vor geraumer Zeit habe ich dieses Forum entdeckt, bislang nur als Gast mitgelesen und die eine oder andere Versuchsbeschreibung experimentell nachvollzogen. Gern wäre ich schon früher darauf gestoßen, dann wäre mancher Versuch vielleicht erfolgreicher abgelaufen, und auch manche Chemikalie hätte ich mir dann entweder eher selbst hergestellt oder aber anderweitig beschafft.
Da es mich nun schon ein paar Mal in den Fingern gejuckt hat, auf einen Beitrag zu antworten oder selbst eine Frage zu stellen, bin ich jetzt über meinen Schatten gesprungen und habe mich einfach mal angemeldet. Sehr angetan haben es mir die Vielfalt der Experimente, die hohe Professionalität in den Versuchsbeschreibungen und Forenbeiträgen, der gute Umgangston der Mitglieder untereinander und die Unabhängigkeit von finanziellen Interessen.
Zu meinem Hintergrund:
Ich bin Hobbychemiker. Bereits Mitte der achtziger Jahre habe ich dieses Hobby als Jugendlicher über die Experimentierkästen von Schuco entdeckt und über einen Schwenk hin zu den Anleitungsbüchern und Materialien von Kosmos intensiviert. Ich habe damals auch mit Unterstützung meines Chemielehrers zweimal am Wettbewerb Schüler experimentieren teilgenommen und letztlich mein Abitur mit 13 Punkten im Leistungskurs Chemie absolviert. Zeitweise habe ich damals mit dem Gedanken gespielt, Chemie zu studieren, mich dann (leider?) aber doch für eine andere Richtung entschieden. Nach im Grunde ebenfalls so langer Ausbildung stellte sich dann aber Mitte der 2000er Jahre heraus, dass weder in der Chemie noch in der dann tatsächlich von mir absolvierten Studienrichtung gut ausgebildete Akademiker in Deutschland gebraucht werden würden (dass sich das irgendwann für unser Land rächen würde, merkt man m. E. in den aktuellen Krisenzeiten mehr denn je!). Also stand ein Wechsel in der beruflichen Branche an. Das lief auch etwa 8 Jahre lang ganz gut, bis das Unternehmen, für das ich arbeitete, in einem internationalen Konzern aufging und absehbar war, dass es meinen Arbeitsplatz auf Dauer wohl irgendwann nicht mehr geben würde. Seitdem habe ich bereits in 3 weiteren Unternehmen meiner Branche übergangsweise Unterschlupf gefunden, bin aber nirgendwo mehr so ganz heimisch geworden wie zuvor.
Zurück zur Chemie: de facto ruhte mein altes Hobby zwischen Abitur und dem Jahr 2019, als ich es wiederentdecken sollte. Meine Laborutensilien von damals waren noch vorhanden (wenngleich auch verstaubt, teilweise verrostet und dringend update-bedürftig). Alles begann von Neuem, als mein damals 11-jähriger Sohn mich bat, doch mal ein paar Experimente von damals mit ihm gemeinsam zu wiederholen (ich war damals genauso alt, als es bei mir losging).
Was soll ich sagen: leider sprang der Funke auf meinen Sohn nicht richtig über (Chemie ist leider sogar sein schwächstes Fach in der Schule), aber um mich war es erneut geschehen!
Erfreulicherweise zeigt aber meine 9-jährige Tochter durchaus Interesse und wir haben schon zahlreiche altersgerechte Versuche gemeinsam durchgeführt. Interessant, dass es dazu ja mehrere Parallelen bei anderen Mitgliedern hier im Forum gibt! Im Stillen hoffe ich ja, dass das bei meiner Tochter noch ausbaufähig ist, sie sich mit zunehmendem Alter (wenn dann auch die spannenderen Experimente möglich sind) vielleicht noch immer ähnlich begeistert zeigt und irgendwann eigenverantwortlich damit umgehen kann, so wie ich damals. Die materiellen Voraussetzungen dafür wären jedenfalls vorhanden.
Aufgrund beruflichen Unausgefülltseins habe ich dieses Hobby in der Folge seitdem recht intensiv betrieben und bestimmt schon etwa 1.000 Experimente durchgeführt. Ein wahres Durchhalte-Elixier gegen den beruflichen Frust und die Corona-Lockdown-Depression!
Mein Hobbylabor habe ich mittlerweile massiv aufgestockt und bewege mich dabei etwa auf dem Ausstattungsniveau, wie es etwa bei Waselowsky, 225x Chemie vorgeschlagen wird (hinsichtlich der Gerätschaften, bei der Chemikaliensammlung wohl auch deutlich darüber) – im Übrigen damals wie heute eines meiner Lieblings-Experimentierbücher.
Leider stoße ich mittlerweile räumlich und auch finanziell an die Grenzen des mir noch Möglichen und habe dahingehend auch keine weiteren Ausbaumöglichkeiten. Damit verbunden liegt der Schwerpunkt meines Hobbies eher auf der anorganischen Chemie. Für die Vielfalt der organischen Chemie fehlt es mir schlichtweg an Zeit (oft langwierige und komplizierte Synthesen) sowie an Platz und Geld für die dann erforderlichen Gerätschaften und Chemikalien.
Im Vordergrund stehen machbare Anschauungsversuche, Analysen und Synthesen – letztere aber nur insoweit die Produkte für mich besonders attraktiv und/oder vor allem auch weiterverwendbar sind. Für eine Sammlung von Stoffen, für die ich anschließend keine weitere Verwendung mehr habe, habe ich in meinen Schränken leider keinen Platz mehr.
