Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Organische Chemie.

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aliquis
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Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von aliquis »

Hallo,

in der ersten Online-Recherche war über den Ester leider nicht viel in Erfahrung zu bringen und meine kleine Heimauswahl an analoger Literatur bietet dazu auch nichts.

Von daher meine Fragen nun an dieser Stelle:
1. Hydrolysiert der Ester leicht in Wasser und ist eine Reaktivdestillation während der Fischer-Veresterung überhaupt möglich?
2. Bildet der Ester ein azeotropes Gemisch mit Wasser und falls ja, wie hoch liegt der Siedepunkt des Azeotrops und dessen Wasseranteil?

Und ja, ich habe ein experimentelles Interesse an der Fragestellung (auch wenn die Umsetzung vermutlich erst im nächsten Frühjahr erfolgt, wenn die Synthese wieder im Freien durchführbar ist).
Ich bin (auf offiziellem Wege) an eine (für meine Verhältnisse) relativ große Menge (1 Liter) Methanol herangekommen, habe noch Milchsäure da, die nicht ewig haltbar ist, fand den Geruch von Ethyllactat im Zuge einer kleinen Probierglassynthese (nicht destilliert) bereits lecker (irgendwas zwischen Vanille und Kokosnuss) und wäre nun gespannt, wie das bei Methyllactat ist.
Als Katalysator und Schwefelsäure-Substitut möchte ich Natriumhydrogensulfat ausprobieren. Falls die Ausbeute schlecht ausfallen sollte, würde ich es anschließend ggf. nochmals alternativ mit TSS versuchen (müsste aber erst noch angeschafft werden).

Übrigens: hättet Ihr noch weitere Ideen für die Verwendung von/schöne und hobbytaugliche Experimente mit Methanol, die über die Veresterung und deren übliche Verdächtige (Trimethylborat, Methylsalicylat) hinausgehen? Achja: alles, wobei Formaldehyd in (gesundheits-)relevanten Mengen entsteht, entfällt von vornherein...

Danke schon mal im Voraus.

Gruß an alle,
aliquis
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Glaskocher
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von Glaskocher »

Der Wikipedia-Artikel zum Methyllactat ist echt dürftig.
Mit Methanol lassen sich schöne "Buntfeuer" machen. Eine kleine Menge an Alkali- oder Erdalkalisalzen in Teelichtnäpfe verteilt und etwas Methanol dazu gegossen ist die Grundlage, die dann angezündet wird.

Die Bildung von Methylestern ist eine gewisse Herausforderung, da es einen recht niedrigen Siedepunkt hat und sehr gut mit Wasser mischbar. Da muß man mit gewissen Tricks arbeiten. Beim Methylacetat gibt es gewisse Hinweise zur Synthese von Methylestern.

Aus Azeotropic Data gefundene Datensätze (unvollständige Suche):
System H2O-CHCl3-CH3OH: 1,3%-90,5%-8,2% (w/w)
System H2O-CH3OH-Hexan: nicht azeotrop
System H2O-CH3OH: nicht azeotrop

Die zu gute Mischbarkeit von Wasser und Methanol ist wohl der Grund für die Schwierigkeit beim Bilden von Methylestern. Man müßte also das Wasser anders aus dem System heraus holen. Bei der Bildung des Phenylimins von Isobutyraldehyd reicht Magnesiumsulfat, um das Reaktionswasser bei Raumtemperatur abzuführen. Man kann den Rückfluss beim Refluxieren über eine Packung 3A°-Molsieb laufen lassen, das dann das Wasser abfängt.
aliquis
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von aliquis »

Danke für die Rückmeldung.

Das mit der Flammenfärbung werde ich definitiv noch ausprobieren. Wenn's klappt, gibt's dazu ein Foto.
Mit Ethanol ging das nie besonders gut (alles gelb).
Von MeOH verspreche ich mir da mehr.

Die Milchsäureester haben alle einen vergleichsweise hohen Siedepunkt, Butyllactat würde ich mit meinen Mitteln (ohne Vakuum) schon gar nicht mehr überdestilliert bekommen.
Ester-Wasser-Azeotrope sieden oft deutlich niedriger als beide Einzelstoffe.

