist für beide gleich. Der Spot allein aus dem Laufmittel heraus ist orange, wie auch der Feststoff.
Andere Indikatoren laufen hier nicht, im Wasser-gesättigten DCM hat sich nur das Methylrot minimal bewegt.

2021-03-03 13_51_38-Präsentation1 - Microsoft PowerPoint.png
Jetzt mal mit einem passenderen Laufmittel das auch die anderen in Bewegung setzen sollte - zumindest das Methylrot startet jetzt, aber ein sehr verwaschener Spot.

Setzt man Ameisensäure zu, verändert sich das Bild massiv: der Rf von Methylgelb und Methylrot sinkt (sie sind jetzt in protonierter Form und damit deutlich polarer als die neutralen Moleküle), auch die Farbe hat sich geändert. Bromkresolblau wandert auf einmal wunderbar und zeigt seine 3 Verunreinigungen (eine davon nur im UV erkennbar; der oberste Spot schlägt mit NH3 nicht um). Nur Methylorange wandert noch keinen Millimeter!

Indikatoren.png
Vergleicht man die Strukturen dann sieht man dass Methylorange mit der Sulfonsäuregruppe n p-Position einfach viel zu polar ist. Methylgelb hat nur eine elektronenschiebende N(CH3)2 Gruppe, ist am wenigsten polar. Methylrot hat eine mäßig stark elektronenziehende Gruppe in o-Position.
Indikatoren 2.png
Was das Laufverhalten von Methylrot betrifft: ohne Zusatz von Ameisensäure läuft das neutrale Molekül, mit Zusatz dann die protonierte Form die nochmal polarer ist und dadurch einen deutlich geringeren Rf hat - gleiches gilt für das Methylgelb.

In keinem Fall sind Spots von protonierter / unprotonierter / deprotonierter Form nebeneinander zu erwarten. Entweder das Laufmittel kann Ionen solvatisieren (zB durch Ameisensäureanteil oder Wasseranteil) die dann laufen, oder eben nicht (reines DCM). Sollten mehrere Spots auftreten, ist das immer eine Verunreinigung - woher auch immer.
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lemmi
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Re: DC von Indikatoren

Beitrag von lemmi »

Super! Vielen Dank für die systematischen Experimente und Erläuterungen!

Es sieht schlecht aus für meine Hypothese ... :wink:

Ich habe Methylrot-Na (Reagenz Merck DAB 7) als Referenzsubstanz in Methanol gelöst und zusammen mit meiner "Methylrot-Lösung I" (auch Reagenz Merck DAB 7) auf der gleichen Folie in DCM laufen lassen:

Methylrotlösung und Substanz - in DCM.jpg
Methylrotlösung und Substanz - in DCM.jpg (79.86 KiB) 4060 mal betrachtet
Spur 1+3: Methylrotlösung I DAB 7, Spur 2+4: Methylrot-Na in Methanol

Die Lösung ist offenbar verunreinigt/zersetzt. Ich habe die Folie längs halbiert und in Acetatpuffer pH 5 eingelegt:

Methylrot -DCM in Puffer pH5.jpg
Methylrot -DCM in Puffer pH5.jpg (89.62 KiB) 4060 mal betrachtet
Einschränkung: ich bin nicht sicher, wie gut die wässrige Lösung die Kieselgelschicht penetriert, aber dennoch sieht man: das "echte" Methylrot ist der untere Spot und bleibt rot bzw. wird etwas orange (Umschlag pH 4-6), der obere Sport schlägt von vorher orange nach hell gelb um. Es sind also verschiedene Substanzen.

Dann habe ich nochmal die Lösung gegen die methanolische Lösung der Substanz in saurem und basischem Laufmittel laufen lassen (jeweils DCM + 4 % Ameisensäure resp. Diethylamin):

Methylrolösung und Substanz - saures und basisches LM.jpg
Methylrolösung und Substanz - saures und basisches LM.jpg (61.86 KiB) 4060 mal betrachtet
jeweils linke Spur: Methylrotlösung I DAB 7 - rechte Spur: Methylrot-Na 0,1 % in Methanol
linke Folie: saures Laufmittel - rechte Folie: basisches Laufmittel

Im sauren Medium werden alle Farbstoffe protoniert und laufen so gut wie gar nicht. Im basischen zeigt die Referenzsubstanz nur einen Spot und läuft ebenfalls fast nicht. Die Methylrotlösung I zeigt drei Spots, die alle gelb sind: der unterste ist Methylrot, die beiden oberen müssen anderen Substanzen zugerechnet werden.

