Vanadylsulfat

Anorganische Chemie.

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aliquis
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Vanadylsulfat

Beitrag von aliquis »

Um einige der hier https://woelen.homescience.net/science/ ... %20sulfate beschriebenen Experimente durchführen zu können, habe ich mir eine wässrige Lösung von Vanadylsulfat hergestellt, indem ich stöchiometrisch passende Mengen von Vanadiumpentoxid in verdünnter Schwefelsäure unter Zugabe von Natriumsulfit, Erhitzen und Rühren umgesetzt habe. Ein Teil Vanadiumpentoxid blieb unreagiert zurück, als die grün-trübe Mischung kein Schwefeldioxid mehr in die direkte Umgebung verströmte (unbedingt draußen durchzuführen!). Ich filtrierte ab und verwendete das tiefblaue Filtrat dann für die besagten Experimente, was gut funktioniert hat.
Ich habe das Schwefeldioxid in situ generiert, um die wenig komfortable und - in anderen Fällen häufig - nicht sehr effektive Einleitung des Gases in die Mischung zu umgehen. Im Gegenzug hatte ich nun natürlich auch Natriumsulfat mit in der Mischung, was bei den weiteren Experimenten aber nicht störte. Für den Fall, dass ich irgendwann einmal weitgehend reines Vanadylsulfat gewinnen wollte, würde ich dafür dann wohl den Umweg über Bariumsulfit (statt Natriumsulfit) gehen, das nur Fremd-Ionen einträgt, die sich hinterher auch einfach wieder herausfiltrieren lassen.

Da am Ende noch gut die Hälfte der hergestellten Vanadylsulfat-Lösung übrig war, wollte ich mal schauen, ob sich daraus nicht ein paar Kristalle des tiefblauen Feststoffs gewinnen lassen. Also ließ ich die Lösung für einige Tage offen in der Kristallisationsschale stehen, um sie durch Verdunstung einzuengen. Meine Erfolgserwartungen hielten sich angesichts eines leicht wasserlöslichen und stark hygroskopischen Produkts, das zudem noch in leicht restschwefelsaurer Lösung vorliegt, dabei von vornherein in engen Grenzen und wurden dann auch erwartungsgemäß enttäuscht: am Ende blieb nur ein zähflüssiger dunkelblauer Blopp zurück, der sich weder weiter einengen ließ, noch Kristalle abscheiden wollte. Letzteres geschah auch nicht bei Zugabe von Ethanol, von welchem sich der Blopp weitestgehend unbeeindruckt zeigte: das Ethanol färbte sich nur leicht hellgrünlich und einige weiße Flocken (Natriumsulfat?) schwammen im Alkohol. Nach Abdekantieren des Brennspiritus ließ sich die zähe Masse mit Natronlauge zu einer braunen klaren Lösung umsetzen, die nach überschüssiger Zugabe von Schwefelsäure wieder die Farbe der ursprünglichen Vanadylsulfat-Lösung annahm (bzw. etwas heller aufgrund der nun größeren Verdünnung). Danach habe ich die entstandene Lösung im Sammelbehälter für Vanadium- und Eisen-III-Abfälle (zwecks späterer gemeinsamer Fällung übers Eisenhydroxid) final entsorgt.

Ich hätte auch die Kristallisation eines Doppelsalzes mit dem Natriumsulfat begrüßt, das hinsichtlich Wasserlöslichkeit und Hygroskopizität vorteilhaftere Eigenschaften als das reine Vanadylsulfat aufweist. Aber wie gesagt leider auch hierfür Fehlanzeige. Sind Vanadyl-Ionen überhaupt dazu in der Lage?

Hat hier schon mal jemand erfolgreich Vanadylsulfat als reinen Feststoff herstellen können? Und falls ja, dann wie?
Gern kann dabei auch ein Syntheseweg beschrieben werden, der meine experimentellen Möglichkeiten mutmaßlich überschreitet - interessieren würde es mich trotzdem. Danke im Voraus.
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mgritsch
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von mgritsch »

Ist noch auf der bucket list:
https://patents.google.com/patent/DE102014115081A1/en

Empfohlen wird 50% H2SO4 + Formaldehyd.
aliquis
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von aliquis »

Hm, gar kein schlechter Ansatz, ein Reduktionsmittel zu verwenden, dessen Oxidationsprodukt sich hinterher wieder aus der Mischung verflüchtigt. Schade nur, dass Formaldehyd so ein übles Karzinogen und 50 %ige Schwefelsäure ein beschränkter Ausgangsstoff ist...
Somit tatsächlich eher eine Angelegenheit für Profis... In situ-Erzeugung von Schwefeldioxid aus Bariumsulfit mit anschließender Abfiltration des entstehenden Bariumsulfats dürfte da wohl die hobbygängigere Methode bleiben. Die Konzentration der Schwefelsäure von 15 % schien mir bei der Herstellung das geringere Problem gewesen zu sein.
Haupthindernis bliebe für mich die Gewinnung des Feststoffs, für die wohl wieder mal eine Vakuumtrocknung erforderlich wäre.

