Ammoniumacetat

Anorganische Chemie.

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aliquis
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Ammoniumacetat

Beitrag von aliquis »

Trotz des lästig klebrigen Rohprodukts und einer bereits erfolgreich durchführten Lophin-Synthese, aber angesichts von einer paar ml Benzaldehyd, die ich noch übrig hätte, sowie von frisch hergestelltem Benzil, überlege ich mir gerade, ob ich es nicht auch nochmals auf diesem Wege in einem halbierten Ansatz versuchen sollte: viewtopic.php?f=21&t=4615&p=69313&hilit ... tiv#p69313

Doch benötigt man dafür Ammoniumacetat, das hygroskopisch, sehr gut löslich in Wasser und Ethanol ist und sich ausserdem oberhalb von 90 Grad Celsius bereits zu mutmasslich krebserregendem Acetamid zersetzt. Auskristallisieren, Ausfällen, Eindampfen oder Eindunsten entfallen daher als effektive Methoden zur Gewinnung des Feststoffs in Reinform.
Gibt es ausser Vakuumdestillation/-trocknung noch irgendeine valide Möglichkeit, das feste Salz in Eigenherstellung zu gewinnen?
Getrocknetes Ammoniakgas bis zur vollständigen Umsetzung in Eisessig einzuleiten, wäre für mich jetzt auch nicht unbedingt eine bevorzugte Methode...
Und nein: heisses Eindunsten einer Mischung stöchiometrisch passender Mengen Essigessenz und Salmiakgeist bei unter 90 Grad im Küchenbackofen kommt für mich nicht in Frage. Bei den Acetaten von Natrium, Kalium oder Calcium hätte ich damit keine Probleme, Natriumacetat entwässere ich grundsätzlich im Ofen - beim Ammoniumsalz muss das aber nicht sein...
Und ja: ich weiss, dass es Ammoniumacetat auch einfach und relativ günstig zu kaufen gibt. Ausser für die Lophin-Synthese benötige ich es aber sonst nicht. Und da ich Lophin bereits anderweitig hergestellt habe, würde ich mir das Ammoniumacetet nicht eigens und allein dafür kaufen wollen.
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lemmi
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von lemmi »

Ammoniumacetat kann man in fester Form tatsächlich nicht mit einfachen Mitteln gewinnen. Beim Eindunsten der Lösung zersetzt es sich wieder in Essigsäure und Ammoniak.

Da hilft wirklich nur kaufen. Ich habe meines von Kremer Pigmente. Sehr kostengünstig und erstaunlicherweise sogar analysenrein. Reicht natürlich ein ganzes Amateurchemikerleben lang. Du kannst anschließend ja einen Thread "Versuche mit Ammoniumacetat" eröffnen ... 8)
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TimMulm
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von TimMulm »

Hier einige Löslichkeitsdaten vom Chemister zu Ammoniumacetat: "Solubility (g/100 g of solvent):
acetic acid: 38.67 (24°C) [Ref.]
acetic acid: 47.62 (40.1°C) [Ref.]
acetic acid: 57.94 (50.1°C) [Ref.]
acetic acid: 116.88 (66°C) [Ref.]
acetic acid: 160.73 (70.8°C) [Ref.]
acetic acid: 292.48 (93°C) [Ref.]
acetic acid: 1065.6 (108°C) [Ref.]
acetone: 0.34 (19°C) [Ref.]
ammonia liquid : 253 (25°C) [Ref.]
dimethylformamide: 0.1 (25°C) [Ref.]
ethanol: soluble [Ref.]
methanol: 7.89 (15°C) [Ref.]
methanol: 131.24 (94.2°C) [Ref.]
sulfur dioxide: 1.09 (0°C) [Ref.]
water: 148 (4°C) [Ref.]"

Könnte man dann nicht Eisessig mit möglichst hoch konzentriertem Ammoniak neutralisieren und im Anschluss mit viel Aceton ausfällen?
Und ich könnte mir auch vorstellen, dass man das im Exikator unter Vakuum schön kristallisiert bekommt? Ich jedenfalls habe 500g von Sigma und das ist kein Pulver sondern kleine Nadeln, also in irgendeiner Form kristallisiert worden.
aliquis
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von aliquis »

@TimMulm:
Die Neutralisationsreaktion wäre bei den Konzentrationen vermutlich zu heftig. Dann schon eher trockenes Ammoniakgas in Eisessig - dabei entsteht zumindest kein Wasser, das schlagartig verdampfen könnte.
Mit Aceton zum Ausfällen würde man wahrscheinlich nur eine Phasenbildung ("Aussalzen") erreichen.
Die industrielle Fertigung wird vermutlich das Vakuum-Verfahren nutzen - welches ich nicht verwende.
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aliquis
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von aliquis »

@lemmi:
Für Ammoniumacetat gibt es ja nicht so viele Verwendungsmöglichkeiten. Ein eigener Thread lohnt da glaube ich nicht. Wer interessante Versuche damit kennt, darf sie gerne auch hier posten.
Ich habe es bisher als nur Puffer genutzt und dafür reichte auch die wässrige Lösung.
Man könnte Acetamid daraus herstellen. Jedoch ist das nicht nur vermutlich krebserregend und riecht nach Mäuse-Pipi - ich hätte auch gar keine Verwendung dafür...
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TimMulm
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von TimMulm »

