Gas entspannen - Abkühlung berechnen

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CD-ROM-LAUFWERK
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Gas entspannen - Abkühlung berechnen

Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Tja... sollte ziemlich trivial sein.
Ich will folgendes berechnen:
Ich entspanne ein Gas von 100kPa mit 300K auf 13,4kPa mit einer dann unbekannten Temperatur.
Nach der Poissonschen Gleichung kann ich einfach rechnen:
T2= T1 / [(p1/p2)^k-1/k]
T2 = 300K/ [(100kPa/13,4kPa)^0,4/1,4]
k= cp/cv = 1/0,7 = 1,4

Damit komme ich aber auf 160K, also -113°C.
Wenn ich meinen Exsikkator evakuiere sehe ich aber nicht sofort massig Luftfeuchte kondensieren oder gar (für 100kPa -> 0,1kPa =40K) Sauerstoff und Stickstoff zu einem Nebel kondensieren. Vom Gefühl her sollte die Abkühlung definitiv unter 10K liegen, von der Faustformel mit 0,25K pro bar beim Entspannen (Lindeverfahren) nicht mal bei einem Kelvin.

Kann mir jemand den Schlauch unter den Füßen entfernen? Das wäre nett.
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dihydrogenmonooxid
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Beitrag von dihydrogenmonooxid »

Druck und Temperatur sind doch direkt proportional zueinander? Also ich komme da bei 13,4 kPa : 100 auf c.a 0,14, das mal 300K macht 40,2 K. Hast du ja auch unten geschrieben, deshalb komme ich bei deiner Rechnung von oben nicht so ganz mit. Hm, irgendwie ist das ja auch ein wenig verständlich, der Exikkator wird nur langsam evakuiert, alleine bis sich der Druck darin halbiert hat dauert das seine Weile... sind halt die Eigenschaften eines nicht - isolierten Systems. Ich bin mir aber ziemlich sicher: wenn man die Möglichkeit hätte, innerhalb einer Sekunde den Exikkator auf den von dir genannten Druck zu bringen, würde man was davon merken. Wäre doch mal ein interessantes Experiment: Man schließt einen vollständig evakuierten Exsi an einen mit Normaldruck gefüllten gleichen Volumens an. Wenn jetzt der Ventildurchlass groß genug ist und man das von dem evakuierten schnell genug geöffnet bekommt...
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CD-ROM-LAUFWERK
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Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Wenn du schnell den Druck ändern willst, dann kannst du einfach eine Spritze vorne zuhalten und mit einem Rück den Kolben rausziehen.
Wenn ich innerhalb von wenigen Sekunden den Druck deutlich ändere und so enorme Temperaturänderungen die Folge wären, dann müsste man sofort Kondenswasser, also Nebel, erkennen können. Denn so schnell erwärmt sich die Luft nicht, insbesondere in der Zwangsbewegung durch das Abpumpen, wo die Luft von jeder Oberfläche weggezogen wird statt Kontakt mit ihr zu haben.

Edit: Man kann das ganze auch von der andere Seite betrachten:
Wenn ich niedrige Temperaturen haben will, warum sollte ich von 200bar entspannen wenn ich genauso auch einfach Normaldruck auf Vakuum entspannen kann?
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Pok
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Beitrag von Pok »

Ich sehe das genauso wie H2O. Der Abpumpvorgang dauert einfach eine Weile und die Gefäßwand erwärmt sofort das restliche Volumen. Außerdem gilt bei vermindertem Druck nicht mehr derselbe Siedepunkt von O2, N2 usw. wie bei Normaldruck. Und zuletzt braucht man Kondensationskeime. Wenn die da sind, dann gibts auch bei viel geringeren Druckabfällen Nebel (link).

