Einführung in die Duftstoff-Chemosensorik

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Vanadium
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Einführung in die Duftstoff-Chemosensorik

Beitrag von Vanadium »

Kleine Einführung in die Chemosensorik der Duftstoffe


Die Chemosensorik beschäftigt sich mit den chemischen Sinnen des Körpers. Darunter fallen der Geruchs- und der Geschmackssinn, da diese mit speziell strukturierten Rezeptoren selektiv auf gewisse Moleküle und Stoffgruppen reagieren können und Informationen weiterleiten. Im folgenden soll eine kurze Einführung zu diesem Thema gegeben werden, vor allem bezüglich des Geruchssinns.


1. Funktion von Duft- und Geschmacksstoffen:

Geruchsstoffen wird im Alltag oft eine eher geringe Bedeutung zugesprochen, und gegenüber dem Sehen und Hören erscheint einem dieser Sinn als deutlich unwichtiger. Dennoch spielt der Geruchssinn vor allem unterbewusst eine große Rolle. Riechstoffe sind zuständig für die Kommunikation zwischen Spezies einer Art oder verschiedener Arten, und prägen z.B. die Mutter-Kind-Beziehung. Weiterhin stellen sie einen Qualitätsparameter im Umgang mit Lebensmitteln dar und können im Fall von Ungenießbarem einen abstoßenden Effekt erzeugen (z.B. sauer gewordene Milch oder faule Eier). Dieser Mechanismus ist evolutionstechnisch ein deutlicher Anpassungsvorteil, da er vor potentiell letalen Vergiftungen schützt.

In dieser Hinsicht ist auch der Geschmackssinn von herausragender Bedeutung: Im Gegensatz zu süß, sauer, salzig und umami werden die Rezeptoren für den Bittergeschmack teilweise schon bei extrem geringen Konzentrationen mancher Stoffe aktiviert. Da viele Alkaloide in der Natur schon in geringen Mengen tödlich sein können, ist nur so ein optimaler Schutz möglich. Bittergeschmack erzeugt daher nahezu immer eine aversive Reaktion. Eine Ausnahme stellt wie immer der Mensch da. Durch weitergegebenes Wissen sind wir uns der Tatsache bewusst, dass nicht alle bitteren Stoffe uns schaden. Zudem tritt oft ein gewisser Konditionierungs-Effekt auf. So ist Coffein die weltweit am öftesten konsumierte pharmakologische Substanz. Kaffee wird trotz seiner Bitterkeit gerne getrunken, was zum Teil sicherlich an der oft als positiv empfundenen aufputschenden Wirkung des Purinalkaloids liegt.
Der süß und umami Geschmack tritt erst bei höheren "Substratmengen" ein. Süß dient als Indikator für kalorisch verwertbare Zuckerverbindungen, umami erkennt manche Aminosäuren wie Glutamat, Aspartat (Indikator für kalorisch verwertbares Protein) oder DNA-Abbauprodukte wie Inosinmonophosphat. Daraus wird die geringere Empfindlichkeit dieser Rezeptoren erklärbar: Es soll nur ein Reiz ausgelöst werden, wenn Nährstoffe in relevanter Menge vorhanden sind. Die nötige tägliche Zufuhr von Zucker, Proteinen (und Fetten) liegt im 2- bis 3-stelligen Grammbereich, während auf der anderen Seite Alkaloide schon ab einer Menge von ca. 1mg tödlich sein können. Bei sauer und salzig hängt die Bewertung des Reizes von der Konzentration ab: Kleinere Mengen Salze werden zur Aufrechterhaltung des osmotischen Gleichgewichts im Körper gebraucht, daher wird eine leichte Salzigkeit als angenehm bewertet. Dies kehrt sich bei Erhöhung der Konzentration schnell ins Gegenteil um. Ähnliches gilt für den Sauergeschmack.


Auch auf zellulärer Ebene entfalten Duftstoffe oft Wirkung. Der Stoff Bourgeonal, chemisch p-tert-butyl-Phenylpropionaldehyd wie auch das oft in Parfums und anderweitig verwendete Cyclamal (engl. cyclamen aldehyde) erhöhen die Schwimmgeschwindigkeit von Spermien.