Weil ich über keinen Abzug verfüge und auch gar keine Einbaumöglichkeit hätte, muss ich notgedrungen viele Versuche ins Freie verlagern und bin demgemäß immer auch ein bisschen auf Beständigkeit beim norddeutschen Wetter angewiesen (was in den vergangenen 3 Jahren ja erfreulicherweise überdurchschnittlich häufig der Fall war).
Da ich mich als ohnehin überaus umsichtig einschätze, habe ich unter Anwendung von persönlicher Schutzausrüstung, dem Grundprinzip des kleinstmöglichen Mengenansatzes, Substitutionsabwägungen und umweltgerechten Entsorgungsmöglichkeiten eigentlich nur wenig Berührungsängste mit den erforderlichen Chemikalien. Bei einigen Substanzen habe ich mich trotzdem bewusst gegen den Besitz/Umgang entschieden, weil die Risiken nicht zu den Schutzmöglichkeiten meines Heimlabors passen, z. B. bei Cyaniden, Quecksilber-, Cadmium-, Arsen-Verbindungen sowie Phosphorwasserstoff wegen ihrer extremen Giftigkeit, ebenso wie bei flüchtigen Kanzerogenen wie Chromylchlorid, Benzol, Formaldehyd und den niederen Halogenkohlenwasserstoffen.
Persönliches Hadern empfinde ich angesichts der aktuell gültigen Chemikaliengesetzgebung. In meinen damaligen Anfängen erntete man als NaWi-interessierter Jugendlicher noch Anerkennung. Heute gerät man als argloser Hobbychemiker fast automatisch unter Verdacht, Bombenbastler oder Drogenkoch zu sein, wenn man mal irgendwo einen „Gefahrstoff“ kaufen will…
Andererseits bin ich aber auch froh darüber, wie leicht man heute übers Internet an seine Laborausstattung kommen kann. Früher war es so, dass man einfach nicht bekam, was nicht in der Kosmos-Ersatzteilvitrine des Spielzeugladens lag bzw. was einem die Drogerie bzw. Apotheke des Vertrauens in der nächstgelegenen Stadt, der Fotolaborausstatter im Dorf (ja, früher gab es sowas noch) oder in letzter Instanz der eigene Chemielehrer nicht besorgen oder (selbst mit schriftlicher elterlicher Erlaubnis) nicht aushändigen wollte. Heute bekommt man im Internet fast alles, dafür in der Apotheke fast gar nichts mehr. Und auch die finanziellen Möglichkeiten waren mit dem elterlichen Taschengeld damals natürlich auch beschränkter als heute mit dem eigenen selbstverdienten Geld. Tja, welche Zeiten letztlich nun die besseren sind, muss jeder selber entscheiden.
Ich bin eigentlich laufend auf der Suche nach mir noch nicht bekannten Versuchsanleitungen. Hier mal eine kleine Auswahl von Sammlungen, die ich schon weitestgehend „durch“ habe (zumindest hinsichtlich derjenigen Experimente, für die ich ausgestattet bin, die mich zur Nachahmung reizten – und für Privatpersonen heutzutage gesetzlich noch erlaubt sind):
- Versuchsanleitungen: Schuco Profilab, Kosmos Erlebte Chemie, C1, C2, C2000 und C4000
- Bücher: Römpp/Raaf, Chem. Experimente mit einfachen Mitteln sowie Organ. Chemie im Probierglas; Waselowsky 225x Chemie; Hausler/Rampf 270 chem. Schulversuche; Wagner/Kratz, Chemie in faszinierenden Experimenten; Schmidt/Kunz, Chem. Freihandversuche
- Online-Sammungen: Versuchschemie, Experimentas, Prof. Blumes Bildungsserver, Internet-Chemie.info, Chem-Page, Axel Schunk, Lambda-Syn, woelen-homescience.net und nicht zuletzt illumina-chemie
- YouTube: Random Experiments, Beauty of Science, Chemplayer, vibzz lab, Rhodanide, Allchemistry, Hegelrast, Science Skool, Nurdrage, Nilered, Chemical Force, Thoisoi2
Wenn jemand von Euch noch einen weiteren guten Tipp hat: nur her damit!
Achja, und bevor ich es vergesse: ein kleines angemeldetes Nebengewerbe hat sich aus meinem Hobby auch ergeben: künstlerisch-chemische Bearbeitung von metallischen Gegenständen (durch Ätzen, Eloxieren oder Galvanisieren) und deren Verkauf. Hier probiere ich momentan aber nach wie vor erst noch viel aus und bin – auch aufgrund der Pandemie (es gibt ja derzeit keine Kunsthandwerkermärkte, auf denen man seine Produkte dahingehend feilbieten und somit auf Kundeninteresse/Absatz erproben könnte) – am Markt leider noch wenig präsent.
Des Weiteren überlege ich auch, im Laufe des kommenden Jahres vll. einen Experimente-Kanal bei YouTube zu eröffnen und ebenfalls als Gewerbe anzumelden. Aber dazu fehlt es mir derzeit noch an fast allem: das Know-how über die Rahmenbedingungen, die Anbietererfahrung mit diesem Medium selbst sowie nicht zuletzt die passende Video-Ausrüstung. Vll. versuche ich es besser doch erst einmal ganz ohne Werbeeinnahmen mit einer einfachen Versuchsanleitung in diesem Forum…
In diesem Sinne: auf ein gutes und inspirierendes Miteinander!
P.S.: Nicht nur mein altes Heimlabor, sondern auch mein Schul-Englisch war in den vergangenen Jahrzehnten schon ziemlich angestaubt. Man wundert sich aber, wie schnell sich das wieder auffrischt, allein dadurch, dass man sich öfter mal auch mit englisch-sprachigen Versuchsanleitungen aus dem Internet befasst.