Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Anorganische Chemie.

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lemmi
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Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von lemmi »

Da ich zur Bestimmung von Vitamin C Metaphosphorsäure benötigte, habe ich mich etwas mit diesem Thema beschäftigt, teile euch hier ein paar Beobachtungen mit und bin auf eventuelle Kommentare gespannt.

In den Lehrbüchern steht, Metaphosphorsäure könne durch starkes Erhitzen von Orthophosphorsäure dargestellt werden und sei ein Polymer der Summenformel HPO3. Alternativ könne sie durch Reaktion von Phopshor(V)-oxid mit Eiswasser erhalten werden.

Ich habe letzteres durchgeführt, P2O5 in einem geräumigen, gekühlten Erlenmeyerkolben vorgelegt und vorsichtig tropfenweise Eiswasser zueggeben. Dennoch ist die Reaktion - wie zu erwarten - heftig, es zischt und ein weißer Rauch/Nebel füllt den Kolben.
Die erste mir unerklärliche Beonbachtung ist folgende: Das Reaktionsprodukt löst sich nicht klar in Wasser! Es bleibt eine flockige Trübung zurück, welche die Filtration langwierig gestaltet! Was kann das sein?

Die so erhaltene "Metaphosphorsäure" bildet nach vorsichtiger Neutralisation mit Ammoniak mit Silbernitrat einen weißen Niederschlag, während Orthophosphorsäure in annähernd gleicher Konzentration einen zitronengelben Nd. gibt (1. und 2. Reagenzglas). Mit HNO3 und Ammoniummolybdat entsteht eine Gelbfärbung, aber schwächer als mit einer annähernd gleich konzentrierten Orthophosphorsäure (3. und 4 Reagenzglas):

HPO3 und H3PO4 mit AgNO3 - mit Molybdat.jpg

Ich habe den Test mit Silbernitrat in mehrtägigen Abständen wiederholt - nach bislang 14 Tagen ist keine merkliche Gelbfärbung zu beobachten, d.h. die "Meta"phosphorsäurelösung scheint solange bei RT stabil zu sein und nicht zu Orthophosphorsäure zu hydratisieren.

Nun wollte ich die heftige Reaktion bei Hydratisierung des P2O5 vermeiden und habe einfach 1 g über Nacht in einem offenen Becherglas stehen gelassen. Am nächsten Morgen war es zu einer sirupösen Flüssigkeit zerlaufen, die sich mit Wasser klar verdünnen ließ. Aber diese Lösung gab mit Silbernitrat sofort einen tiefgelben Niederschlag, war also Orthophosphorsäure.

Dann habe ich die Versuchsbedingugen abgewandelt, das Becherglas mit dem P2O5 in das Gefrierfach des Laborkühlschranks (knapp unter 0 °C) gestellt und alle paar Stunden kontrolliert. Nach 8 Stunden war alles zu einer teils glasigen, teils aber noch weißen Masse zusammengesintert. Bei Zugabe von Wasser keine erkennbare Reaktion, die Masse löste sich beim Rühren allmählich und die Lösung war trüb und musste filtriert werden. Dieses Präparat gab mit Silbernitrat eine weiße Fällung, in der ich einen geringen Gelbstich zu erkennen glaubte.

Zuletzt habe ich die Eignung der "Meta"phosphorsäure (und der Oxalsäure) als Eiweißfällungsmitttel getestet, wozu sie in der Vitamin C-Titration verwendet wird. Etwa ein Esslöffel Eiklar wurde mit 25 ml Wasser geschüttelt, durch Glaswolle filtriert und 5 ml der opaleszierenden Lösung mit 1 ml Fällungsreagenz versetzt:

Eiweifällung HPO3 - H3PO4 - Oxals - Essigs.jpg
v.l.n.r.: "Meta"Phosphorsäure - Orthophosphorsäure - Oxalsäure/Essigsäure (Stabilisierungslösung 2) - Essigsäure
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mgritsch
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Re: Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von mgritsch »

Phosphorsäure war mir immer schon suspekt :)
Pyrophosphat fehlt noch als dritter im Bunde. Warum die nicht alle in wässriger Lösung mehr oder weniger rasch zu Orthophosphat werden - keine Ahnung.
Sollte man Metaphosphorsäure nicht idealerweise durch (warmes) Auflösen von stöch. Mengen P2O5 in H3PO4 bekommen?

Ein gebräuchlicher Standard in der Lebensmittelanalytik um Trübung (und Eiweiß) zu fällen ist sonst Carrez: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Carrez-Klärung.
P.s. gerade gelesen - leider ungeeignet bei Ascorbat-Bestimmungen… zumindest bei der Methode https://shop.skolebutik.dk/images/pdf/A ... 20acid.pdf
Ob bei Tillman auch?
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lemmi
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Re: Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von lemmi »

Gell, das ist komisch?

Umsetzung bei RT scheint zur Orthosäure, bei niedriger Temperatur zur Metasäure zu führen. Wo die Pyrosäure da vorkommt - keine Ahnung! Und warum sich die Metasäure bei RT in Wasser so lange hält (wie empfindlich ist der Silbernitrattest ...?) ist auch schleierhaft.

P2O5 in H3PO4 zu lösen klingt theroretisch plausibel. Aber dazu bräuchte man wasserfreie Orthosäure, sonst vergeudet man erstmal P2O5 um das Wasser zu binden.

