Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Organische Chemie.

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kalia
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Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von kalia »

Hallo!

Nach den fortlaufenden Destillationsversuchen dachte ich an ein paar Versuche mit dem Verbrennen von irgendwelchen ungefährlichen organischen Stoffen. Ich habe mich zum Beispiel gefragt, was passiert, wenn ich z.B. Kümmel in einem Erlenmeyer verbrenne / verkohle und den Rauch mit einem Kühler abkühle. Vermutlich passiert da nicht viel :D

Klar kann ich jetzt Youtube glotzen und Seiten lesen, ich will allerdings eher unvoreingenommener experimentieren.

Hat jemand ein paar Tipps, bei denen ich einwenig mit Verbrennung experimentieren kann?

Grüße
kalia
Glaskocher
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von Glaskocher »

Naja... Du wirst zuerst ein dem verkohlten z.B. Kümmel ähnliches Aroma und Wasserdampf wahrnehmen. Mit zunehmender Temperatur des Pyrolysegutes verschieben sich die Aromen über karamellig ins Brenzlige. Das Kondensat wird vermutlich auch langsam immer dunkler und zäher, zumindest in Anteilen.

Wenn Du die Aromen der Gewürze beim Verräuchern genießen möchtest, dann nimm Kohlestücke und bringe sie zum Glühen. Lege sie auf eine Schale mit Sand oder Asche, damit die Hitze nicht den Untergrund in Rauch auflöst. Sobald die Kohle eine dünne Ascheschicht gebildet hat, dann lege kleine, besser kleinste Mengen des Testobjektes darauf und fächele dir dessen Rauch vorsichtig zu. Auf diese Art kannst Du viele Gewürze, Hölzer, Harze und Rinden erkunden. Das Räuchern ist quasi die Urgroßmutter der "künstlichen" Wohlgerüche. Par Fume (~ zum Räuchern) ist der sprachliche Ursprung des Parfüms.
Neben den Harzen von Nadelbäumen und harzreichen Holzspänen lassen sich etliche Kräuter, seltener Samen, ihre duftenden Geheimnisse entlocken.
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Die "trockene Destillation" von Feststoffen ist deutlich anspruchsvoller als die Wassersampfdestillation. Man muß die Temperatur und Erwärmungsdauer des Destillationsgutes sehr vorsichtig steuern, im nicht zu überhitzen oder zuviel liegen zu lassen. Sie wird meistens zu anderen Zwecken als der Duftgewinnung eingesetzt.


Ein völlig anderer Ansatz ist das gezielte Verschwelen von Hölzern und Rinden. Dabei sind dann die Peche und Teer (kann gerade die Unterschiede nicht exakt beschreiben) das Zielprodukt neben der übrig bleibenden Kohle. Je nach Ausgangsmaterial und nachträglichem Kochprozess sind diese Produkte zwischen flüssig und zähplastisch bis glasig fest bei Raumtemperatur. Sie wirken oft mikroboizid und können zum Abdichten, Kleben und Imprägnieren von anderen Materialien genutzt werden. Birkenrinde (die papierartige Korkschicht) war schon in der Steinzeit ein beliebtes Ausgangsmaterial.
Nail
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von Nail »

Wenn du eine Verbrennung durchführen möchtest, werden wohl immer die organischen Verbindungen zu Kohlenstoff, Wasser, CO2 und CO verbrennen. Auch ist das Experimentieren ohne Recherche gefährlich, man sollte schon einen Plan haben was passieren kann und wie gefährlich die Produkte sind.
Was sollte denn passieren, wenn du Kümmel verbrennst? Die enthaltenen Öle werden auch nur verbrennen. Spannender wäre es die Öle entsprechend aus dem Gewürz zu extrahieren. Schau doch mal im Internet welche Inhaltsstoffe in Kümmel bzw. im Öl sind und dann kannst du entsprechend eine Extraktion planen.
Du kannst auch das Eugenol aus Nelken mit Ethylacetat extrahieren. Eugenol hat einen sehr angenehmen Duft und ist für viele Reaktionen geeignet. Mir fällt da spontan die elektrophile Addition ein.
Q.E.D.
Xyrofl
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von Xyrofl »

