Spiritus + Glühdraht

Hier können Erfahrungsberichte zu Experimenten auch formlos geschrieben werden.

Moderatoren: Moderatoren, Assistenten

Reosir
Illumina-Mitglied
Beiträge: 156
Registriert: Samstag 23. Juni 2018, 11:13
Wohnort: Süddeutschland

Beitrag von Reosir »

mgritsch hat geschrieben:Essigsäure würde man doch recht deutlich riechen und könnte sie vielleicht mit einem Stück feuchtem Indikatorpapier besser bestätigen als mit spektroskopischen Mutmaßungen....?
Pok hat mir beigebracht, dass ich mich nicht zu sehr auf meine Nase verlassen soll ;) Aber hast natürlich recht - allzuviel Essigsäure dürfte nicht drin gewesen sein, auch wenn man die Beschreibung vom ersten Experiment mit Liebigkühler zu Grunde legt:
Reosir hat geschrieben:Es roch angenehm frisch-fruchtig. Könnte man als Mischung von Schnaps und Feuerzeugbenzin beschreiben.
... Zwei Tage später waren noch etwa 90 ml übrig. Dieses Gas hatte einen Geruch wie Butangas.

Habe das Wasser, durch das ich den Hauptteil vom Gas habe blubbern lassen, danach mit einem pH-Papier geprüft. pH 5-6 und damit keine erkennbare Ansäuerung. Allerdings wäre mit einem pKs von 4,75 bei einer Lösung von 1 mM auch nur eine c(H+) = -1e-4,75 / 2 + Sqrt((1e-4,75)²/4 + 1e-3 * 1e-4,75) = 0,000125 M zu erwarten oder pH 3,9. 1 mM auf 0,2 l wären 0,2 mmol und damit 60 g/mol * 0,2 mmol = 12 mg oder 0,2 mmol * 25 l/mol = 5 ml. Mit einer Gasentwicklung von 0,1 bis 1 ml/s, im Mittel wohl 0,5 ml/s über 1h 16min wären grob 0,5 ml/s * 4560 s = 2,3 l entstanden. Die 5 ml Essigsäuredampf wären damit um 0,2 Vol.-%. Dürften also auch aus der Richtung wesentlich weniger als 0,2 Vol.-% Essigsäure gewesen sein. Allerdings hängt das natürlich auch noch daran, wie gut die Gaswäsche funktioniert - hier waren es nur grobe Blasen ohne Rühren.
Beim nächsten Mal werde ich versuchen, das Indikatorpapier direkt an das ausströmende Gas zu halten. Das sollte noch empfindlicher sein. Allerdings bin ich mir bei den möglichen reaktiven Inhaltsstoffen des Gemischs nicht sicher, ob da nicht auch andere farbverändernde Reaktionen mit Farbstoffen aus dem Indikatorpapier ablaufen könnten. Muss also nicht unbedingt was heißen, wenn sich was tut oder nicht tut.
Aber bis dahin bleiben erstmal nur die Spektren ^^
Reosir
Illumina-Mitglied
Beiträge: 156
Registriert: Samstag 23. Juni 2018, 11:13
Wohnort: Süddeutschland

Beitrag von Reosir »

--> Maximal 9 Mol-% an Ethanol in der Mischung.
mgritsch hat geschrieben:Du hast ziemlich sicher eine Mischung und da würde ich mir mal anschauen wie die einzelnen Spektren so aussehen. Wasser, Ethanol mal ganz vorne
Dann mal weiter im Text mit Ethanol. Da er Hauptbestandteil des Edukts und leicht flüchtig ist, sind die Chancen groß, dass er auch im Produktgas auftaucht. Referenzspektrum:Bild
Quelle: Keller-Rudek, H. et al. - C2H5OH_VUV(6-216nm)_log.jpg von http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... C2H5OH.spc

Nach "Practical HPLC Method Development" von Snyder absorbieren aliphatische Alkohole >220 nm selbst in flüssiger - vergleichsweise sehr konzentrierter - Form, eher schwach (n-Propanol 0,35). Damit ist in dem Bereich in der Gasphase kaum eine Absorption zu erwarten. Da außerdem im Messbereich keine charakteristischen Maxima, sondern nur die zu kürzeren Wellenlängen ansteigende Absorption auftritt, ist die Unterscheidung von Ethanol und anderen Bestandteilen schwer.
Der Absorptionsquerschnitt von 7.400e-19 cm² für 190 nm entspräche einer Extinktion von etwa 7.400e-19 cm² * 2,615e20 mol⁻¹ * 0,04 mol l⁻¹ * 1 cm = 7,74 für blanken, idealen Ethanol-Dampf bei 25 °C und 1 bar. (Einzelheiten zur Berechnung siehe https://illumina-chemie.org/spiritus--gl ... html#72038). Das wäre wieder massiv übersättigter Dampf, denn an sich ist der Dampfdruck bei 22 °C nur 67 mbar ("Tabellenbuch Chemie" von Kaltofen). Gesättigter Ethanol-Dampf bei 22 °C hätte eine Extinktion von etwa 7,74 * 67 mbar / 1 bar = 0,519 (Volumenänderung vernachlässigt) bzw. von 1,03 bei 35 °C und 133 mbar. Damit ließe sich die maximale Extinktion von etwa 0,7 bei 190 nm vollständig erklären:
Bild
Über diese maximale Extinktion bei 190 nm kann außerdem eine Obergrenze für den Gehalt an Ethanol berechnet werden: 0,7 / 7,74 = 9 Mol-%.

