Synthesen die nicht ganz plangemäß verlaufen...

Hier können Erfahrungsberichte zu Experimenten auch formlos geschrieben werden.

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mgritsch
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Synthesen die nicht ganz plangemäß verlaufen...

Beitrag von mgritsch »

Manchmal scheinen Synthesen die in diversen Papers veröffentlicht werden zu einfach um wahr zu sein. Und sind es dann leider auch - aus welchem Grund auch immer kommt nicht heraus was versprochen wurde. Vielleicht war die Angabe nicht genau genung und ein Detail hat gefehlt? Während früher ausgiebige und vollständige "Experimental Part"-Kapitel in Publikationen üblich waren, findet man heute meist nur eine Tabelle mit Überblick an welchen Stoffen das getestet wurde und deren Ausbeute, die Arbeitsvorschrift selbst ist eher auf einen Halbsatz mit ein paar Parametern und Abkürzungen beschränkt. Wäre ich Reviewer, ich würde das Paper mangels Nachvollziehbarkeit zurückschicken. Vielleicht ist es aber auch nur mangelndes Geschick des Experimentators oder ein Problem mit einer Ausgangssubstanz? Und ganz vielleicht lag der Fehler auch schon bei den Autoren, mitunter kommt es ja durchaus vor dass Publikationen zurückgezogen werden...

Hier mal eine kleine Sammlung (die sicher mit der Zeit noch wachsen wird):

1) Benzonitril
Unter dem vielversprechenden Titel "Facile Synthesis of Nitriles from Aromatic Aldehydes Using DMSO/I2" Publizieren Gaikwad et.al. in Synthetic Communications, 2007, 37:2, 257-259 eine sehr einfache Prozedur um Aldehyde mit Hydroxylammoniumchlorid in DMSO und etwas Iod als Katalysator bei RT direkt zum Nitril umzuzsetzen. Ich habe den Ansatz der Publikation zwar auf die 10-fache Menge skaliert (10,6 g Benzaldehyd Einsatzmenge), mich sonst aber peinlich genau an die Vorschrift gehalten und die Reaktionszeit auch großzügig auf 24h statt der angegebenen 4 h ausgedehnt, dennoch konnte ich am Ende nur viel Benzaldehyd mit geringen Mengen an (vermutlich) Benzonitril und Benzaldoxim isolieren. Von den 90% Ausbeute weit entfernt.

Nota bene gibt es eine andere ähnliche Publikation (Augustine et.al, SYNLETT, 2011, No. 15, pp 2223–2227) in der die Umsetzung ohne Zugabe von Iod, dafür aber mit 2 Stunden Rühren bei 90° erfolgt, darin auch der Hinweis dass bereits bei 70° die Ausbeute merklich sinkt und bei 25° wäre das Oxim bereits das Hauptprodukt. Wird dann demnächst getestet, hoffentlich mit mehr Erfolg.

2) Lophin-Dimer
Die Synthese von Lophin, ausgehend von Benzil, Benzaldehyd und Ammoniak ist plangemäß und erfolgreich verlaufen - durch DC, Schmelzpunkt und Chemolumineszenz bestätigt. Die Oxidation zum Dimer, das photochrome Eigenschaften hat, sollte geradezu trivial sein - Auflösen in EtOH + KOH, eine relativ verdünnte Lösung von rotem Blutlaugensalz zutropfen (meist in der Kälte empfohlen), absaugen, nachwaschen, fertig. Vorschriften gibt es einige (z.B: hier: M. Pickering, J. Chem. Ed. 1980, 57, 833.), alle lauten recht ähnlich. Trotz dreifachem Anlauf war es mir jedoch bisher nicht vergönnt diese Substanz herzustellen, heraus kam im wesentlichen immer verunreinigtes Lophin, ich habe dann entnervt aufgegeben. Ohne Idee wo der Fehler liegen könnte erscheint mir ein vierter Versuch zwecklos, Substanz wäre ja noch genug da. Die zurückgewonnenen Reste liegen noch herum und werden eines Tages zu einer schönen extragroßen Chemolumineszenz umgesetzt.

