Mäule-Reaktion

Interessante Versuche aus der Biologie, Biochemie und Biotechnologie.

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Alf
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Mäule-Reaktion

Beitrag von Alf »

Mäule-Reaktion

Die Mäule-Reaktion dient der Unterscheidung von Laubholz (Angiospermen/Bedecktsamern) und Nadelholz (Gymnospermen/Nacktsamern). Die Probe kann an Schnitten für die Beobachtung unter dem Mikroskop durchgeführt werden, oder makroskopisch an der Oberfläche eines frisch abgeschnittenen Zweiges.


Geräte:

Nadelholz (hier: Ast einer Tanne), Laubholz (hier: Ast einer Birke), frisches Rasiermesser, Pinzette, Präpariernadel, Objektträger, Deckglas, Mikroskop


Chemikalien:

Kaliumpermanganat-Lösung 1 % Warnhinweis: cWarnhinweis: n
Salzsäure 20 % Warnhinweis: cWarnhinweis: attn
Ammoniak 9 % Warnhinweis: cWarnhinweis: attn


Durchführung:

Man schneidet mit einer scharfen, frischen Rasierklinge von einem dünnen Ast des zu untersuchenden Gewächses eine hauchdünne Scheibe ab und legt diese auf einen Objektträger. Auf den Schnitt gibt man einen Tropfen einer 1%igen Kaliumpermanganat-Lösung und lässt für 5 Minuten einwirken. Nach 5 Minuten saugt man die Kaliumpermanganat-Lösung vorsichtig am Rand durch ein Taschentuch ab, tropft auf den Schnitt einen Tropfen 20%ige Salzsäure und lässt diese 2 Minuten einwirken. Der Schnitt hat nach der Behandlung mit Kaliumpermanganat eine bräunliche Farbe angenommen, die bei der Behandlung mit Salzsäure verschwindet. Im Anschluss wird die Salzsäure wieder abgesaugt und der Schnitt mit einem Tropfen Wasser gewaschen. Jetzt werden 2 Tropfen 9%ige Ammoniaklösung aufgetropft. Im Falle einer positiven Reaktion, tritt diese sehr schnell ein. Die starke, rosarote Färbung kann auch makroskopisch gut gesehen werden. Für die Betrachtung unter dem Mikroskop saugt man die Ammoniaklösung ab, setzt einen Tropfen Wasser zu und legt ein Deckglas auf.
Man erkennt, dass nicht der gesamte Ast Querschnitt verholzt ist, und nur bei Laubhölzern der verholzte Bereich eine rote Farbe annimmt. Nadelhölzer nehmen bestenfalls zarte Rosatöne an, oder färben sich braun.


Entsorgung:

Alle Lösungen können neutralisiert dem Abwasser zugegeben werden. Feststoffe werden dem Hausmüll beigegeben.


Erklärung:

Holz besteht im wesentlichen aus Lignin, einem Biopolymer das aus Phenylpropanoiden besteht. Die Aromaten enthalten eine Hydroxyl-Gruppe und eine, oder zwei Methoxy-Gruppen. Lignin ist also ein Polymer, das aus verschiedenen phenolischen Makromolekülen besteht und ein dreidimensionales Netzwerk bildet.
Es gibt verschiedene Monomere die sich unbestimmt in alle Raumrichtungen verknüpfen, weshalb es keine eindeutige Lignin-Strukturformel gibt. Der Prozess der Verholzung beschreibt das Einlagern von Lignin in die Zellwände, wodurch die Pflanze ihre Stabilität, vor allem ihre Druckbeständigkeit, erhält.

Lignin enthält die Basisbausteine Cumarylalkohol, Coniferylalkohol und Sinapylalkohol. Abhängig von der Art des Holzes kommen unterschiedliche Monomere vor. So findet man in Nadelhölzern (Coniferen) hauptsächlich Coniferyl-Einheiten mit Guajacylresten. Laubhölzer abwechselnd Guajacylreste und Sinapyl-Elemente mit Syringyl Resten.

Bild Bild Bild

Coniferylalkohol enthält den Guayacylrest, während Sinapylalkohol den Syringylrest enthält.