Ich glaube du meinst keine Verbrennung sondern eine Verschwelung. Bei einer echten Verbrennung würde wie Nail schon erwähnt hat alles restlos zu den thermodynamisch stabilen Endprodukten Wasser, Kohlenstoffdioxid und Stickstoff, bei hoher Weißglut auch Kohlenstoffmonoxid abreagieren. Das kann nicht sein, was du möchtest, denn diese Produkte sind in höchstem Maße wertlos und enthalten keine Charakteristika des Kümmels mehr.
Generell kann man sagen, dass bei zunehmend hoher Temperatur die Charakteristiken des Schwelguts keine Rolle mehr spielen und man samt und sonders immer die gleichen Produkte enthält, egal ob man Luftzutritt erlaubt (Verbrennung) oder nicht (Pyrolyse, Verschwelung). Einzig die elementare Zusammensetzung behält dann eine größere Bedeutung für die Produkte. Die Schwelteere bilden eine mittlere Stufe zwischen der schonenden Destillation und der Hochtemperaturpyrolyse. Je höher die Temperatur und die Verweilzeit, desto mehr verlieren die Teere jede Eigenschaft, die noch an ihren Ursprung erinnern kann. Bei 1000°C zum Beispiel ist es schwer, das entstehende Kohlenpech von Fettpech oder dem Pech eines kostbaren, ätherischen Öles zu unterscheiden. Es wird alles zu einer Mischung aus toxischen, polyzyklischen Aromaten, die bei längerer Verweilzeit zu Graphit kondensieren. Je nach Elementarzusammensetzung kann man dann noch zwischen graphitisierenden und verglasenden Edukten unterscheiden, wobei erstere echten Graphit mit gut ausgeprägter Schichtstruktur bilden und letztere eher eine spröde Masse, die dem Glaskohlenstoff ähnelt, welchen man aus Phenolharzen gewinnt. Steinkohlenpech oder Bitumen graphitisieren, Zucker verglast. Bei niedrigeren Temperaturen entstehen noch charakteristische Mitteltemperaturteere und bei sehr schonener Destillation sogenannte Urteere.
Dabei sind dann die Peche und Teer (kann gerade die Unterschiede nicht exakt beschreiben) das Zielprodukt neben der übrig bleibenden Kohle.
Der Teer ist das hydrophobe Produktgemisch der trockenen Destillation (der wässrige Anteil heißt beim Verschwelen von Holz "Holzessig"). Wird er einer weiteren Destillation unterworfen, bilden die Teeröle das Kopfprodukt und im Sumpf verbleibt Pech.

Die Ausbeute an verwertbarem Teer ist meistens sehr gering und da die empfindlicheren Bestanteile sowieso größtenteils vernichtet werden, bietet es sich an, sehr wertlose Stoffe (wie Holz, Plastikmüll, Billigfett oder tierische Abfälle) in sehr großen Retorten aus Eisen zu verschwelen. Solche Versuche arten aber gerne aus und die Gerüche die dabei auftreten können sehr belästigend wirken, während die entstehenden Stoffe je nach Reaktionsführung toxisch und krebserregend sein können.
kalia
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von kalia »

Danke für den Input!

Ok, das macht Sinn... Verbrennung organischer Stoffe ist in dem Sinne also nicht so spannend (hätte ich mir denken können). Aber dennoch interessant darüber nachzudenken, dass das Produkt wohl immer gleich ist. Vermutlich sind nur die Anteile an C, CO, CO2 und H2O verschieden, oder?

Ich hätte da ohne zu fragen eh nur Gewürze und Holz verbrennen wollen. Bei allem anderen würde ich nachfragen.

Verschwelung wäre da eher interessanter, allerdings frage ich mich, wie so etwas zustande kommt, im Vakuum?