3) Linalylacetat
Linaool ist als tertiärer ungesättigter Alkohol gar nicht so leicht zum Ester umzusetzen. Etwas Säure und schon gibt es Umlagerungen zu Geraniol, Neroliol, Ocimenol und Terpineol. Etwas zu wasserentziehend und schon dehydratisiert man zu Terpinolen und Ocimen - um nur ein paar erste mögliche Produkte zu nennen. Als technisch bedeutsame Substanz gibt es natürlich einige Wege wie das doch bewerkstelligt werden kann - oft unter niedrigen Ausbeuten (da großtechnisch bei der Aufarbeitung das unumgesetzte Linalool einfach wieder eingesetzt wird ist das nicht so ein großes Problem und möglicherweise kostengünstiger als andere Verluste oder teure Chemikalien) Umso begeisterter war ich, als ich das Paper "Facile and Efficient Acetylation of Primary Alcohols and Phenols with Acetic Anhydride Catalyzed by Dried Sodium Bicarbonate" fand (Lugemwa et.al, Catalysts 2013, 3, 954-965) in dem ein wahrhaft simpler Ansatz vorgestellt wird. Alkohol, 5-facher molarer Überschuss Essigsäureanhydrid, doppelter molarer Überschuss Natriumhydrogencarbonat, das ganze in Toluol als Lösungsmittel, 24h bei RT rühren. Okay, Linalool ist ein tertiärer und kein primärer Alkohol, aber in der Liste waren auch sekundäre Alkohole mit Ausbeuten >80% genannt und Geraniol als naher (primärer) Verwandter wurde mit 90% Ausbeute (GC yield) gelistet. Was kann also schiefgehen? Testansatz mit 3 ml Linalool, nach 24 Stunden (ohne dass sich erkennbar etwas getan hätte) habe ich eine Probe entnommen, hydrolysiert und DC gemacht - tatsächlich, 100% unverändertes Linaool zurückgewonnen. Nachdem andere Vorschriften auch eine Erwärmung vorsehen um Lianool mit Essigsäureanhydrid umzusetzen versuche ich das nun - und siehe da, bei Erwärmen auf ca 80-90° bilden sich kleine Gasblasen am Hydrogencarbonat, das ist ja schon mal ein gutes Zeichen. Nach ca 2 Stunden zeigt sich folglich auch eine kleine Menge Linalylacetat in der DC. Das ist Grund genug um Hoffnung zu schöpfen - ich lasse die Reaktionsmischung im Abzug auf der Heizplatte unter gelegentlichem Umschütteln stehen, Temperatur ca 90-100°, im 50 ml Erlenmeyerkolben ganz lose mit Kunststoffstopfen verschlossen um die Verdunstung von Toluol in Grenzen zu halten, etwas CO2 entwickelt sich weiterhin langsam. Nach geschätzt gut einer Stunde gibt es auf einmal einen leichten Knall - die Reaktionsmischung befindet sich nun zu ca 90% auf der Decke im Abzug, perfekt kreisrundes Abbild. Sonst weiter kein Schaden, der Stopfen ist abgegangen und es kam zu keinem Glasbruch. Aufstehen, Krönchen richten, weitermachen. Offensichtlich ist die Reaktion zwischen Essigsäureanhydrid und Hydrogencarbonat irgendwann "davongelaufen", auf ein Upscaling oder Widerholung habe ich wohlweislich verzichtet. Vielleicht waren die eingesetzten Reagenzien nicht trocken genug?