--> Maximal 9 Mol-% an Ethanol in der Mischung.
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4349
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Beitrag von mgritsch »

"man kann sich gar nicht so viel verschätzen wie man sich verrechnen kann" :)

Grundsätzlich kann die Größenordnung passen - Ethanol hat bei 30° einen Dampfdruck von ca 100 mBar, bei sättigung somit ca 10 vol-%.
der Form des Spektrums nach könnte das auch durchaus der Anteil sein der bei 200 schon steil nach unten startet bevor bei 210 der "eigentliche" peak kommt.

Bin auf das Ergebnis deiner Abschätzung für Ethen gespannt :)
(Und darauf wann mal ein eindeutiger chemischer Nachweis dabei ist... Bromwasser?)
Reosir
Illumina-Mitglied
Beiträge: 156
Registriert: Samstag 23. Juni 2018, 11:13
Wohnort: Süddeutschland

Beitrag von Reosir »

mgritsch hat geschrieben:"man kann sich gar nicht so viel verschätzen wie man sich verrechnen kann" :)
Dabei ist das mit dem Rechnen noch gar nicht richtig losgegangen :D Im Moment arbeite ich ja nur notdürftig mit den Bildschirmphotos, da ich an die Rohdaten nicht rankomme. Wenn das hoffentlich mal klappt, kann ich wirklich loslegen: Faktoranalyse bzw. Spektrensubtraktion mit der ganzen Spektrenserie und den Referenzspektren.
Von wegen Fehleranfälligkeit: Das Identifizieren von Substanzen im UV ist natürlich aufgrund der breiten und wenigen Banden und des relativ kleinen Wellenlängenbereichs eher unsicher. Wobei bei Gasphasenabsorptionen etwas mehr Feinstruktur da ist. Um davon mehr zu sehen müsste ich aber wohl am Spektrometer basteln: Hat eine feste Bandbreite von 6 nm.
Die nach Bouguer-Lambert-Beer berechneten Obergrenzen (Ethylacetat <= 2 Mol-%, Essigsäure <= 6 Mol-%, Ethanol <= 9 Mol-%) sind unabhängig davon aber ohne Einschränkungen gültig. Egal was sonst noch im Gemisch enthalten ist.
mgritsch hat geschrieben: - Ethanol hat bei 30° einen Dampfdruck von ca 100 mBar, bei sättigung somit ca 10 vol-%.
der Form des Spektrums nach könnte das auch durchaus der Anteil sein der bei 200 schon steil nach unten startet bevor bei 210 der "eigentliche" peak kommt.
Ja, da gehe ich auch davon aus, dass zumindest ein Teil der nur halb im Messbereich liegenden Absorption um 190 nm vom Ethanol stammt. Das Gas dürfte ja ziemlich gesättigt damit sein.
mgritsch hat geschrieben:Bin auf das Ergebnis deiner Abschätzung für Ethen gespannt :)
(Und darauf wann mal ein eindeutiger chemischer Nachweis dabei ist... Bromwasser?)
Ethylen kommt denke ich eher zum Schluss hin - ich muss ja erstmal die stärker absorbierenden Sachen halbwegs zuordnen können, vor ich mich an etwas schwach absorbierendem versuche. Könnte aber auch leicht sein, dass ich für Ethylen die vollständigen Spektren mit Computer auswerten muss - Ethylen und Ethanol absorbieren recht ähnlich.
Bisher hat glaube ich noch niemand einen eindeutigen chemischen Nachweis für Ethylen vorgeschlagen: Bromwasser reagiert sicher auch mit Aldehyden, wenn sogar Jod das mit Acetaldehyd unter Explosion tut. Aber auch so ein eher unspezifischer Nachweis würde vielleicht Sinn machen, wenn sich die Produkte (Carbonsäure, alpha-Halogenaldehyd, alpha-Halogencarbonsäure bzw. Dihaloalkan) dann noch unterscheiden lassen würden.
Eventuell ginge es noch wie am Anfang besprochen über die Löslichkeit: Das sehr gut mit Wasser ausgewaschene Gas und dann Bromwasser. Müsste ich aber auch erst noch bestellen. Deswegen ziehe ich jetzt erstmal aus den Spektren raus was geht und versuche das dann am Ende mit Reaktionen zu bestätigen.
Reosir
Illumina-Mitglied
Beiträge: 156
Registriert: Samstag 23. Juni 2018, 11:13
Wohnort: Süddeutschland

Beitrag von Reosir »

--> Wasserstoff ist für mich im UV-Vis nicht bestimmbar
mgritsch hat geschrieben:Du hast ziemlich sicher eine Mischung und da würde ich mir mal anschauen wie die einzelnen Spektren so aussehen. Wasser, Ethanol mal ganz vorne, dann (in der Reihe der geschätzten Wahrscheinlichkeit) Ethen, CO2, CO, H2, Acetaldehyd, Essigsäure.
Molekularer Wasserstoff könnte z.B. bei der Dehydrierung von Ethanol neben Acetaldehyd entstehen. Da er weder freie Elektronenpaare noch Mehrfachbindungen aufweist absorbiert er vor allem, wie zu erwarten, bei sehr kurzen Wellenlängen im Vakuum-UV:
Bild
Quelle: Keller-Rudek, H. et al. - H2_VUV_log.jpg von http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... ter/H2.spc

Diese kräftigen Absorptionen wären aber eh weit außerhalb meines Messbereichs von 190 - 800 nm.

