Problem bei der Nicotin-Destillation

Organische Chemie.

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lemmi
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Re: Problem bei der Nicotin-Destillation

Beitrag von lemmi »

Wie ist die Sache denn weitergegangen?

Die mögliche Erklärung, dass Nikotin nur als di-Pikrat unlöslich ist, das mono-Pikrat aber löslich könnte deine Beobachtung doch erklären. Das zu testen ist nicht schwer. Hast du es mal probiert?

Zur DC von Tabakalkaloiden (die allererste DC die ich je gemacht habe war so eine :) ) eignet sich als Fließmittel 15 ml Chloroform + 2,5 ml Methanol + 0,5 ml Ammoniaklösung 10% oder auch Chloroform 16 ml + Methanol 4 ml. Die Detektion geht gut mit Dragendorff-Sprühreagenz (1:10 in 10% Weinsäure verdünnt). Ob die Tabakalkaloide Fluoreszenzlöschung machen weiß ich nicht, vermute es aber.

Chromatogramm 5.2.jpg
Chromatogramm 5.2.jpg (33.06 KiB) 3640 mal betrachtet
Laufmittel 1

Chromatogramm 5.1.jpg
Chromatogramm 5.1.jpg (42.52 KiB) 3640 mal betrachtet
Laufmittel 2

links und rechts Extrakte aus "chimú" (einer Tabakzubereitung aus dem nördlichen Südamerika), in der Mitte selbst gemachter Tabakblätterextrakt als "Referenz"

Wenn es dich interessiert suche ich dir die Tabellen mit den Rf-Werten heraus. Kann man natürlich nie 1:1 übernehmen aber sich an der Reihenfolge orientieren.
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Pok
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Re: Problem bei der Nicotin-Destillation

Beitrag von Pok »

Dann enthält chimú praktisch nur Nicotin in extrem hoher Konzentration und sonst keine anderen Alkaloide?

Ich hab den Versuch jetzt abgewandelt, womit das Problem gelöst wurde. Vermutlich war die Natronlauge zu hoch konzentriert oder es lag daran, dass etwas vom dicken Brei anbrannte. Eine der zwei Ursachen könnte dazu geführt haben, dass sich ein Nebenprodukt/Zersetzungsprodukt bildet, das den Niederschlag auflöst. Erfolgreicher Versuch:

- mehr Wasser (250 ml auf 20 g Tabak, also mehr als doppelt so viel wie vorher)
- Wasser in kleinen Portionen nachgegeben
- weniger NaOH (5 g auf 250 ml Wasser, also ca. halb so viel wie vorher)
- gerührt (dadurch brannte die Masse nur stellenweise und sehr wenig an, längst nicht so fest verkrustet wie beim ursprünglichen Versuch)

1.jpg
Ziemlich gut rührbare Pampe, die nach ca. 1 h Kochen schon sehr zersetzt war...oberhalb der Flüssigkeit klebt der Tabakbrei an der Glaswand (hochgetrieben durch das Schäumen).

Ich hab das Destillat ca. alle 10 min in frische, ca. halbgesättigte Pikrinsäurelösung tropfen gelassen. Es gab immer eine sofortige Trübung und nach einigen Tropfen entstanden immer auch Kristalle.


Wenn man die Vorlage (hier aus einem anderen Versuch) mit den paar Kristallen umschwenkt, sieht es fast aus wie der "Goldregen"-Versuch.

Das ursprüngliche Problem, dass sich nach einiger Zeit kein ND mehr bildete, trat überhaupt nicht mehr auf. Leider brauchte ich für 20 g Tabak wegen des starken Schäumens - das ließ sich in einem ähnlichen Versuch auch mit Wachszugabe nicht vermindern - einen 1-Liter-Erlenmeyer und auch nach 1,5 Stunden ging offenbar noch Nicotin über...hab dann abgebrochen. Um größere Mengen Nicotin zu gewinnen (10 g oder so), bräuchte man also äußerst viel Zeit.