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Desweiteren haben Duftstoffe selbstverständlich einen wichtigen hedonischen Aspekt. Sie prägen entscheidend den "Geschmack" (eigentlich Geruch) von Essen. Zum Verfeinern von Gerichten werden daher verschiedenste Gewürze verwendet, die wiederum Riechstoffe enthalten. Auch synthetische Aromastoffe als Zusatz zu Nahrungsmitteln sind gängige Praxis. Hierbei ist zwischen naturidentischen und künstlichen Stoffen zu unterscheiden. Ein naturidentischer Aromastoff wäre beispielsweise Vanillin, welches großtechnisch aus Guijacol hergestellt wird. Künstliche Aromastoffe sind u.a.: Ethylvanillin, Anisylaceton, 6-Methylcumarin und Hydroxycitronellal.
Hiervon abzugrenzen sind die Geschmacksstoffe, die auf die Geschmacksrezeptoren wirken. Oft verwendete und bekannte Vertreter im Alltag sind Natriumchlorid (salzig), Saccharose und andere Zucker (süß), Polyole wie Xylit (süß), verschiedene Süßstoffe wie Aspartat, Cyclamat, Saccharin und Zusatzstoffe wie Glutamat und Inosinmonophosphat (umami), welche z.B. in Maggi vorkommen.


Duftstoffe finden breite Anwendung zur Herstellung von Parfums. Hierbei gelten nicht die strengen Regeln der Lebensmittelzusatzstoffe. Das Spektrum in der Parfümerie reicht von natürlichen ätherischen Ölen, über naturidentische synthetische Stoffe bis hin zu künstlichen Stoffen, welche teilweise auch eine gewisse Toxizität aufweisen können. So sind Moschusketon, Moschusxylol und Moschusambrette giftige aromatische Nitroverbindungen, die einen mit dem natürlichen Moschus vergleichbaren Geruch aufweisen, leider aber teilweise neurotoxisch und potentiell cancerogen sind und deren Verwendung daher stark auf dem Rückmarsch ist.


2. Anatomischer Aufbau des Riechsystems:

Geschmacksstoffe werden auf der Zunge an Geschmacksrezeptoren gebunden, welche wiederum auf Geschmackssinneszellen eingebettet sind. Diese Geschmackssinneszellen sind in den Geschmacksknospen enthalten und letztere liegen auf den Papillen, von welchen es drei verschiedene Varianten gibt.

Riechstoffe können direkt durch die Nase eingeatmet und wahrgenommen werden (orthonasal), es ist aber auch der Zugang über den Rachenraum möglich (retronasal). Der zweite Weg wird vor allem beim Kauen und Schlucken ("swallow breath") bedient, weswegen man im Alltag fälschlicherweise oft von Geschmack spricht. Manche Eigenschaften lassen sich nicht über Geschmack und Geruch beschreiben. Dazu gehören z.B. die Modalitäten Adstringenz (zusammenziehend, tritt auf bei grünem Tee oder Schlehen) oder trigeminale Reize wie sie durch Reizstoffe wie Capsaicin oder Senföle ausgelöst werden. Bei letzteren ist der nervus trigeminus beteiligt.

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In der menschlichen Nase selbst findet man drei übereinander liegende Ebenen, wovon die obere das Riechepithel ist. Dieses besteht zum einen aus den eigentlichen Riechzellen, zudem aber auch aus Stützzellen und Basalzellen. Die Basalzellen sind adulte Stammzellen, die bemerkenswerterweise in der Lage sind, die Riech- und Stützzellen immer wieder im 4-Wochen-Takt zu erneuern.

Die Riechzellen bilden Fortsätze, die in die Nase reichen und Cilien genannt werden. An ihnen können Duftstoffe adsorbiert und transportiert werden. Auf der anderen Seite führt ein langer Nervenfortsatz durch die Siebbeinplatte zu den sog. Glomeruli, welche die Signale weiterverarbeiten und schließlich über die Mitralzellen weiter in tiefere Gehirnregionen weiterleiten.

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Die Duftstoffrezeptoren selbst gehören zur Gruppe der G-Protein gekoppelten Rezeptoren (GPCRs). Diese gehören zur Übergruppe der Membranrezeptoren und werden im Gegensatz zu Ionenkanälen auch als metabotrop bezeichnet, da im Zuge ihrer Aktivierung eine Signalkaskade angestoßen wird, bei der sog. second messenger entstehen, die erst zur Auslöung der biologischen Wirkung führen. GPCRs sind aus einem extrazellulären, einem intrazellulären Teil sowie sieben transmembranen alpha-Helices aufgebaut. Diese Strukturelemente bestehen aus Aminosäuren. Viele andere wichtige Rezeptoren sind GPCRs, beispielsweise muskarinische Acetylcholin-Rezeptoren, Opioidrezeptoren, Histaminrezeptoren usw. Stoffe, die an Rezeptoren binden, werden als Liganden bezeichnet.