Unter https://chemistry.tutorvista.com/inorga ... ctrum.html ist am Ende - leider ohne Quellen - ein Diagramm mit Absorptionsquerschnitten für bis zu 20000 cm⁻¹ (500 nm) angegeben:
FALSCH: Alle liegen unter 1e-25 cm². Das entspräche einer Extinktion von etwa 1e-25 cm² * 2,615e20 mol⁻¹ * 0,04 mol l⁻¹ * 1 cm = 1e-6 für blanken Wasserstoff bei 1 bar (Einzelheiten zur Berechnung siehe Beitrag vom 14 Jul 2018 10:19). Das ist weit unterhalb dessen, was ich messen könnte: Auflösung 0,5 mAU. /FALSCH
In dem Diagramm wurde nicht - wie ich es erst gedacht habe, das "hoch zwei" vergessen, sondern hier geht es um das Integral von Absorptionsquerschnitten (Einheit cm² pro Molekül) über die Wellenzahlen (Einheit cm⁻¹) einer Absorptionslinie. Deshalb kommt am Ende als Einheit cm raus.

Mittlerweile habe ich auch das Original gefunden - mit Berechnungen und teils Messungen (farbig) vom IR bis 286 nm:
### Bild fehlt noch, siehe https://illumina-chemie.org/bildzitate-t4762.html#72189 ###
Quelle: Alain Campargue et al. - http://pubs.rsc.org/en/content/articlel ... c1cp22912e

Die Linienintensitäten liegen alle unter 1e-25 cm und nehmen Richtung UV noch ab. Das ist plausibel, weil es sich dort um Obertöne von Schwingungen handelt und nicht um elektronische Anregungen. Zum kurzwelligen Bereich oberhalb von 20000 cm⁻¹ sind allerdings keine experimentellen Werte vorhanden. Immernoch ganz ohne Daten bleibt damit der Bereich von 286 nm bis 124 nm. Hier wäre vor allem der Bereich zwischen 286 nm und 190 nm wichtig, der im üblichen UV-Messberich liegt. Da lässt sich nur aufgrund der abnehmenden Stärke sowohl der Schwingungs- als auch der elektronischen Absorptionen argumentieren: Wahrscheinlich gibt es auch dort keine nennenswerte Absorption.

Egal wie schmal die Absorptionslinien auch sein sollten, mein Detektor mittelt das mit seiner Bandbreite von 6 nm eh aus. Selbst wenn ich die Bandbreite durch Basteln noch verringern könnte, unter 1 nm Bandbreite werde ich kaum kommen. 1 nm Differenz entspricht bei 200 nm 251 cm⁻¹ und bei 400 nm 63 cm⁻¹. Ich nehme als Anhaltspunkt hier mal 100 cm⁻¹ für die geschätzte minimal erreichbare Bandbreite mit meinem Detektor. Dann nähere ich die Absorptionsbanden als gleichseitige Dreiecke an: Basis b 100 cm⁻¹ und die Fläche A 1e-25 cm entspricht der maximalen Linienintensität.
A = h b /2 und damit h = 2 A / b = 2 * 1e-25 cm / 100 cm⁻¹ = 2e-27 cm².
Damit sind die Absorptionsquerschnitte sogar noch etwa einen Faktor 50 niedriger als gedacht und es bleibt bei meinem vorigen Ergebnis: Das ist weit unterhalb dessen, was ich messen könnte.

--> Wasserstoff ist für mich im UV-Vis nicht bestimmbar
Reosir
Illumina-Mitglied
Beiträge: 156
Registriert: Samstag 23. Juni 2018, 11:13
Wohnort: Süddeutschland

Beitrag von Reosir »

--> Maximal 15 Mol-% an Acetaldehyd. Wahrscheinlich ist eine zweite Carbonylverbindung enthalten, die auch um 290 nm absorbiert.

Bei der Festplatte vom alten Messrechner sieht es leider nicht gut aus: Da ist mir beim Versuch die Platte zu sichern unbemerkt am ATA-Stecker ein Kontakt abgebrochen. Und auch nachdem das repariert ist, bootet der Rechner nicht, keine Partitionstabelle zu finden. Eines von mehreren Festplatten-Rettungsprogrammen findet zwar Partitionen, bei der HPFS-Datenpartition ist aber mit Hexeditor die Signatur und auch meine Datendatei nicht zu finden ...

Deshalb erstmal weiter mit Bildschirmphotos und Acetaldehyd. Besonders charakteristisch ist das Maximum bei 290 nm mit weiteren Maxima um 283 und 298 nm hier in den Literaturspektren:
Bild
Quelle: Keller-Rudek, H. et al. - CH3CHO_high-resolution_log.jpg von http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... CH3CHO.spc

Bild
Quelle: Keller-Rudek, H. et al. - CH3CHO_VUV_log.jpg von http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... CH3CHO.spc

Zusammengenommen fehlen im Kurzwelligen nur zwei kleine Bereiche aus meinem Messbereich: Zwischen 190 und 194 nm sowie 196 bis 198 nm. Das ist trotzdem schlecht, denn so lange mein Spektrometer eine Bandbreite von 6 nm hat, kann ich auch die 2 nm in der Mitte nicht verwenden. D. h. 190 bis 198 nm fehlen effektiv - eigentlich ein wichtiger Bereich, weil da Ethylen die stärksten Absorptionen im Messbereich hat. Langwellig hören die Daten bei 362 nm auf. Da Acetaldehyd als Flüssigkeit farblos ist, ist im Sichtbaren aber auch keine nennenswerte Absorption mehr zu erwarten.

