Synthese von Tropäolin OOO1

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mgritsch
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Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von mgritsch »

Synthese von Tropäolin OOO1
α-Naphtholorange, Acid Orange 20, Orange I, Tropäolin OOO1, Natrium-4-[1-hydroxy-4-naphthyl)diazenyl]benzolsulfonat, C.I. 14600, [523-44-4]


Die Bezeichnung α-Naphtholorange ist nicht eindeutig - sie wird anscheinend auch für den Lebensmittelfarbstoff Orange GGN verwendet, was inhaltlich jedoch keinen Sinn macht, da dieser aus Kupplung von Sulfanilsäure mit 2-Naphthol-6-Sulfonsäure erhalten wird.

Tropäolin OOO1 ist ein einfacher, aber erstaunlich wenig bekannter und verbreiteter Diazo-Farbstoff und pH-Indikator, der im Bereich pH 7,6–8,9 von gelb zu rot umschlägt. Der Farbumschlag ist ähnlich wie bei Methylorange (nur umgekehrt von gelb nach rot mit steigendem pH), so dass ggf. ein "Screening" des Indikators mit Methylenblau oder einem anderen blauen Farbstoff Sinn macht, um den Kontrast zu erhöhen.


Geräte:

Becherglas, Filternutsche, Magnetrührer, Eismaschine (Alternativ: Eisbad)


Chemikalien:

SulfanilsäureWarnhinweis: attn
1-NaphtholWarnhinweis: tWarnhinweis: cWarnhinweis: n
NatriumnitritWarnhinweis: oWarnhinweis: tWarnhinweis: n
NatriumhydroxidWarnhinweis: c
SalzsäureWarnhinweis: cWarnhinweis: attn
Natriumchlorid
Tropäolin OOO1


Durchführung:

In einem 150 ml Becherglas wurden 8,7 g (50 mmol) Sulfanilsäure vorgelegt und mit 2 g NaOH (50 mmol) und 50 ml dest. Wasser aufgelöst. Sobald sich die Sulfanilsäure aufgelöst hatte, üwurden 3,45 g (50 mmol) Natriumnitrit zugegeben, ebenfalls aufgelöst und die Lösung in einer Eismaschine, die mit einer Wasser/Glykol-Mischung als Kühlbad betrieben wurde, auf < 0 °C gekühlt.

Nun wurden 10,2 ml konz (10 mol/l) HCl mit einem kleinen Stück Eis in einem Becherglas vorgekühlt und unter kräftigen Rühren in die Lösung mit der Sulfanilsäure gegeben. Dabei bildet sich rasch das schwerlösliche, weiße Diazoniumsalz der Sulfanilsäure. Zur Vervollständigung der Reaktion wurde noch ca. 10 Min. unter Kühlung weiter gerührt.

Inzwischen wurde eine zweite Lösung vorbereitet indem 7,2 g (50 mmol) 1-Naphthol und 3 g (75 mmol) NaOH in ca 50 ml Wasser unter Zugabe von etwas Eis aufgelöst wurden. Die Suspension des Diazoniumsalzes wurde unter gutem Rühren in die 1-Naphthol-Lösung gegeben und noch ca 1 Stunde weiter gerührt wobei die Temperatur auf Raumtemperatur anstieg.

Durch die Ausfällung des Farbstoffs im alkalischen wurde die Lösung bald sehr dickflüssig und erstarrt fast wie Pudding indem sogar der Glasstab stecken blieb. Durch vorsichtiges Neutralisieren bzw. Ansäuern mit Salzsäure konnte das Produkt in eine besser fällbare und rührbare Form gebracht werden. Zur Vervollständigung der Fällung wurden noch ca. 15 g Natriumchlorid zugegeben.

Das Produkt wurde abgenutscht, mit Wasser nachgewaschen und erst an der Luft, dann im Vakuumexsiccator getrocknet.

Ausbeute: 14,6 g (83,4 % d.Th.) eines rotbraunen Pulvers.


Entsorgung:

Abfälle kommen zu den halogenfreien organischen Abfällen.


Erklärung:

Sulfanilsäure wird im sauren mit Natriumnitrit diazotiert und kuppelt mit 1-Naphthol zum Produkt:
Mech.png


Bilder:

IMG_8838.JPG
Eine haushaltsübliche Eismaschine kann hervorragend als Kühlbad für Reaktionen bei tiefer Temperatur genutzt werden. In der Kühleinheit ist ein kleines herausnehmbares Eimerchen das man zu ca. 2/3 mit einer Waser/Glykol-Mischung füllt. Vor Beginn der Reaktion kühlt man das Gerät im normalen "Eis-Modus" unter Nutzung des im Deckel eingebauten Rührwerks vor. Ist eine ausreichend niedrige Temperatur erreicht, schaltet man auf den "Kühl-Modus" und arbeitet ohne den Deckel weiter, das Kühlaggregat läuft weiter.