Im Falle der Duftstoffrezeptoren kommt es durch die Bindung eines Duftstoffs im aktiven Zentrum des GPCRs zu einer leichten Konformationsänderung ("induced fit" Prinzip), wodurch das am intrazellulären Rezeptorteil gebundene G-Protein Golf (bzw. ein Subteil davon) zusammen mit einem GTP (Guanosintriphosphat) abgelöst wird. Der freigewordene Komplex kann dann die Adenylatzyklase (AC) aktivieren. Die AC ist ein Enzym, das die Umwandlung von Adenosintriphosphat (ATP) zu cyclischem Adenosinmonophosphat (cAMP) katalysiert. Hierbei werden zwei Phosphatreste abgespalten.

Das vermehrt entstehende cAMP bezeichnet man nun als second messenger, d.h. als sekundäres Signalmolekül (primäres wäre der Duftstoff selbst). Es aktiviert einen Kationenkanal, welcher Natrium- und Calciumionen in das Zellinnere transportiert (influx). Gleichzeitig wird ein Chlorid-Ionenkanal gefördert, welcher Cl- nach außen transportiert (efflux). Insgesamt kommt es daher dazu, dass das elektrische Potential der Zelle positiver wird. Im Ruhezustand liegt dieses Potential bei -70mV. Ab einem Wert von etwa -50mV kommt es zur Entstehung von Aktionspotentialen, welche über den Nervenfortsatz weitergeleitet werden. Auf diese Art und Weise kommt das eigentliche Signal zustande.

Wichtig zu wissen ist, dass die alleinige Bindung eines Liganden noch nicht die eben genannte Reaktion auslöst. Man unterscheidet zwischen Agonisten, Partialagonisten, Antagonisten und inversen Agonisten. Agonisten sind Liganden, die durch ihre Bindung die biologische aktive Konformation (räumliche Anordnung) des Rezeptors stabilisieren und somit die Signalkaskade auslösen. Partialagonisten tun dies nur zum Teil, sodass der Rezeptor unterm Strich nur einen Teil seiner theoretisch vollen Aktivität zeigt (meist immer noch mehr als ohne Ligand). Antagonisten binden an den Rezeptor, lösen aber kein Signal aus. Sie können daher auch endogene/körpereigene Stoffe von den Rezeptoren verdrängen. Man spricht von Blockade oder Inhibition. Inverse Agonisten legen den Rezeptor, welcher normalerweise ohne Ligand ein gewissen Maß ein Spontanaktivität zeigt, komplett lahm.
Gerüche können auch durch die Blockade von Rezeptoren ausgelöst werden. Das 2,4,6-Trichloranisol entfaltet seinen sehr potenten, korkig-muffigen Geruch (welcher bei Weinen eine Rolle spielt) über diesen Mechanismus.

Durch die Bedingung, dass der Duftstoff im aktiven Zentrum binden muss, ergibt sich die Schlussfolgerung, dass ähnlich aufgebaute Stoffe an den gleichen oder einen ähnlichen Duftstoffrezeptor binden und daher einen gleichen/ähnlichen Geruchseindruck hervorrufen können. Dies ist aber keinswegs eine feste Regel. Man schätzt, dass das menschliche Genom für ca. 400 verschiedene Duftstoffrezeptoren codiert. Interessant ist, dass jede Riechzelle nur einen bestimmten Subtyp exprimiert. Ein Riechstoff kann selbstverständlich auch an verschiedene Rezeptoren binden, wobei sich aber meist die Affinität unterscheidet. Die Affinität beschreibt die Stärke der Bindung zum Rezeptor und ist umso höher, desto besser das Molekül in die Bindetasche passt und dort durch Wechselwirkungen stabilisiert wird (Wasserstoffbrücken zwischen Molekül und Rezeptor, apolare Wechselwirkung/ Van-der-Waals, Salzbrücke zwischen positiv und negativ geladenen Molekülteilen, Dipol-Dipol-Wechselwirkungen). Nicht zu vernachlässigen sind hierbei entropische Effekte, bei denen vor allem die Hydrathüllen von Duftstoff und Rezeptorprotein entscheidend sind.