Eine Extraktion habe ich ebenfalls schon überlegt, davon verstehe ich allerdings noch nicht viel und müsste wohl den Soxhlet-Aufsatz kaufen (was kein Problem wäre). Wenn ichs recht verstehe, ist der Unterschied zu einer Destillation der, dass ich bei einer Destillation nur schwebende Stoffe "mitnehmen/absetzen" kann und bei einer Extraktion alle in einem "Grundstoff" vorhandenen Teilstoffe trennen kann. Wobei das Einlegen im Alkohol bereits Extraktion sein müsste (also auch Tee / Kaffee).
Xyrofl
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von Xyrofl »

Verschwelung wäre da eher interessanter, allerdings frage ich mich, wie so etwas zustande kommt, im Vakuum?
Vakuum ist nicht nötig. Es reicht, wenn die Retorte dicht ist und den Zutritt von Luft verhindert, was bei einer normalen Destille schon gegeben ist, aber Laborglas ist nicht gut dafür, außer man will riskieren, es zu ruinieren. Besser wäre eine Destille aus Eisen. Wenn man sich an dem bisschen Luft stört, das zu Beginn in der Apparatur ist, kann man das auch mit Schutzgas (z.B. Argon) verdrängen, aber das spielt keine Rolle, weil das Holz erst einmal bis etwas über 100°C nur Wasser (erst Restfeuchte, dann gebundenes Wasser) abgibt und der Dampf verdrängt die Luft von selbst. Vakuum würde die Destillation selbst in höchstem Maße beeinflussen, denn im Vakuum sieden alle Stoffe bei einer niedrigeren Temperatur. Mit einem starken Vakuum kannst du viel mehr Bestandteile unzersetzt aus dem Material heraus destillieren, selbst ohne Trägerdampf. Außerdem finden im Vakuum anderen Pyrolysereaktionen statt, da weniger Stoßpartner vorhanden sind. Man würde also im Vakuum andere Teere erhalten.
kalia
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von kalia »

Sehr schön, denn für ein Vakuum, müsste ich die Apparatur neu kaufen.
Also ich hab nen Erlenmeyer, den ich getrost für solche Zwecke spenden könnte. Es sei denn, das Ding explodiert mir, was ich nicht vermute.

" Es wird alles zu einer Mischung aus toxischen, polyzyklischen Aromaten, die bei längerer Verweilzeit zu Graphit kondensieren. Je nach Elementarzusammensetzung kann man dann noch zwischen graphitisierenden und verglasenden Edukten unterscheiden, wobei erstere echten Graphit mit gut ausgeprägter Schichtstruktur bilden und letztere eher eine spröde Masse, die dem Glaskohlenstoff ähnelt, welchen man aus Phenolharzen gewinnt."

Toxisch im Sinne von CO oder vermutlich schlimmer?

Das mit dem Graphit und der Verglasung finde ich sehr spannend. Jegliches Holz also verglast und wenn ich Graphit bekommen will, muss ich Steinkohle nehmen, verstehe ich es richtig?

Ist es dann so, dass ich diese Masse eher noch im warmen Zustand vom Erlenmeyer abkratzen kann?
Glaskocher
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von Glaskocher »

Man kann den Erklenmeierkolben recht einfach beschädigen, wenn man ihn bis zur Rotglut des Inhaltes erhitzt. Dann kann das Glas durch ungleichmäßige Abkühlung Spannung bekommen, die den Kolben zu unerwarteter Zeit zerreißen können. Ein Metallgefäß ist hier wirklich besser geeignet.

Unter den sich bildenden Stoffen einer Pyrolyse ist das CO der akut Giftigste. Daneben entstehen viele Stoffe, die auf längere Sicht unangenehm werden können, weil sie cancerogen sind. Im Kondensat einer Zigarette, der im Inneren eines Glasröhrchens kondensiert ist, lassen sich eine ganze Reihe an Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen und von ihnen ableitbare Verbindungen nachweisen. Das wird hier gemeint sein...
Xyrofl
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von Xyrofl »

