chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Organische Chemie.

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lemmi
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von lemmi »

Coffein hat laut Kommentar zum Arzneibuch einen pKb von 14,15 - ist also eine so schwache Base, dass man sagen kann, es reagiert nur unter extremen Bedingungen als Protonenakzeptor. Die Salze sind in wässriger Lösung vollständig hydrolytisch gespalten.
@mgritsch: steht in dem Artikel was zur Stabilität des Hydrochlorids? Ich vermute sie ist sehr gering, denn sonst wäre es gängiger.

@NI2: Du hast recht! Theobromino-Natrium salicylicum ist das Natriumsalz des Theobromins + Natriumsalicylat! Es ist aber gegen KKohlendioxid empfindlich und Theobromin wird frei. Ich habe mal eine schon ältere Probe einfach in Wasser gekippt und filtriert. Der Fiterrückstand war reines Theobromin.
Wieso löst sich Coffein mit Natriumsalicylat so gut (1 Teil in 2-3 Teilen Wasser, reines Coffein in ca 60 Teilen Wasser), wo es doch keine Salze bildet?
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NI2
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von NI2 »

Das Natriumtheobromin ist eine schwache Base und zieht sich sein Proton aus Wasser, inbesondere in Anwesenheit von CO2. Die Ausbeute sollte bei der Trennung wohl besser werden wenn man die Lösung einfach eine Weile stehen lässt oder CO2 durchblubbert. Oder die Probe von mir war schon so alt (trotz Flasche, also es war kein Beutel wie beim Prochinin), dass sie genug CO2 und Wasser gezogen und sich bereits getrennt hat (zumal ich die Probe aus der 5L Flasche von ganz oben entnommen hatte).

Bei dem Natriumsalicylat mit dem Coffein bin ich überfragt. pKa-technisch ist der pKa2(-OH) der Salicylsäure nicht sauer genug, ich vermute dass es hier aber um irgendwelche Wechselwirkung des Ions mit dem Coffein geht... Ich könnte wetten dass der bidentate Charakter des Na-Salicylats irgendwie dafür verantwortlich ist. Mal versucht andere vegleichbaren Liganden zu benutzen?
mgritsch hat geschrieben: Sonntag 6. Dezember 2020, 18:08 Was die sauren Eigenschaften von HTC betrifft - muss es eine Brönsted-Säure sein?
Ja (weil der nächste Punkt ausgeschlossen ist).
mgritsch hat geschrieben: Sonntag 6. Dezember 2020, 18:08 Hat die SO2N-Gruppe evtl Lewis-saure Eigenschaften?
Nein (die Antwort hat Calciumcitrat schon geliefert, da ist kein Elektronenmangel wie bei üblichen Lewissäuren und das Sulfonamid ist resonanzstabilisiert).



Anderes Thema aber passt ganz wunderbar in diesen Thread: Ich würde sehr gerne über Embonsäure sprechen.
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lemmi
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von lemmi »

NI2 hat geschrieben: Sonntag 6. Dezember 2020, 23:34... ich vermute dass es hier aber um irgendwelche Wechselwirkung des Ions mit dem Coffein geht... Ich könnte wetten dass der bidentate Charakter des Na-Salicylats irgendwie dafür verantwortlich ist. Mal versucht andere vegleichbaren Liganden zu benutzen?
Ersteres nehme ich auch an, irgendeine bimolekulare Geschichte, die sich dann in Wasser löst.
Zweiteres srtimmt nicht, denn mit Benzoesäure (bzw. Natriumbenzoat) geht das genauso gut - und Benzoesäure ist nur "monodentat".
NI2 hat geschrieben: Sonntag 6. Dezember 2020, 23:34 Anderes Thema aber passt ganz wunderbar in diesen Thread: Ich würde sehr gerne über Embonsäure sprechen.
Gerne, wenn du mir noch eine Frage beantwortest! :mrgreen:

Phenylephrin besitzt eine aliphatische Iminoigruppe (basisch) und eine phenolische OH-Gruppe.
Phenylephrin formel.jpg
Phenylephrin formel.jpg (6.68 KiB) 5724 mal betrachtet
Laut Clarke ist der pKs der -NH-Gruppe 10,1, was einem pKb von 3,9 entspricht - also eine ziemlich starke Base. Das ist im Einklang mit dem Wert z.B. im Ephedrin, der in einer ähnlcihen Größenordnung liegt.
Der pKs der OH-Gruppe soll 8,9 sein. Das ist gut 1 Größenordnung "stärker" ab beim Phenol (pKs 10) aber irgendwie noch plausibel.
Wenn ich das nicht-ionisierte Molekül ausschütteln will - bei welchem pH mache ich das am besten? Optimal ist nach der Theorie für basische Substanzen ein pH der mindestens 2 Einheiten höher als der korrespondierende pKs ist, und bei Säuren einer der mindestnes 2 Einheiten niedriger als der pKs ist. Beim Phenylephrin gäbe das einmal pH 7 und einmal pH 12 - was soll ich nehmen?
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NI2
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von NI2 »

Aha! Das ist gut zu wissen. Gibt es denn noch andere Fälle in denen durch Zugabe anderer Reagenzen die Löslichkeit derart erhöht wird?
Meine jetzige Hypothese aufgrund der Bemerkung mit der Benzosäure ist π-stacking (Wenn man genauer darüber nachdenkt hätte das schon meine erste Hypothese sein sollen :angel: ). Der Aromat des Salzes hat Wechselwirkung zum Coffein, sei es zum Imidazolkern oder einem Teil des Amidringes, und erhöht dadurch die Löslichkeit. Mit der Hypothese müsste es auch bei anderen planaren Wirkstoffen möglich sein, diese durch Zusatz von Natriumbenzoat oder auch Naphthoaten besser wasserlöslich zu machen. Das könnte auch beim Natriumtheobromin zusätzlich die Löslichkeit verbessern, falls das Natriumtheobromin selbst gar nicht sooo toll wasserlöslich ist. Eventuell gibt es aber Anforderungen an das zu lösende Molekül... Wer weiß :D

Ich bin nur einmal über den doch recht ungewöhnlichen Namen der "Pamoate" gestolpert und war recht verwundert, dass die Säure wirklich solche befremdlichen Namen hat. Der Effekt klingt interessant und sollte genauer besprochen werden. In der englischen Wiki sind einige Beispiel bekannter Medikamente die doch alle recht unterschiedlich zu sein scheinen. Daher wäre es interessant vielleicht mal die Wechselwirkungen genauer zu besprechen, weil von Xyrofl die Idee aufkam, dass man Embonsäure vielleicht zur Fällung von Alkaloiden bei Extraktionen benutzen kann. Im Gegensatz zu den Fällungsreagenzen für Alkaloide die bekannt sind (Tetraphenylborat, die Hg- und Bi- oder auch Pt-, und Au- komplexe) sollten die Pamoate wiederum besser löslich sein um so die freie Base zu gewinnen... Noch dazu recht easy zu machen, ungiftig, kein Schwermetall etc. Hat jemand vielleicht Erfahrung damit bzw weiß etwas mehr über die Embonsäure bzw ihre Anwendungen und Vor- und Nachteile?

EDIT:
Ohne mir jetzt die Zahlen genau angeschaut zu sagen würde ich aus dem bauch heraus sagen, dass es leicht alkalisch aussschütteln sollte. bei ph=7 bleibt zu viel davon als salz vorliegen, bei pH=12 wird das Phenol schon deprotoniert. Ich würde pH=9-10 anstreben. Da ist das Amin frei und das Phenol noch nicht deprotoniert, zumal letzteres eh nicht so gesund für das Molekül sein sollte. Im Gegensatz zu Epinephrin ist es mangels orthoständiger zweiter Hydroxyguppe nicht so Oxidationsempfindlich, aber pH=12 scheint mit da schon zu hoch zu sein.
EDIT2:
Für eine quantitative Extraktion wird man vermutlich aber oft extrahieren müssen. Mit 3 mal ist es vermutlich nicht getan... Ist aber wie gesagt alles eher bauchgefühl.