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Die Mäule-Reaktion basiert auf dem Vorhandensein von Syringyl-Resten. Durch die Behandlung mit Kaliumpermanganat und Salzsäure werden chinoide Strukturen gebildet, wodurch es zur charakteristischen Färbung kommt. Da nur Laubholz Syringyl-Reste in relevanten Mengen enthält, färbt sich nur dieses intensiv rot an. Nadelhölzer nehmen dabei maximal einen sehr zarten Rosaton an, färben sich jedoch meist bräunlich. Die Färbung ist nicht stabil und das Holz entfärbt sich in wenigen Stunden wieder.


Bilder:

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Während die Schnitte mit Kaliumpermanganat Lösung behandelt werden.

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Die Schnitte nach der Zugabe von Ammoniak Lösung. Die Färbung ist auch makroskopisch sichtbar.

Zum Vergleich habe ich jeweils 2 Schnitte von einem Tannenzweig (die nicht sehr gut gelungen sind) und 2 Schnitte vom Ast einer Birke jeweils unterschiedlich gefärbt. Zum Vergleich wurde ein Schnitt des Tannenzweigs und ein Schnitt des Birkenasts mit Astrablau-Fuchsin nach Roeser gefärbt. Dabei färben sich die verholzten Areale durch das Fuchsin rot an und die unverholzten Kompartimente (hauptsächlich Cellulose) färben sich durch Astrablau blau an.

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Birke; Astrablau-Fuchsin nach Roeser

Bild
Tannenzweig; Astrablau-Fuchsin nach Roeser

Man sieht, dass auch die Tanne als Vertreter der Coniferen über verholzte Bereiche verfügt (in rot dargestellt). Diese sind jedoch bei der Mäule-Reaktion ungefärbt (bzw. braun), da sie keine Syringyl-Reste enthalten. Bei der Birke decken sich die roten Bereiche der Astrablau-Fuchsin Färbung mit den roten Bereichen der Mäule-Reaktion.

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Birke; Mäule-Reaktion

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Tannenzweig; Mäule-Reaktion


Literatur:

Bruno P. Kremer: Das große Kosmos Buch der Mikroskopie, 3. Auflage, Stuttgart 2015; Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Sehr cool, gefällt mir was es alles gibt!
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Sehr schöner Versuch! Diese mikrochemische Reaktion war mir neu. Es wäre gut, wenn du noch die Struktur des roten Farbstoffes erklären könntest bzw was bei der Reaktion eigentlich passiert.
Die Strukturformeln müssen noch etwas verhübscht werden. Dazu bekommst du von uns gerne Hilfe (gell Hannes... :angel: ).
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

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Heliumoxid
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Beitrag von Heliumoxid »

Sehr schöner Versuch.

ich kann mich nur @lemmi anschliessen :
Diese mikrochemische Reaktion war mir neu. Es wäre gut, wenn du noch die Struktur des roten Farbstoffes erklären könntest bzw was bei der Reaktion eigentlich passiert.
Bei Heliumoxid, genauer Helium(II)- oxid, handelt es sich um eine Mischung aus Helium(I)- oxid und Helium(III)- oxid. Richtigerweise heisst es somit Helium(I,III)- oxid.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Die Originalpublikation von Mäule (1901) kann man hier einsehen. Interessant bzgl des Mechanismus wäre womöglich diese Publikation, zuder ich leider keinen Zugang habe.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Inzwischen habe ich wenigstens etwas gefunden:

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Vielleicht hat ja jemand Zugriff auf diese Literaturstellen. 8)
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NI2
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Beitrag von NI2 »

... das Paper von 1961 befindet sich seit etwa 40 Minuten in deinem email-Posteingang ;)
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Schon gesehen (und beantwortet). Besten Dank! Leider enthält es keine Informattionen zum Reaktionsablauf. Den haben wohl ausschließlich diue japanischen Arbeitsgruppen studiert.
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Sehr schöner Versuch! :thumbsup: Diese mikrochemische Reaktion kannte ich auch noch nicht.
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Alf
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Beitrag von Alf »

Ich habe trotz langer Recherche leider keinen Reaktionsmechanismus finden können. In allen Quellen dazu wurde man damit abgespeist, dass die Färbung auf die Syringyl-Reste zurückzuführen sei. Die von Lemmi ausgegrabene Erklärung via chinoider Struktur scheint aber einleuchtend zu sein. Danke für diese Ergänzung!
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

[EDIT by lemmi: korrekturgelesen, Formatierung angepasst und verschoben]
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