Nachtrag: vermutete Ursache für das heftige Durchgehen wäre folgende Kette:
Linalool-OH + Ac2O --> Linalool-OAc + AcOH
AcOH + NaHCO3 --> NaOAc + CO2 + H2O
H2O + Ac2O -> 2 AcOH
dann wieder AcOH + NaHCO3 --> NaOAc + CO2 + H2O...
schöne Kettenreaktion mit Verdoppelung in jedem Schritt, egal wie trocken die Ausgangsstoffe sind. Bei den Bedingungen mit RT im Paper kommt es wohl nicht zu einer ausreichend raschen Hydrolyse des Anhydrids, Erwärmen war dann wohl der entscheidende Faktor.

Ein ähnlicher Ansatz mit trockenem Na2CO3 und ohne Toluol bei dem so etwas nicht auftreten kann war ebenfalls nicht erfolgreich, mangels Umsetzung bzw. ist das heterogene System einfach nicht effizient genug um gebildete Säure rechtzeitig vollständig abzufangen und die Isomerisierung von Linaool zu verhindern.
Bortribromid
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Re: Synthesen die nicht ganz plangemäß verlaufen...

Beitrag von Bortribromid »

Ich kann deine Gedanken nachvollziehen. Manchmal ist es schon seltsam, was so alles veröffentlicht wird, und schwer herauszufinden, wo letztendlich der Fehler liegt.
mgritsch hat geschrieben:3) Linalylacetat
Hast du vielleicht Zugang zu Triethylamin oder Pyridin als Base? Das wäre ja einen Versuch wert.
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Habe da auch meine Erfahrungen gemacht,.. Mit dem guten Vanillylamin. Selbst alte Originalvorschriften haben nach mehrmaligen Versuchen mit teilweise komplett neuen Chemikalien nur NH4Cl geliefert...
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Oh ja! Endlich ein thread in dem man sich über schlechte Versuchsanleitungen auskotzen kann! :twisted:

Ich habe da in der letzten Zeit auch einige schlechte Erfahrungen gemacht! Zum Beispiel mit

Bild

Ich habe 5 g meines kostbaren Dichrochlorids geopfert! Mit Wassser angeteigt entsteht ein kaum rührbarer Brei. Die Kalilauge zugegeben - keine erkennbare Reaktion. Weiter einfach nur ein schwarzgrauer Brei. Ammoniumchlorid zugegeben - immer noch keine sichtbare Veränderung. Alles in den Müll!

Es muss mindestens ein Fehler in der Anleitung sein! Meine Vermutung: Die angegebene Kalilauge ist 10 %ig. Das sind zeimlich genau 10 % der stöchiometrisch benötigten Menge. Wenn da mal nicht ein Komma falsch gesetzt wurde und es 35 ml satt 3,5 ml sein sollen ... Aus dem nicht abreagierten Brei kann man natürlich mit NH4Cl nichts ausfällen - vermutlich muss man filtrieren. Auch die Angabe "reichlich Ammoniumchlorid" ist, naja reichlich ungenau ... Wie kann man bloss so eine Anleitung veröffentlichen!?!
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

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mgritsch
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Re: Synthesen die nicht ganz plangemäß verlaufen...

Beitrag von mgritsch »