Ob das mit Aceton praktikabel ist, weiß ich auch nicht. War nur eine Idee. Aber könnte man ja mal im "Probierglasmaßstab" testen. Da bist du doch ohnehin unser Experte hier 😉
Trockener NH3 in Essigsäure Klingt erstmal nicht schlecht.
aliquis
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von aliquis »

Wasserlösliche Ketone und sek. Alkohole lassen sich leichter aussalzen als man mit ihnen umgekehrt Salze fällen könnte. Die Erfahrung habe ich schon mehrfach gemacht, dafür braucht es nicht mal mehr ein Probierglasexperiment zur Bestätigung. Einen Ansatz zunächst im kleinen Maßstab zu testen, empfiehlt sich aber immer, schont oft teure oder rare Chemikalienvorräte bei Misslingen und die Umwelt bei Entsorgung.

Die Ammoniak-Eisessig-Methode wäre nicht besonders komfortabel: es braucht doch erhebliche Gasmengen (ist also eine Synthese zur Durchführung im Freien und mit Gasmaske). Man müsste eine Trichterfalle zur Einleitung in die Säure verwenden, um Rückansaugung zu verhindern. Kühlung ist auch sinnvoll, damit sich das Produkt in der Reaktionshitze nicht gleich wieder zersetzt. Und woran merkt man, ob und wann die Umsetzung vollständig ist? Womit reinigt man das Produkt auf? Ether?
Nicht mein Favorit. Dann eher noch Kauf oder Verzicht.
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lemmi
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von lemmi »

Für Ammoniumacetat gibt es ja nicht so viele Verwendungsmöglichkeiten. Ein eigener Thread lohnt da glaube ich nicht.
Mein Vorschlag war auch eher ironisch gemeint :roll:
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von aliquis »

lemmi hat geschrieben: Dienstag 16. Januar 2024, 14:34 Mein Vorschlag war auch eher ironisch gemeint :roll:
Ich weiß. Aber ohne den Benzaldehyd-Thread wäre ich vermutlich nicht auf Lophin, Benzoin und Benzil gestoßen.
Und gänzlich uninteressant für die Leserschaft war er wohl auch nicht, wenn man sich die Aurufzahlen mal so anschaut.
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lemmi
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von lemmi »

Na, ich bin ja nicht so, und hab nochmal den HAGER konsultiert. Dort wird angegeben man könne wasserfreie Essigsäure mit "möglichst trockenem" Ammoniumcarbonat umsetzen. Kannste ja mal im kleinen Maßstab versuchen!
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von aliquis »

Ja, das habe ich so auch schon auf Wikipedia gefunden.
Abgesehen davon, dass das heftig schäumen würde, trägt die Reaktion auch noch ein halbes Mol Wasser pro Mol resultierendem Ammoniumacetat ein. Beim Hydrogencarbonat, welches beim Edukt in Lebensmittelreinheit (Hirschhornsalz) hauptsächlich vorliegt, wäre es sogar ein ganzes Mol. Man käme also auch hier nicht ohne anschliessende Vakuumtrocknung aus.
Evtl. schon vorher vorhandene Eduktfeuchtigkeit macht den Kohl nicht viel fetter...
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mgritsch
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Dienstag 16. Januar 2024, 22:24 Beim Hydrogencarbonat, welches beim Edukt in Lebensmittelreinheit (Hirschhornsalz) hauptsächlich vorliegt, wäre es sogar ein ganzes Mol.
Das gibt ein Produkt von gerade mal 19% Wassergehalt. Besser gehts (ohne NH3 Gas) nicht mehr. Zaubern können wir auch nicht, wenn das nicht gut genug ist dann halt nicht.
aliquis
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von aliquis »

Das gibt ein Produkt von gerade mal 19% Wassergehalt. Besser gehts (ohne NH3 Gas) nicht mehr. Zaubern können wir auch nicht, wenn das nicht gut genug ist dann halt nicht.
War das Ammoniumacetat für die alternative Lophin-Synthese auch so hergestellt worden und störte der Wasseranteil dabei nicht? Oder wurde vorher doch noch vakuumgetrocknet? Wenn ja/nein/nein, dann wäre es für mich in der Tat einen Versuch wert.
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mgritsch
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von mgritsch »

Ammoniumacetat sind immer mehr oder weniger feuchte Kristalle und es ist hygroskopisch und zerfließt an der Luft mit der Zeit vollständig. Ob die Trockenwirkung eines Exsi zur Verfestigung reicht bzw ob 19% Wasser zu viel für die Synthese ist kann man durch Versuch einfach rausfinden. Bisschen forschen statt vorgekautes nachmachen, so kommt interessanter content zustande :)
Glaskocher
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Re: Ammoniumacetat

Beitrag von Glaskocher »

Für den Exsikkator braucht man ein Salz, das eine möglichst geringe Deliqueszenzfeuchte hat und weder saure noch basische Moleküle absorbiert. Man könnte es mit Calciumchlorid oder Lithiumchlorid versuchen. Letzteres stabilisiert 11% relative Luftfeuchte über gesättigter Lösung mit Bodenkörper. CaCl2 (Feststoff ohne Flüssigphase) trocknet noch weiter herunter. Man darf bei CaCl2 aber nicht den Schmelzpunkt des als Wassersenke gewünschten Hydrates überschreiten.
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