Wie sieht es denn mit Alkali-Vanadyl-Doppelsulfaten aus? Kann sowas existieren? Und falls ja, weiß man etwas über deren Eigenschaften?
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von Glaskocher »

Bisher kenne ich Tuttonsche Salze nur mit einatomigen Kationen und nicht mit Metalloxo-Kationen.
aliquis
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von aliquis »

Naja, ein Tuttonsches Salz wäre es ja eh nicht, weil Vanadium hier vier- und nicht zweiwertig ist.
Doppelsulfate mit vierwertigen Metallkationen gibt es aber durchaus, z. B. Ammoniumcersulfat.
Ob Metalloxokationen das auch können, war genau die Frage. Mir ist dafür aber kein Beispiel bekannt. Aber vll. ja jemandem von Euch. :)
Ansonsten gehe ich auch davon aus, dass sowas tatsächlich nicht existiert - was schade ist, denn die Doppelsulfate sind ja in der Regel besser kristallisierbar, nicht hygroskopisch, verwittern oder oxidieren weniger.
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mgritsch
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Mittwoch 10. Mai 2023, 04:09 Schade nur, dass Formaldehyd so ein übles Karzinogen und 50 %ige Schwefelsäure ein beschränkter Ausgangsstoff ist...
es steht dir ja frei mit Alternativen zu experimentieren. Beispiele (anscheinend vor allem in der Patentliteratur) gibt es genug. Alkohol, Oxalsäure,... milde Reduktionsmittel gibt es genug und ob 15% reichen wird der Versuch zeigen.
aliquis
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von aliquis »

Also, in Kombination mit Natriumsulfit haben 15 % Schwefelsäure locker ausgereicht. Vll. könnte man stattdessen sogar auf eine konz. Natriumhydrogensulfat-Lösung ausweichen.
Ja, andere org. Reduktionsmittel wären auch eine Möglichkeit. Bei den Alkoholen entstehen letztlich aber auch wieder die Aldehyde, und sei es nur als Zwischenprodukt.
Synthesen sind bei mir ohnehin eher Mittel zum Zweck: sofern das Produkt in der weiteren Verwendung das bringt, was es soll, bin ich schon mehr als zufrieden. Zweckfrei stelle ich nur selten etwas her, es sei denn, der Syntheseweg an sich ist interessant, oder aber das Produkt hat außergewöhnliche Eigenschaften, wie z. B. besonders schöne Kristalle. Von daher wären die kräftig blauen Kristalle des Vanadylsulfats durchaus eine lohnende Resteverwertung gewesen. Aber was soll's? Die Experimente mit der wässrigen Lösung haben alle geklappt, also gibt's keinen Grund zum Jammern... :)
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mgritsch
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Mittwoch 10. Mai 2023, 19:56 Vll. könnte man stattdessen sogar auf eine konz. Natriumhydrogensulfat-Lösung ausweichen.
außer viel Na einbringen = großen Ärger wenn du ein kristallisationsfähiges Produkt willst dürfte das eher nichts bringen.
Bei den Alkoholen entstehen letztlich aber auch wieder die Aldehyde, und sei es nur als Zwischenprodukt.
ja und? die kristallisieren nicht aus bzw verflüchtigen sich.
Synthesen sind bei mir ohnehin eher Mittel zum Zweck: sofern das Produkt in der weiteren Verwendung das bringt, was es soll, bin ich schon mehr als zufrieden. [...] Von daher wären die kräftig blauen Kristalle des Vanadylsulfats durchaus eine lohnende Resteverwertung gewesen.
dann frage ich mich ein bisschen warum die Nachfrage...
aliquis
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von aliquis »

