Die Schrödingergleichung für den eindimensionalen Fall

Interessante Versuche aus dem Bereich der Physik.

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frankie
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Die Schrödingergleichung für den eindimensionalen Fall

Beitrag von frankie »

Die Schrödingergleichung für den eindimensionalen Fall

In diesem Artikel wird der Versuch unternommen eine der wichtigsten Gleichungen der modernen Wissenschaft, namentlich die Schrödingergleichung, in einer vereinfachten Form, nämlich der Reduktion auf den eindimensionalen und zeitunabhängigen Fall, näher zu bringen und zu lösen. Im folgenden Text wird keine Ableitung oder weiterführende Erklärung zur genannten Gleichung geboten sondern schlicht und einfach die Lösung der von Schrödinger postulierten Gleichung behandelt. Für den genannten Fall handelt es sich dabei mathematisch um eine Differentialgleichung 2. Ordnung. Sie lautet allgemein:

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Dabei ist Ψ(x) die sog. Wellenfunktion, V(x) das Potential, E die Energie des Teilchens und h-quer das reduzierte Plancksche Wirkungsquantum. Für die weitere Behandlung wird angenommen, dass auf das Teilchen (z.B. das Elektron) keine Kraft wirkt und das Potential V daher gleich Null ist. Das nun behandelte Problem ist auch als "Teilchen im Kasten" oder "unendlicher Potentialtopf" bekannt - also ein eindimensionales System in dem sich das Teilchen mit konstanter Geschwindigkeit bewegt und an den Wänden reflektiert wird. Konkreter soll bei unserem Kasten der Länge L folgendes für das Potential gelten:

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Mit dieser Annahme reduziert sich unsere Gleichung zu folgender gewöhnlicher linear homogener Differentialgleichung 2. Ordnung:

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Es gelten dabei nachstehende Randbedingungen: Ψ(0) = 0 und Ψ(L) = 0. Nach der bornschen Wahrscheinlichkeitsinterpretation ist das Betragsquadrat von Ψ(x), also |Ψ|2, die Dichtefunktion für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Da das Teilchen den 1D-Kasten der Länge L nicht verlassen darf gilt stets die Normierungsbedingung:

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Zur Lösung der Differentialgleichung wird nun nach folgenden Algorithmus vorgegangen. Zuerst wird die sog. charakteristische Gleichung aufgestellt

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woraus (ohne Beweis) unter weiterer Annahme, dass der Energieterm stets größer Null ist die allgemeine Lösung für Ψ(x) folgt:

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Unter Zuhilfenahme der Eulerschen Identität exp(ix) = cos(x) + i sin(x) kann diese allgemeine Lösung auch so formuliert werden, wobei A und B noch zu bestimmende Konstanten sind:

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Mit Hilfe der oben stehenden Randbedingungen Ψ(0) = 0 und Ψ(L) = 0 sowie der Normierungsbedingung können A und B nun aufgesucht werden. Wegen Ψ(0) = 0 folgt sofort A = 0 da cos(0) = 1 ist und B ist ungleich Null. Die zweite Bedingung fordert, dass die Wellenfunktion an der Stelle x = L den Wert 0 annimmt; die Sinusfunktion wird unter dieser Bedingung nur null wenn B gleich Null wäre oder der Wurzelausdruck ein vielfaches von π (3,1415…) betröge.

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Mit diesem Wissen gelangen wird zu einer vorläufigen Lösung der Differentialgleichung (B ist weiterhin unbekannt):

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Mit Hilfe der Normierungsbedingung kann jetzt B berechnet werden, es gilt:

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Woraus sofort das Aussehen des konstanten Faktors B abgelesen werden kann:
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Die Lösung der eingangs gezeigten Differentialgleichung unter den gegeben Bedingungen lautet daher:

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Erkenntnis:

Eine wichtige Erkenntnis die aus dem Lösungsprozess (der auf den eindimensionalen zeitunabhängigen Fall reduzierten Schrödingergleichung) gewonnen wurde (und mit welcher der Leser eines jeden Buches zur Allgemeinen Chemie von Anfang an konfrontiert wird) ist diejenige, dass der Energieterm E nur diskrete Werte annehmen kann (mit n>0):

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Graphische Veranschaulichung von Ψ(x) und |Ψ(x)|2:

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Für n=1 (|Ψ(x)|2 rot)

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Für n=2
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Cyanwasserstoff
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Beitrag von Cyanwasserstoff »

Sehr schön! Erinnert mich wieder daran, warum ich so froh bin, das Modul Theorie der chemischen Bindung bestanden und hinter mir zu haben.
"It is arguably true that the tetrapyrrole system is Nature's most remarkable creation."
- Claude Rimington
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Chaoschemiker
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Beitrag von Chaoschemiker »

Cyanwasserstoff hat geschrieben:Sehr schön! Erinnert mich wieder daran, warum ich so froh bin, das Modul Theorie der chemischen Bindung bestanden und hinter mir zu haben.
Geht mir nun endlich auch so...
Irgendwie freue ich mich aber trotzdem sehr, hier so einen Artikel zu sehen.
Gefällt mir!
Anwesenheit sehr wahrscheinlich.

