Reinigen von Glasgeräten mit Knabberwasser

Ob Filtrieren, Trocknen, Destillieren: Hier werden alle Vorgehensweisen erklärt.

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Cyanwasserstoff
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Reinigen von Glasgeräten mit Knabberwasser

Beitrag von Cyanwasserstoff »

Reinigen von Glasgeräten mit Knabberwasser

Knabberwasser, chemisch Peroxomonoschwefelsäure, ist ein äußerst starkes Oxidationsmittel und sehr nützlich, um Glasgeräte von fest anhaftenden, oxidierbaren Verschmutzungen (feinverteilter Schwefel, organische Verbindungen, Kohlenstoff) zu befreien.

Geräte:

Glaswanne oder Becherglas, zu reinigendes Gerät

Chemikalien:

Schwefelsäure 96% Warnhinweis: c
Wasserstoffperoxidlösung 30% Warnhinweis: c
Wasser
Natronlauge 10% Warnhinweis: c
----------------------------------------------
Knabberwasser ist stark ätzend und brandfördernd!
Warnhinweis: cWarnhinweis: o

Durchführung:

Die zu reinigenden Glasgeräte (Filtertiegel, Bechergläser, Erlenmeyerkolben etc., ohne Metall- oder Kunststoffteile!) werden in einer Glaswanne oder einem großen Becherglas zur Hälfte mit Wasserstoffperoxid bedeckt. Nun gibt man Schwefelsäure hinzu (am besten im Freien und auf dem Rasen oder in einer größeren Wanne, da das Gemisch stark schäumt und überschäumen könnte). Wenn die Mischung aufgehört hat, Gas zu entwickeln (Kohlenstoffdioxid, Wasserdampf, Sauerstoff, Knabberwasseraerosol (Vorsicht!)) und die Verschmutzungen entfernt sind wird das Knabberwasser in die fünffache Menge kaltes Wasser gegossen, die Geräte entnommen, mit kaltem Wasser gespült und getrocknet.

Entsorgung:

Die wässrige "Knabberwasserlösung" wird neutralisiert und die neutrale Lösung ins Abwasser gegeben.

Erklärung:

Es bildet sich Peroxomonoschwefelsäure:

H2SO4 + H2O2 ---> HSO3(OOH) + H2O

Diese oxidiert organische Verbindungen hauptsächlich zu Kohlenstoffdioxid und Wasser (am Beispiel von 2-Iodo-6-hydroxybenzothiazol, dessen Entfernung in den Bildern zu sehen ist):

2 C7H4NOSI + 35 HSO3(OOH) ---> 14 CO2 + 4 H2O + N2 + 2 SO2 + I2 + 35 H2SO4

Bilder:

Bild
Verschmutzte Nutsche in einem verschmutzten Becherglas, das Wasserstoffperoxid ist hinzugegeben.

Bild
Knabberwasser

Bild
Die gereinigten Geräte
"It is arguably true that the tetrapyrrole system is Nature's most remarkable creation."
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Linus 03
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Frage

Beitrag von Linus 03 »

Hallo ich wollte mir nur sicher gehen ob man das Knabberwasser lagern kann..... Ich glaube das sollte kein Problem darstellen aber wie schon gesagt "sichergehen" :lol:

Die Anleitung ist klasse ich habe schon lange etwas gesucht womit ich "die richtig verrotzten sachen" :D sauber bekomme.
Vielen Dank schon mal im Voraus

Liebe Grüße

Linus
CD-ROM-LAUFWERK
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Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Nein, die/das kann man nicht lagern. Das Wasserstoffperoxid zersetzt sich und es wird Sauerstoff frei.
stibium
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Beitrag von stibium »

Im Extremfall ist Knabberwasser eine prima Alternative zu Königswasser - im Laboralltag nehme ich aber ständig KOH in iPrOH - das reinigt prima - und ist weitaus netter zu handhaben :-)
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Aber es greift mit der Zeit Glas an... Nicht nett für Fritten oder maß-Geräte...
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NI2
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Beitrag von NI2 »

in Maßgeräten hat auch nix zu suchen was derartigen Schmodder hinterlässt, dass Knabberwasser nötig ist.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

NI2 hat geschrieben:in Maßgeräten hat auch nix zu suchen was derartigen Schmodder hinterlässt, dass Knabberwasser nötig ist.
Es muß nicht immer heftiger Schmodder sein. Ein bisschen Fett oder Silikonöl kann beim Handling schon mal verschleppt werden, findet seinen Weg da hinein und die Benetzung ist im A. Hier hilft am besten heftige Behandlung, entweder Chromschwefelsäure oder etwas ökologischer eben Knabberwasser...
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Basisches Permanganat und anschließend HCl.
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Xyrofl
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Beitrag von Xyrofl »