Im Fall der Duftstoffrezeptoren hat man auch ein Zinkatom im aktiven Zentrum vorliegen. Dieses 2-fach positiv geladene Metallion kann durch verschiedene Molekülgruppen koordinativ gebunden werden (komplexartig). Eine besonders hohe Affinität besitzen -SH-Gruppen, ebenso Carbonsäuren und Chelatbildner. Dies könnte erklärte, warum Schwefelwasserstoff und Thiole oft eine besonders niedrige Geruchsschwelle haben.


3. Chemie der Duftstoffe:


Geruchsstoffe sind meist relativ unpolare, niedermolekulare (MW < 300) und flüchtige Substanzen. Der genaue Aufbau ist sehr heterogen. Dies ist jedoch kein Widerspruch dazu, dass ähnliche Strukturen oft ähnliche Gerüche ergeben. Oft ergibt sich der Fall, dass vergleichbare Gerüche durch Moleküle entstehen, die absolut kein gemeinsames Strukturmerkmal haben (z.B. Nitromoschus und natürlicher Moschus, welcher L-Muscon enthält).
Es gibt eine immense Variabilität der Geruchsqualitäten. Auch die Potenz von Geruchsstoffen unterscheidet sich stark. Während Stoffe wie z.B. Ethanol erst in einer Konzentration von ca. 1-2% in Wasser wahrgenommen werden können, machen sich andere wie Skatol (3-Methylindol) schon im ppb Bereich bemerkbar.

Duftstoffe enstehen durch verschiedenste Wege. Sie können in Pflanzen und Tieren durch Biosynthese entstehen, beim Abbau von Biomasse durch Bakterien oder bei thermischer Behandlung von Lebensmitteln, wobei u.a. die Maillard-Reaktion abläuft (Rösten von Kaffee, Braten von Fleisch).

In der organischen Chemie gibt es einige Stoffgruppen, mit welchen Duftstoffe kategorisiert werden können. Diese sind: Aldehyde, Ester, Ketone, Ether und Alkohole, Thiole, Thioether, Heterozyklen, Terpene. Diese besitzen meist ein recht großes unpolares Kohlenstoffgerüst, gleichzeitig aber auch eine oder mehrere polare Positionen, die dann oft die Wechselwirkung mit dem Duftstoffrezeptor vermitteln.

In der Parfümerie werden Riechstoffe nach Geruchsklassen und eher nicht nach Struktur eingeteilt. Einteilung von 1952 (Amoore):

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Diese Einteilung wirkt allerdings etwas kontraintuitiv und unvollständig. Vielfach sind sogenannte "fragrance wheels" zu finden, die Duftstoffe grob kategorisieren.


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Character impact compounds: Als impact compounds werden Duftstoffe bezeichnet, die in einem bestimmten Lebensmittel, einer Pflanze, einem Gegenstand usw. zum Großteil für deren charakteristischen Geruch verantwortlich sind. Dies bedeutet, dass man beim Riechen der Verbindung sofort die Assoziation zum "natürlichen Ursprung" herstellt. Der Großteil der Gerüche kann nicht auf eine bestimmte character impact Verbindung zurückgeführt werden, da zuviele Einzelkomponenten den Gesamteindruck erzeugen.
Beispiele für impact compounds sind: Vanillin (Vanilleschote), 1-Octen-3-ol (frisch geschnittene Pilze), L-Muscon (natürlicher Moschus), Menthol (Pfefferminze), (-)-Carvon (Spearmint), Anisaldehyd (Anis).

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Anosmie: Als Anosmie bezeichnet man vollständige oder partielle Fehlen des Geruchssinns. Dieses Symptom kann durch Virusinfektionen, organische Schäden oder durch psychische Krankheiten ausgelöst werden. Weiterhin gibt es oft vorkommende spezielle Anosmien auf bestimmte Duftstoffe. So können beispielsweise Androstenon, beta-Ionon oder 2-Methylbutanal von vielen Menschen nicht gerochen werden.