Wenn man einen Fahrradreifen aufpumpt, kann sich das Ventil schon mal locker auf über 80 °C aufheizen. Da ist die relative Druckänderung noch geringer als in deinem Beispiel. Bei ner Feuerpumpe gehts auch mal bis auf mehrere 100 °C. Dabei muss man aber mit einem kräftigen Schlag draufhauen, weil die Wärme innerhalb von Sekundenbruchteilen an die Umgebung abgegeben wird. Genauso wirds mit dem Exsikkator sein. Bei der Abkühlung kommt vielleicht hinzu, dass die viel geringere Gasmenge (resultierend aus viel geringerem Druck) auch viel schneller von der Umgebung erwärmt werden kann, weil einfach weniger "kalte Masse" vorhanden ist als "warme Masse" beim Fahrradschlauch-Beispiel. Deshalb sinkt beim Luftablassen aus einem Fahrradschlauch die T auch nicht auf -40 °C, sondern nur so auf vielleicht -10 °C...fühlt sich jedenfalls so an.

Das wäre dann auch die Erklärung für dein Edit. Die Masse von 1 Liter Luft bei 1 bar ist 200 mal kleiner als die von 1 Liter Luft bei 200 bar. Die Luft wird sich zwar genauso stark abkühlen, nur ist die resultierende "Kältemenge" extrem gering und man könnte damit nur Minimengen von irgendwas kühlen.
CD-ROM-LAUFWERK
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Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Wie viel man davon hat spielt keine Rolle, man müsste es nur gut isolieren (was man auch so machen muss) und ordentliche Wärmetauscher (was man ebenfalls auch so hat) haben. Dann spart man sich die energetisch viel aufwändigere Kompression auf 200bar mit allen möglichen Ärgernissen, die man damit insbesondere auch früher hatte.

Aber rechnen wir doch mal weiter: Dass es pro bar Entspannung 0,25K sind ist nicht einfach nur ein theoretischer, errechneter Wert. Wenn die Berechnung diesen empirischen Wert nicht ausspuckt, dann ist die Theorie dort einfach nicht korrekt bzw. wir/ich wende sie falsch an.
T2 = 300K/ [(20000kPa/1000kPa)^0,4/1,4] = 127K
Damit ist delta-T 173K und pro bar wären es ganze 0,9K.
Runter auf Umgebungsdruck (was man technisch jedoch nicht macht) wären es gar delta-T 234K und 1,15K pro bar.
Ein Kompressor verdichtet die Luft auf einen Druck von ca. 200 bar. Dabei erhöht sich ihre Temperatur um ca. 45 Kelvin, also beispielsweise von +20 °C auf ca. +65 °C.
Nochmals ein anderer Ansatz: Bei der Kompression von 1 auf 200 bar steigt die Temperatur um 40K.
Laut Formel beträgt die Temperatursteigerung hingegen 1063K, von 300K auf 1360K.
Für besagte 40K delta-T müsste man in der Formel von -50K ausgehen.
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Pok
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Beitrag von Pok »

Es spielt durchaus eine Rolle, wieviel Gasvolumen man zum Kühlen braucht. Wenn man eine Lagerhalle braucht, um 1 Liter zu kühlen, dann ist das nicht besonders praktisch. Und die Energie für die Kompression braucht man doch bei der Herstellung des Vakuums genauso. Wieso sollte eine Vakuumpumpe effizienter sein als eine Druckpumpe? Ich halte eher das Gegenteil für wahrscheinlich. Und die "Ärgernisse" hat man mit Vakuumerzeugung ebenfalls.

Woher ist eigentlich das Zitat? Das Beispiel mit der Kompression von 1 auf 200 bar und delta T von 40 K ist mit Sicherheit auf Energie-/Wärmeverluste zurückzuführen, was m.E. auch die ganze Erklärung für die Diskrepanz von Empirie und Theorie ist. Das Beispiel widerlegt die Theorie nicht, denn mit einer Feuerpumpe bekommt man niemals 200 bar hin (eher 20 bar) und die erzeugt trotzdem ein delta T von >> 200 K. Das sind ebenfalls empirische Daten! Der Unterschied zu deinen Daten liegt einfach in der Zeitspanne. Bei der Feuerpumpe wird die Druckdifferenz in ein paar Millisekunden erreicht. Die T-Differez ist zwar immer noch weniger als in der Theorie, aber ein Vielfaches mehr als deine empirischen Daten und lässt sich m.E. wieder mit Wärmeverlusten erklären (selbst in dieser kurzen Zeit).
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wirehead
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Beitrag von wirehead »

Wenn ich im Log(p)h Diagramm von Stickstoff von 20C° 1Bar(a) auf 11Bar(a) der Isotropen folge komme ich da auf ca. 300°C.
Passt auch wenn man sich mal den Diesel anschaut.
Alles was schnell genug läuft als das man Wärmeleitung/Austausch mit den Wänden vermeiden kann ist beinahe adiabat.
Bei niedrigen Drücken kommt wegen der geringen Masse des Restgases auch noch die Erwärmung/Entwärmung durch Strahlung in frage.