EDIT3:
Palipost 5885
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lemmi
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von lemmi »

Finde ich auch interessant (endlich weiß ich, was ein Pamoat ist!) und ich steige gerne in das Thema ein - aber bitte sieh noch mal oben nach: ich hab noch was in meinem letzten Post ergänzt, das ich auch gerne kurz diskutiert hätte!
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NI2
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von NI2 »

Habe ich schon reineditiert, kennzeichne es aber nochmal für die Leser :D
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mgritsch
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 6. Dezember 2020, 22:10 Coffein hat laut Kommentar zum Arzneibuch einen pKb von 14,15 - ist also eine so schwache Base, dass man sagen kann, es reagiert nur unter extremen Bedingungen als Protonenakzeptor. Die Salze sind in wässriger Lösung vollständig hydrolytisch gespalten.
Solche Angaben habe ich auch gefunden - stellt sich die Frage was das zB in Zusammenhang mit der schwachen Säure Citronensäure (pKs1=3,13) bedeutet? Dass das Citrat einfach nur ein Mischkristall der beiden ist, sonst weitgehend undissoziiert?
@mgritsch: steht in dem Artikel was zur Stabilität des Hydrochlorids? Ich vermute sie ist sehr gering, denn sonst wäre es gängiger.
Hier bekommst du den Artikel mittels doi: https://sci-hub.st
Definiere „Stabilität“?

Der Artikel studiert den Kristall-Aufbau, zeigt dass es dimere Einheiten sind in denen 2 Coffein über 2 Cl- an Imidazol-NH und -CH verknüpft vorliegen (interessant - das N-CH3 spielt nicht mit!) sowie dass die Pyrimidin-Seiten der dimere im Kristall über π-Stacking interagieren.

Zur Herstellung sagt er:
„anhydrous caffeine hydrochloride was rather easily and quantitatively isolated by stirring caffeine with concentrated HCl overnight followed by evaporation of the volatiles and drying under high vacuum“ bzw. „Single crystals were grown via slow diffusion of diethyl ether into a saturated ethanol solution“.

Eine andere Quelle behauptet die Herstellung von Phosphat, Nitrat und Perchlorat indem eine Lösung von 10 mmol Coffein in 20 ml Chloroform mit der äquimolaren Menge an konz. Säure über Nacht gerührt wird, Kristalle abfiltrieren, mit Chloroform und Aceton nachwaschen und fertig.

„Stabil“ dürften die mineralsauren Salze wohl genau so wie das Citrat sein, aber deutlich weniger „bekömmlich“ bei Verzehr. Wozu sollte man überhaupt ein Salz einsetzen wenn die Stammsubstanz sowohl ausreichend löslich als auch stabil ist (viele „freebases“ sind oxidationsempfindlich weswegen das Hydrochlorid bevorzugt wird...) - allein das ist schon Grund genug dass es nicht gängiger ist..
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mgritsch
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 6. Dezember 2020, 23:51 Phenylephrin besitzt eine aliphatische Iminoigruppe (basisch) und eine phenolische OH-Gruppe.
Einspruch, keine Iminogruppe (>C=N-) sondern ein gewöhnliches sekundäres Amin.
Laut Clarke ist der pKs der -NH-Gruppe 10,1, was einem pKb von 3,9 entspricht - also eine ziemlich starke Base. Das ist im Einklang mit dem Wert z.B. im Ephedrin, der in einer ähnlcihen Größenordnung liegt.
Der pKs der OH-Gruppe soll 8,9 sein. Das ist gut 1 Größenordnung "stärker" ab beim Phenol (pKs 10) aber irgendwie noch plausibel.
Wenn ich das nicht-ionisierte Molekül ausschütteln will - bei welchem pH mache ich das am besten? Optimal ist nach der Theorie für basische Substanzen ein pH der mindestens 2 Einheiten höher als der korrespondierende pKs ist, und bei Säuren einer der mindestnes 2 Einheiten niedriger als der pKs ist. Beim Phenylephrin gäbe das einmal pH 7 und einmal pH 12 - was soll ich nehmen?
Die Löslichkeit sollte wie bei allen diesen Stoffen am isoelektrischen Punkt am niedrigsten sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwitterion
https://www.chemieunterricht.de/dc2/mwg/iep.htm

pH=(pKs1+pKs2)/2

Also in deinem Fall 9,5.
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mgritsch
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von mgritsch »

