Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Organische Chemie.

Moderator: Moderatoren

Glaskocher
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2520
Registriert: Dienstag 27. Oktober 2015, 22:17
Wohnort: Leverkusen

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Glaskocher »

Wenn Du den Scheidetrichter mit einer fettähnlichen Substanz einreibst, dann stößt er Wasser ab und das Minzöl klebt umso besser. Polypropylen ist von Natur her lipophiler als Glas. Da würden nichtwässrige Phasen ebenfalls stark haften. Ob der Film dann dick genug ist, um unten zusammenlaufen zu können weiß ich nicht.

Im Prinziep gibt es wieder die "Klassiker" zur Verbesserung der Trennung:
- Polarität der Wasserphase zurch Zusatz von Salz erhöhen, um die Organika in eine eigene Phase zu drängen. Man kann mit NaCl oder CaCl2 experimentieren. Es kann sich auch lohnen, die mit Salz angereicherte Mischung erneut zu destillieren, um im Destillat weniger Wasser mit zu schleppen als im Verdampferkolben war.
- Die organische Phase mit einem niedrig siedenden organischen Lösemittel extrahieren, das sich vom Extrakt leicht abdestillieren läßt. (Pentan, Ether, Dichlormethan)
- Die organische Phase mit einer hoch siedenden organischen Flüssigkeit extrahieren und das Minzöl daraus im Vakuum destillieren. Alternativ mit Speiseöl extrahieren und so verwenden.

Man kann versuchen, die Öltröpfchen mit einem Gummiwischer "Molekülbesen" im Scheidetrichter nach unten zu schieben, um dort eine ablauffähige Phase zu bilden. Allerdings kann dabei auch ein Teil des Öles am (unpolaren) Gummiwischer kleben bleiben und/oder hinein diffundieren.
Bamboleo
Illumina-Mitglied
Beiträge: 84
Registriert: Montag 20. März 2017, 11:11

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Bamboleo »

vlt ist es dann wirklich das Beste, in einen Scheidetrichter mit geringem Volumen zu destillieren und nach Ablaufen des Hydrolats mit Olivenöl das Ganze kräftig durchzuschütteln.
Bamboleo
Illumina-Mitglied
Beiträge: 84
Registriert: Montag 20. März 2017, 11:11

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Bamboleo »

Mojn Boyz, wie sieht das eigentlich mit Trockendestillation aus, kann man soetwas ebenfalls in einem herkömmlichen Glaskolben durchführen, oder geht der kaputt? Ich wollte Birkenteer gewinnen, und das geht wohl am besten über Trockendestilation.
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4345
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von mgritsch »

Geeignetes Laborglas (Boro) geht nicht kaputt (es sei denn du glühst bis zur veraschung...) aber es ist eine ziemliche Sauerei und fast nicht mehr zu reinigen. (Piranha ist ja nicht mehr legal zu haben...)
Bamboleo
Illumina-Mitglied
Beiträge: 84
Registriert: Montag 20. März 2017, 11:11

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Bamboleo »

also auch nich mit ätznatron oder salzsäure sauber zu kriegen???
Xyrofl
Illumina-Mitglied
Beiträge: 1047
Registriert: Samstag 25. September 2010, 00:49

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Xyrofl »

Trockene Destillation in Glasgeräten finde ich eher verschwenderisch. Man kann das machen, aber es wäre viel besser sich etwas aus Metall zu bauen. Sauber wird derartiges sowieso nicht mehr ohne Weiteres und Salzsäure ist keine oxidierende Säure, ich bezweifle, dass die irgendwas bringt. Laugen lösen Teer, aber keine Kohle-Beläge. Das ist wie Eingebranntes vom Backofen nur viel höher erhitzt und somit viel hartnäckiger. Man könnte die ganze Anlage auf Rotglut erhitzen und an der Luft freibrennen, aber Glas mag das gar nicht gerne, es könnte springen, sich verformen oder mit der Asche reagieren und eine graue, raue Oberfläche bekommen. Glas das man so behandelt muss man abschreiben, es ist illusorisch sich darauf zu verlassen, dass sowas immer gut ausgeht. Zumindest der Kolben der als Brennblase dient, wird nach einigen Anläufen wohl den Geist aufgeben.
Besser wäre es, den Teer in einer Apparatur aus Metall zu brennen und dann mit Glasgeräten aufzuarbeiten (Phasen trennen, redestillieren, usw.). Meine Erfahrung mit trockener Destillation war, dass relativ lange noch etwas über geht, selbst bei hoher Rotglut noch, aber die Teere werden zunehmen aromatischer und toxischer, zumindest werden sie dunkler und sind vom Geruch her wesentlich reicher an PAKs (ja, mit etwas Übung riecht man das deutlich). Je nachdem was man mit dem Teer möchte, ist das gut (Holzbehandlung, aber das wäre eher eine veraltete, teilweise verbotene Anwendung) oder eher ganz schlecht (medizinische Anwendungen, wo PAKs ein Riesenproblem sind).
Glaskocher
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2520
Registriert: Dienstag 27. Oktober 2015, 22:17
Wohnort: Leverkusen