Jegliches Holz also verglast und wenn ich Graphit bekommen will, muss ich Steinkohle nehmen, verstehe ich es richtig?
Genau. Hochgeglühte Holzkohle wird glashart während Steinkohlenkoks oder Petroleumkoks wesentlich graphitartiger und damit weicher werden, aber wirklich zu Graphit werden auch die nur bei Temperaturen wo das Borosilikatglas des Erlenmeyerkolbens schon lange flüssig ist. In normalem Laborglas wirst du keine Hochtemperaturpyrolyse machen können. Für Holzkohle gilt das gleiche. Den Zustand maximaler Härte erreicht sie bei Temperaturen jenseits der tausend Grad, das macht kein Kolben mit, selbst Quarzglas kann bei diesen Temperaturen durch den Ascheanteil des Holzes angegriffen werden. Der Unterschied zwischen Glaskohlenstoff und Graphit ist auch nicht so groß wie es vielleicht klingen mag. Der Glaskohlenstoff der Holzkohle ist einfach nur härter und kann anders als Graphit auch wenn man ihn fein vermahlt nicht als Schmiermittel benutzt wirken, sondern bleibt hart und rau wie feiner Schmirgel. Beide sehen aber grau bis schwarz aus, Glaskohlenstoff ist nur im Sinne der Werkstoffkunde ein Glas, also amorph er ist nicht transparent wie man sich ein Glas vorstellt und die Kohlen bleiben auch dann noch porös wenn man sie auf höchste Weißglut erwärmt.
Toxisch im Sinne von CO oder vermutlich schlimmer?
Die PAKs sind größtenteils krebserregend, aber kaum oder gar nicht akut toxisch. Das ist die ganz normale krebserregende Wirkung von Rauch und Teer, wie man sie eben auch beim Rauchen von Tabak kennt (nur praktisch ohne die Nitrosamine und die aromatischen Amine, die beim Tabak aus den stickstoffhaltigen Alkaloiden gebildet werden). Bei einmaliger Durchführung sind die Brandgefahr im Falle eines Kolbenbruchs und die Erstickungsgefahr durch CO gravierender als die krebserregende Wirkung des Teers, aber auf lange Sicht ist aufgrund der chronischen Toxizität des Teers auch höchste Vorsicht anzuraten, sonst wird das schnell eine sehr ungesunde Versuchsreihe und die Genschäden, die der Teer anrichtet heilen nie, das sind irreversible Schäden.
Ist es dann so, dass ich diese Masse eher noch im warmen Zustand vom Erlenmeyer abkratzen kann?
Prinzipiell ist der Teer im warmen Zustand viel leichter abzuwischen, ja. Aber die Reste, die im Kolben und auch in der Destillierbrücke auftreten können, sind eher wie das Eingebrannte im Backofen - oft irreversibel außer man fährt harte Geschütze auf, wie z.B. Kochen in hochkonzentrierter Salpetersäure, Knabberwasser oder Chromschwefelsäure. Stahlgefäße reinige ich indem ich sie an der freien Luft ausglühe, dabei verbrennen die Kohlenschichten und der eingebrannte Teer zu gasförmigen Produkten. Irgendwann geht bei solchen Prozessen aber auch Stahl kaputt, das sind alles Verschleißteile.
Also ich hab nen Erlenmeyer, den ich getrost für solche Zwecke spenden könnte. Es sei denn, das Ding explodiert mir, was ich nicht vermute.
Ich würde das nur in Laborglas machen, wenn ich 1. das Glas abgeschrieben habe (auch die Brücke und alles andere) und 2. bei einem Kolbenbruch mit der austretenden, glühenden Kohle und dem Rauch klarkomme. Da man oberhalb der Selbstentzündungstemperatur arbeitet, wäre eine Verpuffung prinzipiell möglich. Ich habe das aber beim Verschwelen von Holz noch nie beobachtet. Das Wahrscheinlichste ist einfach, dass du entweder nicht die ausreichende Temperatur erreichst um wirklich eine Verschwelung des Holzes zu richtiger Holzkohle und Teer zu bewirken, oder du einfach deine Apparatur zerstörst (Glasbruch im Kolben und/oder der Brücke). Die hoch erhitzte Kohle wird sich natürlich an der Luft sofort entzünden und ist dann auch schwer wieder zu ersticken, außer man gießt Wasser drüber.
kalia
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von kalia »

again what learned :D danke!
Klar, ich denke da nur an den Erlenmeyer, aber der Kühler wird auch zum Wegschmeißen sein.
Also sind solche Versuche wohl eher nichts für die vorhandene Apparatur.

