Ethin und Chlor

Organische Chemie.

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aliquis
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Ethin und Chlor

Beitrag von aliquis »

www.youtube.com/watch?v=ViMocu_iPOU

In dem Video hat mich gewundert, dass die Zündung der gemischten Gase per UV-Licht vorgenommen wurde, und nicht schon bei blossem Kontakt der beiden Gase miteinander erfolgte.

Braucht es dafür wirklich das UV-Licht?
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Glaskocher
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von Glaskocher »

So wie es aussieht braucht das Chlor eine gewisse Aktivierungsenergie. Das Blaulicht (aka UV) spaltet die Cl-Cl-Bindung und erzeugt Radikale. Die sind dann reaktiv genug, um eine Radikalkettenreaktion zu starten. Um alerdings eine Explosion zu starten braucht es eine gewisse Mindestkonzentration an Radikalen. Ansonsten brechen die Radikalketten rascher ab, als die Wärme abgeführt werden kann. Bei Wärmestau brechen zusätzlich Bindungen durch thermische Anregung ...

Man kann diesen Effekt (langsame Reaktion bei wenig Licht) gut an Chlorknallgas zeigen. Bei diffuser Beleuchtung entfärbt sich das Gasgemisch ohne Explosion. Erst eine Mindestdosis Licht löst die "Lawine" aus und zusätzlich thermisch erzeugte Radikale wirken selbstbeschleunigend. ..
aliquis
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von aliquis »

Hm, wenn ich jeweils etwas Calciumhypochlorit und -carbid zusammen in verdünnte Salzsäure gegeben habe, setzte die Reaktion immer unmittelbar ein. Das war allerdings tagsüber draußen bei Tageslicht. Abends im Dunkeln sollte selbiges somit ausbleiben?
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mgritsch
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von mgritsch »

Die Reaktion von Chlor mit Ethin oder Wasserstoff sind klassische Demonstrationen der Aktivierungsenergie bei Radikalkettenreaktionen. Man kann das zB mit einem Laser demonstrieren - rot oder grün und es passiert nichts, blau und kabooom.
Zeigt E = hν für die Spaltung von Cl2 in 2 Cl.
Es muss nicht dunkel sein, Glühbirnen haben auch zu wenig blauen Anteil. Heutzutage mit den weißen LED könnte das schon knapp werden…
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lemmi
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von lemmi »

Ich erinnere mich, das zu Schulzeiten mit einem Freund auch drinnen im Zimmer bei geschlossenem Fenster gemacht zu haben. (Nein, aliquis, krieg keinen Herzinfarkt!) Das war im Reagenzglas: ein paar Kristalle Kaliumpermanganat mit verdünnter Salzsäure übergossen und einen Krümel Carbid reingeworfen. Uns haben die "schönen" schwarzen Rauchringe besonders gut gefallen. UV-Strahlung war da sicher nicht im Spiel.

Entweder die Reaktion setzt ohne Aktivierung durch irgendwelche Strahlung ein oder es braucht eine so minimale Aktivierungsenergie, dass diffuses Tageslicht dazu hinreicht. In beiden Fällen ist sie nicht zur Demonstration von Aktivierungsenergie geeignet, und ich habe sie auch noch nie in diesem Zusammenhang gelesen. In Nick/Parchmann/Demuth "chemisches Feuerwerk" ist die Reaktion sogar unter Wasser beschrieben. In der Erklärung wird Aktivierungsernergie mit keinem Wort erwähnt. Ich gehe davon aus, dass du (@mgritsch) das mit der Chlorknallgasreaktion vermischt hast. Chlor und Wasserstoff ist der Klassiker unter den Demoversuchen zur Aktivierungsenergie (hat unser Chemie-Referendar in der 1.1 Klasse in seiner Lehrprobe vorgeführt!), Chlor und Ethin nicht.
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mgritsch
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von mgritsch »

https://www.chemieunterricht.de/dc2/tip/03_02.htm

„Aus Kaliumpermanganat und Salzsäure bildet sich Chlor in radikalischer Form, das mit dem gleichzeitig entstehenden Ethin reagiert.“

Die Reaktion C2H2 + Cl2 -> 2HCl + 2C ist ansich genau so eine typische Radikalkettenreaktion wie Cl2 + H2. Die Frage ist immer nur woher das Startradikal kommt. Lt Blume bei Verwendung von Permanganat wohl direkt aus der Bildungsreaktion. Ähnliches kennt man ja auch aus anderen Reaktionen wo Gas in angeregtem Zustand entsteht.