Und was zum Teufel ist die flockige Trübung beim Lösen der "Meta"Phosphorsäure in Wasser?
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Re: Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von aliquis »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 15. Mai 2022, 23:40 P2O5 in H3PO4 zu lösen klingt theroretisch plausibel.
Und analog zu Oleum (Schwefeltrioxid in konz. Schwefelsäure).
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mgritsch
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Re: Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 15. Mai 2022, 23:40 P2O5 in H3PO4 zu lösen klingt theroretisch plausibel. Aber dazu bräuchte man wasserfreie Orthosäure, sonst vergeudet man erstmal P2O5 um das Wasser zu binden.
"vergeudet"... du bekommst ja auch Produkt dafür.
Wenn man die Stöchiometrie rechnet, erfordert es pro 100 g 85% H3PO4 241,5 g P2O5 und du erhältst 341,5 g HPO3. Etwas weniger als die Hälfte des P2O5 geht dabei für die Umsetzung von Wasser drauf.
Ob es tatsächlich praktikabel ist wäre aber noch zu prüfen :) reine HPO3 soll eine glasartige Substanz sein, Löslichkeit...?
Alternativ soll auch das Erhitzen von H3PO4 auf 600° zu HPO3 führen. Bleibt die Frage in welchem Behälter :)
Glaskocher
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Re: Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von Glaskocher »

Diese Metaphosphorsäure ist vermutlich ein Polymer. Ich hatte mal eine Reaktion in "Polyphosphorsäure" gefahren. Die war zäh wie Honig. Ich gehe davon aus, daß es sich dabei um -O-P=O(OH)-Grundbausteine handelt, die zu langen Ketten verknüpft sind. Diese Ketten sind -OH-terminiert und können auch irgendwo verzweigt sein. Daher vermutlich die partielle Unlöslichkeit.
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lemmi
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Re: Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von lemmi »

Du meinst, die unlöslichen Flocken sind polymere Metaphosphorsäure?

Gibt es eine Erklärung dafür, warum bei Ruamtemperatur die Ortho-, bei Kühlschranktemperatur aber die Metaphosphorsäure entsteht? Und gibt es eine Möglichkeit zwischen Meta- und Pyrophosphorsäure zu unterscheiden?
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Re: Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von Nail »

Wird angenommen es reagiert zur Metaphosphorsäure sind die unlöslichen Bestandteile die Metaphosphorsäure. Auch Polyphosphorsäuren können zum ausfällen führen, aber die Metaphosphorsäure sollte im Vergleich zu kurzkettigen Polysäuren unlöslicher sein.

Die teilweisen Positivnachweise von Phosphat-Ionen sind wohl durch die Dissoziation von Meta- und Polysäure zu begründen, wobei das GGW aber stark auf der kondensierten Seite liegt.

Ich wundere mich das im kalten Wasser die kondensierten Säuren entstehen sollen, denn mir ist bekannt durch Erhitzen der ortho-Phosphorsäure erst kondensierte zu erhalten.

P.S. in der Metaform ist eine OH-Gruppe zu viel, natürlich wegdenken!
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Glaskocher
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Re: Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von Glaskocher »

Irgendwie sehen die Triphosphatringe seltsam aus. Würden da am dritten P nicht, wie an den beiden Anderen auch, =O und -OH dran sein, neben den Sauerstoffbrücken zur Ringbildung? Das passt, rein vom Bauchgefühl her, nicht so richtig zusammen, oder der Kondensationsprozess ist noch nicht richtig abgeschlossen? Das sieht eher wie ein Übergangszustand aus, bei dem noch zwei der OH-Gruppen kondensieren und neben der Abgangsgruppe Wasser noch ein =O bilden. Elektrisch ist das Molekül auch nicht neutral, es scheint ein Anion zu sein...
Nail
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Re: Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von Nail »

Schau mal hier: http://www.chemgapedia.de/vsengine/glos ... bezeichnet.

Beim Metaphosphat habe ich ein bisschen schlampig gezeichnet. Ob das jetzt ein Anion ist oder nicht kommt ja immer auf die Bedingung an. Aber wenn man P4O10 direkt in Wasser gibt müsste ja die freie Säure entstehen und kein Anion.
Q.E.D.
Glaskocher
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Re: Meta-, Ortho und andere Phosphorsäuren

Beitrag von Glaskocher »

Jetzt verstehe ich, warum bei kalter Hydrolyse von P4O10 das Metaphosphat heraus kommt und nicht sofort die Orthophosphorsäure.

Man braucht, um daraus das Tetrametaphosphat zu machen nur zwei Moleküle Wasser. Man muß am P4O10 nur zwei Sauerstoffbrücken zerteilen, um beim Tetrametaphosphat anzukommen. Es sind die P-O-P-Bindungen, die aus der Adamantanstruktur entfernt werden müssen, um beim planaren Ring anzukommen. Die erste Bindung ist irgendeine, da das Molekül symmetrisch ist. Die Zweite dagegen bekommt deutlich Zugspannung im Bizyklus und hydrolysiert dadurch leichter.

Ob es jetzt energetisch günstiger ist, wenn sich das Ganze zum Trimetaphosphat umlegert weiß ich nicht. Dazu müßte aber kurzfristig mal eine Orthophosphorsäure frei gesetzt werden und später mit Anderen wieder kondensieren. Somit tauchen im Gleichgewicht in wässriger Lösung immer mal Phosphationen auf.
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