Das Nicotinpikrat scheint doch nicht so schwer löslich zu sein, wie meine Quelle behauptete. Die Lösung in der Vorlage ist weiterhin sehr stark gelb gefärbt, auch wenn keine Kristalle mit weiterem Destillat mehr ausfallen (wobei dasselbe Destillat mit gesättigter Pikrinsäurelösung durchaus noch viele Kristalle bringt). Abgesehen von der mögilchen Erklärung "Zersetzungsprodukte" will ich deshalb nicht komplett ausschließen, dass das die Ursache war. Einige Beobachtungen deuten darauf hin, andere scheinen es aber auszuschließen. Es wäre eine viel simplere Erklärung als das mit den Zersetzungsprodukten (was ich mir absolut nicht erkären könnte) und die einfachste Erklärung ist ja i.d.R. die wahrscheinlichste.

Der andere geplante Weg hat überhaupt nicht geklappt (Tabak mit schwefelsaurem Wasser einweichen usw.).
lemmi hat geschrieben:Die mögliche Erklärung, dass Nikotin nur als di-Pikrat unlöslich ist, das mono-Pikrat aber löslich könnte deine Beobachtung doch erklären.
Ne. Dann hätte das "späte" Destillat mit frischer Pikrinsäurelösung einen Niederschlag geben müssen. War aber nicht so. Das hatte ich ja getestet.

Es könnte aber sein, dass es deshalb keinen ND gab, weil die Lösung übersättigt war. Das trat bei dem neuen Versuch jetzt einige Male auf. Die milche Trübung nach dem 1. Tropfen löste sich auf und erst nach einigen weiteren Tropfen entstanden Kristalle. Aber beim ursprünglichen Versuch entstanden überhaupt (!) keine Kristalle in frischer Pikrinsäure.

Demnächst werde ich das nochmal machen, um das Pikrat in Gramm-Mengen zu erhalten und daraus hoffentlich halbwegs brauchbares Nicotin zu erhalten.
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PSE
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Re: Problem bei der Nicotin-Destillation

Beitrag von PSE »

Pok ich hab da was für dich.
Da ich schon seit Längerem Schnupftabakkonsument bin, die "Sedimente" in der Nase leid war
und daher auf der Suche nach härterem Stoff *hust* war, ist mir folgendes Material aufgefallen:
https://www.snuffstore.de/nicotine-pouc ... o-ice-cold
(Ich zweckentfremde den snuss als snuff, da ich das irritierende Gefühl im Mundraum nicht mag)

Ich weiß dass es sich bei einer Extraktion daraus nicht mehr um einer wirkliche Naturstoffisolation handelt,
aber da du das Nikotin noch weiterverwenden/-verarbeiten willst, bietet es sich meiner Meinung nach an.
Umgerechnet knapp 5 € für 500mg Nikotin und dazu ohne wirklich störende Nebenbestandteile wie bei einem Ferment
dürfte dir die Arbeit etwas kostengünstiger und einfacher machen.
Neben der Zellulose und dem Menthol, sagt mir mein Riechorgan dass auch etwas Menthon beigesetzt wurde.

Gruß
PSE
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lemmi
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Re: Problem bei der Nicotin-Destillation

Beitrag von lemmi »

Okay , dann hat sich das geklärt. Auf die Beschreibung des gesamten Versuches (Isolierung von Nkotin) bin ich gespannt - auch auf die Asubeute und Reinheit. Nikotin oxidiert sich an der Luft ja leicht.