Wenn man das Video sieht wo mit UV Laser „gezündet“ wird - wenn das Chlor aus Hypo+HCl stammt gibt es wohl keine Radikale und damit sind wir wieder bei E=hν. Final proof wäre Chlor und Acetylen aus der Flasche.
aliquis
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von aliquis »

Keine Sorge, lemmi, auch ich habe als Jugendlicher Experimente durchgeführt, die ich heute so nicht mehr machen würde... :wink:

Bei Wilco Oelen zündet das Ethin-Chlor-Gemisch auch direkt bei Kontakt unter Wasser.

Egal wie ich das Chlor mit Salzsäure herstelle (Permanganat, Hypochlorit oder TCCS): sobald ich Carbid hinzugebe, gibt's Ruß und Flammen...
Einen Zusammenhang mit UV-Licht habe ich noch nie gesehen... (Klar, von Chlorknallgas kennt man das, aber hier geht es ja um Acetylen...).
Umso mehr wunderte es mich, dass es bei Chemical Force erst bei Beleuchtung zündete... Auch da wurde Hypochlorit (Chlorbleichlauge) verwendet.

Ich denke, ich werde das wohl mal abends im Dunkeln ausprobieren müssen... (sobald man mal wieder nach draußen gehen kann, ohne sofort durchnässt oder weggeweht zu werden... :roll: ).
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aliquis
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von aliquis »

So, vorhin mal zwischen zwei Regenschauern ausprobiert - mit erstaunlichen Ergebnissen: Ethin aus Carbid mit Chlor aus Calciumhypochlorid zündet auch im Dunkeln sofort.
Mit Chlor aus Natriumhypochloritlösung (Chlorbleichlauge) jedoch tatsächlich erst bei Bestrahlung mit UV-Licht, ganz so wie im Video - jedoch umso schwerfälliger, je verrußter das Glas wurde... (klar, es dringt ja auch immer weniger Licht durch... :wink: ).
Aber den Unterschied erkläre mir jetzt mal jemand bitte... :idea2:
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eule
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von eule »

Da wäre sicher erstmal die Frage offen, welcher Natur dein Calciumhypochlorit war und wie das Grüne daraus freigesetzt wurde. Selbstgefertigter Chlorkalk? Dann nämlich würde evtl. nicht nur Chlor freigesetzt, sondern evtl. auch Sauerstoff und ggf. irgendwelche Chloroxide, die vllt. eine Spur reaktiver wären.
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aliquis
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von aliquis »

Also, das Calciumhypochlorit war das hier: www.amazon.de/well2wellness-Chlor-Granu ... 177&sr=1-8
Allerdings nur als 1 kg -Packung, weil ich 5 kg niemals verbrauchen würde (übrigens auch ganz bewusst nicht über Amazon, sondern direkt bei einem Poolbedarfshop gekauft, der es inzwischen nicht mehr im Angebot hat). Ich benötige es im Wesentlichen zur Chlor-Herstellung, für den Pool nehme ich andere Wirkstoffe auf TCCS-Basis*, weil die nicht so viel Wasserhärte eintragen wie das Calcium-Salz.
Aus diesem Grunde wird das Produkt auch nur wenig angeboten. Sollte ich jemals Nachschub benötigen, würde ich das Calciumhypochlorit wohl eher beim Holländer kaufen...
Wie auch immer: es hat 70 % Chlorgehalt - höher ist technisch kaum möglich, weil bereits nahezu reines Hypochlorit.
Chlorkalk ist es nicht (das gibt's praktisch kaum noch zu kaufen...), schon gar kein selbsthergestelltes.

Sauerstoff wird bei der Umsetzung mit Salzsäure eher nicht freigesetzt (eigentlich nur beim Erhitzen von Ca-hypochlorit oder bei Einwirkung von Perhydrol, wobei dann das Peroxid zu 50 % Sauerstoffspender ist), erst recht kein Chlordioxid, das zu 100 % nur mit Chlorit, zu 50 % mit Chlorat, aber nicht mit Hypochlorit entstehen kann.

Und der Vollständigkeit halber - das ist meine Chlorbleichlauge: https://hoefer-shop.de/poolpflege/chlor ... ToEALw_wcB
Also die übliche 13 % ige ohne irgendwelche Beimengungen wie etwa beim Danchlorix (mit nur 3 oder 5 ? % Natriumhypochlorit, dafür aber ganz viel Soda, Parfum, Farbstoff und dgl.)...

