Bariumperchlorat wird einfach nicht trocken

Anorganische Chemie.

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lemmi
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Bariumperchlorat wird einfach nicht trocken

Beitrag von lemmi »

Ich habe ein zugegebenermassen sehr kleines Problem, das ich aber dennoch mal hier zur Diskussion stellen möchte.

Ich habe aus Bariumhydroxid und Perchlorsäurelösung Bariumperchlorat dargestellt. Beide Substanzen wurden zuvor auf ihren Gehalt überprüft. Da das Bariumhydroxid nicht unerhebliche Mengen Carbonat beinhaltet, habe ich einen kleinen Überschuss eingesetzt und den Ansatz (8 ml 68%ige HClO4 und 13,7 g Ba(OH) + 8 H2O2/BaCO3 in 125 ml Wasser) zum Sieden erhitzt. Die Mischung reagierte neutral. Von etwas überschüssigem BaCO3 habe ich abfiltriert und auf dem Wasserbad eingedampft. Als ein Kristallbrei vorlag, habe ich abkühlen gelassen, denn nach dieser Quelle verliert Bariumperchlorat bei 100 °C sein Kristallwasser, und ich wollte das Trihydrat erhalten.

Nun habe ich 18,2 g eines feuchten Salz"teigs" (theoretische Ausbeute bezogen auf meine Perchlorsäure wären 17,62 g Ba(ClO4)2 + 3 H2O) vorliegen. Und der will einfach nicht trocken werden, nicht mal im Exsikkator über Kieselgel. Das Produkt reagiert gegen Lackmus neutral, enthält also keine nachweisbaren Mengan freie Perchlorsäure. Dass es hygroskopisch ist, wird in der o.g. Quelle nicht angegeben, es zerfließt auch nicht an der Luft, aber trocken wird es auch nicht.

Irgendwelche Ideen?
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Wenn es ein "Teig" ist dann ist da noch merklich Wasser dran, sicher mehr als nur der Unterschied zur theoretischen Ausbeute. Kieselgel ist da schnell mal überfordert.
Ideen:
Bei zB 80-90° im Backrohr ein paar Stunden... Es geht oft nichts über Wärme!
Mit heftigeren Mitteln arbeiten - P2O5, H2SO4, KOH...
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Es ist außerdem bei den Trockenmitteln aufgeführt.

Bild

Eventuell bringt die Literaturquelle dich weiter.
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Pok
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Re: ... wird einfach nicht trocken

Beitrag von Pok »

In der teigigen Masse könnte oberflächlich verdampftes Wasser zur Krustenbildung führen und so die überschüssige Mutterlauge im Teigklumpen einschließen. Die könnte dann gar nicht ausdunsten, egal wie lange man trocknet.

Stärkere Trockenmittel sind aber auch nicht besser, weil bei Schwefelsäure schon das Monohydrat entstehen soll. Umkristallisieren macht nur bei größeren Mengen Sinn, weil man wegen der guten Löslichkeit sonst extreme Verluste hätte.

Ich würde einfach das wasserfreie Salz durch ordentliches Erhitzen herstellen.
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Phil
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Beitrag von Phil »

Falls Du ein Roti hast, im Vakuum bei 80C trocknen, wenn nicht dann im Backofen oder Trockenschrank.
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Pok
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Beitrag von Pok »

Um das Trihydrat zu gewinnen, wäre Erhitzen im Backofen/Trockenschrank aber nicht so gut. Wenn das Anhydrat schon bei 100 °C und das Monohydrat schon über konz. Schwefelsäure entsteht, dürften auch schon unter 100 °C im Backofen 2 Mol Kristallwasser abgegeben werden. Falls sich Krusten bilden, hilft das auch nicht.
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Phil
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Beitrag von Phil »

Wasserfrei machen und die nötige Menge Wasser zugeben?
ChemDoc
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Re: ... wird einfach nicht trocken

Beitrag von ChemDoc »

lemmi hat geschrieben:Nun habe ich 18,2 g eines feuchten Salz"teigs" (theoretische Ausbeute bezogen auf meine Perchlorsäure wären 17,62 g Ba(ClO4)2 + 3 H2O) vorliegen. Und der will einfach nicht trocken werden, nicht mal im Exsikkator über Kieselgel. Das Produkt reagiert gegen Lackmus neutral, enthält also keine nachweisbaren Mengan freie Perchlorsäure. Dass es hygroskopisch ist, wird in der o.g. Quelle nicht angegeben, es zerfließt auch nicht an der Luft, aber trocken wird es auch nicht.