Aber wenn ich lediglich das Holz zu Verkohlen probiere, dürfte noch keine sonderliche Verschmutzung in der Brücke aufkommen, oder tritt sie bereits beim Verkohlen auf?

Ok, ich hab mir Glaskohlenstoff spannender vorgestellt :)

Die Teerwirkung ist ja interessant, wusste ich gar nicht. Bereits als Kind liebte ich den Geruch vom frischen Teer beim Straßenbau :D
Dass es bis zur Genetik geht, ist ja abgefahren. Wie kommt das?
Xyrofl
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von Xyrofl »

Ich weiß gar nicht, ob du aus dem Straßenbau noch echten Teer kennst. Das was man heute verwendet ist Bitumen, also ein schweres Erdölprodukt, das nicht besonders krebserregend (aber sicher auch nicht gesund) ist. Genau deswegen verwendet man es heute - und natürlich weil die Koksproduktion zurückgegangen ist und deswegen Bitumen günstiger ist als Kohlenteer. Mit etwas Übung kann man die verschiedenen Teersorten und Bitumen leicht anhand des Geruchs unterscheiden.
Die Polyaromaten sind "eigentlich" relativ harmlose Verbindungen, da sie gar nicht besonders reaktiv sind, aber gerade weil sie so schlecht reagieren, hat der Körper Probleme, sie abzubauen. Beim Versuch, sie zu zerlegen erzeugen die Enzyme, die für den Abbau von Fremdstoffen zuständig sind aus den Polyaromaten sehr reaktive Verbindungen (insbesondere Epoxide) und diese können dann mit der DNA reagieren wenn sie nicht schnell genug entgiftet werden. Je nach Form des Aromaten ist er unterschiedlich schwer wieder aus der DNA zu entfernen, wenn er einmal hinein gelangt ist. Stoffe wie Benzo[a]Pyren z.B. die eine sogenannte Bay-Region als Strukturmerkmal aufweisen, haben genau die richtige Form um sich in der DNA zu verkriechen, sodass die Reparaturmechanismen des Körpers versagen. Wenn der Fremdstoff aber aus der DNA nicht entfernt werden kann, besteht das Risiko, dass bei dem nächsten Replikationsprozess eine andere Erbinformation ausgelesen wird und dann tritt eine Mutation auf. Das ist im Prinzip nichts Besonderes und passiert auch von selbst, da nichts im Körper fehlerfrei ist, aber je mehr genotoxische Stoffe man aufnimmt, desto schlimmer wird das und auf Dauer kann das nur böse enden. Es können auch viele weitere Schäden auftreten, z.B. Strangbrüche oder chromosomale Aberrationen. Die Wirkung von Aromaten, bzw. ihren hochreaktiven Abbauprodukten auf das Erbgut ist nicht besonders selektiv.
Aber wenn ich lediglich das Holz zu Verkohlen probiere, dürfte noch keine sonderliche Verschmutzung in der Brücke aufkommen, oder tritt sie bereits beim Verkohlen auf?
Beim Verkohlen wird der Teer aus dem Holz ausgetrieben (zusammen mit Wasser und Holzgas), das Verkohlen und die Bildung von Teer lassen sich nicht trennen, das sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Bei den Temperaturen, die nötig sind um Holz zu verkohlen, verkohlt der Teer selbst auch, d.h. wenn er nicht sofort (Sekundenschnelle) gekühlt wird, dann verwandelt er sich selbst in eine kohlenartige Substanz, d.h. er brennt sich ein. Das ist auch der Prozess, der die Hochtemperaturteere erzeugt. Die Polyaromaten kann man sich vorstellen wie winzige Graphitschnipsel mit Wasserstoff an den Rändern. Die reagieren auch miteinander und werden dadurch immer größer, bis sie sich irgendwann zusammenballen und dann sind das Rußpartikel. Der Teer ist eigentlich nichts anderes als die Vorstufe vom Ruß und der Ruß wiederum ist eine Art Kohle.
Nail
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von Nail »

Hier kannst du die Wirkung von PAK lesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Polycycli ... i_Menschen