Und wie sieht es jetzt mit der Übereinstimmung zwischen den Literaturspektren und den eigenen Gasmischungen aus? Hier eine Überlagerung - 6 mal gedämpfte Farben sind die eigenen Spektren, die vielen in kräftigen Farben in der Mitte die Referenzspektren von Acetaldehyd (hier mit linearer Absorptionsachse):

Bild
Quelle für Referenzspektren: Keller-Rudek, H. et al. - CH3CHO_lin.jpg von http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... CH3CHO.spc

(Die Wellenlängen-Achsen passen zwar in der Mitte zusammen, am Rand gibt es aber Abweichungen. Grund ist wahrscheinlich das Abphotographieren vom Röhrenmonitor. Da es hier aber vor allem um die Mitte geht, sollte das nicht stören.)
Festzustellen sind zunächst Differenzen zu den 290 nm beim Maximum. Am stärksten ist die Abweichung beim intensivsten Mischungsspektrum (grau oben, 157 min). Diese 3 nm Abweichung sind aber keine Störung durch das Abphotographieren - die 287 nm habe ich auch schon mit der Software abgelesen gehabt. Beim zweiten Mischungsspektrum (graugrün Mitte, 146 min) liegt das Maximum bei 288 nm - nur noch 2 nm Abweichung. Bei den unteren Mischungsspektren ist - vor allem in der hier nicht gezeigten Vergrößerung - ein etwas verrauschtes Maximum bei 290 nm zu erkennen. Das spricht also für Acetaldehyd plus eine oder mehrere weitere, bei etwas kleineren Wellenlängen absorbierende Substanzen. Und eher gegen eine falsche Wellenlängen-Kalibrierung. Ein Kandidat für die zweite Carbonyl-Verbindung wäre Methylethylketon / Butanon mit Maximum bei 277 nm, das als Vergällungsmittel für Spiritus vorgeschrieben ist. Denkbar wäre auch Aceton um 276 nm aus Isopropanol, der ebenfalls zur Vergällung enthalten sein sollte.
Für eine genauere Auswertung dieser zusammengesetzten Bande brauche ich aber wohl die Rohdaten.

Nehmen wir trotzdem mal an, dass der Acetaldehyd den Hauptteil der Absorption ausmacht: Der Absorptionsquerschnitt bei 290 nm liegt bei (mindestens) 4,6e-20 cm². Das entspräche einer Extinktion von etwa 4,6e-20 cm² * 2,615e20 mol⁻¹ * 0,04 mol l⁻¹ * 1 cm = 0,481 für blanken, idealen gasförmigen Acetaldehyd bei 25 °C und 1 bar. (Einzelheiten zur Berechnung siehe https://illumina-chemie.org/spiritus--gl ... html#72038). Die maximale Absorption in den gemessenen Spektren liegt mit <0,07 weit darunten. D.h. die Bande bei 290 nm könnte leicht allein durch Acetaldehyd erklärt werden. Der Gehalt wäre dann 0,07 / 0,481 = 0,146 also etwa 15 Mol-%, was gleichzeitig der Obergrenze für den möglichen Gehalt an Acetaldehyd entspricht.

--> Maximal 15 Mol-% an Acetaldehyd. Wahrscheinlich ist eine zweite Carbonylverbindung enthalten, die auch um 290 nm absorbiert.
Reosir
Illumina-Mitglied
Beiträge: 156
Registriert: Samstag 23. Juni 2018, 11:13
Wohnort: Süddeutschland

Beitrag von Reosir »

--> Überraschungsgast

Beim - manchmal eher trockenen - Durchgehen möglicher Mischungsbestandteile gibt es jetzt mal eine Überraschung, die bisher keiner von uns erwähnt hat. Interessanterweise ist diese einfache Verbindung sogar im ganzen Forum noch nicht vorgekommen. Aber erstmal der Reihe nach:
Essigsäure konnte als Hauptursache für das stärkste Maximum bei 206 nm hier https://illumina-chemie.org/spiritus--gl ... html#72132 ff. ausgeschlossen werden. Genauso Ethylacetat, welches ebenfalls höchstens untergeordnet zum Maximum beiträgt https://illumina-chemie.org/spiritus--gl ... html#72055 . Aufgrund der ähnlichen Absorptionscharakteristik und Flüchtigkeit sind damit auch die höheren aliphatischen Carbonsäuren und Ester sowie Ameisensäure http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... C(O)OH.spc und die Ameisensäureester http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... )OC2H5.spc ausgeschlossen.
Damit bleibt die Frage, was es denn sonst noch sein könnte. Um 206 nm hat das "Organische Chemie" von Allinger Carbonsäuren, Alkine, konjugierte Diene, Sulfoxide, Benzol und den pi-pi*-Übergang von Carbonylverbindungen. Das "Practical HPLC Method Development" von Snyder hat in dem Bereich CHO, COOH, COOR, C=C-C=C, C=C=C=O soll wahrscheinlich C=C-C=O sein, C=C-C=N, Salpetrigsäureester, Nitrogruppen, Sulfoxide, Thioether, Thioketone sowie Benzol. Die schwefelhaltigen Stoffgruppen würde ich weglassen, da sollte nichts enthalten sein. An Stickstoff würden mit der Info von https://de.wikipedia.org/wiki/Verg%C3%A4llungsmittel
Seit dem 1. Juli 2013 ist zur vollständigen Vergällung von Ethanol EU-einheitlich der Zusatz folgenden Gemisches auf 100 Liter absoluten Ethanols vorgeschrieben:[2]
3 Liter Isopropylalkohol (Propan-2-ol) (IPA),
3 Liter Methylethylketon (Butan-2-on) (MEK) und
1 Gramm Denatoniumbenzoat
... In Deutschland muss dem Alkohol aufgrund dieser Rechtsänderung ab dem 1. August 2017 je 100 Liter Alkohol
1 Liter Isopropylalkohol (Propan-2-ol) (IPA),
1 Liter Methylethylketon (Butan-2-on) (MEK) und
1 Gramm Denatoniumbenzoat (Bitrex)
zugefügt werden ...
aus dem Denatoniumbenzoat mit einem Massenanteil von Stickstoff von 2*14/446,58=6,3% auch nur 0,63 mg/l bzw. 45 µmol/l N im Spiritus enthalten sein. Bei so niedrigen Konzentrationen würden nur starke Absorptionen sichtbar sein, was für die Salpetrigsäureester, Nitroverbindungen und C=C-C=N zutreffen würde. Aus Bitrex könnten bei der Pyrolyse auch andere Aromaten entstehen.