Ein Becherglas kann mithilfe eines passend zurechtgeschnittenen Schaumstoff-Rings stabil festgehalten werden. Der Schaumstoffring ist gleichzeitig eine sehr gute Isolierung, hält Kondenswasser fern und man kann bequem einen Temperaturfühler durchstecken, um die tatsächliche Badtemperatur zu überwachen. Da der Boden an der Stelle nur dünn ist, kann das Gerät auch einfach auf einen Magnetrührer gestellt werden - zumindest für nicht allzu schwer rührbare Flüssigkeiten kann ein Ansatz so auch durch den Boden hindurch gerührt werden.

IMG_8839.JPG
Blick von oben - das Becherglas mit dem diazotierten Ansatz steckt stabil fest, kann aber jederzeit leicht entnommen werden. Die Bedeckung mit dem Uhrglas isoliert den Inhalt ebenfalls.

IMG_8841.JPG
Umsetzung des Diazonium-Salzes mit 1-Naphthol: die Konsistenz wird dermaßen dick, dass ein Glasstab darin wie in Pudding feststeckt.

IMG_8844.JPG
Nach dem Ansäuern kann das Produkt problemlos abgenutscht werden.

IMG_8843.JPG
Farbenspiel des Indikators: links pH 4 / 7 / 10 - Umschlag von gelb zu rot. Rechts daneben im Vergleich: der mit einer kleinen Menge Methylenblau "gescreente" Indikator hat einen kontrastreicheren Umschlag von grün nach violett.


Literatur:

https://dewiki.de/Lexikon/Trop%C3%A4olin
https://en.wikipedia.org/wiki/Acid_orange_20
aliquis
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Re: Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von aliquis »

Bild 2: Was sind das für dunkle Spuren im Eis und am Becherglasrand?

Hast Du die Maschine eigens fürs Labor ausgemustert?
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mgritsch
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Re: Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Montag 5. September 2022, 21:55 Bild 2: Was sind das für dunkle Spuren im Eis und am Becherglasrand?
Das ist kein Eis sondern Schaumstoff. Und die Spuren sind vom Filzstift mit dem ich die Umfänge abgemalt habe damit es perfekt maßgenau hinein passt und das Becherglas gut hält :) Naja, könnte man mit etwas Ethanol auch abwaschen…
Hast Du die Maschine eigens fürs Labor ausgemustert?
Mitnichten!
Eigens dafür angeschafft! :angel:
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Re: Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von aliquis »

Stand der Abschnitt über den Schaumstoff vorhin auch schon in der Beschreibung? Muss ich einfach überlesen haben...
Spätestens bei den "150" im Foto hätte ich ja stutzig werden können... Da hatte ich wohl mal wieder meinen Tag des flüchtigen Blicks... :oops:

Habe gerade mal nach Eismaschinen geschaut: bei 150 Euronen geht's mit den Dingern los - nun gut, musst uns jetzt halt noch ein paar mehr Diazos zeigen, dann lohnt sich das auch... :wink:
Hauptsache, keine gemeinsame Nutzung mit der Küche... 🤢
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lemmi
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Re: Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von lemmi »

"Cool down" :lol:

Ein einfaches Kältebad mit zerstoßenem Eis und ggf Kochsalz wird es auch tun. Ich habe mit so einer Anordnung 10 Sunden lang Temperaturen unter -5°C gehalten um Diammin diaquodichlorokobalt(III)-hydrogensulfat (Präparat No. 18) zu synthetisieren. Muss man halt gelegentlich nachfüllen.
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mgritsch
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Re: Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Dienstag 6. September 2022, 10:46 Ein einfaches Kältebad mit zerstoßenem Eis und ggf Kochsalz wird es auch tun.
für die Zwecke auf jeden Fall! Auch normales Eis tut es.
Ich habe mit so einer Anordnung 10 Sunden lang Temperaturen unter -5°C gehalten um Diammin diaquodichlorokobalt(III)-hydrogensulfat (Präparat No. 18) zu synthetisieren. Muss man halt gelegentlich nachfüllen.
Das hat mich persönlich immer gestört. Das dauernde Nachfüllen von Eis und wegleeren von Wasser, Eiswürfel wie sie ein Gefrierfach ausspuckt statt zerstoßenes sind auch nicht optimal mit Salz mischbar, viel mehr als 1 Stunde hält es nicht dann ist schon mehr Wasser als alles andere da, triefendes Kondenswasser... Okay, man könnte einen entsprechenden Dewar odgl benutzen statt einer einfachen Schüssel, dann hält's länger.

