Rf-Werte und Polarität in der DC

Organische Chemie.

Moderator: Moderatoren

Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5606
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Rf-Werte und Polarität in der DC

Beitrag von lemmi »

Da sowohl der DC-Thread als auch der Coniin-Thread derzeit nicht aufrufbar sind stelle ich ein Problem hier zur Diskussion. Vielleicht wirft es ja eine allgemeine Erkenntnis ab.

Kürzlich bekam ich eine kleine Menge authentisches Coniinhydrochlorid zur Verfügung gestellt. Ich habe eine DC zum Vergleich mit meinem aus Schierling isolierten Präparat gemacht und eine Überraschung erlebt:

Bild
links: Coniinhydrochlorid - rechts: mein Präparat
(Laufmittel: Chloroform + Methanol = 5,5 + 4,5; Detektion mit Dragendorffs Reagenz)

Die Substanzen sind verschieden. Mein Präparat hat einen niedrigeren Rf-Wert als das Coniin. Dabei ist mein Präparat (fast) ganz rein. Ich muss einen Schierling erwischt haben, der fast ausschließlich ein anderes Alkaloid - und eben kein Coniin - bildete!

Bei der Verwendung eines anderen Laufmittels kehrt sich die Reihenfolge der Spots um. Als Laufmittel dient Chloroform +Ethanol + Ammoniaklösung = 9 + 1 + 1. Jetzt läuft das Coniin unterhalb meines Präparates (leider kein Bild vorhanden).

Es stellt sich die Frage, welches andere Alkaloid das sein könnte. In Betracht kommen: N-Methylconiin (IV), Conhydrin (VII) und N-Methylconhydrin (IX). γ-Conicein (IV) scheidet aus, weil sich mein Präparat mit Nitroprussidlösung nicht violett anfärbt.
Bild

Ich stelle folgende Überlegung an: Laufmittel 1 ist polarer als Laufmittel 2. Polare Laufmittel nehmen polare Substanzen besser mit. Im Laufmittel 1 müsste sich die polarere Substanz weiter oben (mit höherem Rf-Wert) vorfinden. Für Laufmittel 2 gilt vice versa dasselbe: je unpolarer die Substanz, desto höher der RF-Wert.

Nun habe ich zum Laufmittel 2 eine Literaturstelle (zu Laufmittel 1 nicht, das ist selbst ausgedacht). Das Laufmittel hat übrigens seine Tücken: es wird nie völlig klar! Deswegen habe ich es gut verschüttelt, eine Viertelstunde stehen gelassen und dann die untere (oganische) Phase - die immer noch etwas milchig war - zur Chromatografie verwendet. In der Veröffentlichung findet sich folgende Abbildung:

Bild
(Moll F: Dünnschichtchromatographie von Schierlingsalkaloiden und anderen Piperidinbasen; Archiv der Pharmazie 296 (1963): 205-207)

Nur eine Substanz läuft oberhalb des Coniins. Dabei soll es sich um N-Methylconhydrin handeln. Das dieses das weit, weit vorherrschende Hauptalkaloid in meinen Schierlingsfrüchten gewesen sein soll, halte ich für unwahrscheinlich. In der Literatur wird es immer nur als "Nebenalkaloid" aufgeführt.
Wenn nun in diesem Laufmittel die Regel gilt "je unpolarer desto höher der Rf-Wert" dann ist es logisch, dass Methylconhydrin einen höheren RF hat als Conhydrin. Aber dass Methylconiin einen niedrigeren Rf haben soll als Methylconhydrin scheint mir nicht logisch. Letzteres hat eine OH-Gruppe und müsste deutlich polarer sein als Methylconiin.

Kann es sein ... dass die Abbildung falsch beschriftet ist und Methylconiin bzw Methylconhydrin vertauscht wurden ?
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5606
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Beitrag von lemmi »

Mag / kann keiner einen Kommentar abgeben?
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
Benutzeravatar
Phil
Illumina-Mitglied
Beiträge: 460
Registriert: Donnerstag 19. Februar 2015, 16:27

Beitrag von Phil »

Hm das ist recht komplex,
Wie ist der Gefrierpunkt vom Coniin? Laut Lt. ist der mp. -2°C Wie alt ist es und wurde es lichtgeschützt aufbewahrt?
Es kann durch Licht polymerisieren. Coniinhydrochlorid mp. ca.210°C

Links mit weiteren mp`s. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf ... 9622950112
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4349
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Beitrag von mgritsch »

Ein paar inputs was mir (ganz laienhaft :)) auffällt:

- du analysierst Hydrochloride und Salze laufen immanent schlecht in der DC. Dass ein Hydrochlorid in deinem Laufmittel Chloroform + Methanol einen so scharfen Spot ergibt erscheint mit unplausibel, eher so was mit "Kometenschweif" wie dein eigenes Präparat. Der Kometenschweif ist idR der Dissoziation geschuldet und kann nur durch Zugabe einer Base (oder bei Anionen schwacher Säuren: einer Säure) effektiv unterdrückt werden und dann ein reproduzierbares Ergebnis herauskommen.

- folglich würde ich beim alternativen Laufmittel Chloroform +Ethanol + Ammoniaklösung erwarten, dass das Bild nicht nur der Reihenfolge nach ein ganz anderes ist - war da der Spot schärfer? Voraussetzung ist natürlich, dass die Base deutlich schwächer ist als NH3, sonst liegt es nicht als undissoziierte freie Base vor. (Bsp bei mir zuletzt: Cumarine laufen nur bei Zusatz von Ameisensäure gut da sie eigentlich ein Lacton aus Carbonsäure und Phenol sind... Cumarin-3-Carbonsäure ist so stark dass auch viel Ameisensäure nichts hilft, das schmiert nur...) --> grober Rückschluss auf Basenstärke des Analyten ist möglich - hilft das evtl bei der Identifizierung?
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4349
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Beitrag von mgritsch »

noch ein paar Überlegungen:

ich denke bei DC nicht unbedingt nur in Polaritäts-Kategorien, vor allem wenn es um Funktionale Gruppen mit ausgeprägten Säure-Basen-Eigenschaften handelt. Dass N-Methylconiin weiter unten läuft erklärt sich für mich zB auch dadurch dass es durch den +I-Effekt der Methylgruppe die stärkere Base sein sollte; auch dass Conhydrin nochmal weiter unten läuft ist für mich "logisch" da es sich mit der OH-Gruppe ebenfalls gut am Silicagel "festkrallen" kann. Wie es jedoch das N-Methylconhydrin dann ganz nach oben schafft erklärt sich mir ganz und gar nicht.

Coniin ist eine relativ starke Base (pKb ca 3) --> Zusatz von NH3 sollte nach dem oben gesagten sogar nicht ausreichend sein um aus einem Hydrochlorid die freie Base zu machen die ungestört laufen kann. Von daher finde ich den scharfen und weit oben liegenden Spot deines Referenzmaterials nochmal hinterfragenswert... hast du evtl Triethylamin verfügbar als Modifier? Das sollte bzgl Mischbarkeit ggü wässr NH3 weniger Probleme haben und es ist die viel stärkere Base (auch pKb = 3)
Antworten