Die Glasgeräte werden wohl bei jedem Verkohlungs-/Pyroloyseversuch eingesaut werden, wobei das ganze mit Wasser und Spülmittel nur schlecht rausgehen wird. Mit Aceton sollte es eine angenehme Sache sein, ist eben die Frage wie viel Aceton du nur für das reinigen hast.
Es gibt viele andere Versuche die wesentlich angenehmer sind, z.B. die Extraktion von Eugenol aus Nelken oder von mir aus kannst du auch die Inhaltsstoffe aus Kümmel extrahieren.
Du brauchst für eine Extraktion nicht unbedingt einen Soxhlet, du kannst auch einfach das Extraktionsgut (z.B. gemahlene Nelken) in einen Kolben mit Lösungsmittel (z.B. Ethylacetat oder Ethanol) geben und dann unter Rückfluss kochen. Nach ein paar Minuten/Stunden filterst du das Extraktionsgut vom Lösungsmittel und extrahierst entweder nochmal das Extraktionsgut mit frischem Lösungsmittel oder lässt es eben. Anschließend destillierst du dein Lösungsmittel ab und als Rückstand wird ein farbiges Öl zurückbleiben, welches im Fall von Nelken dreckiges Eugenol ist, welches du mit gewissen Methoden reinigen kannst.

Beim Soxhlet hast du den Vorteil, dass du einen relativ geringen Lösungsmittelverbrauch hast, weil das Lösungsmittel immer frisch destilliert auf das Extraktionsgut tropft. Aber wenn du kein Geld ausgeben möchtest, geht auch die obere Method vorerst.
Q.E.D.
Xyrofl
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von Xyrofl »

Mit Aceton sollte es eine angenehme Sache sein, ist eben die Frage wie viel Aceton du nur für das reinigen hast.
Aceton ist eine gute Sache um Teer zu entfernen, das ist richtig. Weil die Bestandteile des Teers in der Regel Phenole sind, kann man auch alkoholische KOH-Lösung verwenden, sie werden dann zu löslichen Phenolaten. Den Teer oder das Pech zu entfernen ist deswegen nicht besonders problematisch. Wenn sich der Teer aber schon zersetzt hat, dann versagen alle diese Lösemittel. Genau das ist das Problem an der Destillationsbrücke vor dem Kühler, wo die Glasoberfläche ständig mit glühend heißen Gasen und Teertröpfchen in Kontakt kommt. Teer der sich im Kühler oder dahinter niederschlägt, ist kein Problem. Teerpartikel, die auf der heißen Glasoberfläche vor dem Kühler landen werden zu einem Kohlebelag, das ist das echte Problem.
Wenn man den Teer in einer Stahldestille erzeugt, kann man ihn hinterher in einer Glasdestille noch einmal fein rektifizieren und so diverste Terölfraktionen gewinnen. Was dann an Pech im Kolben bleibt, das kann man in der Regel mit Aceton oder alkoholischer Lauge auswaschen (zur Not unter Rückfluss auskochen). Es sieht zwar auch auf den ersten Blick fürchterlich aus, aber dabei habe ich noch kein Gerät verloren, mit eingebrannten Rückständen schon, selbst ohne bis auf hohe Rotglut zu erwärmen.
Ich schätze wenn man es nicht selbsterklärend findet, dass die Apparatur beim einem Verkohlungsprozess vernichtet werden kann, dann macht man sich einfach falsche Vorstellungen davon, was für Temperaturen notwendig sind um eine gute Teerausbeute oder eine vollständig verkohlte Holzkohle zu bekommen. Das ist nicht einfach so mit einem Bunsenbrenner ohne Isolation zu erreichen. Ein bisschen oberflächliche Verkohlung kriegt man hin und ein brenzlich stinkendes Destillat das zum Großteil aus Wasser besteht. Aber keine komplett durchgeköhlte, klirrend harte Holzkohle wie man sie zum Grillen verwenden würde und keine hohen Ausbeuten an schwarzem Teer.
kalia
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Re: Versuche mit Verbrennung / Verkohlung

Beitrag von kalia »

Ok, ich glaub, ich bleibe erstmal bei einer Extraktion.
Da mache ich bei Bedarf aber eher einen extra Topic auf, sonst wirds unübersichtlich.
Danke!
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