Beim entspannen funktioniert das auch. Wenn man allesdings Gas durch ne Düse entspannt entsteht schnell eine Überschallströmung die an ihrer Grenze wieder ziemlich viel Bewegungsenergie in Wärme umsetzt so das nur Joule-Thomson oder Ranque-Hilsch als Dreckeffekt überbleibt. Stirlingkältemaschinen oder arbeitsleistende Entspannungsturbienen (z.B. der Turbolader im Auto bei dem das Abgas auch um einige 100K abgekühlt wird) sind allerdings vergleichsweise Effizient was das Kühlen durch entspannen angeht.
Kannst du testen mit einer Druckluftmaschine (schnelldrehender schleifer) einfach isolieren, thermofühler in den Ausgangsluftstrom und an der Welle Energie abnehmen (Generator, Flügelrad, Drahtbürste). Das wird wesentlich kälter als einfaches abblasen.
Drehschieberdruckluftmotoren können das auch.

Wasserdampf ist aber auch hier ein Killer für die ganzen theoretischen Energiebilanzen, wenn du kleine Mengen feuchte in der Druckluft hast die kondensieren dann ist das praktisch latente Last die durch den Phasenwechsel Wärmeenergie an die Luft abgibt und so die differenz schmälert.

Ich habe einen Kompressor der 3-Stufig auf 250bar verdichtet. Der Massestrom ist da so gering und der Wärmeübergang so gut das diese theoretischen Temperaturen warscheinlich bestenfalls nur Millisekunden im OT eintreten und dann durch Strahlung und Wärmeleitung abgeführt sind an Wände und Kühlwasser. Damit ne Cryo Anwendung zu realisieren ist bisher am enormen aufwand gescheitert die Luft von CO2, H2O und Kohlenwasserstoff zu befreien. Versuche waren enttäuschend...
Ekki Ekki Ekki Patang!
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Timmopheus
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Beitrag von Timmopheus »

Ich schließe mich meinen Vorrednern an, der beobachtete Zeitraum von vielen Sekunden macht die Annahme einer adiabaten Abkühlung obsolet.
Im Rahmen meiner Bachelorarbeit habe ich mit einem evakuierbaren Trockenofen mit einem Gasvolumen von ca. 100L gearbeitet. Evakuiert wurde mit einer mehrern kW starken, wassergekühlten Vakuumpumpe, Vakuumanschluss über 1" Schlauch. Also reichlich überdimensioniert. Dennoch konnte ich beim evakuieren lediglich einen Temperaturabfall von nicht einmal 10K messen!
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Phil
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Beitrag von Phil »

Ich hätte eine Excel Datei die teilweise zum Thema passt, nur kann ich sie leider nicht hochladen.
Darum habe ich sie hier hochgeladen
Ich hoffe sie hilft, ansonsten währe noch eine mail zu www.messer.de hilfreich die müssten das Genau wissen.
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Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Vielen Dank. Wenn ich dort in der untersten Zeile (gesuchte Größe T2) folgendes eintrage:
P1= 1bar (100kPa)
P2 = 0,134bar
T1 = 0°C
V1= 1m³
V2 = (1/0,134)*1m³ -> ~7m³
Komme ich auf ein delta-T von 17K. Das erscheint mir realistisch. Irgendwelche -100°C Ansagen sind absurd, die erreicht man, wenn das Volumen konstant bleiben würden. Mir ist es aber nicht möglich, ein Gas zu entspannen, ohne dass sich das Volumen entsprechend erhöht.
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Pok
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Beitrag von Pok »