Adaption: Ähnlich wie bei Rezeptoren im Gehirn, gibt es auch bei den Duftstoffrezeptoren Anpassungsmechanismen, die eine Überstimulation verhindern sollen. Während es bei Neurotransmittern Tage und Wochen dauert bis eine nennenswerte Abstumpfung stattfindet (z.B. Opioidrezeptoren, deren ständige Aktivierung mit exogenen Opioiden eine körperliche Abhängigkeit auslöst), geschieht dies bei Duftstoffen innerhalb von Minuten. Dies ist evolutionstechnisch wichtig: Man sollte wenn möglich nicht über längere Zeit mit einem schon bekanntem Reiz konfrontiert werden, da so evtl. neue Signale nicht mehr erkannt werden können. Biochemisch erfolgt die Adaption durch die Bindung von in die Zelle einströmenden Calcium durch Calmodulin, wodurch ein Komplex gebildet wird: Ca-CalModulin. Dieser Komplex erschwert die Bindung von cAMP an den Natrium-Kalium-Kanal (CNG Kanal) und bremst daher den Influx dieser Ionen. Gleichzeitig aktiviert der Ca-Calmodulin-Komplex die sog. Phosphodiesterase, welche cAMP spaltet. Beide Effekte führen dazu, dass das Binden eines Geruchsstoffes an den Rezeptor im Endeffekt in einer geringeren Signalentstehung resultiert als vor der Adaption.

in-vivo-Bildung von Geruchsstoffen: Beim Verzehr von Nahrung können manche Riechstoffe erst durch Einwirken des Speichels auf Nahrungsbestandteile entstehen. So können durch Speichel innerhalb weniger Sekunden durch entsprechende Enzyme beta-Aminothioether in die entsprechenden Thiole gespalten werden, welche eine sehr niedrige Geruchsschwelle haben.

Metabolisierung in der Nase: In der Nase befinden sich wie anderswo auch viele Enzyme wie das Cyp P450. Dieses Enzym baut Fremdstoffe, aber auch körpereigene Substanzen ab, meist durch Oxidationsreaktionen. Manche Duftstoffe werden in der Nase abgebaut. Es kann aber auch der Fall sein, dass geruchslose oder geruchsschwache Vorläuferverbindungen erst dort durch Abbau in die eigentlich potenten Riechstoffe übergehen. Ein Beispiel ist die O-Demethylierung von 2-Methoxyacetophenon zu 2-OH-Acetophenon, welches ein sehr starkes "bitterliches" Aroma hat. Auch Limonen, beta-Ionon und (E,E)-2,6-Nonadienol werden metabolisiert. Dieses Phänomen könnte auch die sehr subjektive Bewertung von Duftstoffe zwischen unterschiedlichen Menschen erklären. Bei den CYP-Enzymen gibt es sogenannte fast metabolizer sowie non-metabolizer, d.h. die Abbaureaktionen über bestimmte Enzyme sind unterschiedlich ausgeprägt. Auf diese Art und Weise können vermeintlich "gleiche" Substanzen bei verschiedenen Menschen abweichende Geruchseindrücke erzeugen.


Das wars fürs erste! Eventuell erfolgt noch eine kleine Fortsetzung. Demnächst werde ich meinen ersten Teil "Vanilloide Duftstoffe" schreiben!
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eule
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Beitrag von eule »

Schöner Einstieg in ein schönes Thema.
Unendliche Vielfalt in unendlicher Kombination.

Agressiv und feindselig, boshaft, manipulierend und hinterhältig, hämisch, überkritisch, herrschsüchtig und sinnlos brutal, das sind die Primärtugenden, die zusammengenommen Menschen vor allen anderen Spezies auszeichnen.
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Vanadium
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Beitrag von Vanadium »

Jap momentan mein Hauptbeschäftigungsfeld :D
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

So, jetzt hatte ich endlich mal die Muße, das in Ruhe zu lesen :)

Ich finde das Thema auch auch gelungen dargestellt. Riechstoffe sind interessant. Was ich vermisst habe ist ein Bild zum Aufbau der Riechschleimhaut (du schreibst von drei Lagen von Zellen). Und bei der letzten Tabelle verstehe ich den Unterschied zwischen "Repräsentant" und "Qualität" nicht. Ich würde es z.B.logischer finden "Schweiß" als "Qualität" und Buttersäure als "Repäsentant" anzusehen und nicht umgekehrt?