Wie auch immer, beim Diskonter in Aktion zum Saisonende kostet so ein Maschinchen nicht mal die Hälfte von dem was aliquis da gefunden hat und Temperaturen bis -15 ° sind damit jederzeit "auf Knopfdruck" bequem herstellbar, die Größe und das Handling sind optimal (im Eisbad ist mitunter die Frage ob sich der Rührer oder das Glas dreht :P ). Ist einfach eine Anregung wie man kaltes Arbeiten komfortabler gestalten kann, aber wer nicht will der hat wohl schon :)
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lemmi
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Re: Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von lemmi »

Wenn man häufiger bei Minustemperaturen arbeiten will, und noch dazu vielleicht eine bestimmte Temperatur halten muss, ist das ganz sicher eine gute Option! :)
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Re: Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von aliquis »

Also, ich habe auch nicht behauptet, dass es ein unnützes Tool sei. Mir würde es dafür eher sowohl an Geld als auch an Platz im Labor fehlen. Und gut möglich, dass mir davor ein paar andere Dinge fürs Labor einfielen, die ich mir dann für 75 bis 150 Euro noch lieber anschaffen würde.
Wie wäre es denn stattdessen mit sowas fürs Eisbad: www.amazon.de/Relaxdays-wiederverwendba ... th=1&psc=1
Das muss man zwischendurch zwar auch austauschen, verwässert aber wenigstens nicht, ist günstiger, braucht weniger Platz - und Strom... 😉
Stelle ich mir die Dauereiswürfel auch sehr praktisch fürs Kühlwasser bei Destillationen vor. Nur eine Kältemischung mit Salz wird damit wohl nicht klappen...

Bei den Synthesen von Fremys Salz und Magneson bin ich auch mit dem herkömmlichen Eisbad ausgekommen.
Wenn man natürlich öfter mal über mehrere Stunden oder gar über Nacht die Temperatur halten muss, ist die Eismaschine eine gute Lösung.
Ist ja derzeit eher die Frage, wie lange wir in Mitteleuropa noch 24 Std. am Tag durchgängig Strom haben. O.k., dann haben wir auch ein Problem mit herkömmlichen Gefrierschränken - und nicht nur das... Habe daher zur Krisenvorsoge erstmal Geld (280 Euro) in einen benzinbetriebenen Stromerzeuger (6500 W) investiert. Da muss das Labor jetzt eh wieder eine Weile zurückstehen...
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Re: Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Dienstag 6. September 2022, 15:17 Wie wäre es denn stattdessen mit sowas fürs Eisbad:
Halte ich nicht so viel davon. Viel Plastikmüll nur um Wasser in Form zu halten, fast als würde man eine Banane noch mal in Plastik einpacken. Um eine Zeit lang auszukommen und genug Nachschub zu haben müsstest du viele davon (gekühlt) vorrätig haben. Für Getränke wirst du sie wohl kaum parallel nutzen wollen wie ich dich kenne :)

Für Getränke sind sie IMHO auch generell keine tolle Alternative. Der verdünnende Effekt ist durchaus erwünscht und macht den Whisky zarter und den Cocktail weniger heftig.
aliquis
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Re: Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von aliquis »

Fürs Destillationskühlwasser habe ich tatsächlich schon mal über diese Plastikeiswürfel nachgedacht. Die Mengen, die man dafür an Eis braucht, kann ich nicht im Gefrierschrank selbst herstellen (mit den 12 Stück aus dem "Förmchen" kommt man nicht weit...) - heißt bislang also kaufen.
Im Lebensmittelbereich würde ich die Plastikdinger nicht nutzen: Whiskey trinke ich nur pur und bei RT, bei Cocktails... kommt's auf den Cocktail an... Grundsätzlich mag ich aber lieber gut vorgekühlte "Edukte" als diese Verwässerei... Außer Haus (wenn denn mal...) bestelle ich mir ohnehin soweit möglich und sinnvoll alles ohne Eis, weil ich dem anderswo mikrobiologisch nicht zu 100 % vertraue...
Crushed ice für den Caipi oder fürs Eisbad wird bei mir noch per Hand hergestellt: Brett und Fleischklopfer, Eiswürfel in den Gefrierbeutel, zudrehen und los geht's... (pure Gewalt... :wink: ).
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Re: Synthese von Tropäolin OOO1

Beitrag von lemmi »

EDIT by lemmi: korrekturgelesen und verschoben
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