FAZIT: meine Methylrotlösung ist nicht rein. Man sollte Reagenzien echt ab und zu mal auf ihre Zusammensetzung hin überprüfen!

Was ich nicht verstehe ist, wieso die Lösung unrein und das Methylrot-Na eine Reinszubstanz ist? Ob da eine Zersetzung im Laufe der Zeit eingetreten ist - oder sind das in der Lösung doch Nebenprodukte der Synthese von Methylrot-"säure", die bei der Darstellung des Natriumsalzes dann abgetrennt wurden, so dass letzteres ein Reinstoff ist?
Das wäre dann eine mögliche Erklärung für deinen Befund (der sich mit meinem deckt):
So gesehen finde ich es sogar eher ungewöhnlich dass mein Methylrot rein ist.
Leider habe ich das "Methylrot" (nicht Na-Salz) nicht!


Es besteht nämlich ein Unterschied zwischen den geprüften Substanzen: die Methylrotlösung I ist Methylrot in Ethanol 96%. Die Referenzsubstanz ist Methylrot-Natrium!
Das DAB 7 hatte drei Lösungen parat: Lösung I mit Methylrot in Ethanol, Lösung II mit Methylrot-Natrium in Wasser. Erstere zur Titration von Alkaloiden, auch mit Methylenblau als Mischindikator, letztere zur visuellen pH-Prüfung. Die Ph.Eur. führt nur noch zwei Lösungen: Methylrot-Na in 50% Ethanol, und Mischindikatior (reines Methylrot + Methylenblau) in 96% Ethanol. Wozu dieser Unterschied geamacht wird ist mir nicht klar! :conf:

N.B.: im DAB 9 ist der Umschlag folgendermaßen formuliert:
Umschlag Methylrot.jpg
Umschlag Methylrot.jpg (16.63 KiB) 4060 mal betrachtet
Das ist wohl eine mesomere Form zur mittleren Formel in deiner Darstellung.
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
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mgritsch
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Re: DC von Indikatoren

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Donnerstag 4. März 2021, 10:44 Es sieht schlecht aus für meine Hypothese ... :wink:
puh, jetzt bin ich beruhigt, schön langsam wären die Argumente knapp geworden... :yeah:

Einschränkung: ich bin nicht sicher, wie gut die wässrige Lösung die Kieselgelschicht penetriert, aber dennoch sieht man: das "echte" Methylrot ist der untere Spot und bleibt rot bzw. wird etwas orange (Umschlag pH 4-6), der obere Sport schlägt von vorher orange nach hell gelb um. Es sind also verschiedene Substanzen.
da mach dir mal keine Sorgen bzgl Penetration. Wasser wird sehr gut, zu gut aufgenommen. Dass es etwas dauert bis alles durchscheinend ist irritiert visuell, tut aber nichts zur Sache. Bei Sprühreagenzien ist es auch idR genug wenn die Oberfläche befeuchtet ist und es gar nicht getränkt ist. Wie auch immer, durch Falsifikation im pH-Grenzfall erfolgreich belegt dass es nicht identisch ist, Q.E.D, case closed :thumbsup:
Im sauren Medium werden alle Farbstoffe protoniert und laufen so gut wie gar nicht. Im basischen zeigt die Referenzsubstanz nur einen Spot und läuft ebenfalls fast nicht. Die Methylrotlösung I zeigt drei Spots, die alle gelb sind: der unterste ist Methylrot, die beiden oberen müssen anderen Substanzen zugerechnet werden.
mit der Erkenntnis kann man ja weiter Hypothesen über die Struktur der Verunreinigung entwickeln.
Methylrot wird im basischen an der Carbonsäure deprotoniert = Polarität ggü neutralem Molekül gesteigert = läuft nicht. Wenn die Verunreinigung trotzdem läuft, bedeutet das dass sie evtl eine schwächere Säure ist die vom Diethylamin nicht deprotoniert wird. Was würde die Säure schwächer machen? Geht sich das alleine durch die postulierte o-Kupplung aus?