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Glaskocher »

Wenn Du Betulin und Betulinsäure gewinnen willst, dann extrahiere die Rinde* mit heißem Alkohol (Ethanol oder Isopropanol). Wenn Du keinen Soxhlett-Extrakter hast, dann geht auch ein Tropftrichter mit Druckausgleich als Behälter für das Extraktionsgut. Man staunt, wie hoch der Anteil an extrahierbarem Anteil ist. Du kannst den Extrakt später noch bis zur beginnenden Fällung einengen, dann abkühlen und filtrieren. Das trennt eine Menge an Nebenkomponenten im Filtrat ab.

* = Es handelt sich korrekt um die Korkschicht der Rinde. Das Bast- und Leitgewebe wird vorher abgetrennt. Zur Extraktion hat sich eine eine Zerteilung in Schichten bewährt, weil das Betulin als feines Pulver dazwischen liegt. Ansonsten muß man bei der Kaltextraktion im täglichen Wechsel das Lösemittel dekantieren und durch Frisches (oder Destillat) ersetzen, bis kaum noch Extrakt im Sumpf übrig bleibt.



Da Betulin ein dem Cholesterol ähnliches Grundgerüst hat sind PAKs schon vorprogrammiert, wenn man pyrolysiert. Es gibt verschiedene Verfahren, mit denen Birkenpech gewonnen wurde. Je nach Verfahren bekommt man unterschiedliche Qualitäten, die sich für verschiedene Verwendung eignen. Auch die Ausbeuten unterscheiden sich sehr deutlich. Im Freilichtmuseum Düppel gibt es eine Gruppe, die sich mit verschiedenen Pechen beschäftigt und eine Pixothek aufbaut. Das ist eine Sammlung an Pechproben aus verschiedener Herkunft und nach verschiedenen Verfahren gewonnen, als Vergleichprobe zu archäologischem Material. Die Proben werden nach allen Regeln der Kunst analysiert, um Vergleichspektren zu erhalten.
Bamboleo
Illumina-Mitglied
Beiträge: 84
Registriert: Montag 20. März 2017, 11:11

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Bamboleo »

Hallo, vielen Dank für die Infos, meinst du mit Extraktion durch Alkohol einfach mit Alkohol anstatt Wasser im Sumpf destillieren???
Glaskocher
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2520
Registriert: Dienstag 27. Oktober 2015, 22:17
Wohnort: Leverkusen

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Glaskocher »

Nein, nicht Rinde und Alkohol im Sumpf kochen, um den Alkohol abzudestillieren. Im einfachsten Fall weichst Du die Rinde über Nacht in Alkohol ein und dekantierst den Alkohol in den Destillationssumpf. Dann wird destilliert und das Destillat zur Rinde zurück gegeben, um am nächsten Tag diese Operation zu wiederholen. Im Sumpfkolben bleibt immer ein Rückstand übrig, der aus Betulin und Anderem besteht. Den kannst Du heraus kratzen und sammeln. Wenn kaum noch frisches Material im Kolben bleibt, dann ist die Rinde erschöpft. Man kann, je nach Rohmaterial, ca. 30% Extrakt erwarten.
Bamboleo
Illumina-Mitglied
Beiträge: 84
Registriert: Montag 20. März 2017, 11:11

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Bamboleo »

ah so ok, hatt mich schon gewundert. Ob dabei viel von diesen PAKs entstehen? Nebenbei, es wird ja sehr häufig Teerseife aus medizinischen Gründen verwendet, aber wenn da viel von diesen PAKs entstehen, ist das wohl doch nicht so gesund oder?
Xyrofl
Illumina-Mitglied
Beiträge: 1047
Registriert: Samstag 25. September 2010, 00:49

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Xyrofl »

Die medizinischen Anbieter sollten die Technik haben um die Gehalte an PAKs sowohl prozesstechnisch (Temperaturkontrolle, usw.) als auch analytisch im Griff zu haben. Teer ist nicht gleich Teer, sondern eine riesige Sammlung verschiedener Produktsorten und auch mit dem Zusatz "Birkenrinde" im Namen wird noch keine klar spezifizierte Substanz daraus. Teer ist keine Chemikalie wie Aceton, es ist ein Produkt wie Kartoffelchips oder Brot - da gibt es qualitative Unterschiede. Unter den richtigen Bedingungen (in der Regel tiefe Temperatur, vllt. auch verminderter Druck) gewonnener Teer ist meist sehr arm an PAKs während bei Weißglut gewonnener Kokereiteer praktisch ausschließlich aus aromatischen Verbindungen und größtenteils PAKs besteht. Kokereiteer ist keine sanfte, alternative Medizin, sondern ein Schadstoff wie Asbest. Nur in ganz seltenen Fällen werden solche Teere noch in der Medizin verwendet. In Straßenbelägen ist er mittlerweile verboten, so toxisch ist er. Wenn du einfach irgendwas machst, kriegst du einen Teer, der irgendwo zwischen diesen Extremen liegt und niemand kann dir sagen ob das vielleicht gesund oder hochgradig krebserregend und selbst für die Anwendung auf Straßen und an Holzzäunen verboten ist.
Ich würde selbstgemachten Teer in der Regel erstmal als leicht krebserregend ansehen, außer du hast bei sehr hohen Temperaturen gearbeitet, dann ist er aller Wahrscheinlichkeit nach stark krebserregend und bekommt meist einen verräterischen Geruch nach Naphthalin. Teersieden war früher eine Kunst, das muss man können, sonst braut man sich fürchterliche Produkte, die man niemandem anbieten kann. Ich würde mir zum Beispiel nicht zutrauen, Teer für medizinische Anwendungen machen zu können. Teer für Experimente ja, aber keine Medizin, das ist eine ganz andere Welt.