Chimú wäre ein gutes Ausgangmaterial. Meine Analysen haben damals einen Nikotingehalt von 2,6% ergeben und es ist praktisch komplett wasserlöslich. Die dicken Spots auf meiner DC lagen aber auch daran, dass ich zu viel aufgetragen habe, war halt meine erste überhaupt... :wink:

Wieso hat das mit dem "Einweichen mit Schwefelsäure etc." nicht geklappt? Was war das Problem?
Hast du mal den Salzzusatz probiert? Und ich würde immer noch empfehlen, Wasserdampf durch das Destilliergut zu leiten, das hilft a) gegen anbrennen und b) nimmt das Volumen der Flüssigkeit im Kolben fast nicht ab und man kann schön kontinuierlich destillieren.
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mgritsch
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Re: Problem bei der Nicotin-Destillation

Beitrag von mgritsch »

Pok hat geschrieben: Dienstag 30. Juni 2020, 03:17gerührt (dadurch brannte die Masse nur stellenweise und sehr wenig an, längst nicht so fest verkrustet wie beim ursprünglichen Versuch)
wow, hätte nicht gedacht dass du es im ersten Run so malträtiert hast?
Leider brauchte ich für 20 g Tabak wegen des starken Schäumens - das ließ sich in einem ähnlichen Versuch auch mit Wachszugabe nicht vermindern - einen 1-Liter-Erlenmeyer und auch nach 1,5 Stunden ging offenbar noch Nicotin über...
Erlenmeyers sind bei schäumenden Ansätzen leider generell suboptimal - durch die Trichterwirkung der Verengung geht der Schaum noch höher als sonst statt zusammenzufallen. Rundkolben mit <30% Befüllung sollte besser gehen. Heftiges Rühren hilft auch manchmal den Schaum zu zerschlagen.
Es könnte aber sein, dass es deshalb keinen ND gab, weil die Lösung übersättigt war. Das trat bei dem neuen Versuch jetzt einige Male auf. Die milche Trübung nach dem 1. Tropfen löste sich auf und erst nach einigen weiteren Tropfen entstanden Kristalle.
oder die Löslichkeitsgrenze noch nicht erreicht. Lokal wird es überschritten (Trübung mit 1. Tropfen), beim Umschwenken löst es sich wieder bis die Konzentration hoch genug ist für eine stabile Fällung.
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Pok
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Re: Problem bei der Nicotin-Destillation

Beitrag von Pok »

lemmi hat geschrieben: Dienstag 30. Juni 2020, 10:24Wieso hat das mit dem "Einweichen mit Schwefelsäure etc." nicht geklappt? Was war das Problem?
Hast du mal den Salzzusatz probiert? Und ich würde immer noch empfehlen, Wasserdampf durch das Destilliergut zu leiten
Ich hab probiert, nach einer alten Anleitung vorzugehen bei dem Schwefelsäure-Versuch. Einweichen, auspressen, eindampfen bis zur Sirupdicke, mit EtOH aufnehmen, EtOH-Lösung mit Wasserzusatz eindampfen und diese wässrige, verunreinigte Nicotinsulfat-Lösung mit NaOH destillieren, Vorlage: Pikrinsäurelösung. Ich hatte da auch etwas Wachs zugesetzt. Beim Destillieren ist überhaupt kein Niederschlag entstanden, es schien (restliches?) EtOH überzugehen. Leider hat es auch wieder stark geschäumt.

Salzzusatz habe ich noch nicht probiert, werde ich bei einem nächsten Test mal machen.

Blöderweise ist die Ausbeute sehr schlecht. Das gewogene Nicotinpikrat (?) ist nur ca. 30 % der theoretischen Menge. Das Verfahren scheint so nicht zu funktionieren. Vielleicht war noch nicht genug Nicotin übergegangen....oder Nicotinpikrat ist wirklich nicht so schwer löslich...eventuell ist meine Pikrinsäurelösung auch verunreinigt, will ich jetzt nicht weiter drauf eingehen. Ich werde es das nächste mal lieber völlig ordentlich machen, also Wasserdampf durchleiten, große Volumina abdestillieren, Vorlage Oxalsäure, dann eindampfen und weiterbehandeln (ggf. mit NaOH das Nicotin freisetzen).
mgritsch hat geschrieben: Dienstag 30. Juni 2020, 11:07wow, hätte nicht gedacht dass du es im ersten Run so malträtiert hast?
Naja, nur stellenweise ist was angebrannt, das aber ziemlich fest.
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