Bortribromid hat geschrieben:Hast du vielleicht Zugang zu Triethylamin oder Pyridin als Base? Das wäre ja einen Versuch wert.
Pyridin hat funktioniert, sobald die Aufarbeitung fertig ist dann Artikel. Wollte ich ursprünglich aus geruchlichen Gründen eher vermeiden, lässt sich aber mit verd. HCl gut auswaschen scheint es. Triethylamin ist im Zulauf, werde ich ggfs auch noch testen. Es gibt auch eine quant. Bestimmungsmethode die mit Ac2O/N,N-Dimethylanilin arbeitet - sollte also auch vollständige Umsetzung ergeben. Ich würde es auch gerne schaffen das mit Acetylchlorid zu machen, ist wesentlich reaktiver und sollte schneller gehen. Mit Pyridin alleine wird das aber a) sehr heftig und b) sehr rasch eine dicke unrührbare Pampe von Hydrochlorid, keine Ahnung was für ein Lösungsmittel da optimal wäre...
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben:Oh ja! Endlich ein thread in dem man sich über schlechte Versuchsanleitungen auskotzen kann! :twisted:
willkommen :) ich denke wir haben alle nicht nur Erfolgserlebnisse und oft lernt man aus den Fehlern (anderer) sogar noch mehr...
Es muss mindestens ein Fehler in der Anleitung sein! Meine Vermutung: Die angegebene Kalilauge ist 10 %ig. Das sind zeimlich genau 10 % der stöchiometrisch benötigten Menge. Wenn da mal nicht ein Komma falsch gesetzt wurde und es 35 ml satt 3,5 ml sein sollen ... Aus dem nicht abreagierten Brei kann man natürlich mit NH4Cl nichts ausfällen - vermutlich muss man filtrieren. Auch die Angabe "reichlich Ammoniumchlorid" ist, naja reichlich ungenau ... Wie kann man bloss so eine Anleitung veröffentlichen!?!
jaja, ich verstehe schon... beginnt ja mit "gleicher Konzentration". Gleich wie was? Es könmnte auch gemeint sein "10g KOH mit 10 cm³ Wasser", nicht 10%... Hätte nicht weh getan da eine einfache Zahl hinzuschreiben.
Mein Lieblingsspruch (angeblich von Einstein) ist ja: "If you can't explain it simply, you don't understand it well enough" - Dinge einfach aber präzise und nachvollziehbar zu erklären ist die größte Kunst.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

mgritsch hat geschrieben:Mein Lieblingsspruch (angeblich von Einstein) ist ja: "If you can't explain it simply, you don't understand it well enough" - Dinge einfach aber präzise und nachvollziehbar zu erklären ist die größte Kunst.
Das hat Einstein von mir geklaut :mrgreen: Dieses Gefühl habe ich seit meinen Universitätstagen.
Mutatis mutandis hat mein damaliger Prof in innerer Medizin mal gesagt "es gibt keinen pathophysiologischen Vorgang, den man einem Patienten nicht in einfachen Worten erklären kann". Man muss sich nur die Mühe machen!.
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Xyrofl
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Beitrag von Xyrofl »

Man muss sich halt die Zeit nehmen, alles in einer menschenlesbaren Form zu erklären. Oft tun die Journals so als sei ihr Speicherplatz unbezahlbar teuer und es ist irgendwie modern, alles so weit zu verkürzen, dass es nicht mehr nachvollziehbar ist, als wären Synthesen so trivial, dass es eine Schande ist nach Details zu fragen...
Früher standen da teilweise noch so Absätze dabei, wo der Autor sagt "Dies mag dem Leser undurchsichtig erscheinen, weshalb die Erwägungen, die zu diesem Vorgehen geführt haben im Folgenden erläutert sein", das findet man aber seit über 50 Jahren nicht mehr.

Früher hatten die Menschen wohl mehr Ruhe.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Um hier wieder etwas anzuhängen:

unter dem Titel "A Solvent-Free And Formalin-Free Eschweiler Clarke Methylation For Amines" versprechen Rosenau et.al. in Synthetic Communications, 32:3, 457-466 (2002) eine einfache N-Methylierung von Aminen indem man sie im molaren Verhältnis 1:1:5 mit Paraformaldehyd und Oxalsäure Dihydrat durch Zusammenschmelzen umsetzt. Für eine N,N-Dimethylierung soll dann folglich ein Verhältnis 1:2:10 eingesetzt werden. Es entsteht das Oxalat, durch Umsetzung mit CaO kann dann das freie Amin gewonnen werden.

naja, kann man ja mal mit Anilin probieren, oder?