Das delta-T ist nach dieser Formel in dem Dokument nicht 17 K, sondern exakt 0 K, wenn du die Volumenzunahme mit berücksichtigst. Benutz mal nicht das gerundete V2, sondern das exakte (7,46268 m³). :wink:
Das kann doch auch nicht sein. Wie wäre sonst die Nebelbildung in einer Flasche zu erklären? Und die Temperaturabnahme beim Auslassen von Luft aus einem Fahrradschlauch? Und Timmopheus' eigene Messung?
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Phil
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Beitrag von Phil »

Super wenn die Datei hilft. Leider ist die Seite von Excelchem nicht mehr online.
Interessant ist auch dass ein Gas vom flüssigen in den Gasförmigen zustand das Volumen ca. 700-1000ml vergrössert, also wie bei Explosivstoffen.
Wenn bei einem Tank von 30000 Liter ein Druck von 2bar aufgebaut wird und er durch einen 4 Zoll Han entspannt wird schneit es beim austritt und eine Eisbildung am Ende des Hahns wird sichtbar.
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Timmopheus
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Beitrag von Timmopheus »

Naja für Luft lässt es sich halt nicht mit dem idealen Gas rechnen. Es muss real gerechnet werden, der Joule Thomson Effekt ist zu beachten.
Wird eigentlich nur an Düsen berechnet, Wiki gibt hier als Beispiel ja die Entspannung von 200bar auf 20bar mit einem Temperaturunterschied von 45K an.
Da es hier vornehmlich um die Expansion geht, sollte dies auch für eine Expansion im Behälter gelten.
Die Luftverflüssigung nach Linde wird im p-h-Diagramm anschaulich gemacht. Was besonders auffällt, ist dass die Isothermen NICHT parallel verlaufen. Es macht einen deutlichen Unterschied von welcher Temperatur und Druck man startet. Je nach dem kann sich das Gas bei Entspannung sogar erwärmen.

Das Problem scheint zunächst rechts trivial, wird ohne größeren Aufwand aber überhaupt nicht genau zu bestimmen sein, weil:
- nicht adiabat oder isentrop
- Realgas
- Joule Thomson
--> zuviele Unbekannte
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Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Stimmt Pok.
Wenn ich wie im Eingangspost also berechne, dass die Temperatur von 300K auf 160K sinkt, dann kann ich die damit theoretisch korrekte Volumenänderung natürlich auch berechnen. Denn statt der isothermen Volumenänderung um Faktor 7,5 hätte ich dann nur einen Faktor von V= n*R*T/p = 4,1 - mein Kubikmeter ist also aufgrund der geringen Temperatur, welche die Dichte erhöht, nur auf 4,1m³ angewachsen.
Nach T2=p2*V2*T1/(p1*V1) erhalte ich dann eine Temperatur die von T1=300K auf T2=165K sinkt.
Das ist also schon mal in sich schlüssig.

Ein weiteres Beispiel mit ähnlichen Werten:
Ich lasse Durckluft von 7,5bar aus meiner Druckluftpistole entweichen. Die Luft ist merklich etwas kühler.
Nach Poissong hätte sie nur noch 170K bzw. -103°C, meine Finger würden rasch einfrieren, wenn ich sie in den heftigen Luftstom halte.
Warum passiert dies nicht und ich kann nur einen kleinen Temperaturunterschied messen?
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Pok
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Beitrag von Pok »

Wie lange dauert denn der kalte Luftstrom aus so einer Pistole? Wenn es nur sehr kurz ist, hält die tote Hornhaut die Kälte problemlos ab. Man kann ja auch seinen Finger durch eine Bunsenbrennerflamme (> 1000 °C) bewegen, ohne Verbrennungen zu bekommen. Das heißt, die Temp. der lebenden Hautschichten darunter wird nicht mal um wenige 10 K ansteigen. Man bräuchte schon einige Sekunden so eines kalten Luftstroms, um Kälteverbrennungen zu erleiden. Ich finde solche extremen Temperaturen auch überraschend, aber halte sie dennoch für "real existierend". Phils Beispiel klingt so, als hätte er es selbst beobachtet und da gings nur um einen Druckabfall von 2 auf 1 bar. Der Unterschied zur Druckluftpistole ist wieder die lange Zeitdauer.
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