Hochauflösende Temperaturmessungen (Wärmedurchgang)

Interessante Versuche aus dem Bereich der Physik.

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CD-ROM-LAUFWERK
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Hochauflösende Temperaturmessungen (Wärmedurchgang)

Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Aus Interesse bin ich seit einiger Zeit dabei mir ein hochauflösendes Thermometer mit mehreren Eingängen sowie Datenlogger zu bauen. Ich hatte schon ein gekauftes Thermometer mit 0,0001 K Auflösung - wobei dort 0,001 K realistisch sind, wenn man das Rauschen betrachtet. Bei lange stabilen Temperaturen könnte man durch Mitteln natürlich auch weiter runter kommen, sowas geht außerhalb eines Dewar aber nicht, da die Temperatur sich bei der Auflösung viel(!) zu schnell ändert. Selbst mit Dewar geht das kaum, wenn die Temperaturdifferenzen nicht sehr klein sind (wenige K). Die Temperatur ist da keine Konstante mehr, anders als wenn man etwa ein Quecksilberthermometer anguckt. Sie ist im ständigen "Wandel".

Nun habe ich mit so einem ADC sowie zwei Vishay Z201 Präzisionswiderständen (und noch restliche Bauteile) ein funktionierendes Thermometer. Die Widerstände haben ±0.005% absolute Genauigkeit bei einem Temperaturkoeffizienten (also die Temperaturabhängigkeit des Widerstands) von nur 0.05ppm/K; 20°C Temperaturänderung resultiert in nur 2.5mOhm Änderung bzw. 0.0003°C bei Messung mit Pt1000. Einer hat 2'500 (±0.125 Ohm bzw. 0.013 K Fehler mit Pt1000, jedoch nach Kalibrierung irrelevant) und der andere 1'000 Ohm. Der 2'500 Ohm Widerstand ist die Referenz, es handelt sich um eine ratiometrische Messung (ratiometric measurement). Irgendwelche Ungenauigkeiten etwa bezüglich des ADC oder der Referenzspannung des ADC usw. sind damit egal. Alle Störeinflüsse, die das ganze System beeinflussen, werden so eliminiert. Durch die hohe Stabilität des Widerstand sind die Messwerte damit relativ sehr genau. Für die absolute Genauigkeit muss ich noch eine Kalibrierung durchführen, wo eine (bzw. mehrere) exakt bekannte Temperatur gemessen wird. Dies ist auch mein aktueller Versuch: Ich nutze die Methode des Eisbads (Icepoint), welche im Labor auf 0,0003 K widerholbar ist - in meinem Fall sollten so, unter Verwendung von dest. Wasser und unter Einhaltung von Sauberkeit, Abweichungen unter 0,01 K problemlos möglich sein. Da die "soll" Temperatur all meiner Recherchen nach quasi exakt 0 °C (leicht Druckabhängig) sein sollte, können die Werte auch direkt als absolute °C betrachtet werden.
Die Umrechnung der Widerstandsverhältnisse der Pt1000 Elemente ggü. der 2500 Ohm Referenz erfolgt nach ITS 90, der aktuellen Definition für die Temperatur. Vorläufig noch ohne die Kalibrierung, mit der Annahme, dass sie alle exakt 1000 Ohm bei 0 °C haben - damit habe ich einen absoluten Fehler, da die Pt1000 Elemente natürlich davon abweichen.

Nun habe ich seit einigen Tagen ein 2 L Dewar im Kühlschrank, gefüllt mit einer Eis/Wasser Mischung, und messe die Temperatur mit 2 Pt1000 Elementen. Von den theoretisch 4 differentiellen Eingängen des ADC sind die andern 2 für die Referenz und für den anderen Vishay Z201 mit 1000 Ohm als zusätzliche Kontrolle des bislang unbekannten Messaufbaus. Theoretisch könnte man den Referenz-Widerstand direkt als Spannungs-Referenz des ADC nutzen, jedoch war das bei mir nicht möglich. Vermutlich weil die Versorgungsspannung ggü. ADC nicht isoliert ist. Diese Spannung ist nötig um einen Strom durch die Sensoren zu schicken, damit man den Widerstand messen kann. Mit einem anderen ADC (etwa LTC2983) wäre dies möglich und würde dann einen differentiellen Eingang frei machen und etwas Rechnerei sparen. Dieser wäre aktuell meine erste Wahl, hinterher ist man eben schlauer. Ein entsprechender, fertiger Aufbau des ADC auf einer Platine kostet >100 €. Mit allem drum und dran, quasi steckerfertig zum Anschließen an den PC mit Software usw. kostet es dann 170 €. Da bin ich mit meinem System für vielleicht 50€ natürlich deutlich drunter.

Unten mal ein kleiner Ausschnitt aus dem bisherigen Temperaturverlauf: Man sieht sehr deutlich wann der Kühlschrank läuft. Und das innerhalb eines Dewar der mit Eis/Wasser gefüllt ist. Dabei handelt es sich um einen A+++ Kühlschrank der schon von Haus aus nur sehr geringe Temperaturschwankungen aufweißt (womit Lebensmittel weniger "schwitzen"). Eines ist jetzt klar: Das Bad muss wohl irgendwie gerührt/homogenisiert werden - mit möglichst kleiner Rührleistung. Die Temperatur driftet dabei, 0,004 K bzw. 0.01 K für die 2 Sensoren über 7 Tage, die 1'000 Ohm Kontrolle ist dabei um 0,002 K gedriftet. Vermutlich weil sich eine Wasserschicht bildet und das Eis aufschwimmt. Hier würde ggf. auch irgendwie ein Siphon helfen, der überschüssiges Wasser ablässt - die Eis/Wasser Mischung darf kein überschüssiges Wasser enthalten, es muss immer Wasser+Eis sein. Das ist bei mir nicht gewährleistet.