Abtrennung von Wasser aus dem Azeotrop würde ich hinterher (wenn nicht zuviel) mit wasserfreiem Natrium- oder Magnesiumsulfat ausprobieren wollen.
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aliquis
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von aliquis »

Alle 6 gibt's leider nur kopfüber.

20220924_195316.jpg
20220924_195326.jpg

Nr. 2 leider schon ausgegangen.

Von links nach rechts: Lithiumsulfat, Kaliumchlorid, Natriumsulfat, Calciumchlorid, Bariumchlorid, Strontiumnitrat.

Leider ähnlich enttäuschend wie Ethanol: nur blau von Methanol und gelb.
Lediglich zeitweilig und daher nicht mit der Kamera eingefangen: violett (K), tiefrot (Li), orangerot (Sr).
Totaler farblicher Fail bei Ba und Ca... :?
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Glaskocher
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von Glaskocher »

In einer Weihnachtsvorlesung hatten wir die Farben deutlich besser hinbekommen. Das kann auch an der Restverschmutzung der Näpfchen liegen. Ich brauchte etwas höhere Flammen, als es mit Methanol pur machbar ist und hatte bis zu 50% Ethanol zumischen können, bevor die Flamme "selbstleuchtend" wurde wegen der Rußbildung. Mit zwei Halbschalen aus Glasrohr konnte ich die Flammen zu ca. 40cm hohen "Feuertornados" in die Höhe ziehen.

Andere Synthese: Man kann Ketone und Aldehyde mit Methanol zu Ketalen und Acetalen umsetzen. Das funktioniert unter saurer Katalyse recht gut. Jedoch ist auch hier das Entfernen des Reaktionswassers ein Problem. Die Ketale sind, im Gegensatz zu Aldehyden und Ketonen, im Alkalischen stabil und hydrolysieren nicht. Man kann sie also mit Alkalicarbonaten und -Hydroxiden trocknen.
aliquis
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von aliquis »

Hm, Ketale... Damit habe ich mich bislang überhaupt noch nicht beschäftigt. Muss ich mir mal etwas genauer ansehen. Erstmal danke für den Hinweis.
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Calciumcitrat
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von Calciumcitrat »

Vielleicht eine Option, wenn du Borsäure hast: https://pubs.acs.org/doi/10.1021/ol036123g
aliquis
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von aliquis »

Habe ich zwar nicht da, ist in Osteuropa ja aber genauso leicht und günstig zu bekommen wie das Borax, das ich besitze... :wink:
Auch sollte das eine aus dem anderen selbst herstellen lassen.

Danke auf jeden Fall für den Tipp!
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mgritsch
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von mgritsch »

Zunächst mal zum Ester: ja, im allgemeinen funktioniert es mit Schwefelsäure als Kat, wenngleich für eine gute Ausbeute höhere Temperaturen (und somit Druck) erforderlich sind, siehe zB http://www.orgsyn.org/demo.aspx?prep=CV3P0046 dort Anmerkung 8. Weiters geht man von Polymilchsäure aus die beim entwässern der handelsüblichen 80% unter reduziertem Druck entsteht, siehe dazu zB https://pubs.acs.org/doi/pdf/10.1021/ie50424a024.

Gerne arbeitet man auch mit sauren Ionenaustauscher-Harzen als Kat, siehe zB https://pubs.acs.org/doi/10.1021/ie010454k - durchaus auch von verdünnterer Milchsäure ausgehend. Was hydrolyse betrifft - jede Reaktion ist ein Gleichgewicht…

Die Trennung des Produktes ist sicher eine Herausforderung da es mit Wasser mischbar ist und mit 144 °C den höchsten Siedepunkt im System hat. Ich weiß nicht genau was du in dem Zusammenhang mit Reaktivdestillatio meinst, aber wenn es azeotropes Wasserschleppen sein soll - da kenne ich leider kein passendes System für Methanol.