Fragezeichen Nummero 1 taucht bei den Mengenangaben auf, denn während der Text klar sagt dass für die N,N-Dimethylierung das Verhältnis 1:2:10 einzusetzen sei (was auch plausibel ist - die Methylgruppe stammt aus dem Formaldehyd, Oxalsäure ist das Reduktionsmittel) steht in der berühmten Tabelle mit den vielen getesteten Subtstraten dann unter dem Eintrag für Edukt=Anilin ein Verhältnis von 1:1:5 und als Produkt trotzdem das Dimethylanilin. Auch der experimental part sagt klar "10 mmol of 4a and 50 mmol of 5a were applied per methyl group to be introduced." Was nun? Logik sagt der Text hat recht, also gehen wir auf 1:2:10.

Um läppische 10 ml Anilin umzusetzen braucht das also wenn man die Stöchiometrie durchzieht satte 138 g Oxalsäure-Dihydrat. Das ist eine ganz schön große Menge weiße Kristalle in denen sich ein bisschen Anilin gar leicht verliert, auch kaum rührbar/mischbar. Und speziell das Schmelzen so einer großen Masse ist eine ganz schöne Herausforderung - die Kristallmasse isoliert natürlich perfekt und bei zur Angabe einigermaßen passender Öl-Badtemperatur ist innen auch nach langer Zeit noch alles fest während außen durch Wasserverlust die Oxalsäure schhon wieder fest wird (Das Dihydrat schmilzt bei 101,5°C, wasserfreie Oxalsäure zersetzt sich ab 157°C). Die Angabe "The vessel was closed and heated to 100°C for 1 h, and to 120°C for 10 min" ist also rein paraktisch nicht so leicht zu erreichen.

Am Ende war es dann eine bunt gefleckte Reaktionsmischung die teils geschmolzen war und teils nicht, auf eine Aufarbeitung habe ich wegen Aussichtslosigkeit gleich verzichtet.
Besonders ökonomisch ist dieser gewaltige Reagens-Überschuss ohnehin nicht.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Einen hab ich noch (wieder?) :yeah:

Travis et.al. veröffentlichten 2004 die Publikation "Facile Oxidation of Aldehydes to Acids and Esters with Oxone". Mittlerweile sollte ich schon wissen dass "Facile" meist das Gegenteil von dem bedeutet was man hoffen würde.
Oxone ist tatsächlich ein sehr starkes, nützliches und vielseitiges Oxidationsmittel und man kann es derzeit wieder in jedem Baumarkt in der Poolabteilung kiloweise kaufen. Nicht ganz billig, aber OK.
In wässrigem Aceton oder DMF lassen sich damit Aldehyde schön glatt und sauber bei RT in die Carbonsäure überführen. Und wenn man die Reaktion in Alkohol durchführt, dann bildet sich direkt der Ester. Klingt soweit so gut.

Haken 1: um aus Benzaldehyd in einem Rutsch Methylbenzoat zu machen möge man eine äquimolare Menge Oxone und Aldehyd in MeOH "0,2M" 18h bei RT rühren, das ergibt dann 96% Ausbeute.
Umgerechnet bedeutet das: für 30 ml Benzaldehyd muss man 90,4g Oxone und 1.470 ml MeOH einsetzen! Da haben wir es wieder, Unmengen Reagens, Kanonen auf Spatzen. Geht es vielleicht auch sparsamer? also mal probieren - ein erster Ansatz mit nur 70 ml (immer noch ein fast 6-facher Molarer Überschuss) methanol + 30 ml Benzaldehyd + 91g Oxone ist eine dicke Pampe, Umrühren funktioniert nur mit dem Glasstab. Innerhalb der ersten 1-2 Stunden passiert auch nichts merkliches. Also lassen wir das mal über Nacht stehen - nunja, die Pampe war dann am nächsten Tag noch viel dicker, alles leicht flüchtige war verkocht. Das sieht dann so aus:
Bild
Ergebnis war sehr viel Benzoesäure und ein wenig Ester (Ausbeute vielleicht 30% oder so).