Es bleiben also diese Kandidaten:
Alkine
konjugierte Diene
Aromaten
Carbonylverbindungen
C=C-C=N
Salpetrigsäureester
Nitrogruppen

Salpetrigsäureester absorbieren wie Methylnitrit http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... CH3ONO.spc eher über 215 nm und haben weitere Banden um 350 nm. Passen also nicht.
Nitroalkane wie Nitromethan absorbieren stark im richtigen Bereich, aber die verfügbaren Gasphasenspektren weichen untereinander zu stark ab um als Bestätigung verwendet werden zu können: http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... CH3NO2.spc . Die Entstehung aus Denatoniumbenzoat (quartäres Ammoniumsalz und Amid) kann ich mir aber ohne Sauerstoffzufuhr eher schwer vorstellen.

Acetylen als hier noch am ehesten zu erwartendes Alkin absorbiert nach http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... s/C2H2.spc in Form einer sehr breiten Bande, die von 220 bis 190 nm immer nur weiter ansteigt ohne ausgeprägtes dazwischenliegendes Maximum. Passt von der Form her also nicht für das Maximum, könnte aber trotzdem auch enthalten sein.
Bei Benzol und substituierten Benzolen wären zusätzlich mehrere Banden im Bereich um 250 nm zu erwarten, die fehlen: http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... l/C6H6.spc .
Das einfachste konjugierte Dien 1,3-Butadien würde in dem Bereich absorbieren, allerdings mit einer starken Feinstruktur, während meine Bande ziemlich glatt ist. Das hätte ich selbst mit meiner Bandbreite von 6 nm sehen müssen: http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... CH=CH2.spc . Die Derivate mit mehr Alkylketten absorbieren bei noch höheren - zu hohen - Wellenlängen.
Acetaldehyd selbst hat seinen pi->pi*-Übergang bei niedrigeren Wellenlängen unter 200 nm und kommt damit auch nicht in Frage: https://illumina-chemie.org/spiritus--gl ... html#72221 . Ähnlich sieht es für die höheren aliphatischen Aldehyde aus. Formaldehyd absorbiert ganz anders mit mehreren Banden von 300 bis 340 nm, die es bei mir nicht gibt, und ist damit auch raus: http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... )/CH2O.spc
Wesentlich besser passen die α,β-ungesättigten Carbonylverbindungen mit einem Maximum des pi->pi*-Übergang um 200 nm. Von denen liegt mit 204 nm der Crotonaldehyd / trans-2-Butenal besonders nah an meinen 206 nm:
Bild
Quelle Referenzspektrum (rot): Keller-Rudek, H. et al. - CH3CH=CHCHO_VUV_lin.jpg von http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... =CHCHO.spc

