Betrachtung von Leukozyten

Interessante Versuche aus der Biologie, Biochemie und Biotechnologie.

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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Also, dann löse ich mal auf:
Es handelt sich um eine klassische Pernizöse Anämie. Die Diagnose war anhand deiner Beschreibung, @Platon 58, eigentlich schon so gut wie fertig: hypersegmentierte Granulozyten noch dazu in dieser Größe gibt es praktisch nur bei der Penrniziosa. Dann sind zahlreiche sehr große hyperchrome Erythrozyten im Bild zu sehen - Megalozytose. Und die Poikilozytose mit Thrombozytopenie passt auch dazu.
Eisenmangel passt als DD gar nicht, denn der macht umgekehrt eine Mikrozytose mit hypochromen Erys. Schwangerschaftsanämmie könnte passen - aber welche? Es gibt häufig einen Eisenmangel, der ist es nicht, aber Folsäuremangel macht ein sehr ähnliches Bild, das könnte passen. Knochenmarkschädigung passt, ist aber sehr allgemein - im Grunde ist eine Perniziosa ja auch ein schwerer Knochenmarkschaden durch Cobalaminmangel. Bis zu den Arbeiten des guten Minot sind die Leute ja auch daran gestorben, woher der Name "perniziös" kommt. Heute behandelt das jeder Hausarzt. Thalassämien sind auch mikrozytär und haben keine hypersegmentierten Neutrophilen. Die hereditäre Pyropoikilocytose auch nicht.

Ich hoffe ihr seht mir die akademische Diffentialdiagnose nach- is´ne deformacion professionelle... ich bin nämlich Hämatologe.

Zum Thema Sichelzell-Thalassämie: das klingt verrückt, gibt es aber gar nicht so selten. Da Thalassämieanlagen und Scihelzellgene unabbhängig vonbeinander vererbt werden, kommt beides zusammen vor. Je nach Kombination sind die Patienten entweder ganz asymptomatisch oder ähnlich schwer krank wie mit einer homozygoten Scihelzellanämie.

Grüße

lemmi
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

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platon58
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Beitrag von platon58 »

Jetzt wissen wir, mit wem wir reden. Den faulen Spruch: Ich hab's mir schon gedacht erspare ich jetzt allen. Liegt auch daran, dass die Mikroskopie mit meinem eigentlichen Geschäft, dem blutigen Messer nur sekundär zu tun hat, das ist Hobby. :wink:
Aber die Beschreibung von pathologischen Befunden haben wir eben noch gelernt :thumbsup:
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Hallo,

heute sah ich das folgende Blutbild und dachte ich stelle es euch mal vor. Wie man sieht ist das Foto schon wesentlich weniger professionell, aber worauf es ankommt ist deutlich zu erkennen:

Bild

Dieses Blutbild beweist, daß sein (aktuell gesunder) Besitzer einmal operiert wurde.
Frage: welches Organ wurde entnommen?

(Auflösung folgt am Wochenende)
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Cyanwasserstoff
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Beitrag von Cyanwasserstoff »

Einige der Erythrozyten sehen beschädigt aus, wenn ich mich recht entsinne wäre es normalerweise Aufgabe der Milz, sie auszusondern.
"It is arguably true that the tetrapyrrole system is Nature's most remarkable creation."
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platon58
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Beitrag von platon58 »

Da ich dieses Organ schon mehrfach entfernt habe, werde ich die Mass Bier für den Gewinner brappen :wink: ( Foren-Treffen)
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Irgendwie muss ich mir hier langsam auch ma ein paar Bier verdienen xD
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

EDIT: nee, ich beherrsch mich und löse noch nicht auf...
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frankie
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Beitrag von frankie »

Splenektomie ? ... und in der Mitte des Bildes ein Akanthozyt ?


mfg
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ich sehe schon, das von @platon58 ausgelobte Bier war zu leicht verdient...

Typische Folgeerscheinung einer Milzentfernung ("auf schlau": Splenektomie) im Blutbild sind die sogenannten Howell-Jolly-Körperchen (HJK). Das sind kleine (ca. 1 µm), kugelrunge, violettrot gefärbte Kernreste, die beim Ausstoß des Kernes aus dem Erythrozyten (vor dem Übertritt aus dem Knochenmark in die Blutbahn) gelegentlich zurückbleiben. Sie Werden von der Milz aus dem Ery heraus"gemangelt" wenn dieser das Organ passiert. Ein solches HJK ist in der Bildmitte zu sehen. Darum herum liegen mehgrere Akanthozyten, überalterte Erythrozyten mit deformierter Oberfläche, eine Folge der Lipidalterung in der Membran. Diese sind aber weniger spezifisch und kommen auch bei anderen Erkrankungen mit noch vorhandener Milz vor.