Okay, hätte ich wissen können. Reaktionen die mit Verzögerung anspringen und dann dafür doppelt heftig, das ist scheinbar typisch für Oxone, etwas ähnliches hatte ich schon mal wo es zur Oxidation von Aminen zu Nitroso- und Nitrogruppen benutzt wird. Und die Reduktion der Lösungsmittelmenge die durch Verdünnung moderiert und Wärme aufnehmen kann hat den Rest gegeben.

Also nochmal, nächste Skalierungsstufe wäre dann 300 ml Methanol einzusetzen, entspricht ca 1 M statt der 0,2. Zur Moderation der Reaktion stelle ich das Becherglas diesmal in ein Wasserbad (zusätzliche Wäremkapazität). Und in dem Volumen lässt sich das Oxone auch durch kräftiges Rühren mit dem Magentrührer in Suspension halten. Nach 18h ist das Glas mit der Reaktionsmischung immer noch schön warm, aber insgesamt ist die Rechnung wohl aufgegangen und es ist diesmal nichts verkocht. Nach weitern 24h Stehen tut sich garantiert nichts mehr, alle Feststoffe haben sich gut abgesetzt. Dekantieren, überschüssiges MeOH teils abdestillieren, Bodensatz damit gut nachwaschen, erneut Überschuss (teils) abdestillieren. Idee zur Aufarbeitung: durch Waschen mit einer starken Bisulfit-Lösung sollen Reste an Benzaldehyd ausgewaschen werden. Danach Wäsche mit Na2CO3, trocknen mit CaCl2 und destillieren. Alles soweit so gut, allerdings dürfte das Waschen mit Bisulfit trotz gründlichem und langem Schütteln und Stehen nicht den gewünschten Effekt gebracht haben - bei ziemlich konstant 190° geht eine Mischung aus Benzaldehyd (179°) und Ester (199°) über die mit DNPH auch schön viel Niederschlag gibt. Ausbeute insgesamt mau, Reinigung schwierig.

Gut, ich habe mich (bewusst) nicht an die Bedingungen lt Paper gehalten, aber anderthalb Liter Methanol wollte ich dafür auch nicht gleich verblasen. Über die vorgesehene Aufarbeitung die die versprochenen 96% Ausbeute ergeben soll haben sich die Autoren natürlich auch ausgeschwiegen, klar.
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Naja ich weiß nicht genau was du erwarte hast, aber das sind Experimente die in der regel im µmol bis mmol-Bereich gemacht werden. Es werden als nicht mehr als z.b. ein paar mg eingesetzt und das Volumen der Reaktionsmischung liegt bei evtl 5-10 mL. Das Vereinfacht den Apparativen Aufwand enorm. Ich habe das Paper und die Experimentals nur grob überflogen, finde da aber keine Mengenangaben sondern nur Verhältnisse.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

von einer nützlichen Synthese erwarte ich mir dass ich das auch im Labormaßstab 1-100g einsetzen kann.
Und von einer nützlichen Publikation erwarte ich mir dass sie vollständige Angeben zum Experimental Part enthält und nicht nur "isolated yield" (rate mal wie...)
Meine Erwartungen halt. Ich kann ja mal einen kleinen Ansatz im mmol-Maßstab machen und dann mit DNPH prüfen ob eine vollständige Umsetzung unter seinen Bedingungen erfolgt, das sollte rasch erledigt sein. Wehe es fällt dann etwas aus :)
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Dann hast du definitiv die falschen Erwartungen ;)

Ja, versuch das mal im Kleinen zu redproduzieren, evtl sieht man ja, dass es klappt oder dass sie einfach Mist geschrieben haben.
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Vanadium
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Beitrag von Vanadium »

@mgritsch: Wieso willst du die N-Methylierung nicht nach der normalen Prozedur mit Formaldehyd und Ameisensäure durchführen? Klingt doch ganz entspannt...
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

NI2 hat geschrieben:Dann hast du definitiv die falschen Erwartungen ;)
Kann sein, drum muss ich mir hier alle Publikationen selbst schreiben ;)
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