Zur genetischen Verschiedenheit der Wahrnehmung fällt mir noch eine Kuriosität ein. Du schreibst, daß die Geschmackswahrnehmung für "bitter" vor Vergiftungen mit Alkaloiden schützen soll. Strychnin schmeckt bekanntermassen sehr bitter. Katzen haben dagegen offenbar keine Bittewahrnehmung für Strychnin, und so werden in der älteren Literatur zur "Schädlingsbekämpfung" mit Strychnin vergiftete Köder empfohlen, um Katzen zu vertilgen (Hager, 1949). Nun kann man natürlich argumentieren, daß es für Katzen als Fleischfresser evolutionsbiologisch irrelvant ist, vor Vergiftungen mit Bechnüssen geschützt zu sein. Es gibt aber auch bekanntlich Menschen, die Blausäure nicht riechen können - wobei die Geruchswahrnehmung "Bittermandel" eigentlich nicht abstossend wirkt.

Anosmie ist in der Medizin durchaus bedeutend. Sie kommt einmal bei bestimmten neurologischen Krankheiten vor. Zur Testung verwendet man üblicherweise drei Susbstanzen: zwei Riechstoffe (z.B. Vanillin oder Geraniol und Menthol) und einen Reizstoff (Ammoniak oder Essigsäure). Letzterer hilft, eine Trigeminusläsion von einer Olfaktoriusläsion zu unterscheiden. Im praktischen Alltag kann Anosmie ebenfalls ein Thema sein. Bei alleinstehenden Senioren wird z.B empfohlen, auf Anosmie zu achten, da sie u.U. beim Vorliegen einer solchen Gefahr laufen z.B. einen Brand nicht rechtzeitig zu bemerken.

EDIT: habe das mal hierher verschoben - ich finde, da passt es besser hin als in die Spielwiese
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Ich habe mir den Artikel auch mit Interesse zu Gemüte geführt! Ein guter Einstieg, wie ich finde.

Auf die Fortsetzung bin ich gespannt! :wink:
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Vanadium
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Beitrag von Vanadium »

Danke!
Was ich vermisst habe ist ein Bild zum Aufbau der Riechschleimhaut (du schreibst von drei Lagen von Zellen).
Ich wollte noch eine schöne horizontale Skizze suchen, habe sie aber leider nicht gefunden. Dann muss ich wohl die andere einfügen! :D
Und bei der letzten Tabelle verstehe ich den Unterschied zwischen "Repräsentant" und "Qualität" nicht. Ich würde es z.B.logischer finden "Schweiß" als "Qualität" und Buttersäure als "Repäsentant" anzusehen und nicht umgekehrt?
Da gebe ich dir auch recht. Die ersten drei Zellen sind verständlich, der Rest wirkt "vertauscht". Finde die Tabelle aber nicht optimal und bin noch auf der Suche nach einem schönen Kreisdiagramm für verschiedene Aromarichtungen. :D

Zu der Sache mit dem Strychnin und den Katzen: Da denke ich ebenso, dass es für die Katzen einfach nicht relevant gewesen sein wird. Außerdem: Ich weiß ja nicht wo es Brechnüsse überall gibt, vllt. ist hat das auch einen geographischen Grund?

Blausäure ist ja in vielen Kernobst-Sorten in kleinen Mengen enthalten, der Mensch hat die nötige Enzymausstattung ausgebildet um kleine Mengen kontinuierlich ohne größere Schäden aufnehmen zu können. Und ja, der Geruch ist nicht explizit abschreckend. Aber woran diese genetische Komponente für Blausäure-Wahrnehmung jetzt genau liegt- keine Ahnung! :D

Übrigens ist der Bittergeschmackrezeptor nicht nur der empfindlichste, sondern auch der variabelste. Von ihm gibt es die meisten Polymorphismen, die sich auch geographisch unterscheiden. Man konnte auch schon zeigen, dass in bestimmten Regionen die Ausbildung der Bitterrezeptoren mit den dort vorherrschenden Ernährungsgewohnheiten verknüpft ist (z.B. dass bitteres dort als weniger bitter wahrgenommen wird).

Und noch ein fun fact: Im Gegensatz zu fast allen Bitterstoffen, welche mit einem Membranrezeptor ähnlich wie beim Geruch wechselwirken, können Xanthinalkaloide wie Coffein direkt durch die Zellmembran diffundieren und üben ihre Bitterkeit "direkt" aus.
Anosmie ist in der Medizin durchaus bedeutend. Sie kommt einmal bei bestimmten neurologischen Krankheiten vor. Zur Testung verwendet man üblicherweise drei Susbstanzen: zwei Riechstoffe (z.B. Vanillin oder Geraniol und Menthol) und einen Reizstoff (Ammoniak oder Essigsäure). Letzterer hilft, eine Trigeminusläsion von einer Olfaktoriusläsion zu unterscheiden.
Jap! Es ist interessant, wie viele Empfindungen dem Trigeminus zugeordnet werden!