Gegen Fettschmierfilme und Ähnliches haben wir immer "Mucasol" genommen, das ist ein phosphathaltiges Tensidgemisch. Man müsste mal genauer schauen, was für Tenside für sowas am besten sind, aber es gilt halt immer, was man mit Lösemitteln und Tensiden weg bekommt, muss nicht kostspielig durch Reaktionen zersetzt werden.
Lösemittel kann man redestillieren und Tenside sind meistens in starker Verdünnung anzuwenden und daher fast kostenlos.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Mein bevorzugtes Reinigungsmittel ist "Entfetter" aus dem Baumarkt (zur Vorbehandluing bei Lackierungen etc gedacht; auf Wasserbasis, kräftige Dosis alkalischer Tenside). Der ist noch mit fast allem fertig geworden.
Und der Erzfeind der Benetzung ist Silikonöl - perfekt für das Ölbad (bis >300° zu erhitzen ohne dass es raucht oder riecht). Leider kann sich das auch verschleppen und ist auf Glasoberflächen offensichtlich wahnsinnig gut anhaftend. Über Lösungsmittel oder Tenside lacht das nur. Permanganat/HCl könnte ich mal versuchen. Aber sonst spricht ja nichts gegen das gute alte Knabberwasser... weiß nicht warum wir da krampfhaft Alternativen brauchen?
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Visko
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Beitrag von Visko »

Ich habe da mal eine Frage. Wasserstoffperoxid habe ich bis jetzt nämlich noch nicht in irgendeinem Laden gefunden. Aber im Baumarkt gibt es Oxone, also Kaliumperoxomonosulfat, das Kaliumsalz der Peroxymonoschwefelsäure.
Unter dem Namen Oxone oder Caroat wird auch das Triplesalz aus Kaliumperoxomonosulfat, Kaliumhydrogensulfat und Kaliumsulfat 2KHSO5·KHSO4·K2SO4 vertrieben.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kaliumperoxomonosulfat

Könnte man, wenn man das noch mit Schwefelsäure ansäuert, so ein Ersatz für das übliche Knabberwasser haben?

(Ich habe nämlich vor Phenol herzustellen und da wird garantiert eine Menge Verkohlung im Rundkolben übrig bleiben...)
Es ist eine bedeutende und allgemein verbreitete Tatsache, dass Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Ich hatte das ganze Testweise mal probiert und war nicht wirklich begeistert. Hatte glaube Oxon in wenig Wasser angelöst und auf die Fritte gegeben und dann Schwefelsäure drüber (evtl hatte ich auch trocknes, genommen, bin ich nicht ganz sicher). Ein gewisser Reinigungseffekt war da, aber das war nicht Ansatzweise mit Wasserstoffperoxid vergleichbar. Eventuell fehlte einfach das Erhitzen oder es war zu wenig Oxon, da müsste man nochmal ein wenig rumprobieren.

EDIT: Je nach Phenylsynthese glaube ich, dass du da mit alkalischen Lösungen ganz gut was reißen kannst.
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Lithiumoxalat
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Beitrag von Lithiumoxalat »

Eventuell könnte auch Natriumpersulfat (gut erhältlich, als Ätzmittel für Kupfer) und Schwefelsäure funktionieren.
Xyrofl
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Beitrag von Xyrofl »

Das geht nicht nur, das soll zum Entfernen der letzten Reste sogar sehr gut sein, weil es noch ein viel höheres Potential besitzt als das Monopersulfat. Nachteil ist die extreme Salzfracht und in der Folge die schlechte Atomökonomie. Man braucht weit mehr als 1g Persulfat um 1g Schlonz zu oxidieren und je mehr Salze in der Säure gelöst sind, desto schlechter löst sie organischen Schlonz. Eigentlich hat es nur einen Sinn wenn man damit die letzten Reste entfernen will.

Gegen dicken Schlodder sollten zunächst heiße Tensidlösungen eingesetzt werden so gut es geht, oder KOH-Bad und ähnliche Lösungen. Man sollte immer kritisch überlegen, ob die Chemikalien, die man da einsetzt nicht eigentlich zu kostbar sind. Piranha-Lösung ist nicht umsonst. Gute Schwefelsäure ist sowieso etwas schade zum Reinigen wenn es auch basische Tensidgemische wie Mucasol getan hätten.
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Wenn es um letzte Reste geht dann kommt man ach mit KMnO4/KOH und anschließender HCl-Behandlung ganz gut weg... das ist natürlich noch verschwenderischer, aber wenn es um Kolben und Reste geht kann das Helfen, wenn man kein ganzes Bad damit anlegen will. Wir hatten in der Uni so immer unsere Büretten und Pipetten sauer gemacht (dafür war die Lösung in Messzylindern damit man nicht haufenweise Lösung braucht).
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