Evtl lohnt es noch, die basische DC gründlich abzutrocknen und dann mit HCl zu bedampfen (weniger invasiv als tauchen) - vielleicht sieht man dann noch zusätzliche schwächere Spots. Gelb auf weiß ist nicht so kontrastreich. Vielleicht auch nur mit UV254 einen Blick drauf? Ursprünglich war die Diagnose ja "4 Spots".

vielleicht sind die Verunreinigungen auch dafür verantwortlich, dass du das Methylorange immer als gleich oder überlegen zu Methylrot bzw Tashiro (gescreent mit Methylenblau) empfunden hast? Für mich wirkt der Umschlag am Methylrot besser, eindeutiger...
Was ich nicht verstehe ist, wieso die Lösung unrein und das Methylrot-Na eine Reinszubstanz ist? Ob da eine Zersetzung im Laufe der Zeit eingetreten ist - oder sind das in der Lösung doch Nebenprodukte der Synthese von Methylrot-"säure", die bei der Darstellung des Natriumsalzes dann abgetrennt wurden, so dass letzteres ein Reinstoff ist?
dazu müsste man die Verunreinigungen wirklich konkret identifizieren, dann kann man darüber besser Mutmaßen. Für Nebenprodukte aus der Synthese fallen mir viele Möglichkeiten ein. Was ein typischer Angriffspunkt für Zersetzung (durch Sauerstoff, Licht) wäre und was dabei herauskommt, dazu hab ich noch keine konkrete Vorstellung. Ist aber so oder so nur von akademischem Interesse. ("nur" :yeah: )

Das DAB 7 hatte drei Lösungen parat: Lösung I mit Methylrot in Ethanol, Lösung II mit Methylrot-Natrium in Wasser. Erstere zur Titration von Alkaloiden, auch mit Methylenblau als Mischindikator, letztere zur visuellen pH-Prüfung. Die Ph.Eur. führt nur noch zwei Lösungen: Methylrot-Na in 50% Ethanol, und Mischindikatior (reines Methylrot + Methylenblau) in 96% Ethanol. Wozu dieser Unterschied geamacht wird ist mir nicht klar! :conf:


historisch gewachsen, vermute ich. Und weil bei den Arzneibüchern Standardisierung über pragmatisch und sinnvoll geht, hat man eben die Standards die sich irgendwo entwickelt haben so stehen gelassen und sich nicht getraut das zu harmonisieren.

N.B.: im DAB 9 ist der Umschlag folgendermaßen formuliert:
Umschlag Methylrot.jpg
Das ist wohl eine mesomere Form zur mittleren Formel in deiner Darstellung.
puh, wenn ich das sehe dreht sich der Magen und schmerzt der Kopf :) das ist gleich doppelt falsch!
>> Erstens, auf der rechten Seite steht nur ein inneres Salz das durch Wanderung eines H von der -COOH zur Azobindung entstanden ist. Dazu muss kein H+ dazu kommen wie auf dem Gleichgewichts-Pfeil suggeriert! Das ist keine protonierte Form!
>> Zweitens, eine Diazobindung ist sehr schwach basisch und würde nur von super starken Säuren protoniert! Eine Form wo da ein H+ dran ist hast du vielleicht bestenfalls in konz. HCl oder H2SO4 vorliegen. Die Form, in der der tert. Amin-N protoniert ist, ist auch durch eine chinoide Grenzstruktur begünstigt.

Richtig ist es so:
2021-03-04 11_43_23-ACD_ChemSketch (Freeware).png
(aus Platzgründen habe ich bei der neutralen Form die dritte Grenzstruktur in der auch eine chinoide Form entsteht weggelassen, kann man sich ja noch analog dazu vorstellen :) pikanterweise ist das genau die Form die für das "rot" verantwortlich ist.)

Fazit: das DAB ist alles andere als unfehlbar. Apotheker sollen keine Chemiebücher schreiben :P

Was die Farben betrifft - den Unterschied zwischen "rot" und "kirschrot" kann man in meiner DC recht gut sehen. mit DCM/EtOAc - rot. nach Zusatz von Ameisensäure - kirschrot.
Glaskocher
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Re: DC von Indikatoren

Beitrag von Glaskocher »

Kann es sich bei dem "Abbauprodukt" um ein N-Oxid an der Diazobrücke handeln? Da bei der Oxidation nur das Lone-Pair am Stickstoff "beschäftigt" wird bleibt die Doppelbindung funktional erhalten. Das müßte allerdings zu einer etwas erhöhten Polarität im Molekül führen, was die Laufeigenschaften beeinflussen kann. [reine Theorie]

Bei der Synthese von 2,6-Diisopropyl-anilin über Sandmeier-Reaktion kenne ich derartige Nebenprodukte (Azobenzole, deren N-Oxide) als Nebenkomponenten im GC-MS.
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