Blutbildfärbung – Synthese und Analyse des Wright-Farbstoffs

Interessante Versuche aus der Biologie, Biochemie und Biotechnologie.

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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Faszinierend, besten Dank für diese Einblicke in die medizinisch-histologische Hexenküche :)

Altern lassen oder kochen, mit oder ohne Basenzusatz... ja, der Fluka war offensichtlich nur eine Mischung, deine DCs sagen alles. Es scheint aber in der Praxis (?) das eine so gut wie das andere zu funktionieren, und ob der Ausstrich ein bisschen mehr rötlich oder bläulich oder violett ist macht am Ende (hoffentlich?) nur einen ästhetischen Unterschied, oder? Würde man diagnostisch wenn du das selbe Blutbild mit den 3 oder 4 Varianten beurteilst zu einem anderen Ergebnis kommen? Welches Risko von Fehl-Diagnosen könnte sich ergeben wenn ich zB Fluka statt Merck einsetze (weil zB jemand meint das wäre billiger und eines Tages steht nur noch das im Labor...)?
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Naja, das kann schon zu Problemen bei der Diagnostik führen. Ich hatte mal in einem Labor Knochenmarksausstriche, die waren so schlecht gefärbt (blaustichig), daß es wirklich schwierig war, die akute Leukämie zu erkennen, die da vorlag. Aber solche groben Fehler liegen dann in der Regel nicht am speziellen Farbstoff sondern an falschem pH (falscher Puffer), zu kurzer Färbezeit, falscher Vorbehandlung etc.
Etwas diffiziler wird es, wenn eigentlich alles okay aussieht - aber z.B. die neutrophilen Granula nicht gut angefärbt werden. Ob Granulozyten genug Granula anthalten oder nicht, ist für manche Fragestellungen kritisch (z.B. bei MDS). Es gibt dewegen mehrere Regeln, was bei einem gut gefärbten Blutbild alles zu sehen sein muss, die jeder, der das routinemäßig beurteilt, kennt (oder kennen und beachten sollte...).

Die eigentliche Feinzusammensetzung des Farbstoffes spielt eher eine untergeordnete Rolle. Wenn es ein anderer Farbstoff ist, kannn man das durch die Variation des Färbeprotokolls (die Pappenheim-Färbung umfasst 3 Stufen!) ausgleichen. Man muss halt herumprobieren, bis man das passende Färbeprotokoll beisammen hat. Das Problem ist: wer macht sich diese Mühe? Deshalb ist es besser, man hat ein festes Protokoll und bleibt bei demselben Farbstoff.
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mgritsch
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Re: Blutbildfärbung – Synthese und Analyse des Wright-Farbstoffs

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Donnerstag 4. September 2014, 21:44 Der sorgfältig hergestellte und gut lufttrockene (mindestens ½ Stunde) Blutausstrich wird auf eine Färbebrücke gelegt
Im Moment beschäftigt mich gerade das Thema „Blut“ ;)
Was empfiehlst du für den Ausstrich - Blut direkt wie entnommen, mit Gerinnungshemmer oder ohne, oder besser vorher mit isotoner NaCl verdünnt?

Lufttrockenheit genügt oder wie manche empfehlen ein paar mal durch die Flamme ziehen?

Hat mit dem Artikel dann nicht mehr direkt zu tun, aber was kann man mit Hobbymethoden am Plasma noch analysieren? Gesamtprotein photometrisch (zB Bradford) oder Ca mit EDTA Titration fällt mir zB ein… andere Ideen?
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lemmi
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Re: Blutbildfärbung – Synthese und Analyse des Wright-Farbstoffs

Beitrag von lemmi »

Für Blutausstriche kann man sich Blut mit einem gerinnungshemmenden Zusatz (EDTA oder Citrat - Heparin ist ungeeignet, weil es die Färbung stört) abnehmen (lassen) und daraus Ausstriche anfertigen. Man kann sich auch beherzt in den Finger stechen und ein Tröpfchen Kapillarblut auf dem Objektträger ausstreichen. Dabei muss man zügig arbeiten, damit das Blut nicht gerinnt - die Thrombozyten verklumpen bei diesr Ausstrichmethode aber immer. Voriges Verdünnen mit Kochsalzlösung führt zu Artefakten und wird nicht angewandt (bringt auch keine Vorteile).
Anfänger verwenden beim Blutausstrich immer viel zu große Tropfen und der Ausstrich wird zu dick. De benötigte Menge liegt bei unter 5 µl!

Zytologische Ausstriche werden nie hitzefixiert, das macht man nur in der Mikrobiologie. Fixierung geschieht entweder (wie hier gezeigt) durch die Farblösung selbst oder durch Vorfixierung, i.d.R. mit Methanol.