Ich habe mir den Artikel auch mit Interesse zu Gemüte geführt! Ein guter Einstieg, wie ich finde.

Auf die Fortsetzung bin ich gespannt!

Danke dir! Very Happy Dieser Artikel wird vermutlich nach unten noch ein wenig ergänzt. Die nächsten Posts/Artikel zum Thema Duftstoffe werden sich dann vermutlich schon um Vanillin drehen, da in diese Richtung ja auch meine momentanen Synthesen gehen!
Sharam
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Beitrag von Sharam »

Ich kann mich den anderen nur anschließen, schöner Artikel.
Was mich noch im Besonderen interssiert ist, weshalb (soweit mir bekannt) die meisten Menschen Benzaldehyd, aber nur wenige HCN wahrnehmen können? In einem Schülerpraktikum hatte ein Tischnachbar mal eine Fritte, befleckt durch Berliner Blau, mit konz. Schwefelsäure ausgewaschen und lediglich ich konnte es riechen...scheint ja ziemlich häufig nicht wahrgenommen zu werden
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ich hatte mal bei der Analyse von bitteren Mandeln die Gelgenheit, Benzaldehyd und Cyanwasserstoff direkt miteinander zu vergleichen und fand es doch deutlich unterscheidlich. Wobei es da sein könnte, daß der Unterscheid evtl daher rührt, daß ich doch Spuren von Benzaldehyd gerochen und der HCN eine Trigeminusreizung hervorgerufen hat. (An purem HCN zu riechen habe ich mich noch nicht getraut...)
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Cumarinderivat
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Beitrag von Cumarinderivat »

Jetzt hab ich es auch endlich mal geschafft, den Artikel zu lesen :D . Sehr lesenswert! Ich hab einiges interessantes dabei gelernt.

Eine Korrektur hätte ich allerdings noch. Du schreibst bei den Character Impact Compounds, dass Carvon nach Spearmint riecht. Ich würde dich bitten, dass zu (-)-Carvon zu korrigieren, da (+)-Carvon nach Kümmel riecht :wink: .
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Vanadium
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Beitrag von Vanadium »

Ist korrigiert. Hab jetzt auch noch ein "Duftstoffrad" hinzugefügt.
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Cumarinderivat
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Beitrag von Cumarinderivat »

Im Text steht es noch ohne (-)- :wink:
Aber das Rad ist cool, das gibt ne schöne Übersicht!
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Nach schändlichen 6 Wochen bin ich jetzt auch dazu gekommen das ganze zu lesen. Sehr schöne Sache – und in der Spielwiese hatte das tatsächlich nichts verloren. Worum ich dich aber noch bitten würde: Für die verwendeten Abbildung bitte eine Quelle angeben (oder in einem Link hinter dem Bild verstecken oder ähnliches).
Das mit den Stereodeskriptoren hatten wir bereits im Coniin-Artikel und ich wünsche mir ein (–)-Carvon (mit Alt + 0150) statt eines (-)-Carvon (auch wenn lemmi mich dafür wieder hassen wird :dita:) Darüber hinaus stimmen aber jetzt Name und Formel nicht mehr überein, da die Formel nicht (–)-Carvon sondern ein unspezifiziertes Carvon (nicht mal eindeutig racemisch) zeigt.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

NI2 hat geschrieben:Das mit den Stereodeskriptoren hatten wir bereits im Coniin-Artikel und ich wünsche mir ein (–)-Carvon (mit Alt + 0150) statt eines (-)-Carvon (auch wenn lemmi mich dafür wieder hassen wird :dita:)
Alter Ästhet! :wink:
spitzfindig kann ich auch: es muss heißen "statt eines (-)-Carvons" ! Gedenke des Genitivs! :dita:
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NI2
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Beitrag von NI2 »

lemmi hat geschrieben: spitzfindig kann ich auch: es muss heißen "statt eines (-)-Carvons" ! Gedenke des Genitivs! :dita:
Du wirst es nicht glauben, abver beim Drüberlesen nach dem Schreiben habe ich mir das auch gedacht und hatte dann keine Lust es nochmal zu editieren weil ich mir dachte: "Merkt schon keiner" :D
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

NI2 hat geschrieben:"Merkt schon keiner" :D
Ausser mir ... :D (eigentlich traurig 8) )
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