Die Bildung von Crotonaldehyd aus Ethanol ist dabei über Acetaldehyd und dessen Aldolkondensation plausibel. Mit einem Siedepunkt von 102 °C ist er auch ausreichend flüchtig um in der Gasphase aufzutauchen.
Nehmen wir mal an, dass der Crotonaldehyd den Hauptteil der Absorption bei 206 nm ausmacht: Sein Absorptionsquerschnitt beim Maximum bei 204 nm liegt bei 6e-17 cm². Das entspräche einer Extinktion von etwa 6e-17 cm² * 2,615e20 mol⁻¹ * 0,04 mol l⁻¹ * 1 cm = 628 für blanken, idealen, massiv übersättigten Crotonaldehyddampf bei 25 °C und 1 bar. (Einzelheiten zur Berechnung siehe https://illumina-chemie.org/spiritus--gl ... html#72038). Die maximale Absorption in den gemessenen Spektren liegt mit 0,76 weit darunter. D.h. die Bande bei 206 nm könnte leicht allein durch Crotonaldehyd erklärt werden, bis auf die 2 nm Differenz. Der Gehalt wäre dann 0,76 / 628 = 1,2e-3 also 0,12 Mol-%, was gleichzeitig die Obergrenze für den möglichen Gehalt an Crotonaldehyd wäre.
Dass höchstens wenig Crotonaldehyd enthalten ist, ist hier vorläufig eher von Vorteil, bei einem schweizer MAK-Wert von 0,34 ml·m⁻³ https://www.bag.admin.ch/dam/bag/en/dok ... z-2016.pdf . Wobei es die Schweizer im Gegensatz zu http://gestis.itrust.de/nxt/gateway.dll ... lt.htm$3.0 gerade nicht als mutagen oder krebserregend eingestuft haben. Den MAK-Wert könnte ich mit 0,34 ml/m³ / 1,2e-3 = 0,28 l/m³ oder 0,028 Vol.-% meiner Gasmischung erreichen. Anders ausgedrückt: Die bis zu 1 ml/s Mischung entsprechen bis zu 1,2e-3 ml/s oder 0,072 ml/min Crotonaldehyddampf. Um den MAK-Wert einzuhalten müsste die Mischung also mit 0,072 ml/min | 0,34 ml/m³ = 0,21 m³/min verdünnt werden. Ist bei etwas Wind und Abstand kein Problem, das Verbrennen des überschüssigen Gases ist aber noch besser. Der Hauptteil des Crotonaldehyds sollte allerdings im flüssigen Rückstand der Pyrolyse enthalten sein.
Crotonaldehyd hätte noch eine weitere Bande bei 330 nm, allerdings mit einer Intensität von nur etwa 0,1% der Bande bei 204 nm. D.h. bei meiner Mischung wäre eine Extinktion von bis zu 0,76*0,1% = 0,00076 zu erwarten. Die wäre nicht mehr messbar und da ist auch im Spektrum nichts zu sehen.
Crotonaldehyd könnte mit Aminen aus dem Denatonium dann theoretisch auch zu α,β-ungesättigten Schiffschen Basen mit Grundgerüst C=C-C=N reagieren. Allerdings wäre das dann eine Reaktion zwischen zwei nur in niedriger Konzentration enthaltenen Bestandteilen.

--> Wahrscheinlich leisten bis zu 0,12 % trans-2-Butenal den Hauptbeitrag für die stärkste Bande bei 206 nm
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4349
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Beitrag von mgritsch »

Reosir hat geschrieben:
Seit dem 1. Juli 2013 ist zur vollständigen Vergällung von Ethanol EU-einheitlich der Zusatz folgenden Gemisches auf 100 Liter absoluten Ethanols vorgeschrieben:[2]
3 Liter Isopropylalkohol (Propan-2-ol) (IPA),
3 Liter Methylethylketon (Butan-2-on) (MEK) und
1 Gramm Denatoniumbenzoat
... In Deutschland muss dem Alkohol aufgrund dieser Rechtsänderung ab dem 1. August 2017 je 100 Liter Alkohol
1 Liter Isopropylalkohol (Propan-2-ol) (IPA),
1 Liter Methylethylketon (Butan-2-on) (MEK) und
1 Gramm Denatoniumbenzoat (Bitrex)
zugefügt werden ...
Nebenbemerkung dazu: ich wüsste manchmal ganz gern welchen Spiritus ich jetzt habe, den EU-Sprit mit 6% Verunreinigung oder den Deutschen mit 2%?
Evtl sollte ich mir mal ein bisschen MEK kaufen und colorimetrisch nach Zimmermann mal vergleichen.
Und was mich wundert - wie kann nationales Recht einen geringeren Standard als EU-Recht festlegen?
--> Wahrscheinlich leisten bis zu 0,12 % trans-2-Butenal den Hauptbeitrag für die stärkste Bande bei 206 nm
so ein langer Spannungsbogen und dann war es eine Spurenkomponente :) Was für ein cliffhanger...
Was ist jetzt in Summe deine bisherige Zusammensetzungs-Schätzung?

Bei allen Komponenten die bei RT flüssig sind (außer Alkohol) habe ich wegen der Flüssig-Phase in der sie isch lösen würden starke Zweifel wieviel sie in der Gasphase ausmachen könnten... Hast du keine Möglichkeit das Gasgemisch mal vorher (kalt) zu waschen bevor du es spektroskopierst um wirklich den rein bei STP gasförmigen Anteil sehen zu können (in dem dann Kandidaten wie Crotonaldehyd, Essigsäure etc ausgeschlossen wären...)?

Oder wie wäre es wenn du mit deinem Equipment unter deinen Messbedingungen die Edukte bzw Reinstoffe der vermuteten Produkte mal vermisst, dann hast du deine eigenen Referenzspektren und musst nicht von publizierten Absorptionsquerschnitten hochrechnen... 100% / 1013mBar partialdruck sind bei siedetemperatur herstellbar, wenn du nicht mit Essigsäuredampf etc spielen willst dann könnte man auch Dampfdrücke bei anderen Temperaturen mit Antoine sehr genau errechnen... Ethen zB so: https://illumina-chemie.org/retrosynthese-t476-s420.html
Reosir
Illumina-Mitglied
Beiträge: 156
Registriert: Samstag 23. Juni 2018, 11:13
Wohnort: Süddeutschland