Was kann man im Blutserum untersuchen? Fast alles! Man kann photometrisch Eiweiß nach der Biuretmethode bestimmen, Eisen mit 1,10-Phenanthrolin, Blutzucker mit Pikrinsäure (Methode nach Crecelius und Seifert), Kreatinin ebenfalls mit Pikrinsäure (Methode nach Jaffé) und Ethanol :wink: durch Reduktion von schwefelsaurer Dichromatlösung (nach Wiberg). Von Merck habe ich ein dickes Buch zu "klinisch-chemischen Untersuchungen" von der Mitte des letzten Jahrhunderts im Regal stehen (bin aktuell ca. 1500 km von dem Regal entfernt :)). Wenn dich was Bestimmtes interessiert, kann ich davon gerne ein paar scans machen und Dir schicken. Für die meisten nasschemischen Analysen (Titrationen sind auch dabei) baucht man aber mit diesen alten Methoden ziemlich viel Blut. Nimm Calcium: normaler Gehalt um die 2,5 mM. Wie viel Serum musst Du vorlegen, um einen ablesbaren Verbauch an EDTA-Lösung zu erhalten? Chlorid geht da schon besser (Serum ist rund 0,1M an Chlorid), um Störungen durch Eiweiß zu verhindern muss man das Serum aber vorbehandeln (entweiweißen, soweit ich es im Kopf habe durch Kochen mit HNO3).

Wie gesagt, wenn du Näheres wissen willst erinnere mich in 1 Woche nochmal daran!
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mgritsch
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Re: Blutbildfärbung – Synthese und Analyse des Wright-Farbstoffs

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Dienstag 28. September 2021, 23:32 Vorigen verdünnen mit Kochsalzlösung fürht zu Artefakten und wid nicht angewandt (bringt auch keine Vorteile).
Anfänger verwenden beim Blutausstrich immer viel zu große Tropfen und der Ausstrich wird zu dick. De benötigte Menge liegt bei unter 5 µl!
Erhoffter Vorteil: den Anfängerfehler minimieren ;)
Welche Artefakte verursacht das? Sowas wie hier viewtopic.php?f=59&t=4773 ? Ich dachte isotonisch sollte keine Probleme machen…
Zytologische Ausstriche werden nie hitzefixiert, das macht man nur in der Mikrobiologie.
Alles klar, das hatte ich verwechselt…
Was kann man im Blutserum untersuchen? Fast alles!
Super, dankeschön für die Inputs! Da komme ich beizeiten noch auf dich zurück wenn ich darf :)
Nimm Calcium: normaler Gehalt um die 2,5 mM. Wie viel Serum musst Du vorlegen, um einen ablesbaren Verbauch an EDTA-Lösung zu erhalten?
Davor fürchte ich mich nicht - alles eine Frage der Methode :) siehe viewtopic.php?f=22&t=4883
3 ml Serum, 0,01 M EDTA, somit soll-Verbrauch 0,75 ml, das geht sehr genau.

Schönen Urlaub weiterhin!
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lemmi
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Re: Blutbildfärbung – Synthese und Analyse des Wright-Farbstoffs

Beitrag von lemmi »

Welche Artefakte verursacht das? Sowas wie hier viewtopic.php?f=59&t=477? Ich dachte isotonische sollte keine Probleme machen…
Der link geht nicht :P
Dachte ich auch immer, die schnelle Bildung von Stechapfelformen im Frischptäparat (vor einiger Zeit gings mal hier in einem anderen Thread darum, ich vermute, den wolltest du verlinken) hat mich auch überrascht.
Aber man braucht es wirklich nicht. Mit wenig Übung bekommt man das schnell hin.

EDIT:siehe z.B. hier

Ich finde, die streichen zu schnell aus. Sie lassen den Bluttropfen sich nur z.T. ausbreiten. Einfach noch weniger nehmen! Ideal zum ausstreichen ist ein Objektträger, an dem man die eine Schmalseite etwas verschmälert hat (Ecken abschrägen), damit der Ausstrich nicht die gesamte Breite des Objekttägers einnimmt. Wobei ich im Laufe meines Berufslebens viele Diagnosen einwandfrei auch an solchen Ausstrichen gestellt habe. Wichtiger ist, dass der Ausstrich nicht bis zum Ende des Objektträgers reicht und dort in eine dünne Fahne ausläuft. Der Ausstrich wird da mikroskopiert, wo die Erythrozyten schön nebeneinander liegen und sich nicht überlappen. Hat man eine passende Stelle gefunden, mustert man das Präparat durch mäanderförmiges Verschieben in der Querrichtung durch.
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mgritsch
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Re: Blutbildfärbung – Synthese und Analyse des Wright-Farbstoffs

Beitrag von mgritsch »

Ups, da hat es eine Ziffer abgeschnitten, jetzt geht der Link wieder :) Ja genau, die Stechapfelform. Vermutlich kommt es beim Trocknen zu einer Aufkonzentration die das verursacht.

Das Video ist schon mal hilfreich, ich hätte intuitiv im spitzen Winkel (ziehen) statt im stumpfen (schieben) gestrichen...
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