Was kann man mit sowas nun machen? Das nächste werden vermutlich kalorimetrische Messungen, auch wieder nur zum Spaß. Danach vielleicht Wärmedurchgang meiner Wohnung nach draußen. Ich will auch den Wärmestrom (also die Isolierung) des Dewar charakterisieren. Ein Modell in Excel kann man dann schön mit den Daten füttern und die Modellparameter (Wärmestrahlung, Wärmeleitung, Eigenerwärmung der Pt1000, ...) anpassen. Die Kalibrierung des Kalorimeters ist dabei noch recht simpel, da man über einen Heiz-Widerstand sehr exakt Wärme in das System bringen kann. Hier wäre aber auch wieder eine Durchmischung nötig (und auch zu charakterisieren). Nach meinen ersten Schätzungen sollte der Wärmestrom in den Dewar übrigens in der Größenordnung von 0,1 Watt liegen. Genaueres weiß ich wenn alles Eis geschmolzen ist. Ehrlich gesagt hatte ich früher vom Gefühl her mit einer deutlich besseren Isolation gerechnet, denn immerhin reden wir hier nur von ~4 K Temperaturdifferenz und trotzdem schon ~0,1 Watt! Dabei ist die Wärmestrahlung ~10x größer als die Wärmeleitung von oben her, wo ich das System mit ~4cm Schaumstoff verschlossen habe.
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Glaskocher
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Re: Hochauflösende Temperaturmessungen (Wärmedurchgang)

Beitrag von Glaskocher »

Das ist ein interessantes Experiment. Kann es sein, daß man in der Pt1000-Kurve indirekt das Anspringen des Kühlschrankes ablesen kann? Das wäre die zwangloseste Erklärung für die Schwankungen mit einer ca. 100-minütigen Periode.
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eule
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Re: Hochauflösende Temperaturmessungen (Wärmedurchgang)

Beitrag von eule »

Cooles Experiment.
Was die beobachteten Probleme mit der Messung angeht: Gerade mit so Meßstrippen vom Sensor zur Aiswerteelektronik habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, daß es sehr schwer ist, eine vollständige Abschirmung gegen elektromagnetische Einflüsse hinzubekommen. Da reicht es gerade bei eher schwachen Signalen gerne mal, wenn (wie in deinem Beispiel) sone relativ große induktive Last in der Nähe in Funktion tritt, schon hat man nen unerwünschtes "Rauschen" drauf.
Vllt kannst du mal versuchen, ob das Problem auch mit einem anderen Kühlsystem, wie Peltier (bei deutlich größerem Abstand zu em-Störeinflüssen) der gleiche Fehler auftritt. Wohlgemerkt, nicht als Vorschlag zur Lösung, erstmal zu Ermittlung oder Ausschluß dieser möglichen Störquelle gemeint.

Gruß,
ne Eule
CD-ROM-LAUFWERK
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Re: Hochauflösende Temperaturmessungen (Wärmedurchgang)

Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Kann es sein, daß man in der Pt1000-Kurve indirekt das Anspringen des Kühlschrankes ablesen kann?
Ja. Es zeigt die sich ändernde Kühlschranktemperatur aufgrund dessen Kühlzyklen.
Da reicht es gerade bei eher schwachen Signalen gerne mal, wenn (wie in deinem Beispiel) sone relativ große induktive Last in der Nähe in Funktion tritt, schon hat man nen unerwünschtes "Rauschen" drauf.
Es ist wirklich die Temperatur, die sich ändert. Das ist kein Messrauschen. Dies würde man, wenn, dann noch viel deutlich auf dem Kontroll-Widerstand sehen. Der ist nämlich außen am Kühlschrank allen Einflüssen ausgesetzt, die Sensoren hingegen sind im Kühlschrank durch dessen Stahlwand abgeschirmt. Eine sich mit einer Periode von ~1,8 h pausenlos ändernde EM-Störung wäre ohnehin ziemlich merkwürdig.

Dennoch: Da die beiden Sensoren fertig verkabelt gekauft sind, kann ich nicht (sicher) sagen, ob die 4 Drähe jeweils als paar verdrillt vorliegen. Ich vermute es. Spätestens wenn ich den Kontroll-Widerstand durch einen eigenen Sensor mit geschirmtem, verdrilltem (FTP) Kabel ersetze wäre der Effekt dann auch über die Messleitung deutlich reduziert. Aber wie gesagt, dass hier sind zeitlich ganz andere Dimensionen wo sowas keine Rolle spielt.
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mgritsch
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Re: Hochauflösende Temperaturmessungen (Wärmedurchgang)

Beitrag von mgritsch »

Wow, cool... Präzise (und vor allem: richtige!) Temperaturmessung ist eine Challenge, hat mich auch schon länger beschäftigt...
Hast du mal einen Schaltplan zu dem was du da beschrieben hast, ggfs auch das eine oder andere Foto um den Nachbau zu vereinfachen? :)

Abgesehen vom richtigen "Nullpunkt" und der Auflösung - wie linear (und über welchen Bereich) ist ein Pt1000?
wenn ich auf 0°C kalibriert habe, kann ich dann zuverlässig auch 100 oder 200° messen?
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