Die Extraktion dagegen kann man als praktisch sicher ansehen, da die Temperaturen viel, viel niedriger sind. Das Produkt, das so erhalten wird, ist auch nicht schwarz. Generell kann man sagen, je dunkler das Produkt ist, desto mehr pyrolytische Zersetzung hat stattgefunden und die Hochtemperaturteere sind praktisch immer rabenschwarz.
Benutzeravatar
Cumarinderivat
Illumina-Mitglied
Beiträge: 625
Registriert: Samstag 2. Januar 2016, 16:47

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Cumarinderivat »

mgritsch hat geschrieben: Mittwoch 3. Juni 2020, 07:47 Kann man sicher machen, wird aber ein anderes Ergebnis bringen. So ein Extrakt/Mazerat enthält dann einiges mehr als nur das ätherische Öl. Und dafür wird beim Abziehen des LöMi wieder manches mit flüchten was drin bleiben sollte bzw je nach Reinheit des LöMi das eine oder andere was nach Benzin riecht zurück bleiben.
In der industriellen Gewinnung von natürlichen Duftstoffgemischen wird explizit unterschieden u.a. zwischen Lösemittelextrakten, sog. Absolues, und Wasserdampfdestillaten, den „klassischen“ ätherischen Ölen. Es gibt noch weitere Spezialverfahren und Zitrusöle werde traditionell gepresst, die beiden sind aber die verbreitetsten Methoden.
Allgemein wird gesagt, dass die Absolues das ursprüngliche Duftprofil der Vorprodukte meist besser abbilden.
Chemistry is like cooking - just don't lick the spoon!

Sag' nicht, es funktioniert nicht, bevor du es nicht versucht hast!
Bamboleo
Illumina-Mitglied
Beiträge: 84
Registriert: Montag 20. März 2017, 11:11

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Bamboleo »

Mojn, also nochmal wegen dem Birkenteer: wie ist das mit der Destillation von Alkohol, ab welchem Punkt entsteht Methylalkohol und woran erkennt man das? Ist die Vergiftunsgefahr da wirklich so groß?
Glaskocher
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2520
Registriert: Dienstag 27. Oktober 2015, 22:17
Wohnort: Leverkusen

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Glaskocher »

Ähm... Birkenteer und Alkohol sind zwei sehr unterschiedliche Themen. Birkenteer wird durch trockene Destillation und teilweise Pyrolyse der Rinde gewonnen. Der Alkohol entsteht durch anaeroben Metabolismus von Zuckern durch Hefen. Aus Gärlösungen, die nicht nur C6-Zucker enthalten kann dabei auch Methanol gebildet werden. Methanol hat einen niedrigeren Siedepunkt als Ethanol. Beim Destillieren mißt man die "Kopftemperatur", also die Temperatur des Dampfer kurz vor dem Kühler, um eine Information über die gerade übergehende Fraktion zu bekommen.
Xyrofl
Illumina-Mitglied
Beiträge: 1047
Registriert: Samstag 25. September 2010, 00:49

Re: Fragen zur Wasserdampfdestillation von Ingwer

Beitrag von Xyrofl »

Der größte Unterschied zwischen der Birkenteerdestillation und dem Brennen von Alkohol ist, dass bei der trockenen Destillation viele Reaktionen ablaufen, es ist eine reaktive Destillation und es werden neue Stoffe gebildet. Beim Brennen von Alkohol steht die reine Stofftrennung im Vordergrund, d.h. man bekommt nur den Methanol ins Destillat, der auch schon vorher vorhanden war. Es ist nicht möglich, wie beim Birkenteer so heiß zu brennen, dass sich durch Pyrolyse neuer Methanol bildet. Beim Methanol-Problem kommt es also darauf an, die Stofftrennung möglichst gut unter Kontrolle zu bringen, während man bei der PAK-Problematik Reaktionen kontrollieren muss. Das sind prozesstechnisch zwei sehr verschiedene Aufgaben.
Antworten