Naja, über ein paar schöne blaue Kristalle hätte ich mich schon gefreut. Daher die Nachfrage.
Ich hatte bei zweckfreien Synthesen auch mehr die Herstellung unspektakulärer weisser Pulver oder farbloser Flüssigkeiten vor dem geistigen Auge, für die man eigentlich keinerlei Nutzen hat, sie aber trotzdem aufwendig herstellt und sich in den Schrank stellt.
Auch bzgl. der potentiellen Existenz besser kristallisierbarer Doppelsalze hatte ich nachgefragt. Also ist eher mit dem Gegenteil zu rechnen? Natriumhydrogensulfat hatte ich bloß wegen der ausreichenden Säurestärke ins Spiel gebracht. Eine brauchbare Lösung sollte sich damit auch herstellen lassen. Wenn man Kristalle möchte und Natrium stört, dann natürlich eher nicht.
Ja, viele Aldehyde sind flüchtig, aber eben leider gleichzeitig auch krebserregend - eine ungute Kombination. Ethanol/Acetaldehyd würde ich mir im Freien noch gefallen lassen (wegen der vanadiumhaltigen Aerosole empfiehlt sich das Arbeiten dort ja ohnehin), bei Methanol/Formaldehyd wäre für mich der Spass aber vorbei.
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von mgritsch »

Also ich kann berichten dass Formaldehyd/H2SO4 ganz wunderbar geht und mit geringem stöch. Überschuss eine super tief blaue konzentrierte Lösung von Vanadylsulfat erzeugt.

Das irgendwie in einen Feststoff zu verwandeln ist aber mehr als challenging, das Zeug ist super hygroskopisch. Fällung mit Methanol geht, erzeugt einen feinen Niederschlag den man abnutschen kann. Der dann aber sogar im Vakuumexsi zerfließt (vermutlich Rest anhaftende H2SO4? Evtl mit besser nachwaschen und Trocknen über P2O5… )

Zusatz höherer Alkohole (EtOH, iProp) erzeugt nur eine klebrige Masse oder ein 2-Phasen-System. Zickiges Zeug :) am besten als Lösung bewahren.
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von aliquis »

Dass die Reduktion mit Formaldehyd funktionieren würde, daran hatte ich gar keinen Zweifel.
Meine Bedenken liegen eher beim gesundheitlichen Aspekt. Wie gehst Du damit um: Abzug/draußen/Gasmaske?
Und die Verwendung von nur 15 %iger Schwefelsäure hat offensichtlich auch keine Probleme bereitet, oder?

Reduktion mit Sulfit in saurer Lösung ging prima. Schwefeldioxid ist zwar auch nicht gesund, aber doch weit weniger problematisch bzw. praktisch harmlos, wenn man mit kleinen Mengen draussen arbeitet.
Mit der erhaltenen Lösung konnte ich alle vorgesehenen Experimente problemlos und erfolgreich durchführen. Inwieweit sie lagerfähig ist, kann ich nicht beurteilen, da alles, was ich nicht verbraucht habe, mittlerweile mit Eisenhydroxid gefällt und bis auf Weiteres platzsparend im Entsorgungsbehälter für schwermetallhaltige Feststoffabfälle zwischengelagert ist... Vanadylsulfat als reinen Feststoff zu gewinnen, habe ich mittlerweile aufgegeben. Das Bild bei Wikipedia, das aus dem Kabinett des Herrn Oelen stammt, zeigt auch ein ziemlich feuchtes Produkt.
Fällung mit Methanol behalte ich für andere Kandidaten, die darin schlecht löslich sind, aber bei Ethanol nicht so recht mitspielen wollen, mal im Hinterkopf.

Danke jedenfalls für den Erfahrungsbericht. :thumbsup:
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Re: Vanadylsulfat

Beitrag von aliquis »

Nachtrag der Vollständigkeit halber:

Oxalsäure als Reduktionsmittel funktioniert hervorragend.
Kein Fremd-Kation und kein lästiges Schwefeldioxidgas wie beim Alkalisulfit, kein volatiles Karzinogen wie beim Formaldehyd.
Ebenso wie beim Aldehyd verflüchtigen sich die Oxidationsprodukte, somit kann (bei quantitativ-stöchiometrischer Umsetzung) anschliessend nichts das Vanadylsulfat verunreinigen.

Vanadiumpentoxid wird seit kurzem als krebserregend eingestuft, Vanadiumverbindungen gelten schon seit längerem gemeinhin als mutagen. Es empfiehlt sich also, Schutzhandschuhe zu tragen und die Synthese draussen oder unterm Abzug durchzuführen. Aber auch ein dichter Wattepfropf im Kolbenhals hält etwaige gesundheits-schädliche Aerosole, die sich beim Erhitzen der Mischung ausbreiten können, bereits effektiv zurück. Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, trägt zusätzlich eine Partikelfiltermaske, wo es bei Anwesenheit von Vanadium staubt, sprüht oder dampft.
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