Beitrag von Reosir »

mgritsch hat geschrieben:
Reosir hat geschrieben:
Seit dem 1. Juli 2013 ist zur vollständigen Vergällung von Ethanol EU-einheitlich der Zusatz folgenden Gemisches auf 100 Liter absoluten Ethanols vorgeschrieben: ...
Nebenbemerkung dazu: ich wüsste manchmal ganz gern welchen Spiritus ich jetzt habe, den EU-Sprit mit 6% Verunreinigung oder den Deutschen mit 2%?
Evtl sollte ich mir mal ein bisschen MEK kaufen und colorimetrisch nach Zimmermann mal vergleichen.
Und was mich wundert - wie kann nationales Recht einen geringeren Standard als EU-Recht festlegen?
Die haben diese nationalen Sonderregeln auch in den EU-Gesetzen drin gehabt - dadurch war das - und ist teils - weiter möglich. Nach der letzten Änderung 2017 haben mittlerweile aber eine Menge Länder übereinstimmend die je 1% MEK und Isopropanol:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content ... 32017R1112
I. Gemeinsames Denaturierungsverfahren, das in Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, Malta, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, der Slowakei und Finnland zur vollständigen Denaturierung von Alkohol angewandt wird:

Je Hektoliter absoluten Ethanols:

1,0 Liter Isopropylalkohol,

1,0 Liter Methylethylketon,

1,0 Gramm Denatoniumbenzoat.
Eine Keton-Bestimmung wäre aber trotzdem interessant :D
Schade bei dem Zimmermann ist ja, dass das für jedes Keton anders aussieht und man jedes deshalb als Referenz haben muss. Da wäre eine Idee mittels https://de.wikipedia.org/wiki/Meerwein- ... -Reduktion alle reagierenden Aldehyde und Ketone in Aceton umzuwandeln, abzudestillieren und damit dann den Zimmermann. Das wäre für nur eine MEK-Bestimmung vielleicht bisschen viel Aufwand ;) Andererseits wäre eine allgemeine quantitative Farbreaktion auf Carbonylverbindungen vielseitig einsetzbar.
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4349
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Beitrag von mgritsch »

Reosir hat geschrieben:Schade bei dem Zimmermann ist ja, dass das für jedes Keton anders aussieht und man jedes deshalb als Referenz haben muss.
ist für Allerweltsketone wie MEK nicht weiter schlimm die es für ein paar EUR pro Liter gibt... für grobe Abschätzungen (und vielleicht ist der Faktor 3 zwischen 1 und 3 % schon genug?) würden Farbunterschiede vielleicht nicht mal so viel stören, am Ende wird es eh immer mehr oder weniger rotbraun und die Frage ist nur wie dunkel...
Da wäre eine Idee mittels https://de.wikipedia.org/wiki/Meerwein- ... -Reduktion alle reagierenden Aldehyde und Ketone in Aceton umzuwandeln, abzudestillieren und damit dann den Zimmermann. Das wäre für nur eine MEK-Bestimmung vielleicht bisschen viel Aufwand ;) Andererseits wäre eine allgemeine quantitative Farbreaktion auf Carbonylverbindungen vielseitig einsetzbar.
also das ist vermutlich in jeder Hinsicht nicht die bessere Idee :)
- Aluminiumisopropanolat ist etwas aufwendig herzustellen (abs. iProp, lange kochen bis sich das Al löst)
- "Leicht enolisierbare Aldehyde und Ketone, β-Ketoester und β-Diketone lassen sich nicht mit der Meerwein-Ponndorf-Verley-Reduktion reduzieren" -> das sind just die mit acidem H, also die Paradekandidaten für Zimmermann
- Gleichgewicht = keine quant. Umsetzung, vermutlich stark matrixabhängige Ausbeute...
- du willst 1% Aceton aus EtOH quantitativ herausdestillieren? Die Kolonne schau ich mir an :) und wie du Produktverluste an Aceton in quantitativ brauchbarem Ausmaß verhinderst...
- am Ende musst du doch wieder die gleiche colorimetrische / photometrische Messung machen, der einzige "Vorteil" ist dass du a) auf Aceton als Allerwelts-Referenz zurückgreifen kannst b) einen Summenparameter besser bestimmen kannst wenn mehrere Ketone in unbekannter Mischung vorliegen würden (die aber nicht "leicht enolisierbar" sein dürfen)

In Summe also eher eine chemische Rube-Goldberg-Maschine mit einer speziellen Nischensinnhaftigkeit :)

Da würde ich mir eher das Referenz-Keton zu synthetisieren suchen.
Reosir
Illumina-Mitglied
Beiträge: 156
Registriert: Samstag 23. Juni 2018, 11:13
Wohnort: Süddeutschland

Beitrag von Reosir »

mgritsch hat geschrieben:
Da wäre eine Idee mittels https://de.wikipedia.org/wiki/Meerwein- ... -Reduktion alle reagierenden Aldehyde und Ketone in Aceton umzuwandeln, abzudestillieren und damit dann den Zimmermann. Das wäre für nur eine MEK-Bestimmung vielleicht bisschen viel Aufwand ;) Andererseits wäre eine allgemeine quantitative Farbreaktion auf Carbonylverbindungen vielseitig einsetzbar.
also das ist vermutlich in jeder Hinsicht nicht die bessere Idee :)
Für die von dir aufgezählten Gegenargumente gäbe es mehr oder weniger gute Möglichkeiten die zu umgehen (es gibt alternative Katalysatoren, das Gleichgewicht wird durch das Abdestillieren verschoben, mit abdestilliertes EtOH/iPrOH sollte nicht stören, bei den stark sauren Carbonylverbindungen wären die anderen Katalysatoren vielleicht geeigneter ...). Mir ist aber mittlerweile ein viel schwerwiegenderer Einwand eingefallen: Jedes Oxidationsmittel, das Isopropanol - wenn auch nur in kleinem Umfang - zu Aceton oxidieren kann (vielleicht sogar Luftsauerstoff), täuscht Carbonylverbindung vor.
(Bei Interesse könntest du die zwei oder drei Beiträge von hier auch zum Zimmermann-Thema verschieben lassen.)
Reosir
Illumina-Mitglied
Beiträge: 156
Registriert: Samstag 23. Juni 2018, 11:13
Wohnort: Süddeutschland