Irgendwelche Ideen?
Warum sollte es denn nicht hygroskopisch sein?
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Pok
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Beitrag von Pok »

Wenn es an der Luft nicht zerfließt, kann es gar nicht hygroskopisch sein.
ChemDoc
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Beitrag von ChemDoc »

Das Zerfließen bezeichnet den Extremfall der Hygroskopie. Es dürften da jedoch noch Zwischenstadien existieren. Z.B. klebrige Bonbons.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ich hatte es jetzt zuerst 2 Stunden bei 70 °C im Trockenschrank. Danach war es immer noch leicht breiig. Als ich es dann in den Exsikkator stellte, zum Abkühlen, beschlug der Deckel des Exsikkators innen mit Feuchtigkeit.

Schon wieder eine Beobachtung, die mir widersinnig vorkommt! Wenn es bei 70°C Wasserdampf abgibt - wieso wird es dann nicht trocken?

Dann habe ich es für 2 Stunden bei 120 °C gehalten. Ergebnis: oberflächlich einzelne trockene Stellen, andere sind weiter feucht. Das ganze bildet beim Umrühren eine jetzt etwas trockenere aber weiter plastische Masse.

Ich habe es jetzt heiß in den Exsikkator gestellt und diesen evakuiert. Mal sehen, was passiert...

Ob es sein kann, daß meine Ausgangssubstanz unrein ist und Magnesium enthält? Magnesiumperchlorat soll ja unglaublich hygroskopisch sein.

Anderseits habe ich ein paar Krümel vom Spatel abgeschabt und ein paar Stunden im Reagenzglas offen an der Luft stehen gelassen. Die Krümel kann man schütteln, sie kleben fast nicht an der Glaswand, aber sie sind halt nicht trocken. Während der Aufbewahrung an der Luft haben sie sich nicht verändert, sind also nicht zerflossen - was auch m.E. dagegen spricht, dass die Substanz hygroskopisch ist (Calciumchlorid wäre bei dem heutigen schwülen Wetter längst zerflossen).

Andererseits schreibt NI2, es sei bei den trockenmitteln aufgeführt ... vielleicht so wie KOH, das zerfließt ja auch nicht schnell und trocknet kräftig.
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Pok
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Beitrag von Pok »

Magnesium als Verunreinigung kann ich mir nicht vorstellen. Magnesiumhydroxid ist schließlich sehr schwer löslich und kommt in handelsüblichem Bariumhydroxid wohl kaum vor.

Mit KOH kann man es bestimmt auch nicht vergleichen. KOH zerfließt wohl deshalb erst relativ spät, weil es erstmal noch "wasserhaltigere" Hydrate bildet als das kaufbare Hydrat. Bariumperchlorat-Trihydrat wird garantiert nicht unter den Trockenmitteln aufgeführt. Wenn das schon über konz. Schwefelsäure so bereitwillig 2 Mol Kristallwasser abgibt, wäre selbst das wasserfreie Salz ein schlechtes Trockenmittel.

Was spricht gegen meine Vermutung? Ich bin zufällig selbst gerade dabei, Bariumperchlorat zu reinigen. Mindestens beim Eindampfen bildet es doch Krusten.

@ChemDoc: Ich glaube nicht, dass man das als Übergangszustand bezeichnen kann. Entweder ist die Substanz fest oder gelöst. Die klebrige Oberfläche auf einem Bobon ist eine hochkonzentrierte, übersättigte Zuckerlösung. Bei anorganischen, ionischen Salzen dürfte so ein Klebe/Sirup-Zustand nicht vorkommen.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

aus einer der von NI2 angegebenen Literaturstellen:

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Die Angabe, dass das Anhydrid leicht bei 100 °C enststeht, scheint falsch zu sein.

Die Angaben der Wikjipedia beruhen auf folgender Quelle: Handbuch der Anorganischen Chemie von 1905 (!), dort steht aber auch noch ein Detail:

Bild

Wenn mein Präparat doch Spuren von Perchlorsäure enthält, wäre das eine Erklärung für das sonderbare Verhalten.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Pok hat geschrieben:Was spricht gegen meine Vermutung?
Dass ich auch nach 2 Stunden bei 120 °C noch feuchte Brocken vorliegen habe. Nicht unter einer Kruste, sondern offen liegend.

Wie hast du dein Bariumperchlorat hergestellt? Hast du keine Probleme mit der Kristallisation?
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CD-ROM-LAUFWERK
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Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Wenn das Salz sein Kristallwasser erst bei >100°C an Schwefelsäure abgibt, dann ist das schon recht stabil.
Warum nicht einfach mal vollständig trocknen und schauen, wie sich das Salz dann (z.B. offen an Luft) verhält?
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