Hybridisierung in Metallkomplexen nach VB-Theorie

Anorganische Chemie.

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guitar_player
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Hybridisierung in Metallkomplexen nach VB-Theorie

Beitrag von guitar_player »

Liebes Forum,

ich versuche gerade die Elektronenkonfiguration bzw. die Hybridisierung von Metallionen in Übergangsmetallkomplexen nach der VB-Theorie zu verstehen und hänge gerade fest...

Wenn ich mir z.B. [Ni(CO)4] ansehe hat Nickel die Konfigration: 4s0 3d10 4p0.
Aus den verbleibenden s- und p-Orbitalen entstehen sp3-Hybridorbitale, der Komplex hat eine tetraedische Forum und das Ni bekommt 18 Elektronen in die Außenschale.

Nur wie sieht es bei [PtCl4]2- aus?
Das Metallion ist in diesem Fall 5d8 konfiguriert, wobei jedes Elektron gepaart ist. Da nur vier Liganden gebunden sind ist es logisch, dass auch nur vier Hybridorbitale gebraucht werden, also sp2d.
Nur wie kann das Metallion mit nur 16 Elektronen überleben? Warum bildet es keine sp3d-Hybridorbitale aus und schnappt sich einen fünften Liganden?

Und noch eine kurze Verständnisfrage bei [CoF6]3-:
Das Metallion ist 3d6 konfiguriert, wobei vier Elektronen ungepaart sind. Als Element der vierten Periode hat es Zugang zu 4d-Orbitalen und zieht daher zwei 4d-Orbitale (anstatt 3d) zur sp3d2-Hybridisierung heran. Stimmt das so?

Die VB-Theorie wurde nur am Anfang einer Vorlesung angesprochen um darauf hinzuweisen, dass diese zur weiteren Komplexbeschreibung unzureichend ist, jedoch müssten sich die oben genannten Fragen doch noch dmait erklären lassen?

Vielen Dank!
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frankie
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Beitrag von frankie »

Die VB-Theorie wurde nur am Anfang einer Vorlesung angesprochen um darauf hinzuweisen, dass diese zur weiteren Komplexbeschreibung unzureichend ist, jedoch müssten sich die oben genannten Fragen doch noch dmait erklären lassen?
Schön, dass das erwähnt wurde. Ich würde als Dozent in meiner Vorlesung (und vielleicht wird das irgendwann einmal der Fall sein) von vornherein davon Abstand nehmen die VB-Theorie zur Beschreibung anorganischer Systeme zu nehmen. Zum einen ist sie zwar stellenweise sehr anschaulich, kann zum anderen aber viele Phänomene garnicht erklären (zB. UPS- und XPS-Spektren) . Die Implementierung in Rechenprogramme ist ohnehin ein Graus.

Ich würde mich ausschließlich auf die MO-Theorie verlassen. Diese ist mächtig genug um alle molekularen elektronischen Systeme gut zu beschreiben. Im Rahmen dieser Theorien erübrigen sich auch diverse nebulöse Konstruktionen wie jene der Hybridisierung oder Promotionsenergie.
Nur wie kann das Metallion mit nur 16 Elektronen überleben?
Keine Seltenheit ! Bei quadratisch-planaren und quadratisch-pyramidalen Komplexen (insbesondere d8) kommt das häufig vor. Die korrekte Beschreibung erfolgt durch MO-Theorie. Die 18-Elektronen-Regel ist dabei natürlich wie auch die Oktett-Regel nur eine Regel und kein Gesetz. Und bei Regeln gibt es meist Ausnahmen ;-)
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guitar_player
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Beitrag von guitar_player »

Mit dieser Antwort kann ich leben! :mrgreen:

Vielen Dank :D

Edit: Meine Erklärung für [CoF6]3- stimmt so?
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frankie
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Beitrag von frankie »

Edit: Meine Erklärung für [CoF6]3- stimmt so?
Nun, aus Sicht der VB-Theorie "stimmt" sie schon. Diese merkwürdige Heranziehung der 4d Orbitale geschieht nur weil man sich sonst den Paramagnetismus (high-spin) nicht erklären kann. Aus Sicht der MO-Theorie ist das alles ausgemachter Unsinn.

Nachfolgend zwei vereinfachte MO-Schemata für den Hexafluoro- und den Hexaammino-Komplex des Cobalts. Links ist das offenschalige high-spin System (S=2) des Fluorido-Komplexes und rechts das low-spin (S=0) System des Ammino-Komplexes. In beiden Schemata wurden nur σ-Donor-Wechselwirkungen betrachtet. Wie du siehst kommt man auch ganz gut ohne 4d Orbitale aus ;-)

Bild

PS: ... aber ich weiß natürlich aus Erfahrung, dass man bei Prüfungen möglichst das wiedergibt was der Dozent gesagt hat, auch wenn's nicht ganz richtig ist. Wenn du weitere Fragen hast, immer gerne !
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Beitrag von guitar_player »

Alles klar, vielen Dank! Dann weiß ich woran ich mich orientieren muss :)

Danke!
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