Interessant ist, dass ziemlich wenig funktionierendes Milzgewebe ausreicht um das Blut von HJK frei zu halten. Manchmal wird die Milz aus therapeutischen Gründen entfernt und da kann es passieren, daß eine kleine Nebenmilz übersehen wird. Oder nach einem Unfall mit Milzruptur wird operiert und ein Stückchen des Organs bleibt in der Bauchhöhle zurück und wächst dort wieder an. In beiden Fällen zeigt das Fehlen von HJKs im Blutausstrich, daß die Slenektomie nicht vollständig war.
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platon58
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Beitrag von platon58 »

@lemmi: Schönes Bild, wie aus meinem haematologischen Atlas von Sandoz
Ich sehe schon, das von @platon58 ausgelobte Bier war zu leicht verdient...
Dieses Urteil finde ich jetzt ein wenig hart, denn immerhin handelt es sich hier um medizinisches Fachwissen, das ich in diesem Forum nicht einfach so vorassetzten würde, ganz besonders die HJK. Klar ist, dass sehr viel Wissen über das Internet in kurzer Zeit aquiriert werden kann, aber HJK... Ich muss gestehen, dass die Akanthocytose und der klinische Hinweis für mich die Diagnose ergeben haben. Aber, ich habe wieder etwas zugelegt, so wie unsere Mitstreiter auch :wink: Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass Du bestimmst,
wer die Mass Bier erhalten wird, die ich wie gesagt berappen werde. :thumbsup:
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Beitrag von lemmi »

platon58 hat geschrieben:Dieses Urteil finde ich jetzt ein wenig hart...
Da fühle ich mich missverstanden oder veilleicht habe ich mich nicht richtig ausgedrückt. Ich war nicht enttäuscht sondern im Gegenteil überrascht, wie schnell doch eigentlich alle auf die fehlende Milz gekommen sind. Insofern, finde ich, gibt es nicht "einen Gewinner" den man bennenen müsste. Frankie und HCN lagen richtig, du wusstest es sowieso, I2 hat sich leider nicht festgelegt. Vielleicht hätte ich noch warten sollen ob sich noch mehr beteiligen, aber da kenne ich die "Spielregeln" hier noch nicht gut genug.
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Newclears
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Beitrag von Newclears »

Ich finds klasse! Frag mal den "Bürger auf der Straße" wofür die Milz gut ist. Wird er/sie kaum beantworten können.

p.s.:
Ich hätte auch auf eine demolierte Milz getippt. Lustig ist übrigens in dem Zusammenhang das englische Wort "Spleen" für eine leichte "Macke", da die Milz früher als Emotionsbeeinflussendes Organ definiert war.
"...wie ein Sprecher betont,hat für die Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt Gefahr bestanden."
"...mittlerweile rostet das Miststück..." E.v. Däniken
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Newclears hat geschrieben:Lustig ist übrigens in dem Zusammenhang das englische Wort "Spleen" für eine leichte "Macke", da die Milz früher als Emotionsbeeinflussendes Organ definiert war.
Ich kenne da noch eine andere Erklärung: die Engländer erkrankten in den Kolonien oft an chronischer Malaria ("the fevers"). Wenn sie dann nach Jahren nach England zurückkehrten hatten sie eine vergrößerte Milz (von der Malaria) und hatten zwischenzeitlich Eigenarten entwickelt, die im Mutterland als sonderbar angesehen wurden - dann hatten sie eben einen "spleen"!
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Fluorwasserstoff
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Beitrag von Fluorwasserstoff »

ich weis nicht, ob es auf irgenteiner Seite steht.
Aber ist gereinigtes Blut nicht total ungefährlich?

korrigiert mich bitte wenn ich falsch liege :conf:
Caesiumhydroxid
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Beitrag von Caesiumhydroxid »

Dass das Blut als Biohazard gekennzeichnet wurde liegt daran dass sich in diesem natürlich auch diverse Krankheitserreger etc. befinden könnten...
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