Wie hast du den Ethylester gemacht?

Zur Flammenfärbung: Chloride sind idR recht gut löslich in Methanol (zB LiCl: 45%!) und eventuell macht es Sinn sie vorher gut aufzulösen statt nur reinzustreuen.

Sonst: Methanol ist für viele Reaktionen ein super Lösemittel, vor allem da es aufgrund seiner Stellung zwischen Wasser und Ethanol auch mit ionischen Stoffen recht gut klar kommt. Für sich genommen aber keine „spannende“ Chemikalie mit der man etwas besonderes machen könnte.
aliquis
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von aliquis »

Konz. Schwefelsäure als Katalysator habe ich - aus allgemein bekannten Gründen - nicht (mehr) zur Verfügung.
Ich würde stattdessen zunächst mit Natriumhydrogensulfat arbeiten. TSS und Ionenaustauscher stehen schon länger auf meiner Einkaufsliste.

Das Synthesebeispiel geht von Allyllactat aus. Dieses dürfte einen noch höheren Siedepunkt als Methyl- und Ethyllactat haben.

Vakuumdestillation entfällt mangels apparativer Voraussetzungen.
Ich würde stattdessen einfach fraktionsweise unter Normaldruck abdestillieren wollen.
144 Grad Celsius werde ich mit meinen Möglichkeiten (Ölbad) wohl schaffen.

Als Reaktivdestillation bezeichnet man eine Destillation der Reaktionsmischung ohne vorherigen Reflux.

Spuren von Ethyllactat habe ich durch kurzes kräftiges Erhitzen einer nicht-stöchiometrischen Mischung aus Milchsäure 80 %, Bioethanol 99 % und Natriumhydrogensulfat-Hydrat (lebensmittelrein) im Reagenzglas hergestellt und die Mischung anschließend in ein großes Becherglas voll warmes Wasser gegossen. Der angenehme Geruch füllte binnen kürzester Zeit den ganzen Raum aus. Abdestilliert habe ich es bislang noch nicht.

Das Auflösen der Chloride in Methanol vorab wäre einen Versuch wert, wenn ich das Experiment bei Gelegenheit mal wiederhole (z. B. an Silvester oder so...).

Tja, und dass die Möglichkeiten zum Verbrauch von Methanol sonst eher begrenzt sind, hatte ich mir schon fast gedacht. Somit wird der Liter vermutlich noch mein ganzes verbleibendes Leben lang reichen bzw. zum größten Teil an die Erben übergehen... Lege ich halt noch 'ne Endverbleiberklärung zum Testament... :wink:

Danke auf jeden Fall für die detaillierte Rückmeldung und die Literaturhinweise.
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lemmi
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von lemmi »

Zur Flammenfärbung: ich fand, das geht immer am besten, wenn man einen "Docht" verendet. In Experimentierbüchern wird meistens Watte empfohlen. Die brennt aber schnell an und dann wird die Flamme leuchtend.

Ich verwende Kieselgur: Kieselgur mit Methanol anteigen, in ein leeres Teelicht streichen und kopfüber auf eine Untertasse setzen. Ein bisschen auf den Boden klopfen und das Teelicht nach oben wegziehen. Es bleibt eine "Säule" aus Kieselgur zurück. Dieselbe wird mit den farbgebenden Substanzen bestreut, noch ein bisschen Methanol seitlich in die untertasse gegossen und das ganze angezündet. Lithium, Borsäure und Kupfer geben die schönsten Färbungen. Strontium, Calcium und Barium (immer als Chloride) weniger gut.
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aliquis
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Re: Herstellung von Methyllactat (und andere Verwendungsmöglichkeiten für Methanol)

Beitrag von aliquis »

Interessante Methode! :thumbsup:

Trimethylborat klappt gut, zur Not auch mit Borax und Natriumhydrogensulfat (gegenüber dieser Grünfärbung gerät sogar Natrium ins Hintertreffen).
Kupferchlorid ist auch eine Gelinggarantie, selbst mit Ethanol - schließlich ja auch die Grundlage der Beilstein-Probe.
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