NI2 hat geschrieben: Sonntag 6. Dezember 2020, 23:34 Nein (die Antwort hat Calciumcitrat schon geliefert, da ist kein Elektronenmangel wie bei üblichen Lewissäuren und das Sulfonamid ist resonanzstabilisiert).
Gerade deshalb kam ich darauf. Ein S+2 klingt für mich schon recht elektrophil...
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von mgritsch »

NI2 hat geschrieben: Sonntag 6. Dezember 2020, 23:34 Das Natriumtheobromin ist eine schwache Base und zieht sich sein Proton aus Wasser, inbesondere in Anwesenheit von CO2.
Ähm, Salz (Anion) einer schwachen Säure = starke Base :)
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von lemmi »

mgritsch hat geschrieben: Die Löslichkeit sollte wie bei allen diesen Stoffen am isoelektrischen Punkt am niedrigsten sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwitterion
https://www.chemieunterricht.de/dc2/mwg/iep.htm

pH=(pKs1+pKs2)/2

Also in deinem Fall 9,5.
Was mich irritiert ist, ist das der pKs der Base höher ist als der pKs der Säure.
Im vorliegenden Falle bräuchte ich einen hohen pH um die Base nicht-protoniert zu halten und gleichzeitig einen niedrigen um die Säure zu protonieren. Ich sehe da keinen Mittelpunkt an dem die Ionisation beider Gruppen möglichst gering ist.

Sollte das bedeuten, dass die Substanz immer (Zwitter)Ionen bildet, dann wäre das ganz schlecht. Dann könnte man sie praktisch bei keinem pH ausschütteln.
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von mgritsch »

Ist nicht ungewöhnlich.
Bsp - Glycin, pks (COOH)= 2,3 pKb (NH2) = 4,4 -> pks (NH3+) = 9,6
Isoelektr Punkt = 5,95.

Wäre pks (NH3+) < als pks (COOH) wäre das eine extrem schwache Base, also de facto nur Säure.

Der isoel. pH sagt nur etwas darüber aus, wo genau gleich viel Anion und Kation Form vorliegen, nichts aber darüber wie groß der Anteil an ionischer Form vs undissoziiert generell ist. Wenn sowohl Säure als auch Base schwach sind dürfte wohl das meiste undissoziiert und leicht extrahierbar sein.
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von lemmi »

Glycin lässt sich z.B. nicht ausschütteln. Bei keinem pH. Liegt offenbar daran, dass es sozusagen prinzipiell als Zwitterion vorliegt.

Kann man das mit irgendwelchen Parametern voraussagen?
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von Glaskocher »

Beim Glycin spielt noch einen anderer Effekt eine Rolle: Es ist einfach zu polar als Molekül, um die wässrige Phase verlassen zu wollen. Das Molekül ist ja noch polarer als Aceton und kann Wasserstoffbrücken in alle Richtungen bilden. Da kommen die schwächeren Van-der-Waals-Kräfte garnicht erst an die CH2-Gruppe ran, um mit weniger polaren Lösemitteln wechselwirken zu können.

Es gibt Parameter, die das Verhältnis von polarer zu unpolarer Moleküloberfläche benennen. Man kann das Dipolmoment berechnen, das relativ hoch sein müßte am isoelektrischen Punkt. Außerdem können Rechenprogramme den Wasser/Oktanol-Verteilungskoeffizienten vorhersagen, in Abhängigkeit von pH-Wert. Zumindest werden derartige Berechnungen standardmäßig im Scifinder zu den Einträgen angezeigt, u.A. neben vermuteter Dichte, vermutetem Siedepunkt und vermutetem Flammpunkt.
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Re: chemisches Verhalten von Arzneistoffen

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Montag 7. Dezember 2020, 21:11 Glycin lässt sich z.B. nicht ausschütteln. Bei keinem pH. Liegt offenbar daran, dass es sozusagen prinzipiell als Zwitterion vorliegt.

Kann man das mit irgendwelchen Parametern voraussagen?
Ich würde sagen: niedriger pks, niedriger pkb, kleines Molekül ohne größere lipophile strukturen - bleibt im Wasser. Und umgekehrt.

Sonst - Kow sind für viele Stoffe publiziert.. würde ich gerade bei pharmazeutischen Wirkstoffen erwarten da sehr relevant für das Resorptionsverhalten...
https://de.wikipedia.org/wiki/Octanol-W ... oeffizient
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