War klar dass diese etwas provokante Ansage Widerspruch erregt
Und natürlich kann/muss man es differenzierter sehen. Selbstverständlich gab es auch in der Antike bereits herausragende Leistungen in Wissenschaft und Technik. Allerdings - wo und in welcher Frequenz und unter welchen Rahmenbedingungen?
Fakt ist, dass im Nahen und Fernen Osten bereits Mathematik und Astronomie auf hohem Niveau betrieben wurde während wir in Mitteleuropa noch bloßfüßig im Kuhdung herumstapften und vor allem mit Beten oder Köpfe einschlagen (teils abwechselnd, teils gleichzeitig) beschäftigt waren. Fakt ist auch, dass es früher eher vereinzelte Jahrhundert-Erscheinungen und isolierte Exponenten waren, die teils für ihre Arbeit sogar schwerstens angefeindet wurden - just der zitierte Galiei wurde dafür prominent von der Inquisition gepiesackt... eine akzeptierte Kultur der Wissenschaft und Vernunft gab es aber definitiv nicht - darauf gründet mein Infragestellen ob man das schon als "Zivilisation" bezeichnen dürfe. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, sagt man. Hätte das 20. Jahrhundert gerade mal 2 oder 3 Köpfe wie Einstein (um einen zu nennen...), ich würde immer noch in Frage stellen ob das schon "Zivilisation" wäre. Fotos wie dieses sind es, die ich als prägend für unser Zeitalter empfinde und die mich emotional sehr ansprechen - da wäre ich
wirklich gerne dabei gwesen:
Vergleichbares gab es zB auch in der Mathematik, geprägt von Hilbert als führendem Kopf -
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der ... 900,_Paris
Der gesellschaftliche Umbruch und kulturelle Wandel auf breiterer Basis der all das erst ermöglichte begann (in unseren Breiten) nun mal erst mit der Aufklärung, das ist schon so (gut, das Hobby mit dem Köpfe ein- und abschlagen das brauchte noch ein wenig bis wir uns das mal einigermaßen abgewöhnt haben...).
Was die Chemie im speziellen betrifft würde ich auch sehr differenzieren - dass man auch früher zufällig mal Elemente entdeckte (ohne es zu wissen) und Metalle schon in der Antike erschmelzen konnte, dass man zwischen unzähligen haarsträubenden Hokuspokus-Ansätzen auch mal ein wirksames Medikament fand, das würde ich eher in der Kategorie "ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn" sehen. Was Alchimisten damals trieben hatte mit Wissenschaft so viel zu tun wie heute die Esoterik. Dogmen und Glaube statt Fakten als Basis, Geschäft statt Erkenntnis als Treiber - eine unheilvolle Verbindung. Einen Grundstock sehe ich darin allenfalls insofern, als es für die Chemiker späterer Zeit (die sich dann schon so nenen dürfen

) eine schöne Beschäftigung war das aufzuarbeiten und erklären zu können.
Wohl gemerkt - es geht dabei nicht um die
(absolute) Richtigkeit der Modelle dieser Zeit, denn sonst hätte man selbst um 1900 mit dem damaligen Atommodell noch so seine große Not. Und mir ist auch klar dass man recht wahrscheinlich in 100 oder 300 Jahren milde lächelnd auf unser derzeitiges Erkenntnis-Niveau blicken wird. Nicht die einzelnen Erkenntnisse Lavoisiers machen ihn zum Begründer der heutigen Chenmie, sondern die Systematik (die wohl erstmalig diesen Namen verdiente) die er in die wissenschaftliche Arbeit eingebracht hatte. Das ganze war so nur möglich weil es einen großen Umbruch gab, weil Klerus und Absolutismus auf einmal auf breiter Basis in Frage gestellt wurden, ich würde generell sagen:
weil auf einmal Fragen gestellt werden durften! Und so finde ich es angemessen, meine Zeitrechnung erst in etwa mit der Epoche seines Wirkens beginnen zu lassen und alle vor ihm (Ausnahmen die ihr sicher herbeizitieren werdet bestätigen wohl die Regel...

) ins Reich der Alchimisten zu verbannen.