Beitrag von Reosir »

Jetzt mal zu Ethylen, das ich für den Hauptbestandteil der Gasmischung halte. Absorptionen gibt es da leider nur ganz am Rand von meinem Messbereich (blau):
Bild
Quelle: Keller-Rudek, H. et al. - CH2=CH2_110-210nm_log.jpg von http://satellite.mpic.de/spectral_atlas ... H2=CH2.spc

Charakteristisch ist dabei die Feinstruktur mit schmalen Maxima bei 191, 194 und 197 nm (blau gestrichelt). Die kann ich aber mit der bisherigen Bandbreite von 6 nm nicht sehen - da würde sich ein Umbau des Spektrometers wirklich lohnen. Einfacher und ähnlich nützlich könnte eine kleine Erweiterung des Messbereichs sein: schon bei 185 nm liegt der Absorptionsquerschnitt etwa beim Zehnfachen von 190 nm. Das wäre vor allem deshalb hilfreich, weil Ethanol in dem Gebiet auch absorbiert: https://illumina-chemie.org/spiritus--gl ... html#72156

Der Absorptionsquerschnitt von Ethylen bei 190 nm liegt bei 4,0e-20 cm². Durch den steilen Anstieg dort und die im Verhältnis große Bandbreite ist es nötig, auch die Umgebung einzubeziehen. Eine normale Mittelwertbildung reicht da nicht: Der Mittelwert muss auf der Intensitätsebene, nicht auf der logarithmierten Extinktionsebene gebildet werden. Außerdem hat die spektrale Intensitätsverteilung eines Detektors üblicherweise eine Gaußverteilung, mit der die Intensitäten gewichtet werden sollten. Hier ist die Intensitätsverteilung allerdings nicht ganz so klar, weil es um den Rand des Emissionsbereichs der Deuteriumlampe geht.
Das Spannende an solchen gemittelten Extinktionen ist, dass dafür Bouguer-Lambert-Beer nicht gilt, sondern nur für monochromatische Strahlung! Das dürfte einer der wichtigeren Gründe dafür sein, dass üblicherweise empfohlen wird, am Maximum einer Bande zu messen. Denn da ändern sich die Extinktionen langsamer als an der Flanke und die Nichtlinearität durch das Mitteln ist minimal.
Die Extinktion für monochromatische 190 nm würde 4,0e-20 cm² * 2,615e20 mol⁻¹ * 0,04 mol l⁻¹ * 1 cm = 0,418 für blankes, ideales gasförmiges Ethylen bei 25 °C und 1 bar betragen. (Einzelheiten zur Berechnung siehe https://illumina-chemie.org/spiritus--gl ... html#72038). Mit der in einer Tabellenkalkulation durchgeführten Mittelung der Werte von Orkin et al. (rot) mit einer gaußförmigen Bandbreite von 6 nm (blau) ergibt sich ein Wert von 0,465 und damit 11% mehr. Das Ergebnisspektrum sieht dann so aus (grün):
Bild
Die maximale Extinktion bei 190 nm liegt in den gemessenen Spektren mit 0,7 noch um 51% höher. D.h. die Extinktion bei 190 nm kann nicht allein durch Ethylen erklärt werden und es dürften andere Substanzen ebenfalls dort absorbieren.

Mittlerweile sieht es leider so aus, als wären die zeitaufgelösten Spektren dieses Experiments nach dem Festplatten-Problem tatsächlich nicht mehr zu retten. Die wären aber gerade in dem schwierigeren Fall von Ethylen wichtig, um genauere Auswertungen zu machen. Deshalb werde ich hier erstmal stoppen, bis ich den Messrechner wieder zum Laufen bekommen habe und das Experiment wiederholen kann.
Reosir
Illumina-Mitglied
Beiträge: 156
Registriert: Samstag 23. Juni 2018, 11:13
Wohnort: Süddeutschland

Beitrag von Reosir »

Ich hätte es ja nicht mehr geglaubt: Aber im August bin ich tatsächlich wieder an meine verloren geglaubten UV-Messdaten gekommen :)

Hier jeweils jedes 100ste der insgesamt 7680 Spektren:
Bild
190 - 365 nm mit 1 nm Auflösung und nach Handbuch des "Spectra FOCUS" 6 nm Bandbreite.

Aus der Datendatei namens "DAUERUV3,INJ1.CSV":
  • Start Time: 0.000 min
    End Time: 239.969 min
    Scan Interval: 0.031 min
    Scan Interval: 1.875 sec
    Scan Interval: 4500 ticks

    NOTE: All absorbance values in mV (mAU)
Zwar konnte ich die Datenpartition wieder herstellen, aber das OS/2 lässt sich noch nicht booten. D. h. neue Messungen kann ich bisher nicht machen.

Nachdem die Daten also wieder da waren, habe ich mit dem Auswerten angefangen. Ist allerdings nicht so einfach.
Hat jemand Erfahrung mit Chemometrie von UV-Spektren? Also etwa Richtung Faktoranalyse oder sonstige multivariate Methoden?
Antworten