* Wer sich gerade fragt, warum ich überhaupt das Hypochlorit gekauft habe, wo man doch auch mit TCCS Chlor herstellen kann: ich hatte das Hypochlorit zu experimentellen Zwecken schon vor den anderen Poolpflegemitteln, weil ich anfangs zwei Sommer lang versucht habe, den Pool mit Aktivsauerstoff (Kaliummonopersulfat) keimfrei zu halten (was beim vorherigen kleinen Pool auch ganz gut geklappt hat, bei einem inzwischen etwas größeren damit aber kaum mehr sinnvoll zu bewerkstelligen ist - Chlor ist und bleibt das Desinfektionsmittel Nr. 1 im Pool...). Allerdings sind die ganzen (an sich dicht schließenden) UN-Gebinde mit chlorhaltigen Poolpflegemitteln echt üble Luftverpester, wie ich vorhin wieder feststellen musste, als ich das Hypochlorit aus dem Deckel-Eimer geholt habe, in dem ich sie lagere: beim Öffnen des Eimerdeckels mir blieb fast die Luft weg und Tränen stiegen mir in die Augen. Ohne diese "Umverpackung" würde unser kleiner Garagennebenraum stinken wie das Wasserwerk eines Freibades... Bei hohen Temperaturen im Sommer kann man das Chlor manchmal sogar noch trotz des geschlossenen Eimers wahrnehmen...
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mgritsch
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Montag 21. Februar 2022, 20:49 Aber den Unterschied erkläre mir jetzt mal jemand bitte... :idea2:
Erst mal freuen wir uns über die Reproduzierbarkeit :D :thumbsup:

Was eine Reaktion auslösen kann, das können viele Dinge (und ggfs deren Kombination) sein:
- „externe“ Anregung durch Strahlung, Wärme, Ultraschall, mechanische Reibung/Schlag/Druck
- „interne“ Anregung bei der die Energie einer vorangegangenen Reaktion noch in dem/den Reaktanden steckt
- Katalytisch wirksame Oberflächen oder Stoffe (Metalle, Salze, Feuchtigkeit…)

Es kann auf die Konzentrationen oder Mischungsverhältnisse ankommen (siehe UEG / OEG)

Es könnte aber auch eine Inhibition durch einen Stoff vorliegen, allein dessen Abwesenheit wäre dann eine Erklärung. (Radikalfänger zB - siehe Pulverlöscher…)

Interne Anregung: bei Chemolumineszenz wird das gut sichtbar - da wird zB die bei einer Oxidation freiwerdende Energie auf ein Luminophor übertragen und erst dort freigesetzt. Es kommt daher auch drauf an aus welcher Reaktion genau das Chlor entsteht - vergleiche zB die Entstehung von Singulett-O2 (https://www.chemie-experimente.com/expe ... sauerstoff) - O2 aus anderen Reaktionen zeigt dieses Phänomen nicht…

So viel mal zu den Denkansätzen. Jetzt müsste man eine Flasche hochreines Cl2 und hoch reines Acetylen haben und sich systematisch auf die Suche machen :)
aliquis
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von aliquis »

Oje, damit scheint das Phänomen für uns hier wohl eher nicht lösbar zu sein... :(

Flaschen mit reinem Ethin und Chlor habe ich gerade nicht zur Hand... :wink:

Auffällig ist, dass nur bei Einsatz von Chlorbleichlauge UV-Licht zur Auslösung der Reaktion erforderlich zu sein scheint. Bei allen anderen Chlor-Erzeugern kommt es auch ohne direkt zur Umsetzung mit Ethin.

Apropos Singulett-Sauerstoff: der Versuch ist anstatt mit einem kräftigen Chlor-Strom auch einfacher und weit ungefährlicher durchführbar, wenn man einfach 12 % Wasserstoffperoxid auf Calciumhypochlorit tropft... :thumbsup:
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eule
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von eule »

hmm, gut getrocknete Reaktionspartner und der Ausschluß von Sauerstoff wären vmtl. nicht so schwer zu realisieren. Hochreine Reaktanden wären, denke ich mal, erst der zweite Schritt.
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von aliquis »

Ich halte beide Faktoren in den vorliegenden Experimenten für nicht störend: Ethin ist mit Chlor wesentlich reaktiver als mit Sauerstoff und die Gase entzünden sich z. T. noch im wässrigen Eduktgemisch - für Sauerstoff und Feuchtigkeit haben die beiden also nur ein müdes Lächeln übrig... :wink:

Klar: wenn man dann mit hochreinen Gasen arbeiten würde, sollte beides konsequenterweise außen vor bleiben - aber das bleibt ja eh nur ein Konjunktiv... :(
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mgritsch
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Re: Ethin und Chlor

Beitrag von mgritsch »

Vorsicht mit der möglichen Rolle von Feuchtigkeit. Cl2 + H2O <-> HCl + HClO, und schon haben wir wieder eine ganz andere hoch reaktive Spezies (temporär) im Spiel. Vermute aber nicht dass das entscheidend ist, sonst müsste es auch bei Cl2 aus Hypo sofort losgehen. Sauber wäre aber zu vergleichen wie Acetylen und Chlor trocken vs feucht miteinander reagieren.

Nota bene - Hypochlorit als Cl Quelle ist möglicherweise deutlich weniger sauer als Permanganat + HCl, MnO2 kann ein guter Kat sein und Mn2O7 zündet sowieso alles...
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