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Wären Maulaffen giftige Gefahrstoffe im Sinne der GefStoffV, könnte man das Gaffen an Privatpersonen durch Personen ohne Sachkunde nach §5 ChemVerbotsV nach §382 StGB bestrafen.
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wirehead
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Beitrag von wirehead »

Oh Mann hät ich nur in der Schule besser aufgepasst...
Xyrofl
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Beitrag von Xyrofl »

(der stark vereinfachten (!) Schrödingergleichung)
Naja das System ist einfach, aber welche Vereinfachungen musste denn die Schrödingergleichung hier erleiden? Die hast du doch exakt gelöst und nicht in vereinfachter Form.
Oh Mann hät ich nur in der Schule besser aufgepasst...
Genau, dann wüsstest du, was du mit einem Teilchen in einem 1-dimensionalen Kasten mit unendlich hohen Wänden anfangen kannst. Oder mit dem Teilchen auf dem 1-dimensionalen Ring, noch viel wertvoller. Die Leute die sich das ausgedacht haben hatten sicher viel Spaß dabei. :thumbsup:
Wenn die Menschen und die Dschinn sich zusammentäten, etwas, das diesem Post gleicht, zustande zu bringen, würde ihnen das nicht gelingen – selbst wenn sie einander helfen würden.
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frankie
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Beitrag von frankie »

Jan hat geschrieben:Sehr schön!
Danke :-D ... ich dachte es wäre mal ne kleine Abwechslung zu den vielen orgastischen Synthesen xD
Xyrofl hat geschrieben:Naja das System ist einfach, aber welche Vereinfachungen musste denn die Schrödingergleichung hier erleiden? Die hast du doch exakt gelöst und nicht in vereinfachter Form.
Ja schon, ich dachte bei dem Satz eher auf die Reduktion der partiellen DGL in (x,y,z,t) auf ein zeitunabhängiges System in (x). Man könnte ja meinen das sei der "Aussagekraft" der Schrödingergleichung abträglich, was aber wie du weißt nicht wirklich der Fall ist.


mfg
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NI2
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Beitrag von NI2 »

ich dachte es wäre mal ne kleine Abwechslung zu den vielen orgastischen Synthesen xD
Müssen Jan und ich das als persönlichen Angriff interpretieren? :mrgreen:
IOC

There is no sadder sight in the world than to see a beautiful theory killed by a brutal fact. [T. Huxley]
The pursuit of knowledge is hopeless and eternal. Hooray! [Prof. H. J. Farnsworth]
Trust the rhythm and the rhyme of your own heartbeat. [C. Douglas]
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frankie
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Beitrag von frankie »

1,8-DPOT lässt grüßen :mrgreen: Ich wette wenn ich jetzt um 22:24 noch einen zweiten Artikel schreiben würde, würde einer von euch eine Stunde später kontern xD

Was mir gerade beim im-Web-surfen unter die Augen gekommen ist: das Forum Matroids Matheplanet hat ein Buch herausgebracht, außer dem hat Sebastian einige seiner selbsterworbenen Erkenntnisse veröffentlicht ... wann sind wir eigentlich dran :lol: ?


mfg
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Newclears
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Beitrag von Newclears »

wann sind wir eigentlich dran Laughing ?
Naja, zusammenschmeißen und und z.B. bei BOD ´ne Sammlung rausbringen. Ist weder teuer noch kompliziert
http://www.book-on-demand.de/autoren/verlagsleistungen
"...wie ein Sprecher betont,hat für die Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt Gefahr bestanden."
"...mittlerweile rostet das Miststück..." E.v. Däniken
Karl-Heinz_M
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Beitrag von Karl-Heinz_M »

Wie bereits oben erwähnt:
Im Prinzip kann man durch die Wellenfunktion den Zustand eines Elektrons beschreiben, diese Wellenfunktion hängt dabei von den drei Raumkoordinaten (x,y,z) und der Zeitkoordinate (t) ab und besagt, wie sich die Wellenfunktion mit der Zeit verändert.

Eines sollte aber noch erwähnt sein:
Die Schrödinger-Gleichung beschreibt aber nicht (direkt) die Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Elektronen in sogenannten Atomorbitalen. Diese wurde erst von Born formuliert, dabei gibt der Betrag der Wellenfunktion zum Quadrat die Aufenthaltseahrscheinlichkeiten an.

Die Schrödinger-Gleichung "wäre" realtiv einfach aufgebaut. Auf der einen Seite der Gleichung steht die zeitliche Ableitung der Wellenfunktion, auf der anderen Seite steht der Hamilton-Operator angewendet auf die Wellenfunktion. Der Hamilton-Operator bestimmt die möglichen Energiewerte des zugehörigen physikalischen Systems und dessen zeitliche Entwicklung. Es handelt es sich daher mathematisch um eine Differentialgleichung 2. Ordnung

Leider ist die Schrödinger-Gleichung nur im eindimensionalen, zeitunabhängigen Fall exakt lösbar, für alle anderen Fälle müssen Näherungen eingeführt werden.
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